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Pfändbarkeit eines Fahrzeugs – Zulässigkeit

Zwangsvollstreckung und der Schutz des Familienautos: Ein Urteil mit weitreichenden Folgen

Die Thematik des vorliegenden Falls dreht sich um die Zwangsvollstreckung und die Pfändbarkeit eines im Eigentum der Schuldnerin stehenden PKW. Im Kern geht es darum, ob ein Fahrzeug, das für die Erwerbstätigkeit und das tägliche Leben einer Familie unerlässlich ist, gepfändet werden kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 T 28/21  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Landgericht Baden-Baden hat entschieden, dass ein für die Erwerbstätigkeit und das tägliche Leben einer Familie unerlässliches Fahrzeug nicht gepfändet werden darf, selbst wenn alternative Fortbewegungsmittel theoretisch verfügbar sind.

  • Das Landgericht Baden-Baden hat den Beschluss des Amtsgerichts Bühl vom 12.04.2021 aufgehoben.
  • Der Streitpunkt war die Pfändbarkeit eines im Eigentum der Schuldnerin stehenden PKW.
  • Die Schuldnerin besitzt einen Ford Kuga 2,0 Diesel aus dem Jahr 2014.
  • Der Gerichtsvollzieher lehnte die Pfändung des Fahrzeugs basierend auf § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ab.
  • Die Schuldnerin argumentierte, dass ihre vierköpfige Familie, einschließlich schulpflichtiger Kinder, auf das Auto angewiesen sei.
  • Das Gericht stellte fest, dass das Auto für die Erwerbstätigkeit der Schuldnerin und für die Betreuung ihrer Kinder unerlässlich ist.
  • Die Schuldnerin arbeitet in Schichtarbeit und hat zwei schulpflichtige Kinder.
  • Das Gericht betonte, dass der Pfändungsschutz dazu dient, dem Schuldner und seiner Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Rechtliche Grundlagen und Fragestellungen

Pfändung Auto
(Symbolfoto: hedgehog94 /Shutterstock.com)

Die rechtliche Herausforderung liegt in der Auslegung des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, der besagt, dass Gegenstände, die zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit des Schuldners erforderlich sind, von der Pfändung ausgenommen sind. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob das Fahrzeug der Schuldnerin unter diese Regelung fällt.

Entscheidung des Landgerichts Baden-Baden

Das Landgericht Baden-Baden hat am 19.09.2021 entschieden, dass der PKW der Schuldnerin nicht gepfändet werden darf, da er für ihre Erwerbstätigkeit und das Wohl ihrer Familie unerlässlich ist. Dieses Urteil hebt den vorherigen Beschluss des Amtsgerichts Bühl vom 12.04.2021 auf, in dem der Gerichtsvollzieher angewiesen wurde, den PKW der Schuldnerin zu pfänden und zu verwerten.

Die Begründung des Gerichts

Die Entscheidung des Landgerichts basiert auf mehreren Faktoren. Erstens, obwohl die Schuldnerin theoretisch ihren Arbeitsplatz zu Fuß erreichen könnte, ist das Auto für ihre Vollzeittätigkeit und die Betreuung ihrer zwei schulpflichtigen Kinder unerlässlich. Zweitens, die Familie lebt in einem ländlichen Gebiet, in dem nicht alle Geschäfte für den täglichen Bedarf vorhanden sind. Ohne ein Auto würden Einkäufe und Arztbesuche erheblich mehr Zeit in Anspruch nehmen, was die Erwerbstätigkeit der Schuldnerin beeinträchtigen würde.

Das Gericht hat auch betont, dass der Schutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht nur für unentbehrliche Gegenstände gilt, sondern auch für solche, die zur Erreichung des Normzwecks nötig sind. Der Zweck dieser Regelung ist es, dem Schuldner und seiner Familie ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben zu ermöglichen.

Auswirkungen und Schlussfolgerungen des Urteils

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein. Es betont die Bedeutung des Schutzes der wirtschaftlichen Existenzgrundlage von Schuldnern und ihrer Familien und könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle in der Zukunft dienen.

Das Fazit des Urteils ist klar: Die Pfändung eines Fahrzeugs, das für die Erwerbstätigkeit und das tägliche Leben einer Familie unerlässlich ist, ist nicht zulässig. Das Gericht hat hiermit ein starkes Signal gesendet, dass der Schutz der wirtschaftlichen Existenz von Schuldnern und ihren Familien Vorrang vor den Interessen der Gläubiger hat.

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Wann kann ein Auto gepfändet werden? – kurz erklärt


Ein Auto kann im Rahmen einer Sachpfändung gepfändet werden, da es zum beweglichen Vermögen eines Schuldners gehört. Wenn das Fahrzeug einen sehr niedrigen Restwert hat, insbesondere wenn es weniger als 2.000 Euro wert ist, ist eine Pfändung unwahrscheinlich. Bei einer Privatinsolvenz dürfen Schuldner ihr Auto in der Regel behalten, solange es diesen Wert nicht überschreitet. Wenn jemand sein Auto vor einer Pfändung schützen möchte, muss er einen Antrag auf Pfändungsschutz beim zuständigen Vollstreckungsgericht stellen und alle relevanten Tatsachen nachweisen. Der Prozess der Pfändung eines Autos beinhaltet, dass der Gerichtsvollzieher ein Pfandsiegel am Fahrzeug anbringt, wodurch dem Besitzer die Verfügungsgewalt über das Auto entzogen wird. Das Fahrzeug wird dann staatlich beschlagnahmt und darf nicht mehr genutzt werden.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:


  • Zwangsvollstreckungsrecht: In diesem Fall geht es um die Durchsetzung eines rechtskräftigen Urteils und die Pfändung eines Fahrzeugs als Mittel der Zwangsvollstreckung.
  • Zivilprozessrecht (ZPO): Speziell § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO wird erwähnt, welcher den Pfändungsschutz bestimmter Gegenstände regelt, die für die Lebensführung oder Berufsausübung unentbehrlich sind.
  • Schuldrecht: Es wird auf eine Forderung des Gläubigers gegen die Schuldnerin Bezug genommen, die aus einem rechtskräftigen Urteil resultiert.
  • Autorecht: Das Fahrzeug als Gegenstand der Pfändung und dessen Bedeutung für die Schuldnerin und ihre Familie fällt in den Bereich des Autorechts, insbesondere wenn es um die Pfändbarkeit solcher Gegenstände geht.


Das vorliegende Urteil

Landgericht Baden-Baden – Az.: 3 T 28/21 – Beschluss vom 19.09.2021

In Sachen wegen Zwangsvollstreckung hat das Landgericht Baden-Baden – Zivilkammer III – am 19.09.2021 beschlossen:

1.    Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Bühl vom 12.04.2021, Az. M 275/21, aufgehoben.

2.    Der Gläubiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Pfändbarkeit eines im Eigentum der Schuldnerin stehenden PKW.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichtes Bühl vom 28.07.2020 (Az.: 3 C 487/17) wegen einer Forderung in Höhe von 5.175,91 €. Er erteilte dem Gerichtsvollzieher Auftrag zur Pfändung in die bei der Schuldnerin befindlichen körperlichen Sachen. Die Schuldnerin ist nach der Vermögensauskunft vom 02.02.2021 Eigentümerin eines Fahrzeugs Ford Kuga 2,0 Diesel, Baujahr 2014, amtliches Kennzeichen XXX. Die Pfändung des Fahrzeugs hat der Gerichtsvollzieher mit Hinweis auf § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO abgelehnt.

Die Schuldnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bühl vom 12.04.2021, mit dem der Gerichtsvollzieher angewiesen wurde, im Auftrag des Gläubigers den PKW der Schuldnerin zu pfänden und zu verwerten. Zur Begründung führt die Schuldnerin an, dass die vierköpfige Familie auf das Auto angewiesen sei. Sie habe schulpflichtige Kinder im Alter von X und X Jahren. Im Notfall könne man die Kinder nicht mehr zur Schule fahren oder davon abholen. Auch Einkäufe und Arztfahrten seien ohne Auto nicht mehr möglich, da sie selbst zweimal und ihr Ehemann bereits dreimal am Knie operiert worden sei.

Mit Schreiben vom 01.06.2021 hat die Schuldnerin zudem mitgeteilt, dass sie seit dem 25.05.2021 bei der Firma XXX angestellt sei und im Zwei-Schicht-Betrieb arbeite.

Der Beschwerdegegner begehrt die Zurückweisung der Beschwerde, da die Voraussetzungen des § 811 ZPO nicht vorlägen: Die Beschwerdeführerin könne auf den in Bühl vorhandenen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr zurückgreifen.

Das Amtsgericht Bühl hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 27.04.2021 nicht abgeholfen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsvollzieherakte und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Der PKW der Schuldnerin ist der Pfändung nicht unterworfen, da er gemäß § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit der Schuldnerin erforderlich erscheint.

Zwar ist dem Amtsgericht zuzugeben, dass der PKW zum bloßen Erreichen der Arbeitsstätte des Ehemannes nicht erforderlich erscheint. Da dieser über ein Fahrrad verfügt, kann er seine Arbeitsstelle mit dem Rad aufsuchen. Dass Operationen am Knie in der Vergangenheit diese Fortbewegungsart entgegen stehen würden ist nicht ausreichend dargetan.

Auch die Schuldnerin könnte ihren Arbeitsort in der XXX grundsätzlich ohne Auto erreichen, obwohl sie nach ihrer Vermögensauskunft nicht über ein Fahrrad verfügt: Die Arbeitsstätte liegt in XXX und laut Google Maps zu Fuß nur rund XXX Minuten vom Wohnort entfernt.

Trotzdem erscheint der PKW der Schuldnerin zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit erforderlich. Erforderlich im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bedeutet dabei nicht unentbehrlich; es ist ausreichend, wenn der Gegenstand zur Erreichung des Normzwecks nötig ist (Gruber in: MüKo ZPO, 6. Aufl. 2020, § 811 Rn. 40). Die Vorschriften über den Pfändungsschutz sollen dem Schuldner und seinen Familienangehörigen die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz erhalten, damit er ‒ unabhängig von staatlichen Leistungen ‒ ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen kann (Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl. 2021 Rn. 1, ZPO § 811 Rn. 1).

Die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der Familie ist zwischenzeitlich auch wieder die konkrete Erwerbstätigkeit der Schuldnerin. Vorliegend ist das Gericht nach Betrachtung der Umstände in diesem Einzelfall zur Überzeugung gelangt, dass die Schuldnerin ohne ein Auto zeitlich nicht die Möglichkeit hätte, ihre Vollzeit-Tätigkeit weiter auszuüben. Das Fahrzeug ermöglicht ihr daher diese konkrete Erwerbstätigkeit, weshalb es nicht gepfändet werden darf.

Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin XXX Stunden pro Woche in Schichtarbeit tätig ist. Sie hat außerdem zwei schulpflichtige Kinder, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann zu betreuen und versorgen hat. Die Familie wohnt zudem in XXX und damit im ländlichen Raum.

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Gerichtsbekannt sind in XXX nicht alle Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs vorhanden, so dass die Schuldnerin ihre Einkäufe nicht in kurzer Distanz erledigen können würde. Ohne Auto oder Fahrrad, sondern unter Zuhilfenahme öffentlicher Verkehrsmittel, würde die Erledigung der Einkäufe eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen: Um den täglichen Bedarf einer vierköpfigen Familie ohne Auto zu transportieren müsste die Schuldnerin zu Fuß und mit dem Bus nahezu täglich zum Einkaufen fahren. Auch erforderliche Arztbesuche, welche die Schuldnerin nicht nur selbst, sondern auch mit ihren Kindern zusammen bewerkstelligen muss, wären mit dem Bus deutlich zeitintensiver. Auch ohne eine (nicht ausreichend dargelegte) Einschränkung durch Knieoperationen in der Vergangenheit ist der erforderliche Zeitaufwand durch entsprechende Wege offensichtlich groß.

Da schließlich (zumindest) die jüngere Tochter der Schuldnerin, welche die Grundschule besucht, betreuungsbedürftig ist, dürfte dies ebenfalls einen erheblichen Teil der der Schuldnerin am Tag zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch nehmen. Noch nicht berücksichtigt sind hierbei die auch von der Schuldnerin ins Feld geführten Gelegenheiten, zu denen ein Kind krankheitsbedingt abgeholt werden muss.

Nach den konkreten Umständen ermöglicht erst die Nutzung des PKW der Schuldnerin ihre Vollzeit-Erwerbstätigkeit, weshalb dieser unter § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO fällt und die Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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