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Mieterkündigung wegen Nichtzahlung der Kaution sowie fälschlicher Bezichtigung einer Straftat

AG München, Az.: 421 C 23576/15, Urteil vom 14.07.2016

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Räume in der … München, 3. Obergeschoss, bestehend aus 3 Zimmern zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.10.2016 gewährt.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 11.400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

D

Mieterkündigung wegen Nichtzahlung der Kaution sowie fälschlicher Bezichtigung einer Straftat
Symbolfoto: Von Iakov Filimonov /Shutterstock.com

ie Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe der von den Beklagten bewohnten Wohnung … München, 3. Obergeschoss, bestehend aus 3 Zimmern.

Der Kläger, der Cousin des Beklagten zu 2) vermietete mit Mietvertrag vom 26.09.2013 die streitgegenständliche Wohnung an die Beklagten. Die monatliche Miete beträgt 1.150 € und setzt sich aus einer Nettomiete von 950 € und einer Betriebskostenvorauszahlung von 200 € zusammen.

Die Parteien hatten in § 16 des Mietvertrages vereinbart, dass die Beklagten eine Kaution in Höhe von drei Nettokaltmiete, somit 2.850 € bezahlen sollten. Mit Kündigung vom 24.08.2015 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten wegen Nichtzahlung der Kautionssumme fristlos. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Kündigungsschreiben (K 3, Bl. 17 d.A.) Bezug genommen. Die Klage wurde den Beklagten mit Postzustellungsurkunden am 21.10.2015 zugestellt. Am 09.12.2015 überwiesen die Beklagten den weiterhin strittigen Kautionsbetrag in Höhe von 2.850 € auf das Konto des Klägers unter Vorbehalt der Rückforderung.

Mit weiterer Kündigung im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.11.2015 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit den Beklagten erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, wegen einer vom Beklagten zu 2) gegen den Kläger erhobenen Strafanzeige bei der Polizei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 20.11.2015 (Bl. 34/38 d.A.) Bezug genommen. Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 29.02.2016 (Bl. 81 ff. d.A.) kündigte der Kläger das Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise zum nächsten Termin. Hinsichtlich der Gründe des Kündigungsschreibens wird auf den Schriftsatz Bezug genommen. Mit weiterem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.06.2016 (Bl. 141/143 d.A.) kündigte der Kläger das Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Hinsichtlich der Kündigungsgründe wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten die mietvertraglich vereinbarte Kaution nie geleistet. Im Übrigen habe der Beklagte zu 2) den Kläger zu Unrecht und grundlos wegen angeblicher Beleidigung und Bedrohung am 12.11.2015 um 11.15 Uhr in der … bei der Polizei angezeigt. Der Kläger sei zusammen mit seiner Frau zum fraglichen Zeitpunkt bei der Besichtigung der Kinderkrippe … in der … gewesen. Er habe sich dort bis 11.10 Uhr aufgehalten. Auf dem Rückweg habe die Familie noch bei der Bäckerei … in der … gehalten, um für den Sohn eine Breze zu kaufen. Der Kläger habe dann seine Frau zu Hause aus dem Auto steigen lassen und sei sofort weiter in die … zu seiner Mutter gefahren. Er habe dort einen Parkschein gekauft, der die Uhrzeit 11.26 Uhr ausweise. Die vom Beklagten vorgebrachten Gründe für die Strafanzeige seien erfunden. Die vom Beklagten zu 2) behaupteten Beleidigungen und Bedrohungen hätten nicht stattgefunden.

Der Kläger beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Räume in der … München, 3. Obergeschoss, bestehend aus 3 Zimmern zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Im Übrigen beantragt der Kläger eine Entscheidung nach Lage der Akten, weil die Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verhandelt haben.

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung und die Einräumung einer Räumungsfrist bis 31.10.2016.

Die Beklagten behaupten, sie hätten die Kaution in Anwesenheit des Vaters der Beklagten zu 1) Anfang/Mitte Oktober 2013 im Ladengeschäft in der … München an den Kläger übergeben. Der Kläger sei gegen 12 Uhr mittags in das Ladengeschäft gekommen. Der Beklagte zu 2) habe an diesem Tag den Kautionsbetrag aus der Kasse genommen und an den Kläger übergeben. Es sei im Übrigen nicht zutreffend, dass der Beklagte zu 2) den Kläger unberechtigt bei der Polizei angezeigt habe. Der Beklagte zu 2) sei am 12.11.2015 um 11.15 Uhr vom Kläger in der … beschimpft und bedroht worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen … und … und die Beiziehung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft … . Das polizeiliche Vernehmungsprotokoll des Beklagten zu 2) wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2016 (Bl. 107/114 d.A.) und 25.05.2016 (Bl. 129/133 d.A.) Bezug genommen. Das Gericht hat die Beklagten persönlich zum Vorfall am 12.11.2015 angehört. Das Gericht hat überdies mit den Parteien google.maps Karten mit Fahrtrouten und Satellitenbilder der Wohnanlage in der … in Augenschein genommen.

Das Gericht hat mündliche Verhandlungen vom 09.12.2015, 23.03.2016, 25.05.2016 und 29.06.2016 durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung verwiesen. Das Gericht hat darüber hinaus Hinweise vom 09.12.2015 (Bl. 47 d.A.), 10.02.2016 (Bl. 74/77 d.A.), 22.02.2016 (Bl. 78 d.A.), 18.03.2016 (Bl. 104 d.A) und 31.05.2016 (Bl. 134/135 d.A.) erteilt. Hinsichtlich des beiderseitig erfolgten Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zum örtlich und sachlich gemäß §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG zuständigen Amtsgericht München erhobene Klage auf Räumung und Herausgabe ist zulässig.

II.

Das Gericht entscheidet gemäß § 331a Satz 1 ZPO auf den Antrag des Klägers nach Lage der Akten (§ 331a ZPO), weil der Sachverhalt für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt ist. Die Sache ist entscheidungsreif, einer weitergehenden Beweisaufnahme bedarf es nicht. Darüber hinaus haben die Parteien bereits in den Terminen am 09.12.2015, 23.03.2016 und 25.05.2016 mündlich verhandelt (§§ 331a Satz 2, 251a Abs. 2 Satz 1, 137 Abs. 1 ZPO), wobei jedoch der Beklagtenvertreter auch im Termin vom 25.05.2016 keinen Antrag gestellt hat. Ferner ist die Entscheidung nicht früher als zwei Wochen verkündet worden (§§ 331a Satz 2, 251a Abs. 2 Satz 2 ZPO), und den Beklagten ist der Verkündungstermin mitgeteilt worden (§§ 331a Satz 2, 251a Abs. 2 Satz 3 ZPO). Ein neuer Termin war nicht zu bestimmen, weil die Voraussetzungen der §§ 331a Satz 2, 251a Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht vorliegen.

Eine streitige Entscheidung kam vorliegend nicht in Betracht. Zwar ist der Beklagtenvertreter im Termin vom 29.06.2016 erschienen und hat auch nochmals zur durchgeführten Beweisaufnahme Stellung genommen, er hat jedoch ausdrücklich keinen Antrag gestellt. Dies stellt nach Ansicht des Gerichts ein Nichtverhandeln im Sinne des § 333 ZPO dar, weil der Beklagtenvertreter die Antragstellung verweigerte. Die Verhandlung zur Sache setzt zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel nicht voraus, dass Anträge, welche in früheren Terminen ordnungsgemäß angebracht wurden, in späteren Terminen wiederholt werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 1986 – IX ZR 152/85 -, juris Rn. 22 f. unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 09. Oktober 1974 – VIII ZR 215/73 -, BGHZ 63, 94-96, juris). Jedoch hatte der Bundesgerichtshof in seiner früheren Entscheidung aus 1974 über einen Fall zu entscheiden, in welchem in einem Termin zunächst Anträge gestellt worden waren, welche sodann lediglich nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mehr wiederholt wurden. Der Bundesgerichtshof führte ausdrücklich an, dass ein Fall des § 332 ZPO nicht vorliege (BGH, Urteil vom 09. Oktober 1974 – VIII ZR 215/73 -, BGHZ 63, 94-96, juris, Rn. 13). Das neuere Urteil des Bundesgerichtshofs hat nach Auffassung des Gerichts lediglich auf die alte Entscheidung Bezug genommen, ohne eine weitergehende Ausdehnung des Verhandlungsbegriffs auch terminsübergreifend festzulegen. Eine Begründung für die dort geäußerte Auffassung erfolgt dementsprechend nicht. Deshalb ist im hiesigen Verfahren davon auszugehen, dass der Beklagtenvertreter ohne erneute Antragstellung im neuen Termin (§ 332 ZPO) nicht verhandelt hat im Sinne des § 333 ZPO. Dies entsprach auch seinem Willen, weil er ausdrücklich die Antragstellung verweigerte.

III.

Die Klage ist auch begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Mietobjekts zu, §§ 546 Abs. 1, 542 Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 20.11.2015 beendet wurde.

1. Kündigung vom 24.08.2015

Die außerordentliche Kündigung vom 24.08.2015 ist jedenfalls durch Zahlung der Kaution an den Kläger am 09.12.2015 innerhalb der Schonfrist, welche bis zum 21.12.2015 lief, geheilt worden (§§ 569 Abs. 2a S. 4, Abs. 3 Nr. 2, 543 BGB). Dabei ist unschädlich, dass die Beklagten die Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung erklärt haben (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 569 BGB, Rn. 39). Eine hilfsweise ordentliche Kündigung wurde nicht ausgesprochen.

2. Kündigung vom 20.11.2015

Die Kündigung vom 20.11.2015 hat das Mietverhältnis wirksam beendet. Der Kläger kann sich für seine außerordentliche fristlose Kündigung auf einen wichtigen Grund nach § 543 Abs. 1 BGB berufen. Nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

a) aa) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt insbesondere vor, wenn der Mieter den Vermieter vorsätzlich unberechtigt bei Ermittlungsbehörden wegen Straftaten anzeigt, die dieser nicht begangen hat. Dieses Verhalten stellt zum einen eine falsche Verdächtigung im Sinne des § 164 StGB dar und begründet zum anderen einen schweren Vertragsverstoß (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 543 BGB, Rn. 193 f. m.w.N.; AG Friedberg (Hessen), Urteil vom 15. Mai 1986 – C 2033/84 -, juris). Denn im Rahmen der allgemeinen vertraglichen Treuepflicht (§ 242 BGB) sind Vertragsparteien verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Interesse des Vertragspartners an der Durchführung des Vertrages beeinträchtigen könnte, und alles zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung sicherzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08 -, juris, Rn. 13 m.w.N.). Diese vertragliche Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Vertragspartei ohne anerkennenswertes Interesse Behauptungen in der Öffentlichkeit verbreitet, die geeignet sind, das Ansehen des Vertragspartners erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08 -, juris, Rn. 13 m.w.N.). Dies trifft insbesondere auch auf falsche Strafanzeigen bei der Polizei zu, weil diese den Vertragspartner einer unberechtigten Strafverfolgung aussetzen und damit, allein durch die Behauptung eines strafrechtlich relevanten Verhaltens, sein Ansehen beschädigen.

bb) Die durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der vom Beklagten zu 2) bei der Polizei am 12.11.2015 zur Anzeige gebrachte Sachverhalt von diesem frei erfunden war und so nie stattgefunden hat. Die Anzeige geschah auch vorsätzlich. Hierfür hat der Kläger den vollen Beweis erbracht.

Die Zeugin … hat glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, dass der Kläger sich zum behaupteten Tatzeitpunkt nicht, wie vom Beklagten zu 2) geschildert, am Tatort befunden hat und insbesondere der vom Beklagten zu 2) geschilderte Tatablauf so nicht stattgefunden haben kann. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger zusammen mit der Zeugin zunächst die Kinderkrippe … in der … besucht hat und sodann beim Bäcker in der … anhielt um eine Breze für den gemeinsamen Sohn zu kaufen. Die Zeugin hat sodann glaubhaft geschildert, dass der Kläger sie in der Feuerwehranfahrtszone vor dem Haus in der … nur aus dem Auto hat steigen lassen und sodann sofort zu seinen Eltern weiter gefahren ist, nachdem sie den Kinderwagen und ihren Sohn aus dem Auto genommen hatte. Dass der Kläger sodann in die … zu seinen Eltern gefahren ist, hat auch der Zeuge … bestätigt. Dieser schilderte glaubhaft, dass der Kläger ab 11.30 Uhr beim Zeugen und seiner Frau war, um Post für diese zu lesen. Wie auch die Zeugin … geschildert hatte, hat auch der Zeuge …, der Vater des Klägers, ausgesagt, dass seine Frau den Kläger morgens angerufen hatte, damit dieser mittags vorbei käme, um Post zu lesen. Der Kläger hat überdies ein Parkticket vorgelegt, welches kurz nach dem behaupteten Tatzeitpunkt in der … um 11.27 Uhr gelöst wurde (K 11, Bl. 80 d.A.) und eine Bestätigung der Kinderkrippe über die Besprechung (K 8, Bl. 64 d.A.), welche bis kurz vor dem Tatzeitpunkt andauerte. Aus all dem ergibt sich, zur Überzeugung des Gerichts, dass der Kläger sich zum angeblichen Tatzeitpunkt nicht in der vom Beklagten zu 2) geschilderten Weise am Tatort aufhielt. Die Zeugin … ist auch glaubwürdig. Sie hat den gesamten Vorfall einschließlich der vorangegangenen Besichtigung der Kinderkrippe widerspruchsfrei und konsistent berichtet. Auch trotz Nachfragen zu Einzelheiten des Ablaufs hat sie jeweils sofort eine Antwort parat gehabt, welche auch detailreiche Schilderungen enthielt. Anhaltspunkte dafür, dass sie die Unwahrheit gesagt haben könnte, hat das Gericht nicht. Hingegen enthielt die Anhörung des Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung erhebliche Inkonsistenzen, zum einen im Vergleich zu dem bei der Polizei geschilderten Vorfall, zum anderen auch hinsichtlich der Schilderung des Sachverhaltes an sich. Der Beklagte zu 2) passte die örtlichen Gegebenheiten und die geschilderte Tatsituation bei seiner Anhörung mehrfach an. Selbst, als das Gericht ihn eine Zeichnung des Ortes des Vorfalls anfertigen ließ (Bl. 114 d.A.), änderte er den Ort des Geschehens mehrfach ab. Er schilderte zunächst, dass er aus dem Haus Nr. … gekommen sei und der Kläger sich auf dem Gehsteig zwischen Hausnummer … und … befunden habe. Der Beklagte zu 2) sagte zunächst, dass der Kläger ihn dann gesehen habe und nach der Schilderung ihn gleich beleidigt habe. Später erklärte der Beklagte zu 2) jedoch, was auch mit den Satellitenbildern übereinstimmt, dass es ein langer Weg von der Haustür bis zum Gehsteig sei, wo er dann angeblich auf den Kläger getroffen sei. Insbesondere hat der Beklagte zu 2) auf der Skizze eingezeichnet, dass er den Weg geradeaus vom Haus zur Straße genommen habe, nicht vorbei an der Hausnummer …. Die geschilderte Situation des Zusammentreffens erschien dem Gericht wenig durchdacht und im Gerichtstermin konstruiert. Die Schilderung klang für das Gericht nicht so, wie etwas was man in Wirklichkeit erlebt hat. Der Beklagte zu 2) schilderte den Vorfall auch nicht so, wie bei der Polizei. Er ließ wesentliche dort getätigte Aussagen weg. Dies spricht ebenfalls dagegen, dass er das geschilderte so erlebt hat. Anders als der Beklagtenvertreter meint, ist die Schilderung der Situation durch den Beklagten inkompatibel mit der Schilderung durch den Kläger. Dieser kann zur Überzeugung des Gerichts sein Auto in der kurzen Zeit nicht verlassen haben. Dass ein Auto des Klägers am Tatort irgendwo zu sehen gewesen wäre, hat der Beklagte zu 2) jedoch nicht erwähnt. Ebenso hat er nicht erwähnt, dass er die Zeugin … gesehen hätte. Die angeblichen Beleidigungen sind auch nach der Schilderung des Beklagten zu 2) nicht im Vorbeifahren aus dem Auto heraus gefallen, sondern bei einer persönlichen Begegnung zu Fuß. Die mit den Parteien in Augenschein genommenen Routen haben ergeben, dass die Schilderung des Klägers hinsichtlich seines Aufenthalts zutreffend sein können und, anders als die Beklagten meinen, keine wesentlichen Aufenhalte in der … mehr zulassen. Der Kläger hat gegen 11.10 Uhr die Kinderkrippe in der … verlassen. Von dort bis zur … dauert es über die …, wo sich die Bäckerei befindet, ca. 3 Minuten. Die Wegstrecke beträgt 1,1 km. Nach Aussage der Zeugin … befand sich diese noch einige Minuten in der Bäckerei. Mit Einparken in der … und Anstehen in der Bäckerei schätzt das Gericht den Aufenthalt auf ca. 5 Minuten. Der Kläger und die Zeugin dürften damit gegen 11.15 Uhr/11.20 Uhr in der … angekommen sein. Dort musste die Zeugin mit dem Sohn und Kinderwagen aussteigen und der Kläger sodann die 7 Minuten Fahrstrecke in die … zurücklegen, wo er auch noch um 11.26 Uhr ein Parkticket ziehen musste. Dies alles lässt zeitlich nicht zu, dass der Kläger in der … aus dem Auto steigt, das Auto irgendwo parkt und dann eine wenn auch kurze Konversation mit dem Beklagten zu 2) zur Fuß vor der … führt, ohne dass der Beklagte zu 2) das Auto des Klägers oder die Zeugin … bemerkt hätte. Der Beklagte zu 2) hat auch nicht geschildert, dass der Kläger sofort wieder in sein Auto gestiegen und weggefahren ist.

b) Die im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB durchzuführende Interessenabwägung ergibt, dass dem Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit den Beklagten nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann.

Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08 -, juris, Rn. 11 m.w.N.). Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08 -, juris).

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Der von der Klagepartei geschilderte Vorfall ist, wie oben dargelegt, geeignet, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, weil er auf eine nachhaltige Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien schließen lässt. Der Vorfalls steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Beklagte zu 2) hat eine vorsätzliche und erhebliche Vertragsverletzung begangen, als er den Kläger bei der Polizei fälschlich einer Straftat bezichtigte. Demgegenüber wiegen die Interessen der Beklagten an eine Vertragsfortsetzung nicht ebenso schwer. Zwar sind die Beklagten, gerade mit ihrem schwerbehinderten Sohn, auf den Wohnraum dringend angewiesen und es wird ihnen amtsbekannt schwerfallen, Ersatzwohnraum zu erlangen. Weiterhin sind die Parteien verwandt, was ebenfalls zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden muss. Dies kann jedoch das festgestellte sinnlose vorsätzliche Verhalten des Beklagten zu 2) nicht in einem milderen Licht erscheinen und die Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten ausfallen lassen. Er hat mit der Anzeige keine berechtigten Interessen wahrgenommen und kann sein Verhalten auch sonst nicht entschuldigen.

c) Eine Abmahnung des Vertragsverstoßes war nach § 543 Abs. 3 BGB entbehrlich. Erfolgt, wie hier, eine außerordentliche Kündigung wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage, bedarf die Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Zwar ist eine solche nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich Voraussetzung, falls das Mietverhältnis wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag außerordentlich gekündigt werden soll. Bei einer Zerrüttungskündigung ist eine Abmahnung jedoch ausnahmsweise entbehrlich, weil die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 – XII ZR 188/08 -, juris, Rn. 21 m.w.N.).

3. Kündigung vom 29.02.2016 und 27.06.2016

Es kann dahinstehen, ob das Mietverhältnis mit Kündigung vom 29.02.2016 hätte wirksam beendet werden können, da das Mietverhältnis bereits durch die Kündigung vom 20.11.2015 beendet war. Gleiches gilt auch für die Kündigung vom 27.06.2016. Dem Beklagtenvertreter musste daher die auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 27.06.2016 beantragte Schriftsatzfrist nicht mehr gewährt werden, weil das Vorbringen bei der Urteilsfindung nicht zu Lasten des Beklagten berücksichtigt wurde.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO.

III.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 2 ZPO. Eine Sicherheitsleistung oder Abwendungsbefugnis war daher nicht auszusprechen (vgl. § 711 S. 1 ZPO).

IV.

Den Beklagten ist nach § 721 ZPO eine Räumungsfrist bis zum 31.10.2016 zu gewähren. Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen ist von einem überwiegenden Interesse der Beklagten auszugehen, zunächst noch für ca. 3 1/2 Monate in der Wohnung zu verbleiben. Zwar hat der Beklagte zu 2), zur Überzeugung des Gerichts festgestellt, die außerordentlich fristlose Kündigung des Klägers verschuldet, indem er den Kläger vorsätzlich unberechtigt bei der Polizei angezeigt hat. Zu berücksichtigen ist jedoch für die Beklagten, dass ihr Sohn zu 100 % schwerbehindert ist und es für sie schwierig sein dürfte, auf dem Wohnungsmarkt kurzfristig eine neue Wohnung zu finden. Zwar handelt es sich bei dem Verhalten des Beklagten zu 2) um eine schwere Pflichtverletzung, die sogar selbst eine Straftat darstellt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Parteien in familiären Verhältnissen verbunden sind und die Beklagten aufgrund der eigenen familiären Situation dringend auf die Wohnung angewiesen sind. Die unberechtigte Strafanzeige durch die Beklagten ist auch ohne Folgen für den Kläger geblieben. Das Ermittlungsverfahren ist eingestellt worden. Zwar hat der Kläger auch noch weitere Bedrohungen und Störungen des Mietverhältnisses im Rechtsstreit geltend gemacht. Es ist jedoch auch bei Wahrunterstellung der Vorfälle nicht davon auszugehen, dass von den Beklagten ein derartige Bedrohung für den Kläger ausgeht, dass ein überwiegendes Interesse an einer sofortigen Räumung bestünde.

 

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