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Melderegisterauskunft an Rechtsanwalt per Nachnahme?

Verwaltungsgericht Hamburg

Az.: 3 VG 1319/2000

Urteil vom 15.9.2000


Leitsatz (nicht amtlich!):

Darf die Meldebehörde einem Rechtsanwalt eine Melderegisterauskunft, für die er keine Vorauszahlung geleistet hat, per Nachnahme zustellen? Nein!


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem er zur Zahlung von Nachnahmegebühren herangezogen wird, und begehrt zugleich deren Erstattung.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar in Hamburg. Ende Dezember 1999 beantragte er bei der Beklagten eine Melderegisterauskunft. In seinem Antragsschreiben wies der Kläger darauf hin, daß die Auskunftsgebühr ihm aufgegeben werden könne.

Die Beklagte erteilte die ersuchte Auskunft aus dem Melderegister mit Schreiben vom 7.1.2000, welches dem Kläger per Postnachnahmesendung übersandt wurde. Die Kosten der Nachnahmesendung beliefen sich auf insgesamt DM 11,50, wobei auf die Gebühr für die Auskunftserteilung DM 5,00 und auf die Auslagen für die Post DM 6,50 entfielen.

Der Kläger erhob gegen die Festsetzung der Nachnahmegebühr Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.2.2000 zurückwies: Rechtsgrundlage für die streitige Gebührenfestsetzung sei § 2 GebG i.V.m. Ziff. 1.5 der Gebührenordnung für Melde- und Ausweisangelegenheiten. Danach seien bei der Erteilung von Melderegisterauskünften die über die einfache Briefgebühr hinausgehenden Postgebühren als besondere Auslagen zu erstatten. Daß auch Postnachnahmegebühren erstattungsfähig seien, habe das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 22.3.1979 – VII C 65.75 – anerkannt. Da dem Auskunftsersuchen des Klägers kein anerkanntes Zahlungsmittel – scil. Bargeld, Scheck oder Postscheck – beigefügt gewesen sei, habe sie – die Beklagte – die Gebühren zu Recht per Nachnahme eingezogen. Von einer Festsetzung der Gebühr per Gebührenbescheid sei vorliegend Abstand genommen worden, weil diese Erhebungsweise nicht sinnvoll gewesen sei. Die Kosten, die durch die Erstellung eines Gebührenbescheides erständen wären, hätten nämlich die Gebühr für die Auskunftserteilung in Höhe von DM 5,00 bei weitem übertroffen. – Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 6.3.1999 zugestellt worden.

Mit seiner am 3.4.2000 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er meint, vor dem Hintergrund, daß die Gebühr für eine Auskunftserteilung aus dem Melderegister DM 5,00 betrage, erscheine es willkürlich und rechtsmißbräuchlich, diese Gebühr im Postnachnahmeverfahren, das weitere Kosten in Höhe von DM 6,50 ausgelöst habe, einzuziehen.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 7.1.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.2.2000 hinsichtlich der Erhebung einer Nachnahmegebühr aufzuheben und die Beklagte zur Erstattung der verauslagten Nachnahmegebühr zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bezieht sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Sachakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung kann ergehen, obgleich der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn er ist unter Einhaltung der Ladungsfrist gemäß § 102 Abs. 1 VwGO zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei darauf hingewiesen worden, daß bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage führt zum Erfolg. Der mit der Anfechtungsklage angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die daran anknüpfende Leistungsklage auf Erstattung der bereits entrichteten Nachnahmegebühr ist ebenfalls begründet (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Im einzelnen ist folgendes auszuführen:

1. Die Beklagte war nicht berechtigt, vom Kläger im Zusammenhang mit der erteilten Auskunft aus dem Melderegister Nachnahmegebühren einzufordern.

Nach § 1 Abs. 1 GebG hat die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Gebühren und Zinsen sowie auf die Erstattung von Auslagen. Die Erstattung von Auslagen ist in § 5 GebG geregelt, wobei in § 5 Abs. 1 GebG bestimmt ist, daß mit der Gebühr alle den Behörden entstehenden Kosten mit Ausnahme der besonderen Auslagen abgegolten sind. Entstehen der Behörde für die Erbringung der gebührenpflichtigen Leistung Auslagen, so kann sie diese zusätzlich zu der Gebühr nur erheben, wenn diese Auslagen den besonderen Auslagen im Sinne des § 5 Abs. 2 GebG zuzurechnen sind. Vorliegend sind zwar die streitgegenständlichen Nachnahmegebühren als unter § 5 Abs. 2 GebG zu subsumierende besondere Auslagen, die grundsätzlich neben der Gebühr erhoben werden dürfen, anzusehen. Sie erweisen sich nämlich als im Sinne des § 5 Abs. 2 Ziffer 2 GebG Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen über 5,– DM im Einzelfall. Dennoch war die Beklagte im konkreten Einzelfall nicht berechtigt, vom Kläger Nachnahmegebühren zu verlangen.

Die Geltendmachung besonderer Auslagen steht unter dem – im Gebührengesetz nicht ausdrücklich formulierten – Vorbehalt, daß die in Rede stehenden besonderen Auslagen in keinem auffallenden Mißverhältnis zu der Gebühr stehen. Dies folgt jedenfalls aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, läßt sich aber auch aus dem Regelungswerk des Gebührengesetzes selbst ableiten. So heißt es in § 5 Abs. 2 Nr. 5 GebG, daß besondere Auslagen (nur) die Kosten sind, die durch die „notwendige“ Hinzuziehung Dritter bei der Vornahme von Amtshandlungen entstehen. Dieser Vorbehalt der „Notwendigkeit“ der Hinzuziehung Dritter, der ausdrücklich lediglich Aufnahme in die eine Art Generalklausel bildende Ziffer 5 des § 5 Abs. 1 GebG gefunden hat, ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch auf die Geltendmachung von Nachnahmegebühren, die von § 5 Abs. 2 Ziffer 1 GebG erfaßt wird, zu übertragen.

Darüber hinaus zeigen auch die Vorschrift des § 6 Abs. 1 GebG und die in ihr formulierten Grundsätze die besondere Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Bereich des Gebührenrechts auf. In § 6 Abs. 1 Satz 3 GebG ist nämlich ausdrücklich bestimmt, daß die Höhe der Gebühr nicht in einem Mißverhältnis zu der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen einer Amtshandlung oder Benutzung für den Gebührenpflichtigen stehen darf. Diese Grenze, die durch die Gebührenerhebung nicht überschritten werden darf, gilt zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich für die Gebührenerhebung selbst. Auch müssen die Erhebung von Gebühren und die Geltendmachung von besonderen Auslagen nicht zwangsläufig denselben Regeln folgen. Aus dem Umstand aber, daß im Gebührengesetz eine dem § 6 Abs. 1 Satz 3 GebG entsprechende explizite Bestimmung im Hinblick auf die besonderen Auslagen fehlt, darf nicht geschlossen werden, daß die Grenze des Mißverhältnisses zwischen Kosten der Amtshandlung einerseits und besonderen Auslagen andererseits keine Geltung beansprucht. Wäre nämlich der in § 6 Abs. 1 Satz 3 GebG niedergelegte Grundsatz nicht in das Gebührengesetz aufgenommen, so ergäbe sich seine Geltung unmittelbar aus Art. 20 Abs. 3 GG. Nicht anders kann es sich deshalb hinsichtlich der Geltendmachung von besonderen Auslagen verhalten.

Das erkennende Gericht verkennt in diesem Zusammenhang nicht, daß das von der Beklagten praktizierte Nachnahmeerhebungsverfahren der Sicherung und Beschleunigung des Kosteneingangs dient. Diesem Gesichtspunkt kommt deshalb vor dem Hintergrund, daß der Gebührentatbestand der einfachen schriftlichen Melderegisterauskunft (Nummer 1.1.1 der Gebührenordnung für Melde- und Ausweisangelegenheiten) lediglich einen Gebührensatz in Höhe von DM 5,– bedingt und daß die Amtshandlung der Melderegisterauskunft einen Zeitaufwand von nur 3 Minuten beansprucht, vor allem eine erhebliche haushaltsrechtliche Bedeutung zu. Verwaltungsökonomische Aspekte vermögen daher durchaus grundsätzlich in der Lage zu sein, die Übung der Gebührenerhebung im Nachnahmeverfahren zu tragen, sofern der Gebührenschuldner nicht eine Vorauszahlung im Wege des Verrechnungsschecks oder von Wertscheinen geleistet hat. Allerdings bedarf die Frage, ob die Verwaltungspraxis der Gebührenerhebung im Nachnahmeverfahren generell mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist, in diesem Verfahren keiner vertieften und abschließenden Erörterung. Das erkennende Gericht hält jedenfalls dafür, daß die Beklagte in bezug auf den Kläger nicht berechtigt war, anläßlich der von ihm beantragten Auskunft aus dem Melderegister Nachnahmegebühren einzufordern.

Der Kläger ist als Rechtsanwalt und Notar Organ der Rechtspflege und als solches in besondere Weise an Recht und Gesetz gebunden. Diese besondere Stellung des Rechtsanwalts und Notars hat in verschiedenen gesetzlichen Vorschriften eine besondere Ausprägung erfahren. So zeigt insbesondere das in behördlichen und gerichtlichen Verfahren praktizierte System der Zustellung von Schriftstücken und Entscheidungen an Rechtsanwälte und Notare durch Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG), daß dieser Personenkreis aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Stellung einen besonderen Vertrauensvorschuß genießt. Nichts anderes kann indes nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts im Bereich des Gebührenrechts Geltung beanspruchen. So wie Behörden und Gerichte darauf vertrauen, daß Rechtsanwälte und Notare den Empfang von Schriftstücken, Urkunden und Entscheidungen wahrheitsgemäß bescheinigen, muß auch die Beklagte im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Melderegisterauskunft im Grundsatz davon ausgehen, daß Anwälte und Notare die Gebühren für Auskünfte aus dem Melderegister unverzüglich und ohne besondere Aufforderung entrichten. Dies gilt um so mehr, wenn – wie hier – der um eine Melderegisterauskunft nachsuchende Rechtsanwalt zudem ausdrücklich erklärt hat, die Gebühr könne ihm aufgegeben werden. Angesichts des Umstandes, daß das von der Beklagten verwandte Formular für die Melderegisterauskunft bereits ein Optionsfeld „Restgebühr bitte einzahlen auf das Konto Hamburgische Landesbank Konto-Nr. 101 600, BLZ 200 500 00, Schlüsselnummer: 88075“ aufweist, ist ein Verzicht auf das Nachnahmeverfahren bei Rechtsanwälten und Notaren für die Beklagte mit keinem erkennbaren Verwaltungsmehraufwand verbunden. Der Anfertigung eines gesonderten Gebührenbescheides bedarf es deshalb ebenfalls nicht. Allerdings wird die Beklagte berechtigt sein, auf das Nachnahmeverfahren umzustellen, sollte sich der einem Rechtsanwalt oder Notar gewährte Vertrauensvorschuß nicht bestätigen. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger in der Vergangenheit Gebühren im Zusammenhang mit einer Melderegisterauskunft nicht unverzüglich entrichtet hat, sind indes nicht erkennbar. Auch die Beklagte hat diesbezügliches nicht vorgetragen.

2. Die Klage ist ferner im Hinblick auf die geltend gemachte Rückerstattung der geleisteten Nachnahmegebühren in Höhe von DM 6,50 erfolgreich. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann gleichzeitig mit der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes ausgesprochen werden, daß und wie dessen Vollziehung rückgängig zu machen ist. Vorliegend ergibt sich der von § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorausgesetzte Folgenbeseitigungsanspruch aus einer analogen Anwendung des § 20 Abs. 1 GebG, der eine Rückzahlung von Auslagen nur für die Fälle vorsieht, daß der zugrunde liegende Festsetzungsbescheid nichtig ist, oder zurückgenommen oder widerrufen wird.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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