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Rechts-vor-links Mißachtung – auch bei Unfall außerhalb des Kreuzungsbereiches?

AG Kenzingen

Az: 1 C 295/01

Urteil vom 26.02.2002


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz hat das Amtsgericht Kenzingen auf die mündliche Verhandlung vom 05.02.2002 für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin DM 5.615,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 01.07.2001 zu bezahlen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1 1/100, die Beklagten 891100.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 7.500,00. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 400,00 abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch unbedingte, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage Ersatz ihres restlichen Unfallschadens aus einem Unfallereignis, das sich am 02.06.2001 in Kenzingen zugetragen hat.

Der Ehemann der Klägerin fuhr an diesem Tage mit dem klägerischen Pkw einen Zufahrtsweg, der rechtwinklig der Zufahrt zur Kleintierzuchtanlage kreuzt. Für den klägerischen Fahrzeugführer von links kommend näherte sich zur gleichen Zeit auf der Zufahrt zur Kleintierzuchtanlage der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Pkw BMW. Der Erstbeklagte wollte mit seinem Pkw rechts in den unbefestigten Zufahrtsweg zur Kleingartenanlage abbiegen, auf dem sich in diesem Augenblick der klägerische Fahrzeugführer mit dem klägerischen Pkw näherte. Für beide Fahrzeugführer war aufgrund des unmittelbar neben der Straße befindlichen Buschwerks die Möglichkeit des Einblicks in den anderen Straßenteil nicht bzw. erst spät möglich, wobei vorfahrtsregelnde Zeichen im Unfallbereich nicht angebracht sind. Wegen der Unfallörtlichkeit wird auf die Lichtbilder in der beigezogenen Bußgeldakte bzw. auf die vom Sachverständigen gefertigten Lichtbilder (AS 109 ff.) verwiesen.

Beim Einfahren des Erstbeklagten in den Zufahrtsweg zur Kleingartenanlage kam es zu einem Zusammenstoß mit dem klägerischen Pkw: Der Klägerin entstand durch den Unfall ein Gesamtschaden, der teilweise der Höhe nach bestritten wird, von DM 10.770,00. Vorgerichtlich hat die beklagte Haftpflichtversicherung der Klägerin auf diesen Schaden DM 5.155,00 erstattet, während nunmehr der restliche Schaden in Höhe von DM 5.615,00 sowie restliche außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von DM 702,15 mit der Klage geltend gemacht werden.

Die Klägerin behauptet, der Erstbeklagte habe zum Unfallzeitpunkt eine Geschwindigkeit von etwa 30 km/h eingehalten, obwohl er nach rechts keine Sicht gehabt habe. Der klägerische Fahrzeugführer habe, nachdem er das Fahrzeug des Erstbeklagten erkannt habe, das klägerische Fahrzeug sofort bis zum Stillstand abgebremst. Der klägerische Fahrzeugführer habe jedoch eine Kollision der beiden Fahrzeuge nicht mehr verhindern können, wobei der klägerische Pkw nach hinten verschoben worden sei. Die Klägerin behauptet ferner, ihr seien außergerichtliche Anwaltskosten in einer Gesamthöhe von DM 1.525,09 entstanden, wobei die Zweitbeklagte bislang lediglich. unstreitig DM 822,94 erstattet habe.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 6.327,15 DM zu bezahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 01.07.2001.

Die Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen. Die Beklagten tragen vor, beim Abbiegen sei der Erstbeklagte langsam im ersten Gang gefahren, wobei er sich vorsichtig nach rechts in die Zufahrt vergewissert habe. Der Erstbeklagte sei außerdem äußerst rechts mit Schritttempo gefahren. Der Erstbeklagte habe sein Fahrzeug sofort bis zum Stillstand abgebremst. Dem klägerischen Fahrzeugführer sei es jedoch aufgrund der hohen Geschwindigkeit nicht mehr gelungen sein Fahrzeug abzubremsen, so dass dieser auf den stehenden Pkw des Erstbeklagten aufgefahren sei. Fürsorglich bestreiten die Beklagten die geltend gemachten An- und Abmeldekosten, die allgemeine Unkostenpauschale sowie die geltend gemachte Nutzungsausfallentschädigung der Höhe nach. Desweiteren sind die Beklagten der Ansicht, der klägerische Prozessbevollmächtigte sei nicht berechtigt, eine Besprechungsgebühr in Ansatz zu bringen.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst den diesen beigefügten Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen und sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auf die gerichtliche Niederschrift vom 05.02.2002 (As 97 ff) wird insoweit Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und auch überwiegend begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß den §§ 7, 17 StVG, §§ 823 BGB i.V.m. § 3 PfIVersG. ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von DM 5.615,00 zu. Darüber hinaus war die Klage jedoch als unbegründet abzuweisen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist zwar davon auszugehen, dass der Unfall sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne von § 7 Abs.2 StVG darstellt. Somit kommt es gemäß § 17 Abs.1 StVG auf eine Abwägung der von beiden Unfallbeteiligten gesetzten Verursachungs- und Verschuldensbeiträge an.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme geht das Amtsgericht davon aus, dass der Erstbeklagte den Unfall alleine durch sein verkehrswidriges Verhalten verursacht hat. Dem Erstbeklagten ist insoweit eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung anzulasten. Der klägerische Fahrzeugführer war gegenüber dem von links kommenden Erstbeklagten nach § 8 Abs.1 StVO vorfahrtsberechtigt. Die von dem klägerischen Fahrzeugführer benutzte Zufahrtstraße ist gegenüber der von dem Erstbeklagten benutzten Zufahrt als gleichgeordnet anzusehen, so dass demgemäß die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ zur Anwendung kommt. Beiden Zufahrten kommt eine gleichgeordnete verkehrsmäßige Bedeutung zu. Anhand der vorgelegten Lichtbilder von der Unfallörtlichkeit sind beide Wege derart ausgestaltet, dass von einem Unter- oder Überordnungsverhältnis nicht ausgegangen werden kann. Dass sich die Kollision selbst nicht im eigentlichen Kreuzungsbereich zugetragen hat, spricht nicht gegen das klägerische Vorfahrtsrecht. Die Wartepflicht gilt nämlich nicht nur für den eigentlichen Kreuzungsbereich, sondern auch darüber hinaus bis zur vollständigen Einordnung des wartepflichtigen Beklagten in die bevorrechtigte Straße. Ein vollständiges Einfahren des Erstbeklagten in den bevorrechtigten Weg ist nicht gegeben. Es liegt somit bereits eine objektive Vorfahrtsverletzung des Erstbeklagten vor. Demgemäß spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des wartepflichtigen Erstbeklagten. Dieser Beweis des ersten Anscheins kann nur durch bewiesene Tatsachen ausgeräumt werden. Die Beklagten haben zwar insoweit vorgetragen, dem klägerischen Fahrzeugführer sei aufgrund der eingehaltenen relativ hohen Fahrgeschwindigkeit nicht mehr möglich gewesen sein Fahrzeug abzubremsen, so dass dieser auf den bereits stehenden Pkw des Erstbeklagten aufgefahren sei. Dieser von der Klägerseite bestrittene Vortrag kann nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme nicht als bewiesen angesehen werden. Weder nach den Feststellungen des Sachverständigen noch nach den Bekundungen der vernommenen Zeugen kann dem klägerischen Fahrzeugführer nachweisbar zum Vorwurf gemacht werden, mit einer nicht angepassten Geschwindigkeit bzw. unaufmerksam gefahren zu sein. Anhand objektiver Fakten war für den Sachverständigen nicht feststellbar, mit welcher Fahrgeschwindigkeit die beiden Unfallbeteiligten gefahren sind bzw. ob der Pkw des Erstbeklagten zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden hat. Aus technischer Sicht, so der Sachverständige, sind mehrere Unfallvarianten denkbar. Der gegen den Erstbeklagten sprechende Anscheinsbeweis kann somit nicht als entkräftet angesehen werden. Somit ist davon auszugehen, dass der Erstbeklagte allein durch sein schuldhaftes verkehrswidriges Verhalten den Unfall verursacht hat. Dies führt letztlich dazu, dass die bloße Betriebsgefahr des klägerischen Pkws gegenüber dem schuldhaften Verkehrsverstoß des Erstbeklagten zurücktritt und somit den Beklagten die volle Haftung für den Unfall aufzubürden ist.

Der von den Beklagten ais Gesamtschuldner zu ersetzende Gesamtschaden in Höhe von DM 10.770,00 setzt sich aus nachfolgenden Einzelpositionen, wobei die Positionen 1 und 2 sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht bestritten werden, zusammen:

1. Wiederbeschaffungswert des klägerischen Pkws: DM 8.500,00
2. Allgemeine Wiederbeschaffungskosten: DM 150,00
3. An- und Abmeldekosten: DM 140,00
4. Nutzungsausfallschaden: DM 1.940,00
5. Allgemeine Unkosten: DM 40,00
ergibt insgesamt: DM 10.770,00

Abzüglich der vorgerichtlich bereits erbrachten Zahlung in Höhe von DM 5.155,00 steht der Klägerin mithin ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von DM 5.615,00 zu.

Die geltend gemachten An- und Abmeldekosten in Höhe von DM 140,00 hält das Gericht für gerechtfertigt. Diese Kosten entstehen erfahrungsgemäß bei der Abmeldung bzw. bei der Neuzulassung eines Pkws.

Der geltend gemachte Nutzungsausfallschaden war ebenso voll umfänglich zuzusprechen. Eine Minderung des Gebrauchsvorteils bei einem über 5 Jahre alten Pkw ist nur gegeben, wenn der Nutzwert des unfallgeschädigten Pkws im Vergleich mit einem Neuwagen gleichen Typs geringer ist. Eine solche Minderung des Gebrauchswertes haben die beweisbelasteten Beklagten jedoch weder dargetan noch nachgewiesen.

Der klägerischen Schadensabrechnung kann insoweit nicht gefolgt werden, soweit sie eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von DM 50,00 zum Ausgleich für allgemeine, bei der Abwicklung des Unfalls erfahrungsgemäß entstehenden Unkosten fordert. Es sind keine besonderen Umstände vorgetragen noch ersichtlich, aufgrund derer es geboten wäre, von dem allgemein zugesprochenen Durchschnittssatz in Höhe von DM 40,00 abzuweichen.

Soweit die Klägerin darüber hinaus Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in restlicher Höhe von DM 702,15 begehrt, konnte dem klägerischen Antrag ebenso nicht entsprochen werden. Die Zuerkennung einer 7,5/10- Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs.1 BRAGO hätten den Nachweis durch die Klägerin notwendig gemacht, dass der klägerische Prozessbevollmächtigte über eine bloße Informationsbeschaffung hinaus gehende Besprechung mit der Gegenseite bzw. mit dem Zeugen geführt hat. Grundsätzlich kann die Klägerin somit lediglich Erstattung der außergerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr aus dem vorgerichtlich regulierten Schadensbetrag von DM 5.155,00 fordern. Nachdem die Zweitbeklagte unstreitig insgesamt DM 822,94 an Anwaltsgebühren der Klägerin vorgerichtlich erstattet hat, sind weitergehende Erstattungsansprüche nicht gegeben.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den §§ 284, 286 und 288 BGB, die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 92, 708 Nr.11, 709, 711 und 108 ZPO.

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