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Nächtliche Ruhestörung mit einer Lautstärke von über 40 dba – Unterlassungsanspruch

AG Dieburg, Az.: 20 C 607/16 (23), Urteil vom 14.09.2016

1. Der Beklagte wird verpflichtet, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, hilfsweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, auf seinem Hausgrundstück XXX ab 20.00 Uhr Musik abzuspielen, die außerhalb seines Hausanwesens hörbar ist, also über Zimmerlautstärke, 40 dba, hinausgeht, es im übrigen zu unterlassen, in der Zeit vor 20.00 Uhr laute störende, gar sich wiederholende Musik abzuspielen, die auf dem Grundstück XXX einen Wert von 55 dba übersteigt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500,- € vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 3000,- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Unterlassung von Lärmbeeinträchtigungen.

Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks XXX, das sie gemeinsam bewohnen. Der Beklagte ist Eigentümer des unmittelbar benachbarten XXX, das er bewohnt.

Die Kläger fühlen sich durch laute ruhestörende Musik des Beklagten gestört.

Mehrfach wurde die Polizei durch die Kläger eingeschaltet, welche den Beklagten ersuchten, die Lautstärke seiner Musik zu reduzieren. Weiterhin hat die Stadt XXX gegen den Beklagten in mehr als 10 Fällen Ordnungswidrigkeitenbescheide wegen unerlaubter Ruhestörung gemäß § 117 OWiG erlassen. Die Kläger haben durch ihren Rechtsanwalt mit Schreiben vom 03.06.2016 den Beklagten angeschrieben, die störende Musik abzustellen und auf sie Rücksicht zu nehmen. Mit Schreiben vom 17.06.2016 haben sie dann durch ihren Prozessbevollmächtigten den Beklagten erneut abgemahnt wegen mehrerer Vorfälle. Eine Reaktion des Beklagten hierauf gab es nicht.

Nächtliche Ruhestörung mit einer Lautstärke von über 40 dba – Unterlassungsanspruch
Symbolfoto: hozard/Bigstock

Die Beklagten behaupten, dass im Zeitraum vom 12.05. bis 10.06. der Beklagte laute ruhestörende Musik abgespielt habe. Am 12.05.2016 ab 22.45 Uhr sei laute ruhestörende Musik vom Beklagten aufgedreht und abgespielt worden, so dass um 23.15 Uhr die Polizei gerufen werden musste, die eingeschritten sei. Am 15.05.2016 ab 23.15 Uhr sei dies wiederum der Fall gewesen und um 00.50 Uhr sei die Polizei gerufen worden, die eingeschritten sei. Am 18.05. ab 19.25 Uhr habe der Beklagte erneut laute ruhestörende Musik abgespielt, so dass um 21.00 Uhr die Polizei gerufen werden musste. Gleiches sei am 20.05.2016 ab 21.00 Uhr erfolgt und am 23.05.2016 ab 21.20 Uhr. Am 25.05.2016 ab 20.40 Uhr sei dies wieder der Fall gewesen. Genau wie am 26.05.2016 ab 18.00 Uhr. Am 30.05.2016 ab 19.30 Uhr sei dies ebenfalls wieder vorgefallen, genauso wie am 31.05.2016 ab 21.35 Uhr. Am 05.06.2016 sei ab 22.15 Uhr wieder gleiches erfolgt, es habe um 23.25 Uhr die Polizei gerufen werden müssen, die eingeschritten sei. Am 06.06.2016 ab 17.30 Uhr bis 20.15 Uhr wiederholte sich ein solches, ebenfalls am 07.06.2016 ab 17.20 Uhr (bis 20.40 Uhr). Am 08.06.2016 ab 20.00 Uhr sei wiederum massive laute ruhestörende Musik vom Beklagten abgespielt worden immer wiederkehrend drei gleichlautende Lieder, am 10.06.2016 ab 20.00 Uhr sei gleiches wieder der Fall gewesen. Hier zwei immer wiederholende gespielte Lieder.

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verpflichten, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, hilfsweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, auf seinem Hausgrundstück XXX ab 20.00 Uhr Musik abzuspielen, die außerhalb seines Hausanwesens hörbar ist, also über Zimmerlautstärke hinausgeht; im übrigen ist zu unterlassen, in der Zeit vor 20.00 Uhr laute, störende, gar sich immer wiederholende Musik abzuspielen, die einen Wert von 55 dba übersteigt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte räumt die Vorfälle grundsätzlich ein, sieht sich jedoch einer Schikane durch die Kläger ausgesetzt. Hinsichtlich konkreter Vorfälle am 15.05. und 31.05. kann er solche bestätigen und er erklärt weiterhin, dass die Polizei mehrfach bei ihm wegen Ruhestörung vorstellig geworden ist. Außerdem habe er etwa 10 Bußgeldbescheide der Stadt XXX erhalten. Er ist der Ansicht, dass sich die Kläger durch seine Musik nicht gestört fühlen dürften und dass es nicht angemessen sei, dass die Kläger nur gegen ihn vorgingen, gegen andere Nachbarn, die ebenfalls laute Musik hören, jedoch nicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger haben aus den §§ 1004 Abs. 1, 906 Abs. 1 Variante 7 BGB einen Anspruch gegen den Beklagten auf Unterlassung ruhestörender Musik.

Musik über Zimmerlautstärke muss vom Nachbarn grundsätzlich nicht hingenommen werden. Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten auf Unterlassen ruhestörender lauter Musik und ruhestörenden Lärms am Abend, in der Nacht und auch am Tag. Hinsichtlich des Sachverhaltes hat der Beklagte diesen teilweise eingeräumt, so dass die klägerischen Behauptungen in diesem Umfang gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte nicht zu jeder einzelnen ihm vorgeworfenen Handlung Stellung genommen hat, jedoch hat er die Vorfälle des 15.05. und des 31.05. in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Diese reichen aus, gemeinsam mit der von ihm erfolgten Erklärung, dass die Polizei mehrfach auf seinem Grundstück wegen Ruhestörung war, dass das Gericht die Sachlage bereits als hinreichend geklärt ansieht und eine Beweisaufnahme daher nicht notwendig wird.

Der rechtliche Anspruch ergibt sich aus §§ 906 Abs. 1 i.V. mit 1004 Abs. 1 BGB, wonach Nachbarn zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind. Ein Eigentümer eines Grundstückes, hier die Kläger, muss Geräusche von einem Nachbargrundstück nicht hinnehmen, wenn sie durch diese nicht nur unwesentlich beeinträchtigt sind.

Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Es besteht ein Anspruch auf Unterlassung ruhestörenden Lärmes über Zimmerlautstärke hinaus aus dem nachbarschaftlichen Rücksichtnahmegebot, welcher in dieser Norm des BGB konkretisiert wurde.

Der Beklagte wird daher verpflichtet es zu unterlassen, Musik und Lärm jeglicher Art zu unterlassen, welche über Zimmerlautstärke hinaus im tenorierten Umfang von seinem Grundstück ausgeht.

Der Begriff der Zimmerlautstärke bedeutet nicht, dass keinerlei Geräusche mehr nach draußen dringen dürfen. Der Begriff der Zimmerlautstärke selbst ist nicht in Dezibel grundsätzlich festgelegt. Er ist definiert als nicht unwesentliche Beeinträchtigung bei einer Musikwiedergabe von Tonträger oder anderer Lärmentwicklung, welche vom Nachbarn nicht mehr hinzunehmen ist, weil diese deutlich vernehmbar ist. Für die diesbezügliche Beurteilung ist nicht die besondere Empfindlichkeit bzw. Belastbarkeit des jeweils betroffenen Nachbarn maßgeblich, sondern nach der ständigen Rechtsprechung des BGH das Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ und dass, was diesem unter Würdigung anderer und privater Belange zuzumuten ist (vgl. BGH, NJW 2001, 3119 und LG Hamburg, Beschluss vom 12.07.1995 -317 T 48/95-). Dabei setzt die Beurteilung eine Abwägung aller konkreten Umstände (z.B. Stärke, Dauer, Art, Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Vorhersehbarkeit der Geräuschentwicklung) voraus, die für die Wahrnehmung der Geräusche durch einen durchschnittlichen Hörer von Bedeutung sind.

Für das Vorliegen einer danach nur unwesentlichen Beeinträchtigung nach § 906 BGB trägt der Störer, also hier der Beklagte, die Beweislast (BGH, NJW 1993, 925 ). Hier liegt ganz klar eine wesentliche Beeinträchtigung der Kläger durch das Verhalten des Beklagten vor. Sein Verhalten ist schlicht als rücksichtslos einzuordnen. Die Kläger haben den Beklagten mehrfach durch ihren Prozessbevollmächtigten aufgefordert, die Belästigungen durch lautes Abspielen von Musik und immer wieder der gleichen Lieder zu unterlassen. Dies hat den Beklagten offensichtlich in keiner Weise interessiert, so dass davon auszugehen ist, dass er an einem rücksichtsvollen Nachbarschaftsverhältnis keinerlei Interesse hat. Die Belästigung durch laute Musik, insbesondere zu den Nachtstunden, kann für Menschen zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Dem Beklagten ist dies auch bewusst gewesen, es war ihm schlicht egal. Dieses rücksichtslose Verhalten des Beklagten müssen die Kläger nicht dulden.

Der Antrag der Kläger neben dem unbestimmten Rechtsbegriff der „Zimmerlautstärke“ auch einen konkreten Schallwert in Dezibel aufzunehmen ist zulässig. Für die Vollstreckung benötigen die Kläger eine nachweisbare, messbare Beeinträchtigung. Hierzu sind Schallwerte gemessen in Dezibel (dbA) grundsätzlich geeignet. Ein Dezibelwert von 40 dbA ist dabei ein Wert, welche ruhige Gespräche und selbst leise Musik noch erlauben würde. Wenn dieser Wert jedoch überschritten wird liegt eine Störung der Nachtruhe vor, welche erheblich ist und nicht von den Klägern hingenommen werden muss. In der Zeit davor ist der dbA Wert von 55 ein noch zulässiger Wert für nachbarschaftliche Gespräche und Musik.

Der gestellte Antrag ist auch vollstreckungsfähig. Die Kläger werden, sofern der Beklagte die Unterlassungsverpflichtung nicht befolgt, für die Vollstreckung den Nachweis durch konkrete Lärmmessungen zu erbringen haben, dass die Lärmwerte überschritten wurden. Dies kann durch Zeugenbeweis in Verbindung mit einer Lärmmessung durch gängige Handy-Apps erfolgen.

Die Durchführung eines Schiedsverfahrens war im konkreten Verfahren entbehrlich, in der Güteverhandlung hat sich auch keine gütliche Einigung finden lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 2 ZPO.

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