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Gerichtssachverständiger – Vorschuss überschritten – Toleranzaufschlag 10 %

Zahlungsansprüche und Pflichten eines Gerichtsgutachters

In einem komplexen Fall, der den Teppich des juristischen Parketts einrollt, geht es um die finanziellen Ansprüche eines Gerichtsgutachters, der behauptet, dass seine Hinweispflichten ordnungsgemäß erfüllt wurden, und um die Frage, wer die zusätzlichen Kosten übernehmen sollte, die während des Prozesses entstanden sind.

Ein Gerichtsgutachter hatte für seine Tätigkeit im Rahmen eines Verfahrens ursprünglich einen Vorschuss von 1.500 Euro erhalten. Doch während der Bearbeitung des Falls kamen ihm Zweifel, ob dieser Vorschuss ausreichend wäre, und er forderte eine Erhöhung des Betrags. Die weitere Bearbeitung des Falls wurde schließlich von der Zahlung eines zusätzlichen Vorschusses abhängig gemacht.

Direkt zum Urteil Az: 37 O 374/18 springen.

Hinweis- und Informationspflichten im Fokus

Nach Erhalt des ursprünglichen Vorschusses hatte der Gutachter zunächst angenommen, dass dieser ausreichend sein würde. Später erhöhte er jedoch seine Arbeitsstundenschätzung und forderte eine Aufstockung des Vorschusses um weitere 6.900 Euro. Nach Zahlungseingang wurde der Gutachter dazu aufgefordert, seine Begutachtung fortzusetzen. An diesem Punkt sah sich der Gutachter gezwungen, einen weiteren Vorschuss anzufordern, da die „bislang entstandenen Kosten“ den vorhandenen Kostenvorschuss übersteigen würden. Dies führte zu einer rechtlichen Diskussion über die Hinweispflichten des Gutachters und ob diese ordnungsgemäß erfüllt wurden.

Eine gütliche Einigung und weitere finanzielle Ansprüche

Trotz der steigenden Kosten entschieden sich die Parteien für eine gütliche Einigung. Der Gutachter wurde aufgefordert, seine Arbeit zu beenden und die Verfahrensakte zurückzusenden. Mit der Rücksendung der Akte legte der Gutachter eine Rechnung vor, die auf einen Gesamtbetrag von 12.823,43 Euro brutto endete. Der Gutachter forderte, dass seine Vergütung gemäß dieser Rechnung festgelegt werde.

Die finale Entscheidung und deren Implikationen

Das Landgericht Köln hat schließlich entschieden, dass die Vergütung des Gutachters auf 9.240 Euro brutto festgesetzt wird. Weitere außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet. Der Gutachter erhielt den vorhandenen Auslagenvorschuss, weitere Vorschüsse wurden jedoch nicht eingezahlt. Dieser Fall wirft wichtige Fragen zur Verantwortlichkeit und Pflichterfüllung von Gerichtsgutachtern und zur Behandlung von finanziellen Unstimmigkeiten im Verlauf eines Verfahrens auf.


Das vorliegende Urteil

LG Köln – Az.: 37 O 374/18 – Beschluss vom 28.03.2023

In dem Rechtsstreit hat die 37. Zivilkammer des Landgerichts Köln am 28.03.2023 beschlossen:

Die Vergütung des Sachverständigen ### für seine Gutachtertätigkeit im vorliegenden Verfahren wird auf insgesamt 9.240,- Euro brutto festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1) wurde mit Beweisbeschluss vom 03.03.2020 (Bl. 519 ff.) zum Sachverständigen zur Beantwortung der dort aufgeführten Beweisfragen ernannt und ein Auslagenvorschuss in Höhe von 1.500,- Euro eingefordert, der von der Klägerin eingezahlt wurde. Mit Verfügung vom 27.04.2020 (Bl. 528) würde er sodann beauftragt mit Hinweis auf den vorhandenen Auslagenvorschuss und dass eine entsprechende Mitteilung bei Überschreitung des genannten Betrages erfolgen müsse.

Nachdem der Beteiligte zu 1) mit Schreiben vom 18.05.2020 den zunächst eingezahlten Vorschuss von 1.500,- Euro noch für ausreichend bemessen eingeschätzt hatte, teilte er mit Schreiben vom 08.06.2020 mit, dass von einem Zeitansatz von 80 Stunden auszugehen und eine Erhöhung des Vorschusses um 6.900,- Euro notwendig sei. Nachdem der weitere Vorschuss angefordert und eingezahlt wurde, wurde der Beteiligte zu 1) mit gerichtlichem Schreiben vom 03.08.2020 auf den Zahlungseingang hingewiesen und um Fortsetzung der Begutachtung gebeten.

Mit Schreiben vom 20.12.2021 (Bl. 606) teilte der Beteiligte zu 1) sodann mit, dass ein weiterer Vorschuss von 5.500,- erforderlich sei, da die „bislang entstandenen Kosten“ den vorhandenen Kostenvorschuss übersteigen würden. Im Januar 2022 erkundigte er sich auch telefonisch nach dem Eingang des weiteren Vorschusses von 5.500,- und teilte mit, dass er die Akte bis zur Einzahlung auf Wiedervorlage gelegt hatte.

Mit Beschluss vom 22.12.2021 (Bl. 608) wurde entsprechend der Mitteilung des Beteiligten zu 1) ein weiterer Auslagenvorschuss in Höhe von 5.500,- angefordert, der jedoch nicht eingezahlt wurde. Vielmehr erfolgte aufgrund der steigenden Kosten der Beweisaufnahme eine gütliche Einigung zwischen den Parteien, die mit Beschluss vom 15.06.2022 (Bl. 647) festgestellt wurde. Der Beteiligte zu 1) wurde zur Beendigung seiner Tätigkeit und Rücksendung der Verfahrensakte aufgefordert.

Dieser sandte daraufhin die Verfahrensakte unter Beifügung seiner Rechnung vom 06.07.2022, Nr. 9328, (Bl. 657) zurück, die auf einen Gesamtbetrag von 12.823,43 brutto endete.

Der vorhandene Auslagenvorschuss von 8.400,- wurde an den Beteiligten zu 1) ausgezahlt. Weitere Vorschusseinzahlungen oder Auszahlungen an den Beteiligten zu 1) erfolgten nicht.

Der Beteiligte zu 1) beantragt, seine Vergütung für die Gutachtertätigkeit im streitgegenständlichen Verfahren gemäß seiner Rechnung vom 06.07.2022, Nr. 9328, auf insgesamt 12.823,43 Euro festzusetzen.

Er ist der Ansicht, dass ihm keine Verletzung seiner Hinweispflicht gemäß § 407a ZPO vorzuwerfen sei, da er dieser mit seinem Schreiben vom 20.12.2021 nachgekommen sei.

Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, dass ein schuldhafter Verstoß gegen die Hinweispflicht vorliegen würde, da die geforderte Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich übersteigen würde. Der Beteiligte zu 1) habe daher gemäß § 8a JVEG seinen Vergütungsanspruch teilweise verloren.

II.

Der Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 1) war gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf insgesamt 9.420,- Euro festzusetzen.

Die Rechnung des Beteiligten zu 1) vom 06.07.2022 über insgesamt 12.823,43 Euro, deren vollständiger Ausgleich begehrt wird, ist gemäß § 8a Abs. 4 JVEG zu kürzen, da dieser es schuldhaft versäumt hat, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass sein Arbeitsaufwand den vorhandenen Auslagenvorschuss erheblich überschreitet.

Die Mitteilung vom 20.12.2021 war nicht geeignet, seiner Hinweispflicht in geeigneter Weise nachzukommen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Beteiligte zu 1) bereits Arbeiten in Höhe der letztlich abgerechneten Tätigkeiten von 12.823,43 Euro vorgenommen. Der vorhandene Auslagenvorschuss von 8.400,- Euro war also bereits zu diesem Zeitpunkt um mehr als 50 % überschritten. Dies verkennt der Beteiligte zu 1), wenn er auch in seinem Schreiben vom 23.03.2023 ausführt, dass er seiner Hinweispflicht mit der Mitteilung vom 20.12.2021 nachgekommen sei.

Insoweit liegt ein schuldhafter Verstoß gegen die Hinweispflicht gemäß § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO vor, da dem Beteiligten zu 1) nicht entgangen sein konnte, dass der bisherige Auslagenvorschuss von 8.400,- Euro nur einen deutlich geringeren Zeitaufwand abdecken konnte, den der er im Schreiben vom 08.06.2020 noch selbst mit 80 Zeitstunden angegeben hat.

Bei sorgfältigem täglichen Vermerk der aufgewandten Zeitstunden hätte ihm daher deutlich früher auffallen müssen, dass der durch den Vorschuss abgedeckte Zeitaufwand verbraucht war.

Angesichts eines Stundensatzes von 105,- Euro – gegen den als solches keine Bedenken bestehen – ergibt eine Überschreitung des Vorschusses um 10 %, mithin 840,- Euro, einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden. Aus diesem Grunde hält das Gericht im vorliegenden Einzelfall einen Toleranzaufschlag von 10 % auf den eingezahlten Vorschuss von 8.400,- Euro, mithin von 840,- Euro, für gerechtfertigt, so dass insgesamt eine Vergütung von 9.420,- Euro brutto festzusetzen war. Ein Ansatz der in Rechtsprechung und Literatur im Allgemeinen zugebilligten 20 % Toleranzüberschreitung erscheint angesichts des bereits hohen Vorschusses dagegen nicht mehr verhältnismäßig.

Die Höhe der Vergütung bzw. des Toleranzzuschlags ist entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2) im Schreiben vom 15.03.2023 auch nicht von einer vorherigen Einzahlung eines weiteren Auslagenvorschusses seitens der Verfahrensparteien abhängig zu machen. Die weitere Vergütung ist vielmehr Bestandteil der Kostenfestsetzung, welche nicht durch die Kammer, sondern durch den Kostenbeamten vorzunehmen ist.

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Die Einwendung der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.03.2023 ist unbeachtlich, da diese schon nicht formal Verfahrensbeteiligte an diesem Vergütungsfestsetzungsverfahren ist. Im Übrigen ist die Vorlage eines Gutachtens abwegig, nachdem die Begutachtung von den Parteien gerade aufgrund der steigenden Kosten der Beweisaufnahme abgebrochen wurde, mithin ein Gutachten gerade nicht mehr fertiggestellt wurde.

Unabhängig davon steht dem Beteiligten zu 1) eine Vergütung für die bis dahin erbrachten Tätigkeiten, hier unter entsprechender Kürzung wie oben ausgeführt, zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG): Dieses Gesetz regelt die Entschädigung und Vergütung für Zeugen, Sachverständige, ehrenamtliche Richter und andere Beteiligte in gerichtlichen und anderen Verfahren. Im vorliegenden Fall wird § 8a JVEG diskutiert, der sich mit der Pflicht eines Sachverständigen befasst, das Gericht zu informieren, wenn er voraussieht, dass der Arbeitsaufwand den eingezahlten Auslagenvorschuss erheblich übersteigen wird. Sollte er diese Pflicht verletzen, kann seine Vergütung gekürzt werden. In diesem Fall argumentiert das Gericht, dass der Sachverständige diese Pflicht verletzt hat, indem er nicht rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass sein Arbeitsaufwand den vorhandenen Auslagenvorschuss erheblich übersteigt.
  2. Zivilprozessordnung (ZPO): Die ZPO ist das wichtigste Gesetz für Zivilverfahren in Deutschland und enthält Regelungen zu Abläufen, Verfahren und Rechten und Pflichten der Prozessparteien. Im vorliegenden Fall wird § 407a ZPO genannt, der sich mit der Pflicht des Sachverständigen befasst, das Gericht über eine Überschreitung des Vorschusses zu informieren. In diesem Fall behauptet der Sachverständige, dass er seiner Hinweispflicht nachgekommen ist, indem er mit einem Schreiben vom 20.12.2021 informiert hat, dass weitere Kosten entstanden sind.
  3. Beweisrecht: Das Beweisrecht ist ein Teilgebiet des Prozessrechts und regelt die Fragen, welche Sachverhalte von wem, in welchem Umfang und auf welche Weise bewiesen werden müssen. In diesem Fall wurde ein Sachverständiger zur Beantwortung bestimmter Beweisfragen ernannt und ihm wurde ein Auslagenvorschuss zur Deckung der Kosten seiner Tätigkeit gewährt. Dies fällt unter die Anwendung des Beweisrechts.
  4. Recht der freien Beweiswürdigung: Das Gericht hat das Recht und die Pflicht, den Sachverhalt auf der Grundlage der vorgetragenen Beweise zu ermitteln und zu bewerten. Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Rechtmäßigkeit der vom Sachverständigen gestellten Rechnung und den Umfang der Hinweispflicht nach § 407a ZPO und § 8a JVEG bewertet.

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