LG Mainz, Az.: 8 T 25/17
Beschluss vom 23.02.2017
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Mainz vom 27. Dezember 2016 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 31. Januar 2017 aufgehoben.
Den Antragstellern wird gemäß ihrem Antrag vom 9. November 2016 in die Akten des Amtsgerichts Mainz zum Aktenzeichen – 41 XVII 290/11 – insoweit Einsicht gewährt, als sich bei diesen Berichte der Betreuerin über die Vermögensverhältnisse des Betroffenen sowie nach Anordnung der vorliegenden Betreuung geschlossene Immobilienkaufverträge befinden.
Die Akteneinsicht ist durch Übersendung von Kopien der vorbezeichneten Aktenbestandteile zu erfüllen.
Von einer Erhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens ist abzusehen.
Gründe
Die zulässige – insbesondere statthafte (§ 58 Abs. 1 FamFG, vgl. insoweit KG, NJW-RR 2011, 1025, 1025) sowie form- (§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG) und fristgerecht (§ 63 FamFG) eingelegte – gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mainz vom 27. Dezember 2016 gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist begründet.
Den Antragstellern steht gemäß § 13 Abs. 2 FamFG ein Akteneinsichtsrecht im tenorierten – und inhaltlich dem maßgeblichen Einsichtsantrag entsprechenden (vgl. Seite 2 der Antragsschrift) – Umfang zu.
Nach der vorzitierten Norm kann Personen, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, Einsicht in die Betreuungsakten gestattet werden, soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen und schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten nicht entgegenstehen. Der Begriff des berechtigten Interesses ist in § 13 FamFG nicht näher bestimmt. Er lässt sich aber daraus ableiten, dass das Gesetz allgemein zwischen subjektiven Rechten (§ 59 Abs. 1 FamFG), rechtlichen Interessen (§§ 357 FamFG, 299 Abs. 2 ZPO, 62 PStG) und berechtigten Interessen (§§ 13 Abs. 2 FamFG, 121 GBO) unterscheidet. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weiter als der des subjektiven Rechts, aber enger als derjenige des berechtigten Interesses. Ein rechtliches Interesse, das sich auf ein bereits vorhandenes Recht stützen muss, ist dann gegeben, wenn die erstrebte Kenntnis vom Akteninhalt zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Das berechtigte Interesse muss sich dagegen nicht auf ein bereits vorhandenes Recht stützen. Es genügt vielmehr jedes nach vernünftiger Erwägung durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse, das auch wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art sein kann. Es ist insbesondere dann gegeben, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Aktenkenntnis beeinflusst- sein kann, wobei das Interesse grundsätzlich nicht durch den Verfahrensgegenstand begrenzt wird (vgl. zu allem Vorstehenden OLG Stuttgart, FGPrax 2011, 263, 263, m.w.N.).
Ein derartiges Interesse der Antragsteller an einer Einsicht in die im Tenor genannten Aktenbestandteile ist vorliegend zu bejahen. Denn die Antragsteller haben als Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse daran, sich Kenntnis vom Umfang des Nachlasses und damit von der Höhe ihrer etwaigen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zu verschaffen, weil dies ihr Vorgehen gegen die Erbin und Pflichtteilsschuldnerin beeinflussen kann. Zur Informationsbeschaffung kann – neben anderen Erkenntnisquellen – auch die im Rahmen des Betreuungsverfahrens gefertigten Berichte der Betreuerin sowie etwaige Immobilienkaufverträge dienen.
Dass diese Aktenbestandteile mit einer anderen Zweckrichtung zu den Gerichtsakten gelangt sind, steht einem berechtigten Interesse des Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen (vgl. OLG Jena, NJW-RR 2012, 139, 139, m.w.N.). Gleiches gilt sowohl für den der Erbin gegenüber bestehenden Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB als auch für einen etwaigen Anspruch auf Abgabe einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung gemäß § 260 Abs. 2 BGB. Das berechtigte Interesse wird nämlich grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass die betreffenden Informationen auch auf andere Weise beschafft werden können (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 381, 382; OLG Jena, a.a.O., 140, m.w.N.). Dies gilt vorliegend umso mehr, als die hier in Rede stehende Akteneinsicht gerade dazu dienen kann und soll, die Richtigkeit und Vollständigkeit der in Erfüllung des aus § 2314 BGB resultierenden Anspruchs erstatteten Auskunft zu überprüfen.
Schließlich ist ein das berechtigte Interesse der Antragsteller an der in Rede stehenden Akteneinsicht übersteigendes schutzwertes Interesse des Betroffenen und der ehemaligen Betreuerin an der Geheimhaltung der im Tenor näher bezeichneten Aktenbestandteile nicht zu erkennen. Die ehemalige Betreuerin – zugleich die alleinige Erbin des Betroffenen – ist vom Amtsgericht angehört worden. Sie hat dem hier zur Entscheidung stehenden Akteneinsichtsgesuch widersprochen, ohne nachvollziehbare Gründe für eine Geheimhaltung der betreffenden Aktenbestandteile vorzubringen. Sie hat vielmehr im Wesentlichen – sinngemäß – lediglich das Fehlen eines berechtigten Interesses der Antragsteller eingewandt. Soweit sie darüber hinaus auf die Befugnis des Betroffenen, zu Lebzeiten mit seinen Vermögenswerten nach Belieben zu verfahren, abgestellt hat, ist diese durch die tenorierte Gewährung von Akteneinsicht – zumal nach dem Ableben des Betroffenen – ganz offensichtlich nicht tangiert. Ein überwiegendes Interesse des Betroffenen und der ehemaligen Betreuerin, welches es rechtfertigen würde, den Antragstellern die begehrte Akteneinsicht zu verweigern, kann deshalb nicht angenommen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.