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Negative Kundenbewertung zulässig wenn diese ein Jahr später erfolgt?

Rechtliche Grenzen bei Kundenbewertungen: Was ist zulässig?

Negative Kundenbewertungen sind in der heutigen Zeit, in der das Internet eine zentrale Rolle im Geschäftsleben spielt, ein häufiges Phänomen. Sie können den Ruf eines Unternehmens beeinflussen und zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Dabei steht oft die Frage im Mittelpunkt, inwiefern solche Bewertungen unter das Recht der Meinungsfreiheit fallen und wann sie als rechtswidrig betrachtet werden können. Das Internetrecht bietet hierbei den Rahmen für solche Diskussionen. Insbesondere wenn eine Online-Bewertung nach einer längeren Zeitspanne abgegeben wird, kann dies zu Unsicherheiten führen. Die Plausibilitätskontrolle solcher Bewertungen und die Abwägung zwischen dem Recht des Gewerbebetriebs und der Meinungsfreiheit des Kunden sind zentrale Aspekte in solchen Fällen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 C 560/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht entschied, dass die negative Kundenbewertung, die ein Jahr nach dem letzten Besuch des Fitnessstudios abgegeben wurde, zulässig war und von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Negative Kundenbewertung eines Fitnessstudios wurde ein Jahr nach dem letzten Besuch des Kunden abgegeben.
  2. Der Fitnessstudio-Betreiber forderte den Kunden auf, den Facebook-Beitrag zu löschen und verlangte eine Löschungs- und Unterlassungserklärung.
  3. Der Kunde argumentierte, dass sein Recht auf Meinungsfreiheit in diesem Fall überwiegt.
  4. Der Fitnessstudio-Betreiber behauptete, dass die Äußerung des Kunden auf falschen Tatsachen beruht und Schäden für das Studio verursacht haben könnte.
  5. Das Landgericht Freiburg erklärte sich für sachlich unzuständig und verwies den Fall an das Amtsgericht Lörrach.
  6. Das Gericht stellte fest, dass die negative Bewertung auf subjektiven Eindrücken des Kunden basierte und nicht auf objektiv nachprüfbaren Tatsachen.
  7. Kundenbewertungen sind subjektiv und müssen nicht immer objektiv begründet werden. Kritische und unfaire Bewertungen sind grundsätzlich zu dulden.
  8. Der Fitnessstudio-Betreiber hat durch die Eröffnung einer Facebook-Seite selbst den Raum für Bewertungen geschaffen und muss daher auch mit kritischen und negativen Bewertungen rechnen.

Konfrontation mit negativer Kundenbewertung

Ein Fitnessstudio-Betreiber sah sich mit einer negativen Kundenbewertung auf Facebook konfrontiert, die sich auf mangelnden Service und Sauberkeit bezog. Die Bewertung wurde von einem ehemaligen Kunden des Studios abgegeben, und zwar ein Jahr nach dessen letztem Besuch. Weitere Bewertungen des Fitnessstudios deuteten ebenfalls auf mangelnde Sauberkeit hin. Der Betreiber des Studios forderte den Kunden daraufhin auf, den Beitrag zu löschen und in Zukunft solche Beiträge zu unterlassen, und verlangte zudem eine entsprechende Löschungs- und Unterlassungserklärung.

Rechtliche Schritte und Meinungsfreiheit

Kundenbewertungen
Konfrontation: Negative Kundenbewertung und Meinungsfreiheit (Symbolfoto: Dany Kurniawan /Shutterstock.com)

Der Kunde argumentierte, dass sein Recht auf Meinungsfreiheit in diesem Fall überwiege und die Tatsachengrundlage der Bewertung korrekt sei. Aufgrund der vorgerichtlichen Aufforderung zur Löschung des Beitrags sah sich der Kunde gezwungen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Er verlangte vom Fitnessstudio-Betreiber die Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 973,66.

Der Fitnessstudio-Betreiber beantragte, die Klage abzuweisen und forderte den Kunden auf, es zu unterlassen, solche Bewertungen in Zukunft abzugeben oder die aktuelle Bewertung beizubehalten. Er argumentierte, dass die Äußerung des Kunden auf falschen Tatsachen beruhe und fast ein Jahr nach dem letzten Training abgegeben wurde. Er behauptete weiterhin, dass durch diese rechtswidrige Äußerung dem Studio Schäden entstanden seien und noch entstehen könnten.

Gerichtliche Entscheidung und Meinungsfreiheit

Die Klage wurde beim Landgericht Freiburg eingereicht, das sich jedoch für sachlich unzuständig erklärte und den Fall an das Amtsgericht Lörrach verwies. Das Gericht stellte fest, dass die Kundenbewertung zulässig war, da sie auf subjektiven Eindrücken des Kunden basierte und nicht auf objektiv nachprüfbaren Tatsachen. Das Gericht betonte, dass Meinungsäußerungen durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt sind und nicht als wahr oder unwahr bewertet werden können.

Das Gericht berücksichtigte auch, dass der Kunde seine Bewertung ein Jahr nach seinem letzten Besuch im Fitnessstudio abgegeben hatte. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass der Fitnessstudio-Betreiber durch die Eröffnung einer Facebook-Seite selbst den Raum für Bewertungen geschaffen hatte und daher auch mit kritischen und negativen Bewertungen rechnen musste. Zudem gab es in einem ähnlichen Zeitraum weitere negative Bewertungen, die die Sauberkeit und/oder den Service des Studios kritisierten.

Schlussfolgerung und rechtliche Aspekte

Unter Berücksichtigung aller Umstände kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Bewertung des Kunden zulässig war. Er machte von seinem Recht Gebrauch, seine kritische und negative Meinung zu äußern. Die Umstände auf Facebook und die weiteren ähnlichen Kommentare ließen kein Überwiegen der Interessen des Fitnessstudio-Betreibers erkennen.

Abschließend wurde festgestellt, dass die Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen innerhalb eines Vertragsverhältnisses eine Pflichtverletzung darstellt. Der BGH hat entschieden, dass eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt werden muss, um festzustellen, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt. Im vorliegenden Fall konnte der Fitnessstudio-Betreiber keinen Schaden durch die negative Bewertung nachweisen.

Das Urteil zeigt, wie wichtig es ist, die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und rechtlichen Aspekten zu erkennen und zu respektieren. Es unterstreicht die Bedeutung von Kundenbewertungen im digitalen Zeitalter und die Notwendigkeit für Unternehmen, angemessen auf negative Bewertungen zu reagieren, ohne die Rechte der Kunden zu verletzen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG): Bedeutung, Grenzen und Anwendung im Kontext von Kundenbewertungen

Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland durch das Grundgesetz (GG) in Artikel 5 Absatz 1 geschützt. Dieser Artikel besagt, dass jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht und ein zentrales Element einer demokratischen Gesellschaft.

Bedeutung der Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit ermöglicht es den Bürgern, ihre Meinungen und Ideen ohne Angst vor Vergeltung, Zensur oder rechtlichen Sanktionen zu äußern. Sie fördert den offenen Diskurs und die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ansichten, was für eine funktionierende Demokratie unerlässlich ist.

Grenzen der Meinungsfreiheit

Obwohl die Meinungsfreiheit ein grundlegendes Recht ist, hat sie auch ihre Grenzen. Artikel 5 Absatz 2 GG legt fest, dass die Meinungsfreiheit durch allgemeine Gesetze, gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre eingeschränkt werden kann. Beleidigungen, Verleumdungen und falsche Tatsachenbehauptungen sind daher nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt.

Meinungsfreiheit und Kundenbewertungen

Im Kontext von Kundenbewertungen sind Meinungsäußerungen grundsätzlich erlaubt, auch wenn sie negativ oder überspitzt sind. Allerdings müssen solche Bewertungen innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit bleiben. Beleidigungen, Verleumdungen und unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht zulässig und können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Abgrenzung von Meinungsfreiheit und Tatsachenbehauptungen

Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen sind zwei unterschiedliche Aspekte der Meinungsfreiheit. Während Meinungsäußerungen subjektive Werturteile darstellen, beziehen sich Tatsachenbehauptungen auf objektive, dem Beweis zugängliche Umstände. Wahre Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit geschützt, da sie die Grundlage für die Bildung einer Meinung bilden. Unwahre Tatsachenbehauptungen hingegen sind in der Regel unzulässig und genießen keinen rechtlichen Schutz.

Rechtlicher Schutz von Meinungsäußerungen

Meinungsäußerungen genießen in der Regel rechtlichen Schutz, solange sie nicht gegen die Grenzen der Meinungsfreiheit verstoßen. In bestimmten Fällen, wie beispielsweise bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen, kann der Schutz der Meinungsfreiheit jedoch eingeschränkt werden. Bei der Beurteilung, ob eine Meinungsäußerung rechtlichen Schutz genießt, ist eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und den betroffenen Rechten erforderlich.

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Im Zusammenhang mit Kundenbewertungen bedeutet dies, dass Händler und Unternehmen negative Bewertungen grundsätzlich akzeptieren müssen, solange sie innerhalb der Grenzen der Meinungsfreiheit bleiben. Ungerechtfertigte oder unwahre Bewertungen können jedoch rechtlich angefochten werden.


Das vorliegende Urteil

AG Lörrach – Az.: 3 C 560/23 – Urteil vom 25.09.2023

1. Es wird festgestellt, dass sich der ursprüngliche Klageantrag Nr. 1 erledigt hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Wiederklage wird abgewiesen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 14.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Kundenbewertung des Klägers über ein Fitnessstudio des Beklagten (Fitnessstudio XY)

Der Kläger war seit 01.04.2017 Kunde des Beklagten und nutzte das Fitnessstudio bis zum 10.04.2018. Am 25.03.2019 verfasste er folgenden öffentlichen Eintrag bei Facebook über das Fitnessstudio des Beklagten. Er empfahl das Fitnessstudio nicht und schrieb dazu: „Service und Sauberkeit mangelhaft“. Weitere Bewertungen des Fitnessstudios wiesen auf die mangelhafte Sauberkeit hin. Auf Aktenseiten 87–92 wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 16.11.2022 forderte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten den Kläger auf den Facebook-Beitrag zu löschen und in Zukunft zu unterlassen unter der Abgabe einer entsprechenden Löschungs- und Unterlassungserklärung.

Der Kläger trägt vor, dass das Recht des Klägers auf Meinungsfreiheit überwiege. Die Tatsachengrundlage davon stimme. Wegen der vorgerichtlichen Aufforderung zur Löschung, sei die Inanspruchnahme eines Anwalts notwendig gewesen.

Der Kläger beantragt,

2. Der Beklagte wird verurteilt, in Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten weitere € 973,66 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen. Widerklagend beantragt er:

1. den Beklagten zu verurteilen, es ab sofort unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise bis zu sechs Monaten Ordnungshaft zu unterlassen, eine Bewertung mit der Aussage  „Service und Sauberkeit mangelhaft.“ abzugeben oder die entsprechende Bewertung weiterhin aufrecht zu erhalten, wenn dies geschieht, wie es unter der Internetadresse https://www.facebook.com/xxx

wie nachfolgend dargestellt geschieht:

(siehe das Bild in Aktenseite 25)

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten alle Schäden zu ersetzen, welche dem Beklagten durch die Handlungen aus Ziffer 1 des Widerklageantrages entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden.

3. Der Kläger wird verurteilt, den Beklagten von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 818,20 € freizustellen.

Der Kläger beantragt die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass der ursprüngliche Klageantrag Nr. 1 bereits unzulässig gewesen sei, weil der Antrag zu unbestimmt gewesen sei, da nicht angegeben worden sei, in welchem Kontext die Äußerung gefallen sei. Der Kläger habe im Übrigen einen Anspruch auf Löschung des Facebook-Beitrags, weil dies einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Beklagten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs darstelle. Die Äußerung beruhe auf falschen Tatsachen und sei fast ein Jahr nach dem letzten Training abgegeben worden. Hinsichtlich der rechtswidrigen Äußerung sei es nicht auszuschließen, dass dem Kläger Schäden entstanden seien und noch entstehen würden.

Die Klage wurde beim Landgericht Freiburg erhoben und am 05.04.2023 zugestellt. Ursprünglich hat der Kläger beantragt: 1. Festzustellen, dass der Beklagte im Hinblick auf die nachfolgende Bewertung des Gesundheits- und Fitnesszentrums, XXX, keinen Anspruch auf Löschung und Unterlassung zusteht: „Service und Sauberkeit mangelhaft.“ In der mündlichen Verhandlung wurde dieser Antrag von ihm für erledigt erklärt.

Das Landgericht Freiburg hat sich im Beschluss vom 01.06.2023 für sachlich unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Lörrach verwiesen.

Am 18.09.2023 fand mündliche Verhandlung statt. Auf das Protokoll wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

A) Die zulässige Klage ist hinsichtlich des für erledigt erklärten Hauptantrags begründet und im Übrigen unbegründet.

I) Der ursprüngliche Klageantrag Nr. 1 war ursprünglich zulässig und begründet und hat sich während der mündlichen Verhandlung erledigt. Der Klageantrag wurde in der mündlichen Verhandlung einseitig für erledigt erklärt. Nach der Klageänderungstheorie ist dies als Umstellung des Klageantrags auf Feststellung, dass sich die Sache erledigt hat, auszulegen. Dies ist nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

1) Der ursprüngliche Antrag war zulässig.

a) Der Klageantrag war nicht nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu unbestimmt. Die Parteien stritten um die Kundenbewertung „Service und Sauberkeit mangelhaft.“ Genau dies war im Klageantrag erwähnt. Notwendig ist nicht die Nennung, dass dieser Kommentar bei Facebook fiel, weil der Beklagte die generelle Unterlassung davon begehrte und nicht nur bei Facebook. Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass die Umstände im Einzelfall notwendig sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Online-Beurteilung, dann gilt das für die Begründetheit und nicht für die Zulässigkeit des Antrags.

b) Die negative Feststellungsklage war zulässig, weil sich der Beklagte sich eines entsprechenden Anspruchs berühmt hat. Das Bestehen des Anspruchs ist ein bestehendes oder nicht bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nach § 256 ZPO, da es die konkrete rechtliche Beziehung zwischen den Parteien aufgrund eines konkreten Sachverhalts betrifft. Das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage bestand, weil sich der Beklagte eines entsprechenden Anspruchs berühmt hat (BeckOK ZPO/Bacher, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 256 Rn. 22).

c) Das Amtsgericht war sachlich zuständig, obwohl der Streitwert über 5.000 € liegt, weil es an die Verweisungsentscheidung des Landgerichts Freiburg nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO gebunden ist. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 12, 13 ZPO.

2) Der ursprüngliche Antrag war begründet. Die Online-Bewertung „Service und Sauberkeit mangelhaft.“ durch den Kläger war zulässig und der Beklagte hatte keinen entsprechenden Anspruch auf Unterlassung und Löschung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB i. V. m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs.

a) Die Äußerung des Klägers ist eine Meinungsäußerung die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt ist und keine Tatsachenbehauptung. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. (BGH NJW 2015, 773 Rn. 8) Die Aussage des Klägers bewertet den Service und die Sauberkeit. Dafür gibt es keine objektiv nachmessbaren Kriterien. Auch der Ausdruck „mangelhaft“ ist in diesem Zusammenhang eine Äußerung der subjektiven Abwertung und nicht als objektiv nachprüfbare „Schulnote“ zu verstehen. Soweit zumindest in groben Kategorien Service und Sauberkeit objektiv beurteilt werden können, zum Beispiel fehlende Ansprechpersonen für den Service oder verrichtete Putzintervalle hinsichtlich der Sauberkeit, vermengen sich Tatsachenbehauptung und Meinung und es bleibt beim Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. (BGH NJW 2015, 773 Rn. 8)

b) Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet seine Grenze nach Art. 5 Abs. 2 GG an den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch §§ 823 Abs. 1, 824, 1004 Abs. 1 BGB gehören. Zu den Schutzgütern dieser Normen gehört auch das Recht des Beklagten auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, worin die Äußerung des Klägers eingreift. Um die Zulässigkeit einer Äußerung zu beurteilen, sind die betroffenen Interessen einander in einer umfassenden Abwägung zuzuordnen, bei der alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen sind. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben. Bei dieser Abwägung sind die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. (BGH NJW 2008, 2110)

c) Der Kläger hat von seinem Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG Gebrauch gemacht. Die Äußerung seiner Meinung über angebotene Dienstleistungen des Beklagten in Bezug auf Service und Sauberkeit steht in einem direkten Verhältnis der vom Kläger in Anspruch genommen Dienstleistung. Es ist auch nicht notwendig, dass der Kläger die konkreten Gründe seiner Bewertung angibt (LG Köln, Urteil vom 8. Mai 2013 – 28 O 452/12 –, juris, Rn. 41). Gerade Kundenbewertungen sind davon geprägt, dass in knapper Form der subjektive Eindruck mitgeteilt wird und die potentiellen Kunden sich einen Eindruck von der Gesamtheit der abgegebenen Bewertungen vermachen. Grundsätzlich sind auch kritische und unfaire Bewertungen zu dulden (AG Bremen, Urteil vom 31. August 2018 – 9 C 45/18 –, juris).

Die Aussage des Klägers ist nicht wesentlich durch die Tatsachenbehauptung geprägt, sondern durch seinen subjektiven Eindruck von Service und Sauberkeit. Es gilt also nicht der Grundsatz, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurücktritt, wenn die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern enthält.

Auf Seiten des Klägers ist aber auch zu berücksichtigen, dass dieser seine Bewertungen ein Jahr nach seinem letzten Besuch beim Fitnessstudio abgab. Damit liegt nicht der Fall vor, dass es kein Kundenkontakt gegeben hat (vgl. BGH GRUR 2016, 855). Das Interesse den Service und die Sauberkeit online trotz einem Jahr Abwesenheit zu bewerten ist so allerdings geschmälert.

d) Hinsichtlich der Interessen des Beklagten ist zu berücksichtigen, dass der Kommentar auf Facebook erstellt wurde und eine Bewertung der Facebook-Seite des Beklagten enthält. Damit hat der Beklagte selbst den Raum geschaffen bewertet zu werden, indem er auf Facebook sein Fitnessstudio bewirbt und dort die Möglichkeit zur Bewertung ermöglicht. Damit hat er auch mit kritischen und negativen Bewertungen zu rechnen.

Weiter ist die Bewertung des Klägers im Zusammenhang mit den übrigen Bewertungen zu sehen. In einem ähnlichen Zeitraum (vor 3–4 Jahren) gab es 4 ähnliche Bewertungen, die ähnlich negativ Sauberkeit und/oder Service bewerteten. Außerdem gibt es noch einen weiter zurück liegenden Kommentar (vor 6 Jahren) mit einer ähnlich negativen Bewertung. Auf einen Kommentar antwortete ein Mitarbeiter des Beklagten, dass sie sich des Problems der Sauberkeit annehmen wollen. In diesem Zusammenhang erscheint die Bewertung des Klägers nur als einer von vielen anderen ähnlichen Bewertungen. Dies senkt die Eingriffstiefe beim Beklagten.

e) Unter Abwägung der Umstände im Einzelfall unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze stellt sich die Bewertung des Klägers als zulässig dar. Er macht von seinem Recht seine kritische und negative Meinung zu äußern Gebrauch. Die Umstände auf Facebook (selbst eröffneter Raum und weitere ähnliche Kommentare) lassen kein Überwiegen der Interessen des Beklagten erkennen.

3) Der ursprüngliche Antrag hat sich erledigt. Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Leistungsantrag gestellt hat, konnte dieser nicht mehr einseitig zurückgenommen werden und das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage ist entfallen, weil der Leistungsantrag vorrangig ist (BeckOK ZPO/Bacher, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 256 Rn. 11).

II) Der Klageantrag auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten nach § 280 Abs. 1; 241 Abs. 2 BGB ist unbegründet.

1) Zwischen den Parteien bestand ein Vertragsverhältnis zur Nutzung und Bereitstellung des Fitnessstudios. Nur in diesem Zusammenhang machte der Kläger die Bewertung. Keine Partei hat vorgetragen, dass dieser Vertrag mittlerweile beendet wurde. In der mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass dieser Anspruch, entgegen dem bisherigen Klagevortrag, nicht aufgrund von Verzug sondern Vertragsverletzung möglich ist. Damit wurde beiden Parteien rechtliches Gehör gewährt.

2) Die Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen innerhalb eines Vertragsverhältnisses ist eine Pflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 BGB (BGH NJW 2009, 1262).

3) Nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird vermutet, dass der Beklagte dies zu vertreten hat. Diese Vermutung konnte der Beklagte ausräumen, da er nicht fahrlässig handelte (§ 276 Abs. 1 und 2 BGB). Nicht jede Anspruchsberühmung erfolgt schon fahrlässig, wenn der Anspruch gar nicht besteht. Ob der Anspruch wirklich besteht, kann erst in einem Gerichtsprozess herausgefunden werden. Vom Beklagten kann also nur verlangt werden, dass er sich nicht fahrlässig eines Anspruchs berühmt. Der BGH hat entschieden, dass eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt werden muss. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt. (BGH, NJW 2009, 1262) Vorliegend sah sich der Beklagte einer negativen Kundenbewertung ausgesetzt. Die Maßstäbe der Rechtsprechung für die Zulässigkeit solcher Bewertungen sind spätestens seit dem zitierten Urteil des BGH (BGH NJW 2008, 2110) eindeutig. Allerdings verweist auch der BGH auf eine Abwägung im Einzelfall. Rechtsprechung zu einzelnen Fällen sind dagegen nicht häufig. Zu der vorliegenden Konstellation konnten keine einschlägigen Entscheidungen gefunden werden. Es kann deshalb nicht verneint werden, dass der Beklagte sich Erfolgschancen ausmalen durfte und somit seiner Plausibilitätskontrolle nachkam. Immerhin hatte der Beklagte auch Argumente zu Lasten des Klägers.

III) Der Klageantrag auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht auch nicht aus einem Anspruch aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Es kann zwar angenommen werden, dass der Beklagte mit der Anspruchsverfolgung ein Geschäft des Klägers verfolgte, da dieser die Pflicht gehabt hätte, die Bewertung zu löschen. Nach § 678 BGB kann bei einem Übernahmeverschulden Schadensersatz verlangt werden (dazu: Hofmann, Die Anspruchsberühmung, ZfPW 2018, 152, 172 ff.). Hinsichtlich des Übernahmeverschuldens gelten aber dieselben Grundsätze wie für den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1; 241 Abs. 2 BGB. Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass die Löschung dem Willen des Klägers entspricht, wenn er vorab eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt hat hinsichtlich des Bestehens des Anspruchs. Dies ist vorliegend wie ausgeführt anzunehmen, weshalb kein Übernahmeverschulden vorliegt.

B) Die teilweise zulässige Widerklage ist unbegründet.

I) Die Widerklage ist nur teilweise zulässig.

1) Der Widerklageantrag Nr. 2 ist bereits unzulässig. Ein Antrag auf Feststellung zukünftiger Schäden ist lediglich zulässig, wenn zukünftige Schäden möglich sind (BeckOK ZPO/Bacher, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 256 Rn. 24). Hier handelt es sich um reine Vermögensschäden, weshalb den Beklagten eine Substantiierungspflicht des möglichen Schadens trifft (BeckOK ZPO/Bacher, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 256 Rn. 24). Die Bewertung ist bereits 4 Jahre alt. Für diesen Zeitraum konnte der Beklagte keinen Schaden vortragen. Es besteht die abstrakte Möglichkeit, dass potentielle Kunden wegen der Bewertung des Klägers vom Vertragsschluss Abstand nehmen. Wenn nach 4 Jahren bereits kein Schaden vorgetragen werden kann, dann besteht allerdings keine konkrete Möglichkeit mehr für zukünftige Schäden. Der Beklagte kam seiner Substantiierungspflicht bei reinen Vermögensschäden nicht nach (vgl. BGH NJW-RR 2019, 1332 Rn. 41 bei einem Zeitablauf von 10 Jahren).

2) Im Übrigen ist die Widerklage zulässig. Das Amtsgericht Lörrach ist nach § 33 ZPO zuständig und der notwendige Konnex besteht, weil es in der Hauptsache um dieselben Ansprüche geht.

II) Die Widerklage ist unbegründet. Widerklageantrag Nr. 1 ist unbegründet, da der Beklagte keinen Anspruch auf Löschung und Unterlassung aus § 1004 Abs. 1 S. 1 und 2 i. V. m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hat (siehe oben A) I) 2)). Mangels Hauptforderung bestehen auch keine Nebenforderungen, wie vorgerichtliche Anwaltskosten.

C) Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu tragen. Zwar unterlag er in seiner Nebenforderung, weshalb ein fiktiver Streitwert zu bilden ist (BeckOK ZPO/Jaspersen, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 92 Rn. 26). Dann bilden die eingeklagten vorgerichtlichen Anwaltskosten von 973,66 €, hinsichtlich derer der Kläger unterliegt, weniger als 10 Prozent des Streitwerts und die Nebenforderung löste auch keinen Gebührensprung aus.

D) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

E) Der Streitwert ist auf 14.000,00 € festzusetzen.

Der Streitwert beruht auf einer Schätzung nach § 48 Abs. 2 GKG. Dies entspricht der Größenordnung der Entscheidungen von anderen Gerichten in solchen Fällen (LG Köln, Urteil vom 8. Mai 2013 – 28 O 452/12 –, juris (10.000 €); OLG Dresden, Beschluss vom 21. Juni 2022 – 4 W 338/22 –, juris (5.000 € aber im einstweiligen Rechtsschutz). Klage und Widerklage betreffen dieselbe Sache, weshalb nur auf diesen einen Streitgegenstand abgestellt wird (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG). Dies gilt nicht für den Antrag auf Feststellung zukünftiger Schäden. Hier wird von einem Wert von 5.000 € ausgegangen. Davon werden nur 80 Prozent, also 4.000 € angesetzt, weil nur die Feststellung begehrt wird.

Mit dieser Entscheidung verstößt das Gericht nicht gegen § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO, da nur die Entscheidung über die Unzuständigkeit des Landgerichts Freiburg bindend ist (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 281 Rn. 44) und nicht die der Verweisungsentscheidung zugrundeliegenden Erwägungen zum Streitwert.

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