AG Halle (Saale)
Az: 93 C 4420/10
Urteil vom 08.09.2011
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 388,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 357,52 € seit dem 17. August 2010 und aus weiteren 30,95 € seit dem 14. Februar 2011 zu bezahlen.
2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 29 % und die Beklagte 71 %.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet. Anspruchsgrundlage ist § 7 Abs. 1 StVG im Verbindung mit § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Die Alleinhaftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Streitgegenständlich sind nur die (restlichen) Mietwagenkosten. Diese muss die Beklagte größtenteils aber ebenfalls übernehmen.
Das Gericht übt sein ihm gemäß § 287 ZPO zugewiesenes Ermessen bei der Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten dahingehend aus, dass es der überzeugenden Entscheidung des OLG Dresden vom 29. Juni 2009 (Az. 7 U 499/09, zitiert nach juris) folgt. Nach dieser Entscheidung ist der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der die Anmietung eines Fahrzeuges im Reparaturzeitraum beabsichtigt, unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Nachfragen nach günstigeren Tarifen nur dann verpflichtet, wenn der ihm angebotene Tarif mindestens 50 % über dem Modus der Schwacke-Liste des Unfalljahres liegt. Ansonsten ist er nicht zu weiteren Nachforschungen nach günstigeren Tarifen gehalten und sind vom Schädiger die gesamten in Rechnung gestellten Mietwagenkosten abzüglich eines Eigenersparnisanteils von 10 % zu erstatten. Das Gericht folgt dieser Entscheidung, weil sie praktikabel und handhabbar ist.
Die Anwendung der „Schwacke“-Liste ist jedenfalls von dem Ermessen des § 287 ZPO gedeckt, zumal gegen die „Fraunhofer“-Liste Bedenken aus folgenden Gründen bestehen:
Die „Fraunhofer-Liste“ beschränkt sich im wesentlich auf 6 Großanbieter und Internet-Angebote
Mittelständische und Kleinanbieter werden von der „Fraunhofer“-Liste nicht erfasst.
Die „Fraunhofer-Liste“ verwendet ein zu grobes Raster, indem sie nur nach zweistelligen Postleitzahlgebieten unterscheidet, während die „Schwacke“-Liste von dreistelligen Postleitzahlgebieten ausgeht und daher differenzierter ist.
Die „Fraunhofer“-Liste erfasst typische Nebenkosten nicht.
Die „Fraunhofer“-Liste ist im Auftrag der Versicherungswirtschaft erstellt und kann daher nicht als neutral und unparteiisch gelten.
Fraunhofer hat Preise ermittelt, die nicht den Kriterien entsprechen, die die Rechtsprechung für die Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten entwickelt hat (Wenning NZV 2009, 473ff., 477).
Auch der BGH hat mit Urteil vom 2. Februar 2010 (Az. VI ZR 139/08, zitiert nach juris) und damit nach Veröffentlichung der Fraunhofer-Liste klargestellt, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel weiterhin eine geeignete Schätzgrundlage ist. Mit Urteilen vom 22. Februar 2011 (Az. VI ZR 353/09, zitiert nach juris) und vom 12. April 2011 (Az. VI ZR 300/09) hat der BGH nochmals klargestellt, dass Mietwagenkosten weiterhin auf der Grundlage der Schwacke-Liste geschätzt werden können.
Da vorliegend unstreitig die vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten nicht mindestens 50 % über dem Modus der Schwacke-Liste liegen, war der Kläger zu Nachfragen nicht verpflichtet. Nach dem Gesagten ist es auch unerheblich, wenn die Beklagte nunmehr Mietwagenunternehmen benennt, bei denen der Kläger einen günstigeren Mietwagen erhalten hätte. Abgesehen davon betreffen die von der Beklagten vorgelegten Mietwagenangebote nicht den streitgegenständlichen Zeitraum. Die Beklagte hat auch keine konkreten Mängel der Schwacke-Liste für den hier in Rede stehenden Zeitraum und den hier in Rede stehenden Bereich benannt, sondern erschöpft sich in den hinlänglich bekannten allgemeinen Angriffen auf die Schwacke-Liste. Die Vorlage einzelner günstigerer Angebote reicht nicht aus, konkrete Einwendungen gegen die Schwacke-Liste zu begründen. Daher ist auch kein Sachverständigengutachten einzuholen.
Vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass der vorliegende Fall überhaupt nicht mit dem Fall zu vergleichen ist, der der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25. Februar 2002, 1 BvR 2116/01, zitiert nach juris) zu Grunde liegt. Dort hat das Gericht nach eigenem Gutdünken geschätzt, während vorliegend eine bewährte und in der Rechtsprechung anerkannte Liste der Schätzung zu Grunde gelegt wird.
Dem Kläger steht daher folgender Anspruch zu:
Mietwagenkosten insgesamt: 1.433,24 €
Abzüglich 10 % wegen Eigenersparnis: 143,32 €
Abzüglich gezahlter 932,40 €
Restforderung: 357,52 €
Die schlüssig vorgetragenen und der Höhe nach nicht angegriffenen weiteren außergerichtlichen Anwaltskosten muss ebenfalls die Beklagte bezahlen.
Insgesamt ergibt sich folgender Anspruch:
Restliche Mietwagenkosten: 357,52 €
Restliche vorgerichtliche Anwaltskosten: 30,95 €
Summe: 388,47 €
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288, 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Es ist kein Grund zu erkennen, gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO die Berufung zuzulassen. Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Halle ist die Ermessensausübung im Rahmen des § 287 ZPO insbesondere auch bei der Bestimmung der Mietwagenkosten nicht mit der Berufung angreifbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 500,84 € festgesetzt.