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Prämiensparvertrag – Feststellung des Fortbestands bei Kündigung

AG Mülheim – Az.: 19 C 185/20 – Urteil vom 22.06.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestands eines mit der Beklagten geschlossenen Prämiensparvertrags.

Am 09.04.1996 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Eröffnung eines Sparkontos mit der Sparkontennummer 123 mit einer Zusatzvereinbarung über das Prämiensparen-flexibel. Im Eröffnungsantrag wurde unter anderem festgehalten:

Kündigungsfrist 3 Monate

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die derzeit geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und die Bedingungen für den Sparverkehr Vertragsbestandteil sind. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Bedingungen für den Sparverkehr hängen/liegen in den Kassenräumen zur Einsichtnahme aus. Der Kunde erhält ein Exemplar der AGB und der Bedingungen für den Sparverkehr, sofern er es wünscht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Eröffnungsantrag vom 09.04.1996 (Anlage B1, Blatt 25 d.A.) Bezug genommen.

In der Zusatzvereinbarung zum Prämiensparen-flexibel wurde unter anderem vereinbart:

1.  Sparbeiträge/Spardauer

Der Sparer wird bis zum Ende jeden Zahlungszeitraumes, beginnend am oben angegebenen Termin, die vereinbarten Sparbeiträge einzahlen. Die Spardauer ist flexibel gestaltbar und beträgt maximal 30 Jahre.

3.  Zinsen und Prämien

 

Die Beklagten zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz (handschriftlich eingefügt: z.Zt. 4,5 %) am Ende eines Sparjahres eine verzinsliche S-Prämie gemäß folgender Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres, und zwar erstmals zum Ende des 3. Sparjahres nach Vertragsbeginn.

Die S-Prämie beträgt nach Ablauf von

1 + 2 Jahren 0 %

3 Jahren 3 %

4 Jahren 4 %

ab dem 15. Jahr 50 %.

Eine Verfügung über die gutgeschriebenen Zinsen und Prämien führt zur Vertragsunterbrechung.

4.  Beendigung des Sparvertrages

4.1 Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, dass der     Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den     gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz

oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zusatzvereinbarung Prämiensparen-flexibel (Anlage K1, Blatt 4 d. A.) Bezug genommen.

Aus Nr. 26 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich ein ordentliches Kündigungsrecht bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes, soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der derzeit gültigen Fassung vom 26.11.2018 (Anlage B3, Blatt 35 ff. d.A.) Bezug genommen.

Nachdem der Kläger seit Vertragsbeginn die monatlich vereinbarten Sparbeiträge geleistet hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom September 2019 die Kündigung des Prämiensparvertrags zum 01.01.2020 aufgrund der seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase und damit einem veränderten Zinsumfeld und da die höchste Prämienstufe von 50 % längst erreicht sei.

Der Kläger widersprach der Kündigung des Vertrags und begehrt die Feststellung, dass der Vertrag fortbesteht.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagten habe kein Kündigungsrecht zugestanden. Es bestehe auch nach der Rechtsprechung nicht automatisch ein Kündigungsrecht, wenn die höchste Prämienstufe von 50 % erreicht sei. Vielmehr ergebe sich vorliegend aus dem Zusatz „Die Spardauer ist flexibel gestaltbar und beträgt maximal 30 Jahre“, dass der Kläger den Vertrag mindestens 30 Jahre lang führen könne. Der Kläger bestreitet zudem eine wirksame Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag. Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung sei daher unwirksam.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Prämiensparvertrag mit der Nummer 123 über den 01.01.2020 hinaus zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen fortbesteht; hilfsweise festzustellen, dass der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Prämiensparvertrag mit der Nummer 123 über den 01.01.2020 hinaus bis längstens zum 09.04.2026 zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Klageantrag sei bereits zu unbestimmt. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, es sei wirksam eine Kündigungsfrist von 3 Monaten vereinbart worden. Da bereits mit dem 15. Sparjahr – hier 2012 – die höchste Prämienstufe von 50 % erreicht war, hätten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Kündigungsvoraussetzungen vorgelegen, so dass der Vertrag wirksam durch Kündigung beendet worden sei. Es liege gerade keine Mindestvertragsdauer von 30 Jahren oder sonstige Laufzeitvereinbarungen vor. Vielmehr ergebe sich auch bereits aus der Vertragsbezeichnung als Prämiensparen-flexibel, dass die Flexibilität des Sparprodukts im Vordergrund stehe und keine Laufzeitvereinbarung geschlossen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, in der Sache aber unbegründet.

I.

Der Feststellungsantrag über den Fortbestand des zwischen den Parteien geschlossenen Prämiensparvertrags ist unbegründet, da die Beklagte den Prämiensparvertrag mit Kündigung von September 2019 wirksam zum 01.01.2020 gekündigt hat.

Da der Prämiensparvertrag aufgrund der vertraglichen Regelung flexibel gestaltbar war und der Kläger als Sparer zwar zur Zahlung der monatlichen Sparbeiträge zunächst berechtigt, aber nicht verpflichtet war, handelt es sich rechtlich um einen unregelmäßigen Verwahrungsvertrag (BGH, Urteil v. 14.05.2019 – XI ZR 345/18 -, NJW 2019, 2920). Die ausgesprochene Kündigung war vorliegend wirksam.

Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die AGB der Beklagten tatsächlich wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden sind, wofür die ausdrückliche Bestätigung des Klägers über die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im von ihm unterschriebenen Eröffnungsantrag vom 09.04.1996 spricht. In diesem Fall läge ein unmittelbares ordentliches Kündigungsrecht aus Nr. 26 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vor.

Im Übrigen bestünde ein ordentliches Kündigungsrecht der Beklagten auch aufgrund der Vereinbarung unter Ziff. 4 der Zusatzvereinbarung Prämiensparen-flexibel sowie darüber hinaus aus §§ 700 Abs. 1 Satz 3, 696 Satz 1, 242 BGB.

Der Beklagten stand danach das Recht zur ordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines sachlichen Grundes und unter Berücksichtigung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu (vgl. OLG Naumburg, Urteil v. 16.05.2018 – 5 U 29/18 -, zit. nach beck-online; LG Stendal, Urteil v. 14.11.2019 – 22 S 104/18 -, zit. nach beck-online). Ein solcher sachgerechter Grund ist in der seit Jahren anhaltenden, unstreitigen und gerichtsbekannten Niedrigzinsphase mit Niedrig- und Negativzinsumfeld in der Eurozone anzunehmen (BGH a.a.O.; OLG Naumburg a.a.O.; LG Stendal a.a.O.).

Der Kündigung stand vorliegend auch kein Kündigungsausschluss bzw. ein ausdrücklicher oder konkludenter Verzicht auf ein Kündigungsrecht entgegen.

Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen (BGH a.a.O.). Auch vorliegend hat die Beklagte im Vertrag die Zahlung einer individuellen Sparprämie bis zum 15. Sparjahr ausweislich der dort dargestellten Prämienstufen versprochen. Ein darüber hinausgehender Verzicht auf das Recht zur ordentlichen Kündigung lässt sich den Vertragsunterlagen hingegen nicht entnehmen (vgl. BGH a.a.O.). Vielmehr enthält Ziffer 4 Satz 1 der Zusatzvereinbarung eine Regelung zur Kündigungsfrist mit einem entsprechenden Recht zur Kündigung, so dass daraus ersichtlich folgt, dass der Beklagten eine ordentliche Kündigung jedenfalls nach Erreichen der höchsten Prämienstufe möglich sein sollte (vgl. BGH a.a.O.). Mit der vereinbarten Prämienstaffel wurde ein Bonusanreiz und damit ein konkludenter Ausschluss des Kündigungsrechts bis zum Ablauf des 15. Sparjahres vereinbart, weil anderenfalls die Beklagte jederzeit den Anspruch auf Gewährung der Sparprämien sich entziehen könnte (vgl. BGH a.a.O.). Ein über das Ende des 15. Sparjahres hinaus wirkender Ausschluss des Kündigungsrechts haben die Parteien insbesondere auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des Vertrages hingegen nicht vereinbart (vgl. BGH a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Klägers lag vorliegend auch keine individuelle Mindestvertragsdauer von 30 Jahren vor. Die Formulierung „Die Spardauer ist flexibel gestaltbar und beträgt maximal 30 Jahre“ widerspricht zum einen mit der Formulierung „maximal 30 Jahre“ bereits einer von dem Kläger angenommenen Mindestvertragsdauer von 30 Jahren – diese kann nicht zugleich die Maximaldauer darstellen – und stellt vielmehr, wie auch die genaue Produktbezeichnung „Prämiensparen-flexibel“ die Flexibilität des Sparprodukts deutlich in den Vordergrund. Auch für den Kläger musste nach dem objektiven Empfängerhorizont und der vertraglichen Regelungen deutlich sein, dass der Vertrag auch vor Ablauf dieser 30 Jahre beendet werden konnte, nämlich mit einer Kündigungsfrist von 3 Monaten. Selbst in der von beiden Parteien herangezogenen Grundsatzentscheidung des BGH vom 14.09.2019 (BGH a.a.O.) wurde bei einer vertraglichen Formulierung von „Sie allein bestimmen, wie lange Sie sparen wollen…“ aufgrund der – im Übrigen vergleichbaren – Formulierung ein Kündigungsausschluss lediglich für die Zeit bis zum Erreichen der höchsten Prämienstaffel und darüber hinaus ein ohne Weiteres geltendes dreimonatiges Kündigungsrecht angenommen (BGH a.a.O.). Im Vergleich zu der Formulierung im angesprochenen Urteil lässt die vorliegende Formulierung „Die Spardauer ist flexibel gestaltbar und beträgt maximal 30 Jahre“ erst recht keinen Zweifel daran aufkommen, dass vorliegend kein dauerhafter Kündigungsausschluss bestand.

Anders als in vereinzelt anzutreffenden Verträgen, in denen ausdrücklich eine Laufzeit von 99 Jahren bzw. 1.188 Monaten fest vereinbart wurde (vgl. OLG Dresden, Urteil v. 21.11.2019 – 8 U 1770/18 -, zitiert nach juris; LG Stendal a.a.O.) lag vorliegend somit keine feste Mindestvertragsdauer vor, die einem Kündigungsrecht nach Erreichen der höchsten Prämienstaffel entgegenstehen könnte.

Die Klage war danach vollumfänglich, sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrags, abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 1.717,97 EUR festgesetzt.

Dies entspricht dem vom Kläger beanspruchten 3,5 fachen Jahreszinsertrag unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 % aufgrund der Feststellungsklage (vgl. BGH, Beschluss v. 15.02.2016 – 13 U 151/15 -).

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