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Hundehaltungsuntersagung – Anforderungen an die Feststellung der Unzuverlässigkeit

VG Minden, Az.: 11 K 240/16, Urteil vom 14.09.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin hielt zusammen mit ihrem Ehemann I. G. (11 K 241/16) bis Juni 2015 auf dem gemeinsam bewohnten Grundstück „I1. “ in der Stadt H. seit dem Jahre 2008 mehrere Huskies, von denen zum Zeitpunkt einer Ortsbesichtigung am 01.04.2015 nur vier Hunde durch die Klägerin angemeldet waren, wobei diese nach ihren Angaben davon ausging, dass die Anmeldung bei der Steuerbehörde zugleich die Anmeldung beim Ordnungsamt umfasste. Von den neun auf dem Grundstück gehaltenen Huskies befanden sich nach den Angaben der Klägerin sieben in ihrem Eigentum. Bei zwei weiteren handelte es sich nach ihren Angaben um Pflegehunde. Nach von der Klägerin und ihrem Ehemann bestrittenen Angaben verschiedener Nachbarn sollen die Huskies bereits im Jahre 2014 und 2015 mehrfach das Grundstück verlassen und hierbei auch einen Rehbock gehetzt haben.

Am 11.04.2015 wurde die Geschädigte N. T. verletzt, als die Eheleute G. mit den Hunden in einem Huskygespann auf einem öffentlichen Weg unterwegs waren. Die Geschädigte stürzte hierbei, als sie von den Hunden umgefahren wurde, musste sich – so die Geschädigte – anschließend in physiotherapeutische Behandlung begeben und leidet nach ihren Angaben noch heute unter Schmerzen und Beschwerden, die auf das Unfallereignis zurückzuführen sind. Im Rahmen der Anhörung am 12.05.2015 erklärten die Klägerin und ihr Ehemann, dass sie bevorzugt mit den Hunden in verkehrsarmen Zeiten Ausfahrten machen würden. Dass ihre Hunde andere Tiere gehetzt hätten, wurde bestritten. Die Beklagte wies die Klägerin und ihren Ehemann darauf hin, dass die Durchführung von Hundeschlittenrennen auf öffentlichen Straßen nicht verboten sei, sie jedoch zukünftig die gebotene Vorsicht und Rücksichtnahme auf Fußgänger walten lassen müssten.

Hundehaltungsuntersagung - Anforderungen an die Feststellung der Unzuverlässigkeit
Symbolfoto: Grisha Bruev/Bigstock

Am 07.06.2015 teilte die Geschädigte V. T1. – Bewohnerin des Hauses „I1. “ – mit, dass sie und ihr Hund am 07.06.2015 von fünf Huskies der Klägerin vor ihrem Haus angegriffen und verletzt worden seien. Sie habe mehrere Hundebisse an den Händen erlitten und stationär im Klinikum H. versorgt werden müssen. Ihr Hund habe so schwere Verletzungen erlitten, dass er eingeschläfert werden musste. Im Rahmen der Anhörung am 09.06.2015 bestritt die Klägerin auch diesen Vorfall nicht und erklärte, dass es vermutlich den fünf männlichen Huskies gelungen sei, durch die Haustür das Haus zu verlassen. Im Rahmen der Begutachtung des Grundstückes wurde durch Mitarbeiter der Beklagten festgestellt, dass dies die einzige Möglichkeit für die Hunde war, das Grundstück zu verlassen. Der Gartenbereich, in dem die Tiere gehalten wurden, war komplett eingezäunt. Beschädigungen am Zaun waren nicht zu erkennen.

Die Beklagte ordnete daraufhin mit Ordnungsverfügung vom 09.06.2015 gegenüber der Klägerin an, dass die von Ihnen gehaltenen Huskies „Harvey“, „Haakon“, „Kuja“, „Janosch“, „Sitka“, „Suri“, „Nala“, „Lina“ und „Ronja“ außerhalb eines ausbruchsicheren umfriedeten Grundstücks nur noch an einer maximal 1,50 m langen festen Leine und mit einem Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung geführt werden dürfen (Ziffer 1) und die Hunde nur einzeln von Personen ausgeführt werden, welche das 18. Lebensjahr vollendet haben (Ziffer 2). Sofern die Hunde aus dem ausbruchsicheren Bereich des Gartens herausgeführt werden, dürfe dafür nicht das Gartentor genutzt werden. Den Hunden sei außerdem bereits im gesicherten Gartenbereich Leine und Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung anzulegen. Anschließend sei jeweils nur ein Hund durch die Räumlichkeiten des Hauses hindurch zu führen. Bevor die Haustür, über die man in den nicht mehr ausbruchsicheren Teil ihres Grundstücks kommt, geöffnet werde, sei sicher zu stellen, dass auch die davor passierte Tür hinter dem Hund geschlossen worden ist, so dass sich auch nur ein einziger Hund in diesem Bereich befinden könne (Schleusenfunktion). Erst nachdem ein Hund den ungesicherten Bereich ihres Grundstücks erreicht habe und die Haustür wieder fest verschlossen worden sei, dürfe eine andere Person mit einem weiteren Hund den ausbruchsicheren Bereich auf demselben Weg verlassen (Ziffer 3). Das im Gartenbereich befindliche Tor sei bis zum 20.06.2015 von der Innenseite mit einem Türknauf zu versehen, damit die Hunde keine Möglichkeit haben, die Klinke herunter zu drücken (Ziffer 4). Die Hunde seien außerdem zur Feststellung einer möglichen Gefährlichkeit bis zum 01.08.2015 von einem amtlichen Tierarzt im Rahmen einer Verhaltensprüfung zu begutachten. Einen Monat nach Vorlage des Ergebnisses der Verhaltensprüfung bei der Stadt H. träten die Anordnungen zu Ziffer 1 bis 4 und 6 dieser Verfügung außer Kraft (Ziffer 5). Würden die Tiere noch vor der Begutachtung durch den Amtsveterinär an Dritte abgegeben, seien Name und Anschrift des neuen Halters oder der neuen Halterin anzuzeigen. Der neue Halter oder die neue Halterin seien davon in Kenntnis zu setzen, dass für den jeweiligen Hund die o.g. vorläufigen Sicherungsmaßnahmen angeordnet sind (Ziffer 6.)

Zugleich drohte die Beklagte für den Fall, dass die Anordnungen zu Ziffer 1 bis 4 nicht beachtet werden sollten, die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Sicherstellung der Tiere an. Sofern die Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt nicht oder nicht rechtzeitig erfolge, drohte die Beklagte die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 EUR an. (Ziffer 7). Die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung wurde ebenfalls angeordnet. (Ziffer 8).

Zur Begründung berief sich die Beklagte insbesondere auf den Vorfall vom 07.06.2015, aus dem sich ergebe, dass Anhaltspunkte für eine Gefährlichkeit der Hunde vorliegen würden. Eine Vorführung beim Amtstierarzt sei deshalb ebenso erforderlich wie die weiter angeordneten Maßnahmen.

Am 19.06.2015 erhielten Mitarbeiter der Kreispolizeibehörde H. Hinweise über freilaufende Huskies in Höhe des Hauses I1. . Beim Eintreffen der Polizeibeamten konnte dort ein freilaufender Husky angetroffen werden. Die Klägerin gab hierzu an, dass zwei weitere Hunde das Grundstück verlassen hätten, inzwischen aber zurückgekehrt seien. Im Rahmen der Anhörung durch die Polizeibeamten konnte sie sich nicht erklären, wie die Hunde das Grundstück verlassen konnten. Die Klägerin äußerte die Vermutung, dass man ihren Gartenzaun manipuliert habe. Anhaltspunkte für eine mutwillige Manipulation am Gartenzaun konnten im Rahmen der Kontrolle durch die Kreispolizeibehörde H. jedoch nicht festgestellt werden.

Die Hunde „………“ wurde am 22.06.2015 durch die Beklagte sichergestellt und in das Tierheim H. , die Hunde „…………“ in die Tierpension ….- in C1. verbracht, die Hunde „………..“ verblieben zunächst bei der Klägerin und ihrem Ehemann.

Mit weiterer Ordnungsverfügung vom 23.06.2015 setzte die Beklagte das zuvor angedrohte Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges der neun Huskies an (Ziffer 1 der Verfügung). Hinsichtlich der Hunde „Suri“ und „Lina“ wurde mit Zustimmung der Klägerin angeordnet, dass diese an Herrn C2. aus N1. zur Verwahrung zu geben sind, die im Tierheim H. und in der Hundepension O. untergebrachten Tiere könnten zur weiteren Unterbringung auch bei Dritten in Verwahrung gegeben werden, wenn diese Personen die Voraussetzungen zum Halten der Hunde erfüllen würden. Ein schriftlicher Nachweis der Übergabe sei der Beklagten vorzulegen (Ziffer 2 der Verfügung). Die Kosten der Verwahrung für die Tiere seien von der Klägerin zu tragen (Ziffer 3 der Verfügung). Zur Begründung berief sich die Beklagte darauf, dass die Hunde am 19.06.2015 erneut das Grundstück unbeaufsichtigt verlassen konnten.

Die Klägerin erhob gegen beide Verfügungen am 08.07.2015 Klage und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Den Antrag lehnte das Gericht mit Beschluss vom 27.07.2015 ab (11 L 735/15).

Im gerichtlichen Hauptsacheverfahren erklärten die Beteiligten in der Verhandlung vom 18.11.2015 das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, soweit die angefochtenen Ordnungsverfügungen die Hunde „……………“ betrafen. Mit Urteil vom 13.01.2016 (11 K 1822/15) stellte das Gericht das Verfahren ein, soweit die angefochtenen Ordnungsverfügungen die vorgenannten Hunde betrafen. Bezüglich der Hunde „Ronja“, „Suri“ und „Lina“ hob das Gericht die angefochtenen Ordnungsverfügungen auf und verpflichtete die Beklagte, die Rückgabe der Hunde zu veranlassen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Mit zwei Ordnungsverfügungen vom 05.01.2016 untersagte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann (11 K 241/16) die Haltung von Hunden im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 LHundG NRW (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung), drohte ihnen im Falle der Zuwiderhandlung die Anwendung unmittelbaren Zwanges an (Ziffer 2 der Ordnungsverfügung) und ordnete den Sofortvollzug der Ordnungsverfügungen an (Ziffer 3 der Ordnungsverfügung).

Die Klägerin hat gegen diese Ordnungsverfügung am 28.01.2016 Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Den Antrag hat das Gericht mit Beschluss vom 06.04.2016 abgelehnt (11 L 399/16).

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen: Die Haltungsuntersagung sei rechtswidrig. Sie habe nicht schwerwiegend oder wiederholt gegen Vorschriften des LHundG NRW verstoßen. Ihrer Pflicht zur ordnungsbehördlichen Anmeldung der Hunde und zum Abschluss von Haftpflichtversicherungen sei sie rechtzeitig nachgekommen. Für alle Hunde habe ab September 2014 ein umfänglicher Versicherungsschutz bestanden. Den ersten Hund „Nala“ habe sie in ordnungsgemäßer Weise angemeldet. Bei den anderen Hunden sei sie davon ausgegangen, dass die steuerliche Anmeldung der ordnungsbehördlichen Anmeldung gleichkomme. Soweit die Beklagte auf den Vorfall vom 07.06.2015 Bezug nehme, sei unklar, ob die Geschädigte von ihren Huskies angegriffen worden sei oder sich die Verletzung zugezogen habe, als sie leichtfertig versucht habe, die Hunde zu trennen. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen sie sei eingestellt worden, weil nicht habe festgestellt werden können, dass die Bissverletzungen durch ihre Hunde verursacht wurden. Es sei auch nicht auszuschließen, dass ihre Hunde vom Hund der Geschädigten provoziert worden seien. Bei dem Vorfall am 19.06.2015 habe nur einer ihrer Hunde das Grundstück unbeaufsichtigt verlassen. Das Entweichen der Hunde von ihrem Grundstück lasse keineswegs den Schluss auf eine gesteigerte Gefährlichkeit oder Aggressivität der Hunde zu. Ihr Grundstück sei auch ausbruchssicher. Ein Ausbruch wäre nicht passiert, wenn der Zaun nicht manipuliert worden wäre. Das Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung von „Harvey“ und „Kaju“ sei nicht nachvollziehbar. Die Beurteilung der Huskies „………“ stehe noch aus. Dass es sich hierbei um gefährliche Hunde handele, beruhe lediglich auf Mutmaßungen der Beklagten. Unabhängig davon sei die Haltungsuntersagung auch unverhältnismäßig. Eine derartige umfassende Haltungsuntersagung sechs Monate nach Abschluss des Sicherstellungsverfahrens sei nicht erforderlich. Die „Bewährungsfrist“ von fünf Jahren für die Haltungsuntersagung sei unverhältnismäßig lang. Eine derartige Frist gelte nur für Zweifel an der Zuverlässigkeit auf Grund der Begehung bestimmter Straftaten. Diese lägen hier nicht vor.

Die Klägerin beantragt, die Ordnungsverfügung vom 05.01.2016 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zur Begründung des Antrages auf ihre Ausführungen im Verfahren 11 L 399/16 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten 11 K 1822/15 und 11 L 399/16 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 05.01.2016, mit der der Klägerin die Haltung von Hunden im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 LHundG NRW untersagt (Ziffer 1 der Ordnungsverfügung) und im Falle der Zuwiderhandlung die Anwendung unmittelbaren Zwanges angedroht wurde (Ziffer 2 der Ordnungsverfügung) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ziffer 1 der Ordnungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LHundG NRW. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW soll die Haltung eines gefährlichen Hundes oder eines Hundes im Sinne des § 10 Abs. 1 LHundG NRW untersagt werden, wenn ein schwerwiegender Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes getroffener Anordnungen vorliegen, die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind, eine erforderliche Erlaubnis nicht innerhalb einer behördlich bestimmten Frist beantragt oder eine Erlaubnis versagt wurde. Unter den gleichen Voraussetzungen kann nach § 12 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW auch die Haltung von Hunden i.S.d. § 11 Abs. 1 LHundG NRW untersagt werden. Ebenfalls kann nach § 12 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW die zukünftige Haltung von Hunden i.S.d. §§ 3, 10 und 11 LHundG NRW untersagt werden.

Die Ordnungsverfügung vom 05.01.2016 untersagt der Klägerin die Haltung „aller“ Hunde i.S.d. §§ 3, 10 und 11 LHundG NRW, somit die Haltung der sichergestellten Hunde – da es sich insoweit um große Hunde i.S.d. § 11 Abs. 1 LHundG NRW handelt (konkrete Haltungsuntersagung i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW ) – als auch eine zukünftige Haltung anderer, den o.g. Vorschriften unterfallende Hunde (abstrakte Haltungsuntersagung i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW).

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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haltungsuntersagung i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 LHundG NRW lagen vor. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 06.04.2016 (11 L 399/16) Bezug genommen. Im Klageverfahren sind nach Abschluss des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine weiteren Gesichtspunkte vorgetragen worden, die eine andere Bewertung der Sach- und Rechtslage erfordern. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der ergänzenden Klagebegründung vom 14.07.2016.

Der Hinweis (Seite 2) auf das rechtskräftig gewordene Urteil des Gerichts vom 13.01.2016 (11 K 1822/15), mit der die Ordnungsverfügung vom 23.06.2015 aufgehoben wurde, soweit sie die Hunde „Ronja“, „Suri“ und „Lina“ betraf und die Beklagte verpflichtet wurde, die Rückgabe der Hunde zu veranlassen, trägt in diesem Zusammenhang nichts bei. Die verfügte Sicherstellung dieser Hunde hat das Gericht aufgehoben, weil die genannten Hunde an dem streitigen Beißvorfall am 07.06.2015 nicht beteiligt waren und die Sicherstellung nach Auffassung des Gerichts zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr nicht geboten war (Seite 13 des Urteilsabdruckes). Die Frage, ob die Klägerin die persönlichen Voraussetzungen für die Haltung dieser Hunde oder anderer Hunde i.S.d. §§ 3, 10 und 11 LHundG NRW erfüllt, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Deshalb liegt auch der weitere Einwand der Klägerin, die Haltungsuntersagung sei sechs Monate nach der Sicherstellung der Hunde nicht erforderlich, neben der Sache. Beide Anordnungen knüpfen an unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen an und verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Insoweit kann die Erforderlichkeit der einen Anordnung nicht allein durch die Existenz der anderen Anordnung in Frage gestellt werden.

Soweit die Klägerin weiter vorträgt, an die abstrakte Haltungsuntersagung seien höhere Anforderungen zu stellen als an eine konkrete Haltungsuntersagung (Seite 3), wird diese Rechtsauffassung schon durch den Wortlaut der § 12 Abs. 1 Satz 1 bis 3 LHundG NRW widerlegt. § 12 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW knüpft weder auf der Tatbestands- noch auf der Rechtsfolgenseite (Ermessen) an Voraussetzungen an, die über die in § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 LHundG NRW normierten Voraussetzungen hinausgehen. Die Zuverlässigkeit i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG NRW – auf deren Nichtvorliegen die Beklagte die Untersagungsverfügung gestützt hat – ist notwendige Voraussetzung für die Haltung aller in §§ 3, 10 und 11 LHundG NRW genannten Hunde (vgl. §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 2, 11 Abs. 2 LHundG NRW, jeweils mit dem Verweis auf § 7 LHundG NRW). Ohne sie liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl für eine konkrete als auch für eine abstrakte Haltungsuntersagung vor.

Dass die Klägerin die notwendige Zuverlässigkeit zur Haltung von Hunden i.S.d. §§ 3, 10 und 11 LHundG NRW nicht besitzt, hat das Gericht bereits im o.g. Beschluss vom 06.04.2016 ausgeführt. Der Rechtsauffassung der Klägerin, dass Verstöße gegen die ordnungsrechtliche Anmelde- und Versicherungspflicht keine Haltungsuntersagung rechtfertigen können, folgt das Gericht auch nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG NRW besitzen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, die wiederholt oder schwerwiegend gegen Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen haben. Schwerwiegende Verstöße liegen insbesondere dann vor, wenn Strafvorschriften i.S.d. § 19 LHundG NRW verwirklicht werden.

Vgl. Haurand, Landeshundegesetz NRW, Kommentar, 5. Auflage 2008, § 7 Rn. 5.2.

Andere, nicht strafbewehrte, sondern als Ordnungswidrigkeit i..S.d. § 20 LHundG zu qualifizierende fahrlässige oder vorsätzliche Verstöße gegen Vorschriften des Gesetzes rechtfertigen die Annahme der Unzuverlässigkeit, wenn sie wiederholt auftreten und erkennen lassen, dass der Halter nicht gewillt ist, die Vorschriften des LHundG NRW zu beachten. Insoweit können auch nur bußgeldbewehrte Verstöße (§ 20 Abs. 1 Nr. 16 und 17 LHundG NRW) gegen die Anmelde- und Versicherungspflicht eine Haltungsuntersagung rechtfertigen.

Vgl. VG Minden, Beschluss vom 08.01.2014 – 11 L 849/13 -, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 15.04.2014 – 5 B 82/70 -.

Dass die Klägerin ihrer Pflicht, die Haltung von Hunden i.S.d. § 11 Abs. 1 LHundG NRW unverzüglich nach der Aufnahme der Haltung der Ordnungsbehörde anzuzeigen und den Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen (§ 11 Abs. 1 und 2 LHundG NRW), in grob fahrlässiger Weise nicht nachgekommen ist, hat das Gericht bereits im Beschluss vom 06.04.2016 (Seite 4 ff. des Umdruckes) dargelegt. Die Einlassung der Klägerin, sie sei davon ausgegangen, dass sie dieser Pflicht mit der steuerlichen Anmeldung nachgekommen sei, vermag sie schon deshalb nicht zu entlasten, weil auch eine steuerliche Anmeldung aller Hunde nicht erfolgte. Die Klägerin stellt selbst nicht in Abrede, dass eine steuerrechtliche Anmeldung aller neun von ihr gehaltenen Hunde erst nach März 2015 erfolgte, als Nachbarn sich über die Haltung der Hunde auf dem Grundstück beschwert hatten und die Beklagte von der Haltung weiterer, nicht angemeldeter Hunde Kenntnis erlangte. Bis zu diesem Zeitpunkt waren nur vier der Hunde steuerlich angemeldet (BA II Bl. 19 zu 11 L 399/16). Im Übrigen war für einen sachkundigen Hundebesitzer ohne weiteres erkennbar, dass die steuerrechtliche Anmeldung die ordnungsrechtliche Anmeldung nicht ersetzen kann. Die ordnungsrechtliche Anmeldung großer Hunde dient der Erbringung der zur Haltung nach § 11 Abs. 2 LHundG NRW erforderlichen Nachweise, die im Rahmen der steuerrechtlichen Anmeldung gerade nicht abverlangt werden. Dass – so die Behauptung der Klägerin (vgl. Antragsbegründung vom 15.01.2016, Bl. 22 GA in 11 L 399/16) – die steuer- und ordnungsrechtliche Anmeldung in einem Formular erfolgten, erscheint dem Gericht aus diesem Grunde schon fernliegend. Der Beklagte hat dies in der Antragserwiderung vom 24.03.2016 (Bl. 26 GA in 11 L 399/16) auch bestritten und mit für das Gericht nachvollziehbarer und überzeugender Begründung das Verfahren zur steuer- und ordnungsrechtlichen Anmeldung dargelegt.

Das Gericht hat weiterhin bereits im Beschluss vom 06.04.2016 ausgeführt (Seite 5 ff des Umdruckes), dass die Klägerin auch deshalb gegen ihre Halterpflichten verstoßen hat, weil sie eine Haftpflichtversicherung für alle Hunde nicht zeitnah nach der Aufnahme der Haltung abgeschlossen hat. Auch insoweit enthält die Klagebegründung vom 14.07.2016 keine neuen Gesichtspunkte, die die Rechtsauffassung des Gerichts in Frage stellen. Die Behauptung in der Antragsschrift vom 15.01.2016 (Bl. 8 GA in 11 L 399/16), ein umfänglicher Versicherungsschutz für alle Hunde habe „spätestens“ seit September 2014 bestanden, weist einen umfassenden Versicherungsschutz für alle Hunde nach Aufnahme der Hundehaltung nicht nach, weil die Haltung der Hunde teilweise bereits in den Jahren 2009 bis 2012 aufgenommen wurde (BA II Bl. 33, 38, 59 und 60). Der von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte Versicherungsschein (BA III Bl. 40) bestätigt lediglich, dass eine Änderung des Versicherungsumfanges zum 09.09.2014 erfolgte. Aus ihm ergibt sich aber nicht, für welche Hunde und zu welchem Zeitpunkt zuvor Versicherungsschutz bestand.

Schließlich hat das Gericht bereits im Beschluss vom 06.04.2016 (Seite 5 ff. des Umdruckes) unter Bezugnahme auf die Vorfälle vom 11.04.2015, 07.06.2015 und 19.06.2015 ausgeführt, dass die Klägerin mehrfach gegen ihre Halterpflichten verstoßen hat, weil sie die Hunde nicht so gehalten hat, dass von Ihnen keine Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen ausgehen (vgl. § 2 Abs. 1 LHundG NRW). Die Ausführungen der Klägerin in der ergänzenden Klagebegründung vom 14.07.2016 und in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2016 sind auch insoweit nicht geeignet, die Rechtsauffassung des Gerichts in Frage zu stellen. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen die Klägerin wurde nach § 153a StPO nur gegen Zahlung einer Geldbuße vorläufig eingestellt. Eine Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachtes (§ 170 Abs. 2 StPO) erfolgte damit nicht. Selbst wenn im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht aufgeklärt werden konnte, welcher Hund der Geschädigten T1. die Bissverletzungen zugefügt hat und eine von der Klägerin zu verantwortende Körperverletzung deshalb nicht (zweifelsfrei) nachgewiesen werden konnte, so bestehen für das Gericht nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge jedenfalls keine Zweifel daran, dass die Hunde der Klägerin zuvor einen anderen Hund angegriffen und im weiteren Verlauf tödlich verletzt haben, ohne sich in einer Notwehrsituation i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 LHundG NRW befunden zu haben. Dieser Vorfall wurde letztlich erst durch ein Verhalten der Klägerin ermöglicht, nämlich dadurch, dass die Hunde unbeaufsichtigt das Grundstück durch die Haustür verlassen konnten. Dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt, wurde durch weitere Vorfälle, insbesondere am 19.06.2016, belegt.

Der Beklagte ist nach Würdigung aller Vorfälle im Zusammenhang mit der Hundehaltung durch die Klägerin deshalb zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass diese nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG NRW für die Haltung der in der Ordnungsverfügung genannten Hunde besitzt. Ob wegen der von der Haltungsuntersagung fortdauernden Wirkung (Dauerverwaltungsakt) auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn im gerichtlichen Verfahren haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die diese Einschätzung der Beklagten in Zweifel ziehen.

Bei der Feststellung der Zuverlässigkeit handelt es sich um eine auf das zukünftige Verhalten ausgerichtete Prognose, bei der auch das Verhalten des Betroffenen und seine Einlassungen im Verwaltungs- und Klageverfahren berücksichtigt werden können. Insbesondere Einlassungen, die das Geschehene bagatellisieren und Schuldzuweisungen bei Anderen suchen, begründen Zweifel daran, ob der Betroffene gewillt und in der Lage ist, auch zukünftig die Vorschriften des LHundG NRW zu beachten.

Vgl. Haurand, Landeshundegesetz NRW, Kommentar, 5. Auflage 2008, § 7 Rn. 2.

In diesem Zusammenhang konnte berücksichtigt werden, dass die Klägerin auch im gerichtlichen Verfahren versuchte, alle ihr zur Last gelegten Vorgänge zu bagatellisieren und ihren Schuld-und Verursachungsbeitrag zu relativieren. Dies gilt zunächst hinsichtlich der nicht bzw. nicht rechtzeitig erfolgten ordnungsrechtlich erforderlichen Anmeldung der Hunde, für die nach ihrer Auffassung auch die Beklagte verantwortlich ist, weil sie die Klägerin nicht darauf hinwies bzw. dies nicht bereits im Jahre 2012 anlässlich einer Hundezählung beanstandete (Antragsschrift vom 15.01.2016, Bl. 5 und 6 GA in 11 L 399/16). Es gilt auch für den Beißvorfall vom 07.06.2015, in deren Verlauf der Hund der Geschädigten T1. von den Hunden der Klägerin angegriffen und tödlich verletzt wurde. Der Einwand der Klägerin, die Geschädigte sei „mitschuldig“, weil sie versucht habe, die Hunde zu trennen (Antragsschrift vom 15.01.2016, Bl. 6 GA in 11 L 399/16), kann allenfalls für deren Verletzung bedeutsam sein. Der Einwand blendet aber den tödlichen Angriff der Hunde der Klägerin auf den Hund der Geschädigten aus, der erst durch ein unachtsames Verhalten der Klägerin (offen stehende Haustür) ermöglicht wurde und für den kein anderer, auch nicht die Geschädigte T1. , verantwortlich gemacht werden kann. Das o.g. Verhalten der Klägerin wird auch in ihrer Einlassung zum Vorfall vom 11.04.2015 deutlich, bei der eine Passantin im Straßenverkehr von dem Hundeschlittengespann der Klägerin von hinten angefahren wurde und zu Fall kam. Die Klägerin führte auch diesen Vorfall letztendlich ausschließlich auf ein Fehlverhalten der Passantin zurück, weil diese den vorhandenen Gehweg „entsprechend den Vorschriften der StVO“ nicht benutzt habe (Schriftsatz vom 21.09.2015, BA I Bl. 185 und 186). Dass auch sie als Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird (§ 1 Abs. 2 StVO) und ihr Fahrverhalten hierauf auszurichten hat, wird offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen. Schließlich gilt dies auch für den Vorfall am 19.06.2015, in dessen Verlauf erneut ein Husky das Grundstück unbeaufsichtigt verlassen konnte. Die Klägerin führt dies auf – nicht näher substantiierte und belegte – „Manipulationen“ am Gartenzaun zurück, die ein Entweichen des Hundes ermöglicht haben sollen. Derartige Manipulationen sind durch die anwesenden Beamten der Kreispolizeibehörde H. nicht festgestellt worden, stattdessen Zwischenräume zwischen Zaun und Boden, die durch Kantensteine und Gehwegplatten nur unvollständig verschlossen waren und ein Entweichen der Hundes ermöglichten (BA III Bl. 97). Für eine ausbruchssichere Haltung des Hundes war die Klägerin aber nach § 2 Abs. 1 LHundG NRW verantwortlich.

Dass die Haltungsuntersagung auf Grund einer fehlenden Befristung nicht unverhältnismäßig ist, hat das Gericht bereits im Beschluss vom 06.04.2016 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG NRW (Seite 7 ff. des Umdruckes) ausgeführt. Hierauf wird ebenfalls Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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