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Zufluss einer Scheckzahlung (hier Bestechungsgelder) – Ab wann?

BUNDESFINANZHOF
Az.: IX R 97/97

Urteil vom 20.03.2001

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg


Leitsätze:

Zahlungen durch Scheck sind grundsätzlich mit der Übergabe des Schecks zugeflossen. Dies gilt auch dann, wenn auf die Zahlung (hier: Bestechungsgelder) kein Anspruch besteht.

Normen:

EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 22 Nr. 3
BGB §§ 134, 138
ScheckG Art. 28


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt als Beamter eines städtischen Liegenschaftsamtes fortlaufend Zuwendungen eines Grundstücksmaklers für die Weitergabe dienstlicher Kenntnisse und die Mithilfe bei der Beschaffung von Baugrundstücken. Er ist deswegen rechtskräftig wegen Bestechlichkeit verurteilt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) erfasste die Zuwendungen in den Jahren 1978 bis 1984 als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Revisionsverfahren ist nur noch streitig, ob zwei Scheckbeträge über 5 000,00 DM und 4 000,00 DM schon bei Übergabe der Schecks im Jahr 1977 zugeflossen sind, oder –wie das FA meint– erst im Streitjahr (1978), in dem der Kläger die Schecks seiner Bank eingereicht hat und die Beträge seinem Konto gutgeschrieben worden sind.

Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1997, 875): Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) fließe die Schecksumme zwar grundsätzlich schon mit der Hingabe des Schecks zu. Diese Rechtsgrundsätze seien aber im Streitfall nicht anwendbar, weil die Schecks ohne Rechtsgrundlage begeben worden seien. Die zugrunde liegende „Unrechtsvereinbarung“ sei nach §§ 134, 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig gewesen. Deshalb führe erst die tatsächliche Einlösung der Schecks zu einer endgültigen Bereicherung.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 22 Nr. 3 i.V.m. § 11 EStG.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben sowie unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids des Beklagten für 1978 vom 15. Januar 1991 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Juni 1991 die Einkommensteuer auf 7 490,00 DM festzusetzen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Steuer herabzusetzen. Das FG hat zu Unrecht für die vom Kläger vereinnahmten Scheckbeträge die Voraussetzungen des Zuflusses von Einnahmen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, § 22 Nr. 3 EStG nicht schon mit der Übergabe der Schecks, sondern erst bei deren Einlösung als erfüllt angesehen.

1. Einnahmen sind Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart zufließen (§ 8 Abs. 1 EStG). Sie sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG).

a) Einnahmen sind zugeflossen, sobald der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen kann oder verfügt hat (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980 IV R 97/78, BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305; vom 22. Juli 1997 VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist bei Zahlungen durch Scheck grundsätzlich im Zeitpunkt der Übergabe des Schecks erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305; vom 18. September 1986 VI R 185/81, BFH/NV 1987, 162; vom 8. Dezember 1993 XI R 81/90, BFHE 173, 252, BStBl II 1994, 338; in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767; ferner zum Abfluss gemäß § 11 Abs. 2 EStG BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 2/80, BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284). Zwar ist der Scheck kein gesetzliches Zahlungsmittel, er dient aber dem Zahlungsverkehr und ermöglicht eine Verfügung über Buchgeld. Der Empfänger kann regelmäßig davon ausgehen, dass ihm die Schecksumme ausgezahlt oder gutgeschrieben wird. Er ist wirtschaftlich in der Lage, über den Scheckbetrag zu verfügen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allerdings dann, wenn der Scheck nicht gedeckt ist oder der Empfänger sich verpflichtet hat, ihn erst später einzulösen (BFH-Urteil in BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305).

b) Gegen diese Rechtsprechung wird eingewandt: Der Scheck sei kein Gut in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 EStG), sondern nur eine Anweisung an die Bank, Geld auszuzahlen. Es bestehe kein Grund, den Abfluss oder Zufluss vor der Belastung des Ausstellers mit der Schecksumme anzunehmen; dann könnte man auf die angeführten Vorbehalte (Bonität des Ausstellers, Vereinbarung einer verzögerten Einlösung) verzichten. Nach der Rechtsprechung fiele der Zufluss ggf. ex tunc weg; das Prinzip der an sich klaren Ist-Besteuerung nach § 11 EStG werde aufgeweicht und verkompliziert. Gegen die Rechtsprechung spreche im Übrigen auch die Regelung des § 7a Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG (Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 11 Anh: „Scheck“; im Ergebnis ebenso Blümich/ Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 11 EStG Rz. 44; Trzaskalik, in: Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, § 11 Rdnr. B 117 f.).

Dem ist entgegenzuhalten, dass ein Scheck jedenfalls deshalb als Gut in Geldeswert i.S. von § 8 Abs. 1 EStG anzusehen ist und der Scheckbetrag mit der Übergabe des Schecks gemäß § 11 Abs. 1 EStG zufließt, weil der Besitz der Scheckurkunde für den Inhaber faktisch die Verfügungsmöglichkeit über die Schecksumme bedeutet (vgl. Art. 28 des Scheckgesetzes –ScheckG–). Der Scheck hat mithin die Funktion eines Zahlungsmittels im bargeldlosen Zahlungsverkehr (Bülow, Heidelberger Kommentar zum Wechselgesetz/Scheckgesetz und zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 3. Aufl. 2000, ScheckG Einf. Rn. 1 und Art. 28 Rn. 1). Dementsprechend werden Schecks allgemein wie ein gesetzliches Zahlungsmittel verwendet und akzeptiert (Birk in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 11 EStG Anm. 46; Apitz, Finanz-Rundschau 1985, 290).

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Regelung in § 7a Abs. 2 Sätze 4 und 5 EStG, nach der mit Scheck bezahlte Anzahlungen erst zu dem Zeitpunkt aufgewendet sind, in dem der Scheck eingelöst wird. Diese Sondervorschrift soll verhindern, dass steuerliche Vergünstigungen in Form von erhöhten Absetzungen oder Sonderabschreibungen durch gezielte Gestaltungen vorverlagert werden (Handzik in Littmann/Bitz/Hellwig, a.a.O., § 7a Rn. 34); sie lässt aber die Frage, wann ein Scheckbetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen ist, unberührt (Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 7a Rz. 5).

c) Unerheblich für den Zufluss i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, ob der Inhaber des Schecks gegenüber dem Aussteller nach den zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen einen bürgerlich-rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf die Zahlung hat. Entscheidend für die Besteuerung ist allein die wirtschaftliche Gestaltung, wie sie die Beteiligten unter sich gelten lassen (§ 41 Abs. 1 der Abgabenordnung –AO 1977–; BFH-Urteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767 unter II. 2. c bb, m.w.N.). Danach ist entgegen der Auffassung des FG auch unerheblich, dass bei der Bezahlung von Bestechungsgeldern durch Scheck die zugrunde liegenden Vereinbarungen wegen eines gesetzlichen Verbots (§ 134 BGB) oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig sind. Selbst wenn wegen der Nichtigkeit der Vereinbarungen die Bestechungsgelder später zurückgezahlt werden sollten, hätte dies für den ursprünglichen Zufluss keine Bedeutung; die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige die Leistung (endgültig) behalten darf (BFH-Urteil in BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767 unter II. 2. c bb, m.w.N.; vgl. auch zur Rückzahlung von Bestechungsgeldern BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396; speziell für Schmiergelder bereits Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, 1940, S. 63).

2. Nach diesen Maßstäben sind die vom Kläger durch Scheck vereinnahmten Bestechungsgelder nicht im Streitjahr 1978 als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen im Strafurteil, die das FG sich zu Eigen gemacht hat und an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), sind die beiden Schecks bereits am 24. Dezember 1977 an den Kläger übergeben worden. Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Schecks zu diesem Zeitpunkt nicht gedeckt gewesen sein könnten oder der Kläger sich verpflichtet hatte, die Schecks erst später zur Einlösung vorzulegen.

3. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die sonstigen Einkünfte des Klägers gemäß § 22 Nr. 3 EStG sind um 9 000,00 DM niedriger anzusetzen. Das zu versteuernde Einkommen verringert sich auf 37 944,00 DM. Die Einkommensteuer 1978 ist nach der Splittingtabelle antragsgemäß auf 7 490,00 DM festzusetzen.

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