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Pflichten der Betreuungsperson – gesteigerte Aufsichtspflichten für Kinder

OLG Düsseldorf – Az.: 16 U 102/20 – Beschluss vom 07.08.2020

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das am 18. Juni 2019 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal – Az.: 17 O 31/13 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der auf den 13. November 2020 bestimmte Senatstermin wird aufgehoben.

Der Beklagte zu 2) erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 7. September 2020 .

Gründe

I.

Pflichten der Betreuungsperson - gesteigerte Aufsichtspflichten für Kinder
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2) ist unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die in jeder Hinsicht zutreffenden und ausführlich begründeten Ausführungen des Landgerichts in den Gründen der angefochtenen Entscheidung verwiesen, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt und die durch das Berufungsvorbringen des Beklagten zu 2) nicht entkräftet werden. Die Darlegungen der Berufung geben dem Senat lediglich Veranlassung zu folgenden – ergänzenden – Ausführungen:

1.

Der Senat stimmt mit dem Landgericht darin überein, dass der Beklagte zu 2) seine Aufsichtspflicht gegenüber dem verstorbenen K. A. verletzt hat. Entgegen der Berufung hat die Kammer die Anforderungen an die Aufsichtspflicht des Beklagten zu 2) als verantwortlicher Betreuer nicht überspannt.

1.1.

Zutreffend verweist die Berufung darauf, dass die Aufsichtspflicht, die bei Übernahme der Betreuung durch einen Dritten in ihrem Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht entspricht, einerseits das Kind vor Selbstgefährdung und vor Gefährdung durch Dritte schützen und andererseits verhindern soll, dass das Kind Dritte gefährdet oder schädigt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1968, Az.: VI ZR 144/67, NJW 1968, 1672). Richtig ist auch, dass sich das Maß der Aufsicht nach Alter, Einsichtsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein des Kindes richtet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1979, Az.: VI ZR 98/78, NJW 1980, 1044 – 1045; Urteil vom 10. Juli 1984, Az.: VI ZR 273/82, NJW 1984, 2574 – 2576).

Soweit die Berufung jedoch ausführt, dass für die Kindeserziehung zur Eigenverantwortlichkeit übermäßiges Fernhalten von Gefahren ebenso schädlich sei wie die übermäßige Überwachung, ist dem entgegen zu treten. Die Berufung übersieht, dass dem Beklagten zu 2) im Rahmen des in Rede stehenden Tagesausfluges nicht die Kindeserziehung oblag. Es steht außer Frage, dass Eltern gemäß § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB aufgefordert sind, ihr Kind zu selbständigem verantwortungsbewussten Handeln zu erziehen, wobei es die Förderung des Entwicklungsprozesses des Kindes erfordert, dem Kind einen gewissen Freiraum zu geben, innerhalb dessen es „Neuland entdecken“ und sich an Gefahrenlagen gewöhnen kann (vgl. Huber, in: Münchner Kommentar, BGB, 8. Auflage, § 1631 Rn. 8 mit weiteren Nachweisen). Im Grundsatz ist der Berufung daher darin zuzustimmen, dass das Maß der Aufsicht in Einklang gebracht werden muss mit dem Erziehungsziel, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln einzuüben. Diese Überlegungen sind jedoch im Streitfall fehl am Platz, weil der Beklagte zu 2) keine – mit Eltern vergleichbare – Erziehungsfunktion hatte. Ihm fiel als verantwortlicher Betreuer zuvörderst die Aufgabe zu, für den planmäßigen und vor allem gefahrlosen Ablauf des Tagesausfluges zu sorgen. Er war – anders als die Eltern in einer vergleichbaren Situation – nicht dazu berufen, die von ihm betreuten Kinder anlässlich dieser Veranstaltung zu selbständigem und eigenverantwortlichem Handeln zu erziehen. Insbesondere war es nicht sein erzieherischer Auftrag, die von ihm betreuten Kinder im Umgang mit Gefahren zu schulen, sondern Ziel musste sein, die betreuten Kinder bestmöglich vor Gefahren zu schützen. Bereits unter diesem Gesichtspunkt ist der Streitfall entscheidend anders gelagert als der Fall, der der Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 2. April 1994 – Az.: 1 U 1278/90 – zugrunde lag. Dort ging es nämlich um einen längeren Aufenthalt in einem Kinderferienlager ohne Anwesenheit der Eltern nur unter Betreuung durch junge Erwachsene, was es rechtfertigen mag, der Förderung der Erziehung zur Selbständigkeit eine besondere Bedeutung beizumessen. Dies gilt jedoch nicht für die hier in Rede stehende Tagesveranstaltung im Rahmen eines Ferienprogramms.

1.2.

Aber selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre und für die Aufsichtspflicht des Beklagten zu 2) dieselben Maßstäbe gelten würden wie für Eltern, so schuldete er unter den konkreten Umständen des Streitfalles eine ständige Beaufsichtigung. Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass es Aufgabe des Beklagten zu 2) war, im Rahmen seiner Aufsichtspflicht die ihm als Nichtschwimmer bekannten Zwillinge jederzeit so im Auge zu haben, dass im Notfall ein sofortiges Eingreifen möglich ist.

a. Soweit die Berufung auf die Gefahrenlage beim Zurücklegen des Schulweges abstellt und daraus ableitet, dass es vorliegend keiner Überwachung „auf Schritt und Tritt“ (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1995, Az.: VI ZR 219/94, NJW 1995, 3385 – 3386; Urteil vom 27. Februar 1996, Az.: VI ZR 86/95, NJW 1996, 1404 – 1405; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. September 1996, Az.: 18 U 57/96, RuS 1997, 413) bedurfte, vielmehr es genüge, sich „über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick zu verschaffen“ (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2009, Az.: VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954 – 1955), verfängt dies nicht.

aa. Dies gilt schon deshalb, weil die Gefahrenlage bei einem Tagesausflug in ein Schwimmbad nicht vergleichbar ist mit den Gefahren, die sich beim Zurücklegen des Schulweges ergeben. In Schwimmbädern bestehen gesteigerte Aufsichtspflichten, die sich zum einen aus dem Element Wasser und zum anderen aus dem Gruppenverhalten der Kinder ergeben. Im Hinblick auf die Gefahren, die von Wasser ausgehen, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in den Gründen der angefochtenen Entscheidung verwiesen, gegen die die Berufung auch nichts vorbringt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass kindliche Eigenschaften – wie Erprobungsdrang, Impulsivität, Affektreaktionen und mangelnde Konzentrationsfähigkeit – einem gefahrangepassten Verhalten im Schwimmbad entgegenstehen. Mithin besteht – anders als die Berufung offenbar meint – im Schwimmbad eine wesentlich erhöhte Gefahrenlage, die ein entsprechend verstärktes Maß an Aufsichtspflichten nach sich zieht und eine im Vergleich zum Zurücklegen des Schulweges gesteigerte Betreuungsdichte erfordert. Dies zugrunde gelegt, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht für das Maß an Aufsicht fordert, dass der Aufsichtsführende die Möglichkeit des sofortigen Eingreifens haben muss, um unmittelbar handeln zu können. Weil sich Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht nach den konkreten Umständen des Einzelfalles – nämlich nach dem Aufsichtsanlass und den individuellen Eigenschaften des Aufsichtsbedürftigen (siehe dazu Belling, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 832 Rn. 72 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen) – richten, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Gefahren im Straßenverkehr geringer sind als in einem Schwimmbad. Auf die von der Berufung dargestellten Fälle aus dem Straßenverkehr kommt es daher nicht an.

bb. Hinzu kommt, was die Berufung ausblendet, dass im Streitfall aufgrund der individuellen Fähigkeiten der Zwillinge und der konkreten Situation im Freibad „N.“ für den Beklagten zu 2) Anlass zu besonderer Vorsorge bestand. Von entscheidender Bedeutung ist zum einen, dass die Zwillinge Nichtschwimmer waren, wovon sich der Beklagte zu 2) unstreitig selbst überzeugt hat, als er die Schwimmfähigkeit der einzelnen Kinder kontrolliert hatte. Zum anderen ist zu betonen, dass der Nichtschwimmerbereich im Freibad „N.“ über eine Tiefe von immerhin 0,85 m bis 1,20 m aufwies und von dem Schwimmerbereich lediglich durch Bojen abgegrenzt war. Nach den örtlichen Gegebenheiten bestand daher für eine Person, die wie K. A., der nicht schwimmen konnte und 1,24 m groß war, die naheliegende Gefahr im Nichtschwimmerbereich zu ertrinken. Auch wenn sich bei einer Tiefe von 0,85 m im Randbereich des Nichtschwimmerbeckens ein Teil seines Körpers außerhalb des Wassers befand, so bedurfte es nicht viel, dass der Kopf von K. A. unterging. Hierzu reichte – wie das Landgericht richtig gesehen hat – ein bloßes Ausrutschen, Schubsen oder Wegdrängen aus. Hiergegen erhebt die Berufung keine Einwände. Unangegriffen bleiben auch die landgerichtlichen Ausführungen, wonach es gerade für Nichtschwimmer schwierig ist aufzutauchen, wenn der Kopf einmal unter Wasser ist, weil sie häufig in Panik geraten, was aus einer ex-ante-Betrachtung die reale Gefahr des Ertrinkens begründet. Dies gilt nach den landgerichtlichen Feststellungen, die Bindungswirkung für den Senat entfalten, insbesondere dann, wenn der Betreffende ohnehin nur relativ knapp so stehen kann, dass sein Kopf über die Wasseroberfläche ragt. Genau dies war hier der Fall: K. A. konnte schon im Nichtschwimmerbereich teilweise nicht mehr stehen, ohne dass Mund und Nase über Wasser waren. Auch gegen diese vom Landgericht getroffene Feststellung wendet die Berufung nichts ein. Da in Anbetracht dieser örtlichen Gegebenheiten schon der Aufenthalt im Nichtschwimmerbereich ganz erhebliches Gefahrenpotential barg, war es zur Erfüllung der Aufsichtspflicht nicht ausreichend, wenn der Beklagte zu 2) die Zwillinge angewiesen hatte, ausschließlich im Nichtschwimmerbereich zu verbleiben und allen Kindern gegenseitiges Untertauchen untersagt war. Entgegen der Berufung genügte es im Streitfall – anders als in dem vom Oberlandesgericht Koblenz entschiedenen Fall – Az.: 1 U 1278/90 – auch nicht, dass sich die Betreuer bei einem Schwimmbadbesuch an Schwerpunkten aufhielten und freiwillige Gruppen von Kindern um sich scharten. Hatte der Beklagte zu 2), obwohl er um die örtlichen Gegebenheiten wusste und Kenntnis davon hatte, dass die Zwillinge Nichtschwimmer waren, davon abgesehen, diese mit Schwimmhilfen auszustatten, so musste er durch lückenlose Überwachung sicherstellen, dass sie – auch im Nichtschwimmerbereich – in eine Situation geraten, in der ihr Kopf untergeht oder sie nicht mehr stehen können, ohne dass Mund und Nase über Wasser waren. Rechtlich unerheblich ist der Einwand der Berufung, der Unfall selbst habe sich im Nichtschwimmerbereich an einer Stelle ereignet, an welcher K. A. problemlos habe stehen können. Denn dies ändert nichts daran, dass auch in diesem Bereich, der immerhin 0,85 m tief ist, der Kopf unter Wasser geraten kann, was – wie dargetan – die reale Gefahr des Ertrinkens begründet.

b. Diesen Anforderungen an die Aufsichtspflicht hatte der Beklagte zu 2) zu entsprechen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Klägerin zu 2) nicht auf eine ununterbrochene Beaufsichtigung der Zwillinge hingewirkt hatte. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2) nichts dazu vorträgt, wie er sich in diesem Fall verhalten hätte, durfte die Klägerin zu 2) davon ausgehen, den Beklagten zu 2) für das Gefahrenpotential ausreichend sensibilisiert zu haben, indem sie ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass die Zwillinge nicht schwimmen können. Zu einem weitergehenden Warnhinweis war die Klägerin zu 2) nicht verpflichtet, zumal mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass sie nichts über die örtlichen Gegebenheiten im Freibad „N.“ – insbesondere die Tiefe des Nichtschwimmerbereichs – wusste, die das Gefahrenpotential noch einmal deutlich erhöhten. Die Berufung vermag auch nicht mit Erfolg vorzutragen, dass die Anforderungen an die Aufsichtspflicht des Beklagten zu 2) am Nachmittag des 6. Juli 2009 gesunken seien, weil der Vormittag reibungslos verlaufen war und sich K. A. ausnahmslos im Nichtschwimmerbereich aufgehalten hatte. Entscheidend ist, dass – wie dargetan – der Aufenthalt im Nichtschwimmerbecken für K. A. keineswegs gefahrlos war.

1.3.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte zu 2) den dargestellten Anforderungen an seine Aufsichtspflicht nicht genügt hatte. Oblag es dem Beklagten zu 2), K. A. jederzeit so im Auge zu behalten, dass im Notfall ein sofortiges Eingreifen möglich gewesen wäre, so reichten – entgegen der Ansicht der Berufung – schon 30 bis 45 Sekunden aus, um eine Aufsichtspflichtverletzung zu begründen. Die Rüge der Berufung, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft erstinstanzlichen Beweisangeboten nicht nachgegangen, verfängt daher schon im Ansatz nicht.  Der Beklagte zu 2) befand sich nach den vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist, zum Zeitpunkt des Unfalls auf der Rutsche und hatte dort mit mehreren anderen Kindern der Gruppe gespielt. Daraus folgt, dass er K. A. nicht so im Auge hatte und auch nicht so positioniert war, dass ihm im Notfall ein sofortiges Eingreifen möglich war. Dementsprechend war es auch nicht der Beklagte zu 2), der bemerkte, dass K. A. mit dem Gesicht im Wasser leblos auf dem Wasser trieb, sondern ein weiteres Kind der Gruppe hatte ihn erst darauf aufmerksam machen müssen.

Soweit der Beklagte zu 2) ausführt, er habe davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte zu 1) außerhalb des Wasserbeckens die nicht an der Rutsche befindlichen Kinder beaufsichtigen würde, bleibt dies erfolglos. Zuzustimmen ist der Berufung darin, dass im Rahmen der Aufsichtspflicht „arbeitsteiliges Verhalten“ der Aufsichtspflichtigen grundsätzlich möglich ist. Voraussetzung ist allerdings, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, dass konkrete Absprachen zwischen den Aufsichtspflichten untereinander über Art und Umfang des „arbeitsteiligen Verhaltens“ getroffen werden. Daran fehlt es. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatten die Beklagten zu 1) und 2) keinerlei Absprachen getroffen, als der Beklagte zu 2) mit mehreren Kindern der Gruppe auf die Rutsche gegangen war. Davon hat auch der Senat auszugehen, denn Gegenteiliges trägt auch die Berufung nicht vor. Allein der Umstand, dass am Vormittag des 6. Juli 2009 nichts passiert, ersetzt nicht die notwendige Absprache zwischen den Beklagten zu 1) und 2) über Art und Umfang „arbeitsteiligen Verhaltens“. Im Übrigen ist zu betonen, dass die Beklagten zu 1) und 2) die Kinder vormittags anders beaufsichtigt hatten als nachmittags. So stand der Beklagte zu 2) während der ersten Schwimmphase am Vormittag am Rand des Beckens im Bereich der Rutsche. Zu Gunsten des Beklagten zu 2) soll unterstellt werden, dass er sich bis zum Mittagessen so positioniert hatte, dass die Zwillinge im Nichtschwimmerbereich jederzeit beobachten und im Notfall unmittelbar eingreifen konnte. Dies war am Nachmittag indes nicht mehr der Fall, denn nach dem Mittagessen rutschte der Beklagte zu 2) mit mehreren Kindern aus der Gruppe auf der Rutsche. Dies hatte zur Folge, dass der Beklagte zu 2) – wie dargetan – K. A. nicht (mehr) so im Auge hatte und auch nicht (mehr) so positioniert war, dass ihm im Notfall ein sofortiges Eingreifen möglich war. Gerade angesichts dieser Umstände wäre eine Absprache mit dem Beklagten zu 1) notwendig gewesen. Daran fehlt es. Schon aus diesem Grund geht die Rüge der Berufung, das Landgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagte zu 1) den Nichtschwimmerbereich vor dem Unfall nicht ausreichend beaufsichtigt hatte, fehl. Im Übrigen liegt diese Rüge aber auch deshalb neben der Sache, weil das Landgericht ausdrücklich festgestellt hat, dass der Beklagte zu 1) im fraglichen Zeitraum überhaupt nicht auf das Schwimmbecken geachtet habe. Da es gerade keine Absprache zwischen den Beklagten zu 1) und 2) darüber gab, wer am Nachmittag die sich im Nichtschwimmerbereich befindlichen Kinder zu beaufsichtigen hatte, durfte sich der Beklagte zu 2) nicht darauf verlassen, dass der Beklagte zu 1) dies tun werde.

2.

Soweit das Landgericht entschieden hat, dem Beklagten zu 2) falle grobe Fahrlässigkeit zur Last, hält auch dies der rechtlichen Nachprüfung stand.

2.1.

Grob fahrlässig handelt, wer die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Das ist zu bejahen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 78. Auflage, § 277 Rn. 5 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bei der groben Fahrlässigkeit muss den Handelnden auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen. Anders als im Falle der leichten Fahrlässigkeit gilt für den Begriff der groben Fahrlässigkeit nicht ein ausschließlich objektiver Maßstab. Vielmehr setzt die Annahme grober Fahrlässigkeit einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Dabei rechtfertigt ein objektiv grober Pflichtenverstoß für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes personales Verschulden. Vielmehr muss, um eine Haftung des privilegierten Schädigers feststellen zu können, eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Dies schließt aber nicht aus, für die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen auch auf den objektiven Pflichtenverstoß abzustellen. So kann etwa ein objektiver Verstoß gegen elementare Pflichten ein solches Gewicht haben, dass der Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2014, Az.: VI ZR 51/13; Urteil vom 10. Oktober 2013, Az.: III ZR 345/12 – jeweils zitiert nach juris). Dies gilt etwa dann, wenn der Handelnde von vorgeschriebenen Schutzvorkehrungen völlig abgesehen hat, obwohl die Sicherungsanweisungen eindeutig waren (vgl. Urteil vom 18. Februar 2014, Az.: VI ZR 51/13, zitiert nach juris).

2.2.

In Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ist dem Beklagten zu 2) ein besonders schwerer Verstoß gegen die objektiv erforderliche Sorgfalt vorzuwerfen. Wie der Senat ausgeführt hat, besteht in Schwimmbädern eine wesentlich erhöhte Gefahrenlage, die ein entsprechend verstärktes Maß an Aufsichtspflichten nach sich zieht und eine im Vergleich zu anderen Situationen gesteigerte Betreuungsdichte erfordert (vgl. Bernau, in: Staudinger, BGB Neubearbeitung 2018, § 832 Rn. 100). Diese Gefahrenlage war vorliegend noch zusätzlich aufgrund der individuellen Fähigkeiten der Zwillinge und der konkreten örtlichen Gegebenheiten im Freibad „N.“ entscheidend erhöht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in den Urteilsgründen Bezug genommen. Die hiergegen von der Berufung vorgebrachten Einwendungen führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Berufung verkürzt die landgerichtlichen Ausführungen in unzulässiger Weise, wenn sie meint, das Landgericht habe zur Begründung des Vorwurfes grob fahrlässigen Verhaltens allein darauf abgestellt, dass der Beklagte zu 2) wusste, dass K. A. Nichtschwimmer war. Die Gründe der angefochtenen Entscheidung belegen das Gegenteil. Der Beklagte zu 2) hatte einfachste und ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, wenn er einerseits geglaubt hatte, die bloße Anweisung an die Zwillinge, im Nichtschwimmerbereich zu bleiben, der immerhin eine Tiefe von 1,20 m aufwies und nur durch Bojen vom Schwimmerbereich abgegrenzt war, sei ausreichend und andererseits meinte, sich von ihnen entfernen können, um mit anderen Kindern auf der Rutsche zu spielen. Beides in Kombination begründet den Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Es ist schon grundsätzlich in Frage zu stellen, ob die Teilnahme von Nichtschwimmern an einem Tagesausflug in das Freibad „N.“, das über kein separates Nichtschwimmerbecken mit einer ganz geringen Wassertiefe verfügt, mit den üblichen Sorgfaltsanforderungen zu vereinbaren ist. Jedenfalls müssen Kinder wie K. A., deren Atemöffnungen nur knapp 20 cm über der Wasseroberfläche an der tiefsten Stelle des Nichtschwimmerbereichs lagen, auch im Nichtschwimmerbereich mit Schwimmhilfen ausgestattet werden, um der realen Gefahr des Ertrinkens zu begegnen. Dies war nicht geschehen, was die Annahme trägt, dass schon einfachste und ganz naheliegende Überlegungen von dem Beklagten zu 2) nicht angestellt worden waren. Hinzu kommt, dass sich aus dem von den Klägern zur Akte gereichten Leitfaden „Sicherheitsförderung im Schulsport“ ergibt, dass die Lehrkraft ihren Platz so wählen muss, dass sie alle im Wasser befindlichen Schüler sehen kann; sie darf sich nicht gleichzeitig mit Schülern im Wasser aufhalten, sofern dies nicht in besonderen Fällen aus pädagogischen bzw. methodischen Gründen erforderlich ist. Gemessen daran, hat der Beklagte zu 2), als er sich entschied, nach dem Mittagessen mit anderen Kindern auf der Rutsche zu spielen, unbeachtet gelassen, was im gegebenen Fall ihm – auch aufgrund seiner Ausbildung als Lehramtsstudent mit Erfahrung als Betreuer bzw. Aufsichtsperson von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Ferienfreizeiten und Fußballcamps – einleuchten musste. Dabei entlastet es ihn nicht, dass sich K. A. ununterbrochen im Nichtschwimmerbereich aufgehalten hatte, denn dieser hatte, wie der Senat ausführlich dargestellt hat, aufgrund der Tiefe von 0,85 m für den 1,24 m großen K. A. als Nichtschwimmer ganz erhebliches Gefahrenpotential. Mangels entsprechender Absprache durfte der Beklagte zu 2) – wie dargetan – auch nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1) K. A. jederzeit so im Auge behalten würde, dass im Notfall ein sofortiges Eingreifen möglich gewesen wäre.

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3.

Der Berufung des Beklagten zu 2) bleibt auch der Erfolg versagt, soweit er sich gegen die Annahme einer Beweislastumkehr wendet. Die landgerichtliche Entscheidung stimmt vollständig mit der zu dieser Frage ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung überein.

3.1.

Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2017 – unter Hinweis auf eine Senatsentscheidung vom 11. Mai 2017 – Az.: III ZR 92/16 sowie auf ein Urteil vom VI. Zivilsenat vom 13. März 1962 – Az.: VI ZR 142/61 – ausdrücklich bekräftigt, dass die Interessenlage bei der Verletzung von Pflichten der Badeaufsicht vergleichbar sei mit der im Arzthaftungsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017, Az.: III ZR 60/16, zitiert nach juris, Rn. 26). Die Pflichten einer Badeaufsicht dienen wegen der dem Schwimmbetrieb immanenten spezifischen Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Badegäste besonders und in erster Linie dem Schutz dieser Rechtsgüter. Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage gelten daher die Beweisgrundsätze entsprechend bei grober Verletzung von Berufs- und Organisationspflichten. Wer eine besondere Berufs- und Organisationspflicht, andere vor Gefahren für Leben oder Gesundheit zu bewahren, grob vernachlässigt hat, kann nach Treu und Glauben die Folge der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017, Az.: III ZR 60/16, zitiert nach juris, Rn. 24). Dies gilt auch für den hier zu entscheidenden Fall. Die Pflichten der Badeaufsicht sind mit den Pflichten des Beklagten zu 2), der Betreuer bei dem in Rede stehenden Tagesausflug in das Freibad „N.“ war, durchaus vergleichbar, weil beide dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen. Hiergegen bringt der Beklagte zu 2) mit seiner Berufung auch nichts Substantielles vor. Er führt aus, der Ansicht des Landgerichts könne nicht gefolgt werden und vertritt damit einen abweichenden Rechtsstandpunkt, ohne diesen indes näher zu begründen.

3.2.

Zu Recht ist das Landgericht damit zu der Annahme gelangt, dass der seine Pflichten grob Vernachlässigende – hier: der Beklagte zu 2) – die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen muss, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2017, Az.: III ZR 60/16, zitiert nach juris, Rn. 24 mit weiteren Nachweisen). Diesen Beweis hat der Beklagte zu 2) nach den insoweit unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Landgerichts nicht geführt.

4.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des Landgerichts, dass es infolge der Pflichtverletzung des Beklagten zu 2), die zum Tod K. A.s führte, bei den Klägern zu einer Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB gekommen ist, die einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründet. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht in dem Vorliegen einer Belastungsreaktion (ICD F 43.0) eine Gesundheitsschädigung erblickt.

4.1.

Es ist anerkannt, dass ein eigener Schmerzensgeldanspruch der Hinterbliebenen bei der Tötung eines nahen Angehörigen nur in Betracht kommt, wenn es infolge dieses Ereignisses zu einer eigenen Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung bei den Hinterbliebenen gekommen ist. Dabei können durch ein Unfallgeschehen ausgelöste, traumatisch bedingte psychische Störungen von Krankheitswert eine Gesundheitsschädigung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2007, Az.: VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 (264); Urteil vom 30. April 1996, Az.: VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341 (344); Urteil vom 16. Januar 2001, Az.: VI ZR 381/99, VersR 2001, 874 – 875; Urteil vom 12. November 1985, Az.: VI ZR 103/84, VersR 1986, 240 – 241). Höchstrichterlich geklärt ist auch, dass die Schadensersatzpflicht für psychische Auswirkungen einer Verletzungshandlungen nicht voraussetzt, dass sie eine organische Ursache; es genügt vielmehr grundsätzlich die hinreichende Gewissheit, dass die psychisch bedingte Gesundheitsschädigung ohne die Verletzungshandlung nicht aufgetreten wäre (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015, Az.: VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 – 503; Urteil vom 30. April 1996, Az.: VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341 (343); Urteil vom 4. April 1989, Az.: VI ZR 97/88, VersR 1989, 853 – 854; Urteil vom 9. April 1991, Az.: VI ZR 106/90, VersR 1991, 704 – 705).

4.2.

Diese Grundsätze haben jedoch nach gefestigter Rechtsprechung im Bereich der sogenannten Schockschäden eine gewisse Einschränkung erfahren. Es geht um Fälle seelischer Erschütterung, die ein bei einem Unfall selbst nicht körperlich Verletzter durch das Miterleben des Unfalls, den Anblick der Unfallfolgen oder durch die Nachricht hiervon erleidet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes versagt das geltende Recht Ersatzansprüche für seelischen Schmerz, soweit dieser nicht Auswirkung der Verletzung des eigenen Körpers oder der eigenen Gesundheit ist. Empfindungen wie Trauer und Schmerz, die ein negatives Ereignis als solches auslöst, sind zwar jedenfalls in schweren Fällen von Störungen der physiologischen Abläufe begleitet und können für die körperliche Befindlichkeit durchaus medizinisch relevant sein. Sie aber schon deshalb als Gesundheitsschädigung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen, widerspräche der Absicht des Gesetzgebers, die Deliktshaftung gerade in § 823 Abs. 1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den durch sie geschützten Verhaltenspflichten auf klar umrissene Tatbestände zu beschränken, insbesondere Beeinträchtigungen, in denen sich die Schutzgutverletzung eines anderen bei Dritten auswirkt, soweit diese nicht selbst in ihren Schutzgütern betroffen sind, mit Ausnahme der §§ 844, 845 BGB ersatzlos zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015, Az.: VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 – 503; Urteil vom 4. April 1989, Az.: VI ZR 97/88, VersR 1989, 853 – 854; Urteil vom 31. Januar 1984, Az.: VI ZR 56/82, VersR 1984, 439 – 440; Urteil vom 11. Mai 1971, Az.: VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163 (165)). Aus diesen Gründen kommt eine Ersatzpflicht für solch psychisch vermittelte Beeinträchtigungen nur dann in Betracht, wenn gewichtige psychopathologische Ausfälle von einiger Dauer eintreten, die weit über das hinausgehen, was nahe Angehörige bei einem Trauerfall erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleben und die deshalb auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015, Az.: VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 – 503; Urteil vom 20. März 2012, Az.: VI ZR 114/11, VersR 2012, 634 – 635; Urteil vom 6. Februar 2007, Az.: VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 – 804; Urteil vom 4. April 1989, Az.: VI ZR 97/88, VersR 1989, 853 – 854; Urteil vom 31. Januar 1984, Az.: VI ZR 56/82, VersR 1984, 439 – 440; Urteil vom 13. Januar 1976, Az.: VI ZR 58/74, VersR 1976, 539 – 540).

4.3.

Diese Grundsätze hat das Landgericht vollständig beachtet und angenommen, dass die bei den Klägern aufgetretene Belastungsreaktion (ICD F 43.0) eine Gesundheitsbeeinträchtigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellt, die für sich betrachtet die Anforderung einer über das übliche Maß hinausgehenden Beeinträchtigung erfüllt. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a. Soweit sich das Landgericht unter Verweis auf das Gutachten des Sachverständigen F. davon überzeugt hat, dass bei den Klägern eine Gesundheitsbeschädigung in Form einer akuten Belastungsreaktion nach ICD F 43.0 eingestellt habe, erhebt die Berufung hiergegen keine substantiellen Einwendungen. Die Berufung rügt, soweit der Sachverständige F. in seinem Gutachten vom 12. Februar 2019 festhalte, dass aus medizinischer Sachverständigensicht bei circa 10 – 30 % ambulanter Patienten an einem belastenden Ereignis die medizinische Diagnose „Anpassungsstörung“ gestellt werde, könne dem Gutachten schon nicht entnommen werden, ob es sich bei dem belastenden Ereignis auch stets um die Nachricht von dem Unfalltod eines nahen Angehörigen handele. Diese Rüge bleibt erfolglos. Es ist nicht nachvollziehbar, welche vom Sachverständigen F. getroffenen Feststellungen der Beklagte zu 2) damit in Zweifel zieht. Der Senat versteht die sachverständigen Ausführungen dahin, dass eine Anpassungsstörung keine gänzlich ungewöhnliche Reaktion auf ein belastendes Ereignis darstellt, was für die Glaubhaftigkeit der von den Klägern gemachten Angaben spricht.

b. Ohne Erfolg wendet die Berufung ein, die bei den Klägern diagnostizierte akute Belastungsreaktion stelle keine traumatische Schädigung dar, die über das normale Maß seelischer Erschütterung deutlich hinausgehe. Die Rüge der Berufung, es erschließe sich nicht und werde vom Landgericht auch nicht näher erläutert, aus welchem Grund die Symptome über das normale Maß seelischer Erschütterungen bei Nachrichten vom Unfalltod eines nahen Angehörigen hinausgingen, geht fehl. Die Kammer hat auf Seite 36 bis 37 des angefochtenen Urteils ausführlich begründet, weshalb bei den Klägern zu 1) und 2) ein erheblich über das normale Maß hinausgehender Beeinträchtigungsgrad der akuten Belastungsreaktion vorliege. Betreffend den Kläger zu 1) hat das Landgericht herausgestellt, dass bei diesem die gesundheitlichen Folgen über das Übliche weit hinausgegangen seien; üblicherweise erfolge nach dem Tod eines Kindes kein Versuch einer Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Betreffend die Klägerin zu 2) ergebe sich aus der Dauer der akuten Belastungsreaktion, dass diese das Übliche überschritten habe. Beim Kläger zu 3) seien die Anforderungen an eine Gesundheitsbeschädigung erfüllt, weil er den Unfalltod seines Bruders, die erfolglosen Reanimationsmaßnahmen habe mitansehen müssen. Die Berufung hat es versäumt, sich mit diesen vom Landgericht angestellten Erwägungen zu Art und Schwere der von den Klägern erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der gebotenen Art und Weise inhaltlich auseinander zu setzen. Denn es fehlt an auf den Streitfall zugeschnittenen Darlegungen, wieso die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass die psychischen Beeinträchtigungen der Kläger von Gewicht und einiger Dauer waren, unzutreffend ist. Hierfür reicht es insbesondere nicht aus, pauschal zu behaupten, eine akute Belastungsreaktion dürfte eine typische Reaktion über die Nachricht vom Unfalltod eines nahen Angehörigen darstellen. Diese Behauptung geht an der Sache vorbei. Zum einen hat das Landgericht nicht auf das bloße Vorliegen einer Belastungsreaktion abgestellt, sondern ausgeführt, dass die damit verbundenen psychischen Beeinträchtigungen der Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) so gravierend gewesen seien, dass die Grenze zur Gesundheitsbeschädigung überschritten sei. Dem hat die Berufung nichts Erhebliches entgegen zu setzen. Zum anderen lässt die Berufung außer Acht, dass das Landgericht – in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015, Az.: VI ZR 548/12, VersR 2015, 501 – 503; Urteil vom 22. Mai 2007, Az.: VIZR 17/06, BGHZ 172, 263 (264); Urteil vom 16. Januar 2001, Az.: VI ZR 381/99, VersR 2001, 874 – 876; Urteil vom 11. Mai 1971, Az.: VI ZR 78/70, BGHZ 56, 163 (167)) – betreffend den Kläger zu 3) dem Umstand maßgebliche Bedeutung beigemessen hat, dass dessen psychischen Beeinträchtigungen auf seine direkte Beteiligung an dem Unfall und das Miterleben der Reanimationsmaßnahmen zurückzuführen ist. So hat der Bundesgerichtshof die Haftung des Schädigers für psychisch vermittelte Gesundheitsstörungen in den Fällen für zweifelsfrei gegeben erachtet, in denen der Geschädigte am Unfall direkt beteiligt war und dieser das Unfallgeschehen psychisch nicht verkraften konnte (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1985, Az.: VI ZR 103/84, VersR 1986, 240 – 241; Urteil vom 22. Mai 2007, Az.: VI ZR 17/06, BGHZ 172, 263 (264)). Auch hiergegen hat die Berufung nichts zu erinnern.

II.

Auf Grundlage dieser Erwägungen hat die Berufung des Beklagten zu 2) nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch im Übrigen nicht geboten ist.

Aus Kostengründen stellt der Senat dem Beklagten zu 2) die Rücknahme der Berufung anheim. Durch eine Berufungsrücknahme würde gemäß KV Nr. 1222 für die Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren nur der 2-fache statt des 4-fachen Satzes anfallen. Hinzu kommt eine weitere Ersparnis, wenn keine Terminsgebühren gemäß VV Nr. 3202 RVG anfallen.

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