Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Az.: 6 U 22/98
Verkündet am 09.06.1999
Vorinstanz: LG Itzehoe – Az.: 5 O 130/97
Ein vertraglich vereinbarter Mindestaufladebetrag entspricht einer Grundgebühr bzw. einem Mindestumsatz. Wird hierauf innerhalb einer Anzeige nicht wirksam hingewiesen, so stellt dies einen Verstoß gegen das UWG dar.
Urteil
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 1998 für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Dezember 1997 verkündete Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 30.000 DM.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist eine Vereinigung zur Förderung gewerblicher Belange i.S.v. § 13 Abs 2 Ziffer 2 UWG. Die Beklagte ist Vertriebspartnerin des Kommunikationstechnik GmbH und Co. KG; sie betreibt aber auch zusätzlich Handel mit Telekommunikationsgeräten.
Die Beklagte warb in dem kostenlos verteilten Anzeigenblatt „Blickpunkt“, das in Elmshorn erscheint, in der Ausgabe für den Kreis Pinneberg vom 7. Mai 1997 für ein „D1-Handy & Karte“ mit einer Anzeige, wie sie bildlich im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben und dort näher beschrieben worden ist.
Der Kläger ist der Ansicht, daß die Beklagte durch ihre Werbung irreführe. Wenn blickfangartig hervorgehoben mit dem Hinweis „keine Grundgebühr“ bzw. „keine Mindestgespräche“ geworben werde, so gehe der Verkehr davon aus, daß diese Aussage zutreffe. Tatsächlich müsse der Kunde jedoch einen monatlicher „Mindestaufladebetrag“ von 50 DM bezahlen und zwar auch dann, wenn er sich ein Handy nur anschaffe, um ggfs. mobil erreichbar zu sein, selbst keinerlei Gespräche führe oder nur für wenige Mark telefoniere. Der „Mindestaufladebetrag“ komme daher im Ergebnis entweder einer Grundgebühr oder aber einem Mindestgesprächsbetrag gleich.
Der Kläger hat daher beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, in Zeitungsanzeigen oder sonstigen Mitteilungen für „D1-Handy & Karte“ blickfangartig hervorgehoben mit den Hinweisen „keine Grundgebühr“ „keine Mindestgespräche“ zu werben, sofern nicht zugleich deutlich und unübersehbar darauf hingewiesen wird, daß pro Monat ein Mindestaufladebetrag zu entrichten ist. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und eine Irreführung darin gesehen, daß ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verbraucherkreises bei oberflächlicher Betrachtung der Anzeige den Eindruck habe, daß keine festen monatlichen Kosten entstehen und es den Kunden vorbehalten bleibe, wieviel sie telefonieren. Ein solches Angebot aber sei für alle Interessenten von Bedeutung, die über ein Handy nur erreichbar seien, aber selbst wenig telefonieren wollen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und ihrem Antrag, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen. Sie meint, die beanstandete „Sternchenwerbung“ sei durchaus handelsüblich, die Werbeaussagen der Beklagten daher unproblematisch. Es entspreche auch ständiger Rechtsprechung des Senats, daß bei der Werbung keine Verpflichtung bestehe, sämtliche Verpflichtungen und Risiken und sämtliche Einzelheiten der Vertragsgestaltung klarzustellen. Es sei auch nicht damit zu rechnen, daß ein Kunde den Tarif wähle, der nur über das Handy erreichbar sein wolle. Wer ein Handy erwerbe, telefoniere auch aktiv. Die . Mindestaufladesumme von 50 DM werde auch von Leuten erreicht, die wenig telefonieren. Die herausgestellten Vorteile des Tarifs machten einem Betrachter auch klar, daß eine Gegenleistung anderweitig anfallen müsse. Auch der nur flüchtige Betrachter rechnet damit, daß ihm die angebotenen Vorteile nicht gewissermaßen unentgeltlich zuflössen.
Demgegenüber hält der Kläger das angefochtene Urteil für richtig und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteienvorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen. Ferner wird verwiesen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die Sitzungsprotokolle in beiden Rechtszügen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die streitbefangene Werbung stellt einen eindeutigen, klassischen Fall der Irreführung i.S.v. § 3 UWG dar und war daher antragsgemäß zu verbieten. Es ist zwar richtig, daß in einer Werbung keine Verpflichtung besteht, sämtliche Einzelheiten der Ausgestaltung eines angestrebten Vertragsschlusses dar‑ bzw. klarzustellen. Werden aber bestimmte werbliche Aussagen blickfangartig herausgestellt, dann müssen diese für sich betrachtet wahr sein, eine durch sie – wie hier – hervorgerufene Irreführung kann nicht mehr durch eine „Sternchenwerbung“, wie sie in der streitgegenständlichen Anzeige enthalten ist, beseitigt werden. Auch ist eine derartige Werbung nicht zulässig, weil sie „handelsüblich“ sein soll. Eine derart krasse Irreführung, wie sie vorliegend gegeben ist, kann schlechterdings nicht als handelsüblich bezeichnet und daher als wettbewerbsrechtlich zulässig angesehen werden. Dies verbietet der mit § 3 UWG auch bezweckte Verbraucherschutz. Im übrigen ist der Senat davon überzeugt, daß es auch Verbraucher gibt, die ein Handy nur erwerben, um jederzeit und überall erreichbar zu sein, selbst aber damit so gut wie gar nicht telefonieren wollen, um die Kosten möglichst niedrig zu halten, demzufolge auch nicht notwendigerweise auf Telefonkosten von mindestens 50 DM im Monat kommen. All das festzustellen ist der Senat aus
eigener Sachkunde in der Lage, da er zu dem angesprochenen Verbraucherkreis gehört.
Im übrigen wird von einer – weiteren – Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da der Senat vollumfänglich den Gründen der angefochtenen Entscheidung folg (§ 543 Abs. 1 ZPO).