LG Darmstadt – Az.: 13 O 18/18 – Urteil vom 14.08.2018
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 37.918,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 08.12.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil für den Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 115 % des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wurde mit seinem [Fahrzeugtyp] am XX.XX.2017 in [Ort] in einen Unfall verwickelt, an dem unstreitig zu 100 % schadensverursachend der Pkw der Beklagten zu 1), bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert, beteiligt war. Anlässlich des Unfallgeschehens betrug der Kilometerstand des neu erworbenen Fahrzeuges 517 gefahrene Kilometer.
Die Klage stützt sich auf das Gutachten der DEKRA vom 20.11.2017, bei dem Reparaturkosten in Höhe von 5.287,43 EUR ausgewiesen sind, wie auch eine Wertminderung in Höhe von 1.000,00 EUR.
Er begehrt einen Neuwagen, die Sachverständigenkosten (712,32 EUR) und die Kostenpauschale mit 30,00 EUR. Er beruft sich zum Verzug auf die mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2017 gesetzte Zahlungsfrist vom 07.12.2017.
Der Kläger ist der Meinung, umfangreiche Reparaturarbeiten rechtfertigten immer eine Neuwagenabrechnung, dies jedenfalls bei einem Fahrzeug mit derart geringer Laufleistung. Er verweist insoweit auf die Entscheidung des OLG Oldenburg, veröffentlicht in MDR 97, Seite 349.
Der Kläger beruft sich darauf, das Fahrzeug im Gegenzug auch fortlaufend zur Übernahme durch die Beklagten angeboten zu haben.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 37.923,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit dem 08.12.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagten in die Kosten zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen: Die Klage abzuweisen.
Sie räumen zwar ein, dass der Kilometerstand anlässlich des Unfallgeschehens deutlich unter 1.000 km betragen habe und der Wagen drei Wochen gefahren worden sei. Sie meinen allerdings gleichwohl, dass eine Reparatur zumutbarer Weise hinzunehmen sei. Es seien lediglich angeschraubte Teile zu ersetzen. Auch habe es keinerlei Eingriffe in die Fahrtauglichkeit des Wagens gegeben, der damit lediglich für drei Werktage der anstehenden Reparatur außer Nutzung wäre.
Dann, wenn wie hier, eine spurenlose Reparatur möglich sei und Funktionalität und Sicherheit nie betroffen gewesen wäre sei nur die Reparatur als Naturalrestitution einzufordern.
Die Beklagten halten 25,00 EUR Kostenpauschale für hinreichend und meinen, nicht am 08.12.2017 in Verzug geraten zu sein. Dies gilt umso mehr, als der Kläger bis dato noch immer keinen Neuwagen erworben habe, womit zu bestreiten sei, dass er insgesamt beabsichtigte, dies zu tun.
Hinsichtlich des weitergehenden Sach- und Streitgegenstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und annähernd vollumfänglich begründet.
Das Gericht kann sich nicht der Meinung der Beklagtenseite anschließen, hier sei eine Reparatur einfach so hinzunehmen und es komme nicht zu einem Anspruch auf Vergütung des Neuerwerbs eines Neufahrzeuges.
Das vorgelegte Gutachten beginnt bereits damit, dass eine Vermessung des Wagens durchzuführen ist. Im Übrigen wären beide Türen und das Heck links neu zu lackieren. Dabei handelt es sich um eine Mehrschichtsonderlackierung und es ist schon fraglich, ob insoweit exakt der werksmäßige Touch einer Lackierung, bezogen auf die Gesamtlackierung, von einem entsprechenden Unternehmen hier hinzubekommen ist.
Die Tür hinten links wäre zwar auszutauschen und ein neuer Reifen hinten links erforderlich. Es ist allerdings auch festzustellen, dass sogar die innere Radhausschale hinten links zu ersetzen ist. Darüber hinaus ist laut Rechnungsstand die Tür vorne „instand zusetzen“ (damit ist spachteln, richten und lackieren gemeint). Dies gilt auch für den Kotflügel (neudeutsch Seitenwand hinten links). Soweit ist instand setzen deutlich mehr als nur lackieren. Darüber hinaus ergibt sich, dass zumindest eine Vermessung des Wagens durchzuführen ist und ggf. auch hier nachzustellen sein dürfte (was Spurführung usw. anlangt).
Demgemäß hat die Klagepartei völlig unzweifelhaft einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Neuerwerb des entsprechenden Fahrzeuges. Bei einem Neufahrzeug unter 1.000 km Fahrleistung kann schon bei Reparaturkosten von 1.000,00 – 1.700,00 EUR bei anstehenden Karosserie- und Lackierschäden und geringfügigen Richtarbeiten (so war es hier hinsichtlich der Tür vorne links und des Heckbereiches) auf Neuwagenbasis abgerechnet werden (vgl. insoweit BGH NJW 2009, Seite 3022 sowie Oldenburg MDR 97, Seiten 349 und 734).
Von einem völlig spurlosen Wechseln irgendwelcher Teile kann mithin nicht auszugehen sein, denn instand setzen und wiederverwenden eines Teiles schließt das aus.
Soweit die Beklagtenseite vorträgt, die Klagepartei habe bis dato noch immer kein Neufahrzeug erworben, würde sich diese Einrede überhaupt nur gegen die geltend gemachte MwSt. richten. Insoweit ist die Einrede aber nicht erhoben worden. Das Gericht hat auch keinerlei Grund an den Ausführungen der Klagepartei zu zweifeln, dass dann, wenn das Geld zur Verfügung steht, das Fahrzeug neuerlich als Neufahrzeug erworben wird.
Der Kläger hat sich im Übrigen auch untadelig verhalten, denn er hat mitgeteilt, bis zur Klärung der Rechtsfrage das Fahrzeug weiter zu nutzen, um der Beklagtenseite die Geltendmachung von Nutzungsschäden zu ersparen. Der Umstand, dass ein Betrag von über 30.000,00 EUR nicht einfach so vorhanden ist, ist hinzunehmen und nicht zu bezweifeln.
Allerdings war die Klage hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 5,00 EUR abzuweisen, weil das Gericht festgestellt hat, dass der Kläger den Klägervertreter bereits direkt nach dem Unfallgeschehen beauftragt hat, denn dieser hat z. B. das Schadensgutachten in Auftrag gegeben. Damit können beim Kläger keine erheblichen Koordinationstelefonkosten oder Ähnliches entstanden sein, so dass sich letztlich die Reduzierung der Kostenpauschale von 30,00 EUR auf 25,00 EUR rechtfertigte.
Gleichwohl haben die Beklagten als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, denn der zurückgewiesene Teil der Klage ist äußerst geringfügig und hat keinerlei Kostenfolge mit sich gebracht.
Das Urteil war gemäß § 709 ZPO vor vorläufig vollstreckbar zu erklären.