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Rechtsmittel bei Ausgangsgericht eingereicht – Weiterleitung am nächsten Werktag

Der fehlgeleitete Weg der Berufung: Ein Labyrinth der Juristischen Verantwortung

Im Dickicht des deutschen Rechtssystems können selbst kleine Fehler schwerwiegende Folgen haben. Im Zentrum dieses Falles steht ein Fehltritt, der seine Wurzeln in einer Verletzung von Pflichten aus einem Makleralleinauftrag zieht. Die daraus resultierenden Streitigkeiten münden in einem Schadensersatzanspruch von 27.000 Euro. Doch der eigentliche Konflikt entzündet sich an den formalen Prozesspfaden der deutschen Justiz, die in diesem Fall zu einem schmerzhaften Stolperstein wurden.

Direkt zum Urteil Az: I ZB 83/22 springen.

Die Komplexität des Prozesswegs

In der ersten Instanz wurde die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 27.000 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Der Pfad dieser Berufung sollte jedoch durch einen unglücklichen Irrtum ins Straucheln geraten. Die Berufungsschrift wurde irrtümlicherweise an das Landgericht statt an das zuständige Kammergericht gerichtet. Dieser Fehltritt brachte den gesamten Berufungsprozess ins Wanken.

Die Folgen einer Fehlleitung

Die fehlgeleitete Berufungsschrift erreichte das zuständige Kammergericht erst nach Ablauf der Berufungsfrist. Damit stand die Zulässigkeit der Berufung auf dem Spiel. Ein Versuch, die Fristversäumung zu heilen, blieb erfolglos. Die Beklagte beantragte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um das Versäumnis zu korrigieren. Doch das Gericht verweigerte diesen Antrag. Hierbei spielte das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eine entscheidende Rolle.

Die Konsequenzen des Verschuldens

Das Gericht hielt dem Prozessbevollmächtigten vor, die Frist zur Einreichung der Berufungsschrift schuldhaft nicht gewahrt zu haben. Dieser hätte den Fehler in der Adressierung der Berufungsschrift bemerken und korrigieren müssen. Dieses Versäumnis wirkte sich direkt auf die Fristversäumung aus. Die Beklagte konnte nicht glaubhaft machen, dass sie darauf vertrauen konnte, dass die Berufungsschrift ordnungsgemäß und fristgerecht an das Kammergericht weitergeleitet würde.

Das abschließende Urteil des BGH

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte letztendlich die Entscheidung des Berufungsgerichts und wies die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück. Damit wurde die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen und der Schadensersatzanspruch in Höhe von 27.000 Euro aufrecht erhalten. Ein Beispiel, das die Wichtigkeit von Genauigkeit und Sorgfalt im Rechtsverkehr eindrücklich unterstreicht.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: I ZB 83/22 – Beschluss vom 20.04.2023

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2023 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Kammergerichts – 10. Zivilsenat – vom 13. September 2022 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 27.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung von Pflichten aus einem Makleralleinauftrag auf Schadensersatz in Höhe der ihr entgangenen Maklerprovision in Anspruch. Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von 27.000 EUR nebst Zinsen verurteilt. Gegen das ihr am 10. Januar 2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz vom 7. Februar 2022 Berufung eingelegt, wo der als elektronisches Dokument übermittelte Schriftsatz am selben Tag um 12:20 Uhr eingegangen ist. Die Berufungsschrift ist der Geschäftsstelle der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts am 8. Februar 2022 vorgelegt worden. Der zuständige Richter hat am 10. Februar 2022 die Weiterleitung des Schriftsatzes an das Kammergericht verfügt. Dort ist die postalisch übersandte Berufungsschrift zusammen mit einem vom Landgericht gefertigten Ausdruck des erstinstanzlichen Urteils am 11. Februar 2022 eingegangen.

Das Kammergericht hat die Beklagte unter dem 14. Februar 2022 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung im Hinblick auf die Wahrung der Berufungsfrist hingewiesen. Die Beklagte hat am 21. Februar 2022 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie angeführt, ihr Prozessbevollmächtigter habe verfügt, dass die anzufertigende Berufungsschrift an das Kammergericht zu richten sei. Bei Unterzeichnung des Schriftsatzes habe er nicht bemerkt, dass seine bis dahin zuverlässige Mitarbeiterin seine Weisung nicht befolgt habe.

Mit Beschluss vom 13. September 2022 hat das Kammergericht die Berufung der Beklagten unter Versagung einer Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

B. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig erachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Berufungsfrist sei nicht gewahrt, weil die Berufungsschrift erst nach Fristablauf bei dem zuständigen Kammergericht eingegangen sei. Eine Heilung der Fristversäumung komme nicht in Betracht. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe die Berufungsfrist schuldhaft nicht gewahrt. Er hätte die unzutreffende Adressierung der Berufungsschrift vor Unterzeichnung des Schriftsatzes bemerken und eine Änderung veranlassen müssen. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten habe sich auf die Versäumung der Berufungsfrist ausgewirkt. Die Beklagte habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie darauf habe vertrauen können, die Berufungsschrift werde im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fristgerecht bis zum 10. Februar 2022 an das Kammergericht weitergeleitet. Sie habe erwarten dürfen, dass der am 7. Februar 2022 übermittelte Schriftsatz am 8. Februar 2022 auf die Geschäftsstelle der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts gelangen und dem zuständigen Richter am 9. Februar 2022 vorgelegt werde. Es könne offenbleiben, ob die vom Richter erst am nächsten Tag verfügte Übersendung des Schriftsatzes an das Kammergericht noch als Bearbeitung im üblichen Geschäftsgang anzusehen sei. Selbst wenn die Beklagte damit hätte rechnen können, dass der Richter die Weiterleitung noch am 9. Februar 2022 verfügen würde, wäre im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs eine Bearbeitung durch die Geschäftsstelle erst am 10. Februar 2022 und ein Eingang beim Kammergericht erst am 11. Februar 2022 zu erwarten gewesen. Dass die Berufungsschrift tatsächlich bereits am Folgetag der richterlichen Verfügung beim Kammergericht eingegangen sei, lasse sich nur mit überobligatorischen Anstrengungen des Landgerichts erklären, auf die die Beklagte nicht habe vertrauen dürfen.

C. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) oder ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit Recht als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Es hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte die Berufungsfrist versäumt hat und ihr die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen ist (§ 233 Satz 1 ZPO). Dass die Entscheidung über die Wiedereinsetzung nicht in die Beschlussformel aufgenommen worden ist, sondern nur in den Beschlussgründen erfolgte, ist unschädlich (BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 640/13; Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 10).

I. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die einmonatige Frist des § 517 ZPO zur Einlegung der Berufung nicht gewahrt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Eine Partei hat die Berufungsfrist versäumt, wenn die Berufungsschrift an das unzuständige Landgericht adressiert war und bei dem Berufungsgericht, bei dem sie gemäß § 519 Abs. 1 ZPO hätte eingereicht werden müssen, erst nach Fristablauf eingegangen ist (BGH, Beschluss vom 25. April 2017 – VI ZB 45/16, NJW-RR 2017, 956; Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 11). Hiervon ist das Berufungsgericht im Streitfall zutreffend ausgegangen.

II. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt sind, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten beruht.

1. Hat eine Partei die Berufungsfrist versäumt, ist ihr nach § 233 Satz 1 ZPO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird der Partei zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO), das Verschulden sonstiger Dritter hingegen nicht. Fehler von Büropersonal hindern eine Wiedereinsetzung deshalb nicht, solange den Prozessbevollmächtigten kein eigenes Verschulden etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens trifft. Die Partei hat einen Verfahrensablauf vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), der ein Verschulden an der Nichteinhaltung der Frist zweifelsfrei ausschließt. Verbleibt die Möglichkeit, dass die Einhaltung der Frist durch ein Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten versäumt worden ist, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unbegründet (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 – I ZB 46/21, NJOZ 2022, 1110; Beschluss vom 23. Juni 2022 – I ZB 76/21, NJOZ 2022, 1465; Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22).

2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat rechtsfehlerfrei ein der Beklagten zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten darin gesehen, dass dieser die Berufungsschrift unterzeichnet hat, ohne die Angabe des als Adressat bezeichneten Gerichts zu korrigieren.

a) Ein Prozessbevollmächtigter hat dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung einer fristwahrenden Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen. Er muss daher die Rechtsmittelschrift vor der Unterzeichnung insbesondere auch auf die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts kontrollieren und eine fehlerhafte Angabe berichtigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2017 – VI ZB 49/16, NJW-RR 2018, 56; Beschluss vom 5. Mai 2021 – XII ZB 552/20, NJW-RR 2021, 998; Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 15; jeweils mwN).

b) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten diesen Sorgfaltsanforderungen nicht genügt hat. Bei sorgfältiger Überprüfung der von seiner Mitarbeiterin gefertigten Berufungsschrift hätte er die fehlerhafte Adressierung an das Landgericht bemerken und die Angabe des Kammergerichts als Empfänger des Schriftsatzes veranlassen müssen. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.

3. Die Rechtsbeschwerde wendet sich erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei für die Versäumung der Berufungsfrist ursächlich geworden.

a) Einer Partei ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sich ihr Verschulden oder dasjenige ihres Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der unrichtigen Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts nicht auf die Versäumung der Rechtsmittelfrist auswirkt. Dies ist der Fall, wenn ein Schriftsatz bei dem unzuständigen Ausgangsgericht so zeitig eingeht, dass die Partei darauf vertrauen darf, ihre Rechtsmittelschrift werde noch rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht weitergeleitet (BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10, NJW 2011, 2887; Beschluss vom 12. Juni 2013 – XII ZB 394/12, NJW-RR 2014, 2; Beschluss vom 27. Juli 2016 – XII ZB 203/15, NJW-RR 2016, 1340; BGH, NJW-RR 2018, 56; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 19).

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte nicht darauf vertrauen durfte, das Landgericht werde ihre Berufungsschrift bis zum Ablauf der Berufungsfrist an das Berufungsgericht weiterleiten.

aa) Das Gericht ist einerseits aufgrund des verfassungsrechtlichen Anspruchs der Parteien auf ein faires und wirkungsvolles Verfahren zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Parteien verpflichtet. Andererseits muss die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlichen Belastungen geschützt werden. Es besteht deshalb keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen Gerichts, durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern und auf diese Weise der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die zutreffende Adressierung eines Schriftsatzes allgemein abzunehmen (BVerfG, NJW 2006, 1579; BGH, NJW 2011, 2887; BGH, Beschluss vom 13. September 2012 – IX ZB 251/11, NJW 2013, 236; Beschluss vom 12. Mai 2016 – IX ZB 75/15, NJOZ 2016, 1582; Beschluss vom 19. September 2017 – VI ZB 37/16, NJW-RR 2018, 314). Geht ein fristgebundener Schriftsatz für das Rechtsmittelverfahren beim unzuständigen Ausgangsgericht ein, ist dieses deshalb grundsätzlich lediglich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (BGH, NJW 2011, 2887; NJW-RR 2016, 1340; NJW-RR 2018, 314; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 21). Die eine Wiedereinsetzung begehrende Partei hat darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ihr Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgerecht an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können (BGH, Beschluss vom 6. November 2008 – IX ZB 208/06, NJW-RR 2009, 408; NJW 2011, 2887; BGH, NJW-RR 2014, 2; NJW-RR 2018, 314; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte nicht glaubhaft gemacht hat, sie habe erwarten dürfen, dass die am 7. Februar 2022 beim Landgericht eingegangene Berufungsschrift bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang das Berufungsgericht fristgerecht bis zum 10. Februar 2022 erreichen werde.

(1) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Befassung des zuständigen Richters mit der Berufungsschrift nicht vor dem 9. Februar 2022 erwartet werden konnte. Im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs ist üblicherweise damit zu rechnen, dass ein an eine zentrale gerichtliche Annahmestelle gesandter Schriftsatz am nächsten Werktag auf der zuständigen Geschäftsstelle eingeht und dem zuständigen Richter an dem darauf folgenden Werktag vorgelegt wird (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 2; NJOZ 2016, 1582; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2018 – IV ZB 18/17). Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde keine Einwendungen.

(2) Als rechtsfehlerfrei erweist sich auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht damit rechnen können, dass die dem Richter am 9. Februar 2022 vorliegende Berufungsschrift auf seine Veranlassung noch am selben Tag an das Berufungsgericht versandt werden würde.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs die Weiterleitung des Schriftsatzes an das Berufungsgericht noch am 9. Februar 2022 und nicht, wie tatsächlich geschehen, am 10. Februar 2022 richterlich verfügt worden wäre. Es hat angenommen, es entspreche dem üblichen Geschäftsgang, dass eine richterliche Verfügung durch die Geschäftsstelle erst am Folgetag bearbeitet werde. Die Ausführung einer bereits am 9. Februar 2022 erfolgten Verfügung wäre daher erst am 10. Februar 2022 und ein Eingang beim Berufungsgericht demnach erst am 11. Februar 2022 zu erwarten gewesen.

Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Rechtsbeschwerde rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass eine richterliche Übersendungsverfügung im üblichen Geschäftsgang erst am nächsten Tag umgesetzt werde; dagegen spreche, dass die Geschäftsstelle die richterliche Verfügung vom 10. Februar 2022 noch am selben Tag umgesetzt habe.

(a) Ein ordentlicher Geschäftsgang erfordert nicht, dass das unzuständige Gericht die Weiterleitung einer fristgebundenen Rechtsmittelschrift an das zuständige Rechtsmittelgericht beschleunigt veranlasst (vgl. BVerfG, NJW 2006, 1579; BGH, NJW 2011, 2887; NJOZ 2016, 1582; NJW-RR 2016, 1340; BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZB 504/15, NJW-RR 2017, 386; BGH, NJW-RR 2018, 56; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 21). Im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs kann deshalb nicht erwartet werden, dass die richterliche Verfügung einer Weiterleitung noch am selben Tag zur Geschäftsstelle gelangt, dort bearbeitet und der Schriftsatz zur Post gegeben wird (BGH, NJW-RR 2014, 2; NJOZ 2016, 1582). Es entspricht dem ordentlichen Geschäftsgang, dass die Geschäftsstelle die richterlich verfügte Weiterleitung einer Rechtsmittelschrift am folgenden Werktag umsetzt (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 408; NJOZ 2016, 1582; NJW-RR 2018, 56; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2018 – IV ZB 18/17).

(b) Nichts anderes ergibt sich im Streitfall daraus, dass die tatsächlich erst am 10. Februar 2022 erfolgte richterliche Verfügung der Weiterleitung der Berufungsschrift noch am selben Tag umgesetzt worden ist. Das Berufungsgericht hat diesen Umstand rechtsfehlerfrei nicht als hinreichenden Anhaltspunkt dafür angesehen, dass die sofortige Ausführung einer richterlichen Verfügung allgemein üblich gewesen wäre und die Beklagte darauf auch bei einer am 9. Februar 2022 erfolgten Verfügung hätte vertrauen dürfen. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Beklagte dargelegt und glaubhaft gemacht hätte, richterliche Verfügungen würden von der Geschäftsstelle des Landgerichts normalerweise am selben Tag umgesetzt. Über den üblichen ordnungsgemäßen Geschäftsgang hinausgehende Anstrengungen des Ausgangsgerichts sind auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl. BGH, NJOZ 2016, 1582; NJW-RR 2018, 56; NJW-RR 2018, 314). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, die sofortige Ausführung der richterlichen Verfügung vom 10. Februar 2022 könne dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass der Richter die Weiterleitung der Berufungsschrift erst einen Tag nach ihrer Vorlage verfügt hat.

(3) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht erwarten können, dass die Geschäftsstelle des Landgerichts die Berufungsschrift am 10. Februar 2022 auf elektronischem Weg an das Berufungsgericht weiterleiten und auf diese Weise den fristgerechten Eingang noch am selben Tag sicherstellen werde. Dem steht bereits entgegen, dass nach den unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts die elektronische Weiterleitung von Schriftsätzen zwischen den Gerichten technisch nicht möglich war (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 26).

(4) Die Beklagte durfte auch nicht darauf vertrauen, dass das Landgericht ihren Prozessbevollmächtigten zeitnah auf die fehlerhafte Bezeichnung des Berufungsgerichts hinweisen werde. Das Ausgangsgericht ist im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs nicht gehalten, die Partei oder ihren Prozessbevollmächtigten innerhalb der Berufungsfrist telefonisch oder per E-Mail von der Einreichung der Berufung beim unzuständigen Gericht zu unterrichten (vgl. BGH, NJW-RR 2016, 1340; NJW-RR 2017, 386; NJW-RR 2018, 56; NJW-RR 2018, 314; BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023 – I ZB 42/22, Rn. 27).

D. Danach ist die Rechtsbeschwerde der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Zivilprozessrecht (ZPO): Hier werden die formellen Vorschriften des Zivilprozesses, insbesondere Fristen und deren Einhaltung, behandelt. Im vorliegenden Fall wird das Zivilprozessrecht relevant, da es um die Einhaltung der Berufungsfrist geht, die in den §§ 516, 517 ZPO geregelt ist. Die ZPO regelt auch das Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO), das hier relevant ist, weil die Beklagte diesen Antrag gestellt hat, nachdem die Berufungsfrist verstrichen war.
  2. Maklerrecht: Im vorliegenden Fall geht es um einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer Verletzung von Pflichten aus einem Makleralleinauftrag. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 652 ff. BGB.
  3. Anwaltsrecht (BRAO): Das Anwaltsrecht regelt u.a. die Pflichten von Anwälten, darunter auch die Sorgfaltspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO), die in diesem Fall zentral ist. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat schuldhaft gehandelt, indem er die Berufungsschrift an das falsche Gericht adressiert hat.
  4. Verfassungsrecht: Das Verfassungsrecht wird in diesem Kontext relevant, weil es den Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes enthält (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz bedeutet, dass jeder Mensch das Recht hat, seine Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Die Beklagte sieht dieses Recht verletzt, was aber vom BGH abgelehnt wurde.

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