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Pferdekaufvertrag – Beschaffenheitsvereinbarung – schlechte Röntgenklasse

OLG Koblenz – Az.: 1 U 254/15 – Urteil vom 14.04.2016

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Februar 2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 554,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2012 zu zahlen.

II. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 14.274,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Am 13. Februar 2011 erwarb die Klägerin von der Beklagten den Wallach „…“ zu einem Kaufpreis von 9.600,00 €. Die Parteien schlossen einen schriftlichen Pferdekaufvertrag (siehe Anlagehefter). Mit Schreiben vom 2. August 2012 erklärt die Klägerin den Rücktritt vom Vertrag und hat als Mängel gerügt, dass das Pferd gebockt und sie mehrfach abgeworfen habe. Das Pferd sei kaum reitbar. Es leide an sogenannten Kissings-Spines und sei zur Ausübung des Dressur-Sports nicht geeignet. Neben der Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages stünden ihr zahlreiche Schadensersatzansprüche zu (u. a. Stallmiete, Kosten für Hufschmied, Heilbehandlung, Berittkosten usw.).

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Rückabwicklungsbegehrens in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte weiterhin in eingeschränktem Umfang zu Schadenersatz verurteilt.

Die widerklagend erhobene Forderung nach Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat es abgewiesen.

Nicht durchgreifen lassen hat das Landgericht die Hilfsaufrechnung mit Gebrauchsvorteilen für die Nutzung des Pferdes.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Berufung der Beklagten und Widerklägerin, die die Abweisung der Klage sowie den Zuspruch der Widerklage begehrt.

Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen auf die Festlegungen in dem schriftlichen Pferdekaufvertrag (das Nichtvorliegen eines Mangels und damit die fehlende Berechtigung der Klägerin zur Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (S. 2 bis 8; Bl. 420 – 246 d. A.) verwiesen. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 i. V. mit § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Auf die Berufung der Beklagten ist das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage ist abzuweisen, da eine Berechtigung der Klägerin zur Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages und den daraus folgenden Ansprüchen auf Ersatz von Verwendungen und Schadensersatz nicht gegeben ist. Die Widerklage auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten ist berechtigt und dementsprechend zuzusprechen.

1. a) Soweit sich die Klägerin zur Berechtigung des erklärten Rücktritts vom Pferdekaufvertrag darauf beruft, dass eine zugesicherte Eigenschaft (Beschaffenheitsvereinbarung – siehe § 444 BGB) nicht vorgelegen habe, dringt sie nicht durch. Gegen eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung „Dressur-Pferd“ spricht für den Senat entscheidend der schriftliche Pferdekaufvertrag vom 13. Februar 2011, der von der Klägerin als Käuferin auch unterschrieben wurde. Selbst wenn im Vorfeld werbende Äußerungen hinsichtlich des angekauften Pferdes gefallen sein sollten, wurde diese spätestens durch die abschließenden schriftlichen Vereinbarungen aktualisiert und als verbindlicher Vertragsinhalt festgelegt. Unter Ziff. 3 haben die Parteien damit verbindlich geregelt (siehe auch Senatsentscheidung, MDR 2015, 815 f.):

„3. Die Parteien sind sich einig, dass die weitere Entwicklung und die weiteren Fähigkeiten des Pferdes nicht absehbar sind. Eventuelle mündliche Aussagen des Verkäufers über die Zuordnung des Pferdes hinsichtlich seiner vorwiegenden, dauerhaften Eignung z. B. als Dressur-Pferd stellen keine Beschaffenheitsmerkmale dar, sondern beruhen auf subjektiv geprägten Eindrücken des Verkäufers. Auch ist eine Zusage hinsichtlich besonderer, dauerhafter Fähigkeiten des besprochenen Pferdes hiermit nicht verbunden.

Das Pferd wird verkauft, wie besichtigt, mehrmals in der heimischen Anlage probegeritten und zusätzlich eine Woche zur Probe in der Anlage des Käufers. Hinsichtlich der reiterlichen bzw. sportlichen Beschaffenheit wird der Zustand als vertragliche Vereinbarung zugrunde gelegt, der sich nach Besichtigung des Pferdes durch den Käufer darstellt. Insoweit erfolgt der Verkauf unter vollständigem Ausschluss jeglicher Haftung.“

Gerade nach längeren Vertragsverhandlungen, der mehrfachen Besichtigung, der intensiven Erprobung des Pferdes sieht der Senat in einer die Vertragsverhandlungen abschließenden schriftlichen Vereinbarung eines Pferdekaufvertrages eine Entscheidung der Parteien dahingehend, dass vorangegangene Erklärungen nur in dem Umfang sich als vertraglich bindend erweisen sollen, wie diese mit Vertragsbindungswillen beider Parteien in dem abschließenden schriftlichen Vertrag niedergelegt werden. Nur diese Sichtweise wird der Funktion eines die Vertragsverhandlungen abschließenden schriftlichen Vertrages gerecht (vgl. auch BGH, MDR 2016, 323 f. – entsprechend zu einem Grundstückskaufvertrag).

Aus diesen vertraglichen Festlegungen ergibt sich gerade, dass die Eigenschaft, Beschaffenheit des Pferdes als „Dressur-Pferd“ nicht vereinbart wurde; das Fehlen dieser Eigenschaft kann mithin keinen zum Rücktritt berechtigenden Mangel nach Kaufvertragsrecht darstellen.

Pferdekaufvertrag – Beschaffenheitsvereinbarung - schlechte Röntgenklasse
(Symbolfoto: Rolf Dannenberg/Shutterstock.com)

b) Auch die Zuordnung der von dem Pferd angefertigten Röntgenbilder in die Röntgenklasse III bis IV führt die im vorliegenden Fall nicht zur Annahme eines zum Rücktritt berechtigenden Mangels i. S. des Kaufvertragsrechts. Der Senat hat bereits entschieden (OLG Koblenz, MDR 2015, 815 f.), dass ein Mangel nicht vorliegt, wenn die Röntgenklasse IV ohne jedwede Symptombildung gegeben ist. Liegen keine klinischen Symptome wie Lahmheit u. a. vor, so liegt ein Mangel nicht darin, dass mit einer gewissen (prozentualen) Wahrscheinlichkeit in Zukunft Symptome bei dem jeweiligen Pferd mit der entsprechenden Röntgenklasse auftreten können. Im vorliegenden Fall sind derartige Symptome (auch Schmerzen) im entscheidenden Zeitpunkt des Besitzübergangs weder dargetan noch sonst ersichtlich. Auf nach Besitzübergang aufgetretene Symptome ist für das Vorliegen eines Mangels im vorliegenden Fall nicht abzustellen. Daher war auch weiterer Beweis nicht zu erheben. Allein die Zuordnung eines Pferdes in eine bestimmte (schlechte) Röntgenklasse rechtfertigt nicht das Vorliegen eines Mangels, der zum Rücktritt von dem Pferdekaufvertrag berechtigen könnte.

Daran ändert auch der nicht nachgelassene nachterminliche Schriftsatz der Klägerin vom 11. April 2016 nichts. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht angezeigt.

Damit geht der Vorwurf der Klägerin, dass die Verkäuferin (Beklagte) hier die entsprechenden Röntgenbilder, aus denen sich die Zuordnung des Pferdes in die Röntgenklasse III bis IV ergebe, treuwidrig nicht zur Verfügung gestellt habe, ins Leere. Aus diesen Röntgenbildern ergibt sich gerade aus rechtlicher Sicht nicht das Vorliegen eines Mangels. Insoweit wäre das einmal unterstellte arglistige Verhalten der Verkäuferin nicht mangelbezogen, nicht auf die Verschleierung eines Mangels gerichtet und damit in rechtlicher Hinsicht für den erklärten Rücktritt und die Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages nicht von Belang. Ob sich aus diesem Verhalten der Beklagten andere Rechtsfolgen ableiten lassen könnten, steht im vorliegenden Verfahren aufgrund des eindeutig begehrten Rücktritts vom Pferdekaufvertrag nicht zur Beurteilung an.

c) Das von der Klägerin vorgebrachte „Bocken“ des Pferdes stellt nach Einschätzung des Senats bereits keinen im Zeitpunkt des Besitzübergangs vorliegenden Mangel der Kaufsache (des Pferdes) dar. Dieser wäre darüber hinaus auch von der wirksamen Haftungseinschränkung in dem schriftlichen Pferdekaufvertrag umfasst und insoweit kann der Rücktritt hierauf nicht gestützt werden.

2. Der Ersatz für vorgerichtliche Anwaltskosten nebst entsprechenden Zinsen steht der Beklagten zu. Durchgängige Einwendungen hiergegen hat die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht (mehr) erhoben.

3. Nach allem steht der Klägerin kein Anspruch auf Rückabwicklung des geschlossenen Pferdekaufvertrages zu. Daraus folgt auch, dass ihr auf den Rücktritt gründende Verwendungsersatzansprüche gleichfalls nicht zustehen. Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen. Auf die Berufung ist mithin das angefochtene Urteil unter Zuspruch der Widerklageforderung wie geschehen abzuändern.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die in § 543 ZPO genannten Zulassungsgründe nicht gegeben sind.

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