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Nichteheliche Lebensgemeinschaft: Schadensabwendungspflicht von Vermögenswerten des Partners

LG Köln – Az.: 8 O 307/18 – Urteil vom 09.05.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten  gegen Sicherheitsleistung in Höhe von  110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte  vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien, die damals in einer seit 2014 bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebten, unternahmen am 09.04.2017 mit dem Pkw des Klägers einen Ausflug zur B in Ratingen. Der Kläger litt seit längerer Zeit an einer gastrointestinalen Allergie, die dazu führte, dass er in unregelmäßigen, nicht vorhersehbaren Abständen zur Darmentleerung eine Toilette aufsuchen musste. Kurz vor Erreichen des Ausflugslokals erlitt der Kläger einen derartigen Anfall. Er hielt sein Fahrzeug auf einer betonierten Fläche an einer Bahngleisanlage an, wobei er nicht bemerkte, dass er den Pkw geringfügig linksseitig mit dem hinteren Teil der Karosserie über der Bahnschiene abgestellt hatte. Der Kläger verließ den Wagen, um eine Toilette in der  etwa 300 m entfernten Gaststätte aufzusuchen, und bat die Beklagte, sie solle das Fahrzeug sogleich fortsetzen. Sodann erschien der Zeuge I, der im Lokal B arbeitete, und wies die Beklagte darauf hin, dass sie die Gleise schnellstmöglich verlassen solle, da dort Züge verkehrten. Die Beklagte sah den Zeugen zunächst fragend an, so dass er die Warnung wiederholte. Nachdem die Beklagte ausgestiegen war, näherte sich ein Güterzug und erfasste das Fahrzeug des Klägers.

Mit der Klage macht der Kläger die Hälfte folgender zum Teil streitiger Schadenspositionen geltend:

Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs 14.150,00 EUR

abzüglich Restwert: 2.200,00 EUR

An- und Abmeldegebühr: 85,00 EUR

Sachverständigenkosten: 1.409,32 EUR

Abschleppkosten: 229,48 EUR

und 135,96 EUR

Kostenpauschale: 50,00 EUR.

Der Kläger behauptet, er habe der Beklagten zugerufen, dass er wegen eines Anfalls wieder starke Schmerzen habe und sich dringend in der Toilette entleeren müsse. Die Beklagte sei seiner Bitte, das Fahrzeug fortzusetzen, nicht nachgekommen. Sie sei auf dem vorderen Beifahrersitz zunächst wie unbeteiligt sitzen geblieben. Der Zeuge I sei ein zweites Mal erschienen und habe mit der Beklagten gesprochen. Zwischen der Bitte des Klägers und dem Unfall sei ein Zeitraum von mindestens 15 Minuten verstrichen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.929,88 EUR als Schadensersatz aus dem Unfall des 09.04.2017 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten für das Jahr seit dem 23.05.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Zeuge I sei unmittelbar nach der Bitte des Klägers, den Wagen wegzufahren, erschienen. Sie sei nach dem Hinweis des Zeugen I sofort ausgestiegen, um den Wagen zu versetzen, habe jedoch dann den sich nähernden Güterzug gesehen und bemerkt, dass sie es nicht mehr schaffen werde, den Pkw zu versetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien und die zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen. Die Akte StA Düsseldorf – 100 Js 4916/17 – ist beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz des ihm am 09.04.2017 entstandenen Schadens zu.

Zwischen den Parteien bestand kein Schuldverhältnis, aus dem sich die Pflicht der Beklagten, das Fahrzeug des Klägers aus dem Gleiskörper fortzusetzen, ergab. Durch den Zuruf des Klägers, die Beklagte solle seinen Pkw fortsetzen, wurde kein Auftragsvertrag im Sinne von § 662 BGB geschlossen. Die Beklagte hat kein auf den Abschluss eines Auftragsvertrages im Sinne von § 662 BGB gerichtetes Angebot des Klägers angenommen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die an seine Lebensgefährtin gerichtete Bitte des Klägers überhaupt auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet war und nicht nur ein Gefälligkeitsverhältnis ohne rechtliche Bindungen begründen sollte. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte ein auf den Vertragsschluss gerichtetes  Angebot des Klägers im Sinne von § 145 BGB angenommen hat, § 147 BGB. Nach dem Vorbringen beider Parteien hat die Beklagte dem Kläger weder ausdrücklich noch konkludent zu erkennen gegeben, dass sie rechtsverbindlich die Verpflichtung eingehen will, das Fahrzeug aus dem Schienenbereich zu entfernen. Auf der Grundlage des klägerischen Vortrages hat die Beklagte auf sein Ansinnen hin überhaupt nicht reagiert. Auch nach dem Beklagtenvortrag ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kläger nicht ersichtlich. Danach ist sie erst nach dem Hinweis des Zeugen I ausgestiegen, um den Wagen zu versetzen.

Aus denselben Gründen kann auch der Abschluss eines Verwahrungsvertrages gemäß § 688 BGB nicht angenommen werden.

Allein der Umstand, dass die Parteien einen gemeinsamen Ausflug unternommen haben, begründet kein Schuldverhältnis im Sinne von § 311 BGB. Zwar ist denkbar, dass sich aus einer Fahrgemeinschaft wechselseitige Rechte und Pflichten für die Beteiligten ergeben können. Hierfür müssen jedoch Anzeichen für einen Rechtsbindungswillen vorliegen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn die Mitglieder einer Fahrgemeinschaft abwechselnd zur Arbeitsstelle und zurück fahren und darauf vertrauen, dass  die Absprache verlässlich eingehalten wird (OLG Köln VersR 2004, 189). Hier liegt der Fall jedoch anders. Die Parteien haben sich im Rahmen ihrer damaligen Beziehung zu einem Freizeitausflug zusammengefunden. Wechselseitige Rechte und Pflichten sollten hierdurch bei lebensnaher Betrachtung nicht begründet werden.

Die Beklagte haftet auch nicht aus § 823 BGB. Die Beklagte hat das Eigentum des Klägers nicht beschädigt. Ein aktives Handeln der Beklagten, das zur Beschädigung des Pkw geführt hat, liegt nicht vor. Die Beklagte hat den Tatbestand des § 823 BGB auch nicht durch pflichtwidriges Unterlassen verwirklicht. Da keine allgemeine Rechtspflicht besteht, Dritte vor Gefahren zu schützen, bleibt eine Tatsbestandsverwirklichung durch Unterlassen die Ausnahme und ist nur dann anzunehmen, wenn den Schädiger eine spezifische Pflicht zum Handeln getroffen hat. Eine solche Pflicht kann sich aus einer Verkehrssicherungspflicht oder einer Garantenstellung ergeben (Förster in: BeckOK BGB § 823 Rn. 100 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers haftet die Beklagte nicht wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für sein Eigentum. Verkehrssicherungspflichten knüpfen an den Gedanken an, dass jeder, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu schaffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern (Förster in: BeckOK BGB § 823 Rn. 102). Abgesehen davon, dass die Beklagte das Fahrzeug nicht im Schienenbereich abgestellt hat und damit keine Gefahrenlage geschaffen hat, umfasst der Schutzbereich dieses Haftungsgrundsatzes nicht die Gefahrenquelle selbst, sondern andere Rechtsgüter. Die Beklagte war auch nicht aufgrund einer Garantenstellung verpflichtet, Schaden von dem Pkw abzuwenden. Eine Pflicht zum Handeln besteht nur dann, wenn jemand für den Geschädigten in besonderer Weise (= rechtsgutbezogen) verantwortlich ist. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden, genügt hingegen nicht (Förster in: BeckOK BGB § 823 Rn. 103). Zwar kann aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine besondere Fürsorge- und Obhutspflicht folgen. Diese Pflichten beziehen sich regelmäßig auf persönliche Rechtsgüter wie Leben, Körper und Gesundheit (Förster in BeckOK BGB § 823 Rn. 103.1, 103.2). Eine allgemeine rechtliche Verpflichtung, von den Vermögenswerten des Partners Schaden abzuwenden, lässt sich hieraus nicht ableiten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 6.929,88 EUR

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