Skip to content

Radfahrer – Schmerzensgeldanspruch bei Sturzunfall eines einhändig fahrenden Radfahrers

Einhändig fahrender Radfahrer stürzt und fordert Schmerzensgeld

Das Urteil des LG Münster betont die Bedeutung des Mitverschuldens bei der Bestimmung des Schmerzensgeldanspruchs nach einem Fahrradunfall, bei dem der Radfahrer einseitig die Kontrolle verlor und stürzte, während er Hunde an der Leine führte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 S 56/15   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Sturzunfall eines Radfahrers: Der Kläger stürzte, während er einhändig Rad fuhr und gleichzeitig zwei Schäferhunde an der Leine hielt.
  2. Schmerzensgeldforderung: Der Kläger forderte mindestens 1500 € Schmerzensgeld sowie weitere Entschädigungen für diverse Schäden.
  3. Urteil des Amtsgerichts: Das Amtsgericht Steinfurt gewährte lediglich 200 € Schmerzensgeld, basierend auf einem hohen Mitverschulden von 75 % des Klägers.
  4. Einschränkung der Fahrfähigkeit: Die einhändige Fahrweise und das Führen der Hunde beeinträchtigten die Stabilität und Kontrolle des Fahrrads erheblich.
  5. Rechtliche Bewertung des Verhaltens: Das Gericht erkannte an, dass das Führen von Hunden beim Radfahren erlaubt ist, bewertete jedoch die Kombination der Umstände als gefährlich.
  6. Mitverschulden des Radfahrers: Das Gericht stellte fest, dass das Mitverschulden des Klägers bei der Berechnung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden muss.
  7. Geringfügigkeit der Verletzungen: Die Verletzungen des Klägers wurden als nicht schwer genug erachtet, um ein höheres Schmerzensgeld zu rechtfertigen.
  8. Kein Anspruch auf weiteren Schadensersatz: Der Kläger hatte keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz über das zuerkannte Schmerzensgeld und die 31,25 Euro hinaus.

Im Zentrum des rechtlichen Interesses steht die Frage des Schmerzensgeldanspruchs bei einem Sturzunfall eines Radfahrers. Dies betrifft insbesondere Situationen, in denen der Radfahrer während des Fahrens nur eine Hand am Lenker hat und die andere für andere Aktivitäten verwendet, wie beispielsweise das Führen von Hunden. Die Kernproblematik dreht sich um die Bewertung von Mitverschulden und dessen Einfluss auf die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs.

Fahrradfahrer Sturz mit Hunde
(Symbolfoto: Raquel Pedrosa /Shutterstock.com)

Im Fokus steht die rechtliche Abwägung zwischen der individuellen Freiheit des Radfahrens unter besonderen Umständen und den damit einhergehenden Risiken für die Verkehrssicherheit. Dies beinhaltet die Beurteilung, inwieweit das Verhalten des Radfahrers, das zu seinem Sturz geführt hat, unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsregeln und der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt als angemessen oder fahrlässig betrachtet werden kann. Ebenso wesentlich ist die Bewertung der Folgen eines solchen Sturzes, insbesondere im Hinblick auf die entstandenen Verletzungen und die daraus resultierenden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Diese rechtliche Auseinandersetzung verbindet Aspekte des Verkehrsrechts mit denen des Schadensersatzrechts und wirft grundlegende Fragen zur Verantwortlichkeit und zum Umgang mit Risiken im Straßenverkehr auf. Sie beleuchtet die komplexen Abwägungen, die Gerichte bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen und den daraus resultierenden Ansprüchen treffen müssen.

Der Sturzunfall eines einhändig fahrenden Radfahrers: Ein juristischer Streitfall

Am 13. Mai 2014 kam es zu einem ungewöhnlichen Verkehrsunfall: Ein Radfahrer, der einhändig fuhr und dabei die Leinen zweier Schäferhunde in der anderen Hand hielt, stürzte aufgrund eines plötzlichen Zwischenfalls. Er näherte sich von hinten einer Fußgängerin, die ebenfalls einen Hund bei sich hatte. Als der Hund der Fußgängerin auf den Radfahrer zukam, versuchte dieser zu bremsen, verlor dabei jedoch die Kontrolle über sein Fahrrad und stürzte. Dieser Sturz führte zu einer Risswunde zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, die mit etwa 20 Stichen genäht werden musste, sowie zu Prellungen an den Schienbeinen. Der Radfahrer war infolge der Verletzungen bis Ende Mai 2014 krankgeschrieben.

Der Schmerzensgeldanspruch: Eine juristische Herausforderung

Der verunfallte Radfahrer erhob Schmerzensgeldansprüche gegen die Fußgängerin und verlangte mindestens 1500 Euro. Zusätzlich forderte er Schadensersatz für ein beschädigtes Handy, Attestkosten und eine Unkostenpauschale sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten. Das Amtsgericht Steinfurt entschied in erster Instanz, dass dem Kläger lediglich ein Schmerzensgeld von 200 Euro zusteht, und begründete dies mit einem hohen Mitverschulden des Klägers von 75 Prozent. Das Gericht wies darauf hin, dass das einhändige Fahren über eine längere Strecke unter gleichzeitigem Führen zweier großer Hunde die Stabilität und Kontrolle des Fahrrads erheblich einschränkte.

Verkehrssicherheit und Fahrradunfall: Die rechtlichen Aspekte

Die rechtliche Auseinandersetzung konzentrierte sich auf die Frage der Verkehrssicherheit und das Mitverschulden des Radfahrers. Das Gericht stellte fest, dass das Führen von Hunden beim Fahrradfahren zwar grundsätzlich erlaubt ist, jedoch das Zusammenspiel des Führens der Hunde und des einhändigen Fahrens im konkreten Fall ein erhöhtes Risiko darstellte. Dies wurde besonders betont, da der Radfahrer durch die Art des Führens der Hunde in seiner Fähigkeit, auf unerwartete Gefahrensituationen adäquat zu reagieren, stark eingeschränkt war. Auch wurde kritisiert, dass der Kläger sich der Fußgängerin und ihrem unangeleinten Hund von hinten näherte, ohne die erforderliche Vorsicht walten zu lassen.

Urteilsfindung: Schmerzensgeld und Mitverschulden

Das Landgericht Münster wies in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2015 die Berufung des Klägers zurück und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Steinfurt. Es wurde festgestellt, dass dem Kläger kein weitergehender Schmerzensgeldanspruch über die zuerkannten 200 Euro hinaus zusteht, insbesondere unter Berücksichtigung seines hohen Mitverschuldens. Das Gericht stellte zudem klar, dass die Verletzungen des Klägers, obwohl ernsthaft, nicht derart schwerwiegend waren, dass ein höheres Schmerzensgeld gerechtfertigt gewesen wäre. Darüber hinaus wurde festgehalten, dass das Mitverschulden des Klägers eine wesentliche Rolle bei der Bemessung des Schmerzensgeldes spielte und daher eine höhere Entschädigung nicht angemessen wäre.

In diesem Fall zeigt sich deutlich, wie komplex die rechtliche Beurteilung von Verkehrsunfällen sein kann, insbesondere wenn es um die Frage des Mitverschuldens und der angemessenen Höhe des Schmerzensgeldes geht. Der Fall unterstreicht die Bedeutung der Verkehrssicherheit und der Verantwortung jedes Einzelnen im Straßenverkehr.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Inwiefern beeinflusst die Fahrweise des Radfahrers (hier einhändiges Fahren mit Hundeleine) die rechtliche Beurteilung eines Unfalls?

Die Fahrweise eines Radfahrers, insbesondere das einhändige Fahren mit einer Hundeleine, kann die rechtliche Beurteilung eines Unfalls in Deutschland erheblich beeinflussen. Dies betrifft insbesondere die Aspekte der Haftung und Versicherung.

Gemäß §28 der Straßenverkehrsordnung (StVO) dürfen Hunde vom Fahrrad aus geführt werden, vorausgesetzt, der Radfahrer kann in jeder Situation auf seinen Hund einwirken. Wenn ein Unfall passiert, während ein Radfahrer einen Hund führt, haftet der Radfahrer unabhängig von seinem eigenen Verschulden, wenn der Hund an dem Unfall beteiligt war. In solchen Fällen reicht die private Haftpflichtversicherung nicht aus, und es ist eine Hundehaftpflichtversicherung erforderlich.

Die Fahrweise des Radfahrers kann auch die Haftung bei einem Unfall beeinflussen. Ein Radfahrer muss seine Fahrweise an das besondere Gefährdungspotential seines Fahrzeugs anpassen. Wenn ein Radfahrer beispielsweise entgegen der Fahrtrichtung fährt und es zu einem Unfall kommt, trifft den Autofahrer dennoch eine erhöhte Sorgfaltspflicht.

Die Rechtsprechung stärkt die Rechte der Radfahrer und macht deutlich, dass auch bei kontaktlosen Verkehrsunfällen eine Haftung nach § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) bestehen kann. Dies bedeutet, dass ein Auto durch seine Fahrweise oder seine sonstige Beeinflussung des Verkehrs zur Entstehung des Schadens beigetragen haben kann, auch wenn es nicht zu einer Berührung zwischen Fahrrad und Auto gekommen ist.

Im Falle eines Unfalls sollte der Radfahrer seine Haftpflichtversicherung informieren, insbesondere wenn die Gegenseite Ansprüche stellt. Die eigenen Ansprüche nach einem Fahrradunfall erheben Radfahrer gegenüber der Kfz-Haftpflichtversicherung des Autofahrers.

Die rechtliche Beurteilung eines Unfalls kann komplex sein und hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Umstände des Unfalls und der beteiligten Parteien. Daher kann es ratsam sein, rechtlichen Rat einzuholen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden.


Das vorliegende Urteil

LG Münster – Az.: 1 S 56/15 – Urteil vom 16.12.2015

Die Berufung gegen das am 09.04.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Steinfurt (Aktenzeichen: 21 C 58/15) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgericht Steinfurt vom 09.04.2015 (Bl. 64 ff d.A.).

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Sturzes von seinem Fahrrad am 13.05.2014. Der Kläger fuhr mit der linken Hand am Lenker auf seinem Fahrrad am rechten Straßenrand des C Weges in I. In der rechten Hand hielt er die Leine für seine zwei Schäferhunde. Der Kläger näherte sich von hinten der Beklagten, die auf dem Grünstreifen am linken Straßenrand lief. Ihr Hund befand sich unangeleint wenige Meter hinter ihr. Als sich der Kläger der Beklagten näherte, bewegte sich der Hund der Beklagten auf den Kläger zu. Der Kläger bremste und kam deshalb zu Fall. Hierdurch kam es zu einer Risswunde zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Der Kläger musste mit ca. 20 Stichen genäht werden. Die Fäden wurden am 28.05.2014 gezogen, der Kläger war noch bis zum 31.05.2014 krankgeschrieben. Ferner erlitt der Kläger Prellungen an den Schienenbeinen. Schmerzen und Bewegungseinschränkung bestanden für drei Wochen.

Der Kläger begehrt ein Schmerzensgeld von mindestens 1500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2014, Schadensersatz für ein beschädigtes Handy, Attestkosten und eine Unkostenpauschale von weiteren 100 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.06.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 255,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2015.

Benötigen Sie eine Beratung in einer ähnlichen Angelegenheit? Vereinbaren Sie einen Termin: 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Auf die mündliche Verhandlung vom 19.02.2015 hat das Amtsgericht Steinfurt im Verkündungstermin am 09.04.2015 ein Urteil verkündet, das dem Kläger am 16.04.2015 zugestellt wurde. Das Amtsgericht hat die Beklagte hinsichtlich des Schmerzensgeldes zu einer Zahlung von 200 € unter Anrechnung eines Mitverschuldens des Klägers von 75 % nebst Zinsen, zur Zahlung von weiterem Schadensersatz in Höhe von 31,25 Euro nebst Zinsen sowie zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 Euro nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass durch das einhändige Fahren über eine längere Strecke und das Führen der zwei großen Schäferhunde an der Leine mit der rechten Hand die Stabilität des Klägers auf dem Fahrrad deutlich eingeschränkt sei. Der Kläger habe den Lenker nicht an zwei Punkten, sondern nur in einem Punkt fixiert. Der Kläger müsse jedoch so Fahrrad fahren, dass er sich der im Verkehr erforderlichen Manöver vorsieht. Anders als bei einer zweiten freien Hand könne der Kläger wegen der in der rechten Hand geführten Leine die rechte Hand auch nicht sofort wieder in den Lenker nehmen, um einer plötzlich auftretenden Gefahr zu begegnen. Hierbei hat das Amtsgericht zu Gunsten des Klägers angenommen, dass man grundsätzlich mit dem Fahrrad eigenhändig fahren dürfe und nach § 28 Abs. 1 StVO auch Hunde am Rad geführt werden dürfen. Verschärft sei die Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB dadurch, dass der Kläger die Gefahr hätte erkennen können. Denn er habe sich dem Hund der Beklagten von hinten genähert und damit rechnen müssen, dass dieser Hund auf seine zwei großen Hunde reagieren würde.

In einem in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2015 nachgelassenen Schriftsatz hat der Kläger vorgetragen, dass er nach der Vollbremsung mit den Beinen ins Straucheln geraten sei, als er sich mit diesen auf dem Boden abstützen wollte (Bl. 44 d.A.). Dies hat das Amtsgericht als widersprüchlich zur persönlichen Anhörung im Termin eingeschätzt.

Zweitinstanzlich verfolgt der Kläger seine weitergehenden mit der Klage geltend gemachten Ansprüche weiter. Die Parteien wiederholen und vertiefen ihren bisherigen Vortrag.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag i.H.v. 200 € ein weiteres Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.06.2014 zu zahlen;

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an den Kläger über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von 31,25 € weitere 18,75 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 07.06.2014 zu zahlen;

3. die Beklagte überdies zu verurteilen, den Kläger von der Honorarforderung seiner Prozessbevollmächtigten über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag im Umfang von 83,54 € von weiteren 172,31 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 22.01.2015 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht weitergehende Ansprüche des Klägers verneint.

1. Zunächst steht dem Kläger kein weitergehender Schmerzensgeldanspruch über die zuerkannten 200 Euro hinaus nebst Zinsen zu.

a. Insbesondere ergibt sich kein weitergehender Anspruch aus § 833 S. 1 BGB. Nach § 833 S. 1 BGB besteht ein Schadensersatzanspruch, wenn durch ein Tier der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird. Die Voraussetzungen der Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB liegen unproblematisch vor.

Das Amtsgericht ist von einem grundsätzlich anzusetzen Schmerzensgeld von 800 € ausgegangen und hat hierauf eine Mitverschuldensquote von 75 % angewendet. Zwar ist der Erkenntnisweg des Amtsgerichts methodisch ungenau, indes begegnet das Ergebnis keinen Bedenken.

Grundsätzlich muss sich der Geschädigte auch bei einem Anspruch aus Gefährdungshaftung trotz des Wortlauts des § 254 Abs. 1 („Verschulden“) eine von ihm zu vertretende Sach- oder Betriebsgefahr anrechnen lassen (MüKoBGB/Oetker BGB § 254 Rn. 12-16, beck-online). Da § 253 Abs. 2 BGB eine Ausnahmeregelung zu § 253 Abs. 1 BGB darstellt, wird das Mitverschulden bei einem Schmerzensgeldanspruch entgegen der sonst üblichen Systematik bereits im Rahmen der Bemessungsfaktoren berücksichtigt; eine Quotelung, die für den materiellen Schaden vorgenommen wurde, kann nicht auf das Schmerzensgeld mit seinen anderen Bemessungsfaktoren übertragen werden (BeckOK BGB/Spindler BGB § 253 Rn. 61-62, beck-online).

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind vorliegende folgende Faktoren zu berücksichtigen: Der Kläger erlitt als Rechtshänder eine Risswunde an der rechten Hand, die mit 20 Stichen genäht werden musste. Nach 15 Tagen wurden die Fäden gezogen. Der Kläger war 18 Tage krankgeschrieben. Der Kläger erlitt Prellungen an den Schienbeinen. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bestanden für einen Zeitraum von drei Wochen. Es verbleibt eine Narbe.

Indes ist auch die äußerst gefährliche Fahrweise des Klägers mit zwei Hunden an der Leine und der Leine in der rechten Hand zu berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sowohl das einhändige Fahrradfahren als auch das Führen von Hunden vom Fahrrad aus nach § 28 Abs. 1 S. 4 StVO grundsätzlich erlaubt sind. Das Zusammenspiel beider Verhaltensweisen im vorliegenden Fall stellte sich als besonders risikoerhöhend dar, was seinen Niederschlag auch in der gesetzlichen Bestimmungen findet: § 28 Abs. 1 S. 3 und 4 StVO verbieten im Interesse der Verkehrssicherheit grundsätzlich das Führen von Fahrzeugen aus, „wovon nur größere (folgsame) Hunde hinter Fahrrädern ausgenommen sind“ (BHJJ/Janker StVO § 28 Rn. 1 – 13, beck-online; Hervorhebung nicht im Original). Jegliche Einflüsse auf die Verkehrssicherheit wie bei Einflüssen auf den Lenker (Vgl. OLG Köln, NJW-RR 2003, 884) sind zu vermeiden. Der Fahrzeugführer im Sinne der StVO und in diesem Fall der Fahrradfahrer muss sicherstellen, dass seine Beherrschung des Fahrrades durch das Tier nicht beeinträchtigt wird (BHJJ/Heß StVO § 23 Rn. 15a, beck-online). So wie der Kläger seine Hunde geführt hat, kann er im Fall des Abbiegens keine Richtungsanzeige abgeben. Beim Abbiegen nach rechts ist dies auf Grund der in der rechten Hand geführten Hundeleine nicht möglich. Nach links wäre eine Richtungsanzeige lediglich unter Missachtung des Verbotes des freihändigen Fahrradfahrens möglich. Und auch die Beherrschung des Fahrrades wird durch das Halten der Leine offenkundig beeinträchtigt. Der rechte Arm steht nicht zur Verfügung, um Einwirkungen auf das Gleichgewicht in ausreichender Form zu kompensieren. Auch kann die rechte Hand nicht unmittelbar zum Lenker geführt werden, wenn eine Gefahrenlage unerwartet auftritt. Zumal dies nur möglich wäre, wenn die Leine losgelassen wird, was wiederum im Geltungsbereich des kommunalen Leinenzwangs rechtswidrig wäre.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es spezielle Halterungen für das Fahrrad gibt, mit denen eine Hundeleine gefedert an dem Fahrrad befestigt werden kann und die dem Fahrradfahrer so beide Hände zum Führen des Fahrrades zur Verfügung lassen.

Der Kläger näherte sich außerdem von hinten der Beklagten und ihrem Hund und hätte zumindest erkennen können, dass dieser nicht angeleint gewesen ist. Aber auch bei einem angeleinten Hund hätte er reagieren müssen. Zumindest hätte er auch die rechte Hand an den Lenker nehmen und die Geschwindigkeit reduzieren, wenn nicht gar absteigen müssen. Auch bei der Begegnung mit angeleinten Hunden ist es nicht auszuschließen, dass zumindest der dem Kläger unbekannte Hund auf den Kläger, das Fahrrad oder die eigenen Hunde des Klägers reagiert und hierdurch eine potentiell gefährliche Verkehrssituation entsteht.

Die Verletzungen des Klägers sind auch nicht derartig schwer, dass ein Schmerzensgeld nach seinen Vorstellungen von mindestens 1.500 Euro in Betracht käme. Gerade die Entscheidung des OLG Hamm, NVZ 2008, 564, die der Kläger zur Annahme eines Anscheinsbeweises heranzieht, spricht gegen diese Höhe des Schmerzensgeldes. Im dortigen Fall ist ohne Mitverschulden ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro ausgeurteilt worden. Dort hatte die Geschädigte einen Wirbelbruch und erhebliche Bewegungseinschränkungen über mehrere Monate zu beklagen, erst nach vier Monaten  und einem Krankenhausaufenthalt waren die restlichen Beschwerden abgeklungen.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren steht dem Kläger bei einer Gesamtbetrachtung lediglich ein Schmerzensgeld in Höhe der vom Amtsgericht zuerkannten 200 Euro zu.

b. Es besteht auch kein weitergehender Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 28 Abs. 1 StVO und § 5 Abs. 1 der Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Stadt I vom 11.03.2008. Selbst wenn ein Verstoß hiergegen vorläge und es sich um Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handeln sollte, gelten die gleichen Erwägungen wie oben im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB.

c. Mangels weitergehenden Hauptanspruchs besteht auch kein weitergehender Zinsanspruch.

2. Ferner steht dem Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts kein Schadensersatzanspruch über die vom Amtsgericht ausgeurteilten 31,25 Euro nebst Zinsen hinaus zu. Die Faktoren der Gesamtbetrachtung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes (siehe oben) führen bei den materiellen Schäden im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB zu einer Mitverschuldungsquote von 75 % zu Lasten des Klägers.

Überdies erscheint es fraglich, ob außerhalb von Verkehrsunfällen im engeren Sinne überhaupt die Schadensposition einer Kostenpauschale erstattungsfähig ist.

Mangels weitergehenden Hauptanspruchs besteht auch kein weitergehender Zinsanspruch.

3. Aus den gleichen Gründen kann keine weitergehende Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verlangt werden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos