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Scheidungsbeantragung und Erbrecht des überlebenden Ehegatten

 Oberlandesgericht Koblenz

Az: 12 U 136/06

Urteil vom 27.11.2006


Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 13. Januar 2006 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage um die Ehegatten-Pflichtteilsrechte der Klägerin nach dem am … November 2003 verstorbenen F… J… J…, der am … Januar 1950 geboren war.

Der Erblasser hatte im Jahre 1971 mit der Klägerin die Ehe geschlossen. Aus dieser Ehe ging der Sohn M… J… hervor. Im September 2002 wurde die Erkrankung des Erblassers an Lungenkrebs diagnostiziert. Er hatte schon zuvor eine außereheliche Beziehung zur Beklagten, die bis zu seinem Tode andauerte. Der Erblasser beantragte am 27. Februar 2003 die Scheidung seiner Ehe mit der Klägerin beim Familiengericht bei dem Amtsgericht Montabaur. Durch handschriftliches Testament vom 28. Juni 2003 schloss er die Klägerin von der gesetzlichen Erbfolge aus und entzog ihr auch wegen eines von der Klägerin selbst im Jahre 2002 gestellten, allerdings am 10. Dezember 2002 wieder zurückgenommenen Scheidungsantrages den Pflichtteil. Der Erblasser setzte in dieser letztwilligen Verfügung die Beklagte sowie seinen ehelichen Sohn zu gleichen Teilen zu Erben ein. Der Scheidungsantrag des Erblassers wurde vor seinem Tode nicht mehr beschieden, obwohl der Erblasser noch am 27. Oktober 2003 ungeachtet seines schweren körperlichen Leidens an einer mündlichen Verhandlung des Familiengerichts teilnahm und dabei seinen Willen bekundete, geschieden werden zu wollen (16 F 119/03 AG Montabaur Bl. 34 ff.). Die Klägerin trat dem Scheidungsantrag entgegen und stellte Anträge im Rahmen des Verfahrens über den Versorgungsausgleich, die dazu führten, dass auch das Scheidungsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde, bevor der Erblasser am 22. November 2003 verstarb.

Die Klägerin hat behauptet, der Erblasser habe sich im Jahre 2002 nur vorübergehend von ihr getrennt, dann aber wieder mit ihr versöhnt. Die Ehe wäre deshalb auch nicht aufgrund des Scheidungsantrages des Erblassers im Jahre 2003 geschieden worden.

Die Klägerin hat auf der ersten Stufe der am 24. Mai 2005 der Beklagten zugestellten Stufenklage beantragt, die Beklagte zur Auskunft über den Bestand des Nachlasses, über Schenkungen und ausgleichspflichtige Zuwendungen des Erblassers sowie über den Wert eines Hausgrundstücks zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt mit der Behauptung, die Ehe der Klägerin mit dem Erblasser sei zerrüttet gewesen und sie wäre geschieden worden, wenn der krebskranke Erblasser nicht so rasch gestorben wäre. Dieser habe sich mit der Klägerin auch nicht wieder versöhnt gehabt und auch nach seiner Rückkehr in das zuvor gemeinsam bewohnte Haus keine häusliche Gemeinschaft mehr mit ihr gepflegt. Die Klägerin habe ihren eigenen Antrag auf Ehescheidung nur wegen seiner tödlichen Erkrankung nach deren Diagnose zurückgenommen und das auf den Scheidungsantrag des Erblassers betriebene Verfahren in der Erwartung des nahen Todes verzögert.

Das Landgericht hat der Auskunftsklage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Teil-Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer vom 13. Januar 2006 im Wesentlichen stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Scheidungsgrund des Scheiterns der Ehe habe zur Zeit des Todes des Erblassers nicht vorgelegen. Daher sei der Anspruch der Klägerin auf den Ehegattenpflichtteil nicht erloschen. Eine einjährige Trennung habe noch nicht vorgelegen, weil die Trennungszeit nur vom 22. Februar 2003 bis zum Tode des Erblassers gedauert habe. Zuvor sei der Erblasser zwar im Jahre 2002 aus der Ehewohnung ausgezogen gewesen, dann aber wieder zurückgekehrt. Deshalb sei diese Zeitspanne der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft von Mai 2002 bis Dezember 2002 für die Bemessung der Trennungsdauer unerheblich. Ein Fall des § 1565 Abs. 2 BGB liege nicht vor. Die Klägerin habe zudem den Nachweis einer Versöhnung mit dem Erblasser erbracht, weil die Zeugen L…, K… und G… Angaben über entsprechende Bekundungen des Erblassers gemacht hätten. Es erscheine zwar durchaus möglich, dass der Erblasser nachträglich gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten anders lautende Angaben über einen Scheidungswunsch gemacht habe, die dann aber auf einem Sinneswandel beruht hätten, nicht darauf, dass zuvor den Zeugen L…, K… und G… gegenüber andere Äußerungen gemacht worden seien. Es sei nicht bewiesen, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten gewesen sei. Dazu reiche die bloße Erklärung des scheidungswilligen Partners, er wünsche die Ehescheidung, nicht aus. Deshalb seien die Angaben des Erblassers gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten nicht entscheidend. Zu berücksichtigen seien die früheren Versöhnungen. Der Pflichtteilsanspruch sei deshalb nicht entfallen. Aus dem Pflichtteilsrecht folge ein Auskunftsanspruch der Klägerin, der seinerseits – soweit zuerkannt – auch nicht durch Erfüllung erloschen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die mit dem Rechtsmittel der Sache nach die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin erstrebt, dass die Klage abgewiesen wird, soweit dies nicht bereits in erster Instanz geschehen ist. Die Beklagte geht davon aus, dass das Pflichtteilsrecht der Klägerin erloschen sei. Sie verweist darauf, dass die Klägerin ursprünglich selbst im Jahre 2002 einen Scheidungsantrag gestellt gehabt habe, dem der Erblasser nicht entgegen getreten sei. Die Klägerin habe diesen Scheidungsantrag am 10. Dezember 2002 nur deshalb zurückgenommen, weil sie wegen der Krebserkrankung des Erblassers mit dessen baldigem Tod gerechnet habe. Der Erblasser sei von der Antragsrücknahme überrascht gewesen und habe daraufhin am 27. Februar 2003 selbst einen Scheidungsantrag gestellt. Dabei sei sich der Erblasser seiner Lage nach der Lungenkrebsdiagnose bewusst gewesen. Trotz seines schweren Leidens habe er es noch auf sich genommen, das Scheidungsverfahren aktiv zu betreiben, wobei er selbst noch der Klägerin unter dem 15. Oktober 2003 (Bl. 154 GA) Auskunft über den Bestand seines Vermögens erteilt habe. Am 27. Oktober 2003 habe der Erblasser noch in Begleitung von Hilfspersonen an der mündlichen Verhandlung des Familiengerichts teilgenommen; das unterstreiche seine Entschlossenheit. Die Klägerin habe die Ehescheidung im Termin vom 27. Oktober 2003 nur durch ergänzende Anträge zum Versorgungsausgleich verhindert. Um die Beerdigung des Erblassers habe sich die Klägerin nicht mehr gekümmert (Bl. 161 GA). Aus alledem sei zu erkennen, dass die Ehe gescheitert gewesen sei. Im Übrigen sei die Klägerin auf die von ihr verlangten Auskünfte nicht angewiesen, weil ihr der Erblasser selbst noch im Scheidungsverfahren Auskunft erteilt habe. Wegen der angeordneten Testamentsvollstreckung könne und müsse sie, die Beklagte, nicht Auskunft erteilen.

Die Klägerin tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Im Hinblick auf eine Auskunfterteilung der Beklagten vom 8. Juni 2005 hat sie aber den Rechtsstreit hinsichtlich der Auskunftsklage in der Hauptsache für erledigt erklärt (Bl. 227 GA). Dem ist die Beklagte entgegen getreten (Bl. 232 GA).

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage, auch in der nunmehr abgeänderten Form der Klage auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits auf der ersten Stufe in der Hauptsache, ist abzuweisen.Im Falle der Stufenklage hat insgesamt eine Klageabweisung zu erfolgen, wenn der Hauptanspruch nicht besteht. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger den Zahlungsanspruch noch nicht gestellt hat. Selbst im Berufungsverfahren muss das Berufungsgericht in einem solchen Fall den in erster Instanz noch nicht gestellten und in der Berufungsinstanz noch nicht erhobenen Zahlungsanspruch abweisen (PfzOLG Zweibrücken FamRZ 1996, 869 ff.). So liegt es hier. Erbrechtliche Rechtspositionen der Klägerin bestehen nicht mehr, weil diese im Zeitpunkt des Todes des Erblassers wegen des dann rechtshängigen und begründeten Scheidungsantrags ihre innere Rechtfertigung verloren haben (vgl. BGHZ 111, 329, 332). Mit der Erbberechtigung entfällt dann auch das Pflichtteilsrecht (vgl. Staudinger/Werner, BGB § 1933 Rn. 13).

Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt hatte (§ 1933 Satz 1 BGB). Lagen die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Ehescheidung nicht vor, so kommt ein Ausschluss des Ehegattenerbrechtes freilich nur dann in Frage, wenn festgestellt werden kann, dass ohne den Todesfall einer der Ehegatten das Scheidungsverfahren mit dem Ziel einer streitigen Scheidung der Ehe weiterbetrieben hätte und deren Voraussetzungen im Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorlagen. Unwiderlegbar vermutet – mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr zu prüfen sind – wird das Scheitern der Ehe nach § 1566 Abs. 1 BGB auch nur, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der von dem anderen Ehegatten beantragten Scheidung zustimmt. Ist das – wie hier – nicht der Fall, dann scheitert die Anwendung der §§ 1933, 1565 Abs. 1 BGB daran alleine noch nicht zwingend. Vielmehr müssen in diesem Fall die Voraussetzungen der Ehescheidung nach dem für sich genommen verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. BGHZ 72, 107, 112) Zerrüttungsprinzip gemäß § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB einzelfallbezogen geprüft werden; ferner darf dann auch § 1565 Abs. 2 BGB der Ehescheidung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht entgegengestanden haben. Auch nach diesem Maßstab ist davon auszugehen, dass zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe vorgelegen haben.

Die Ehe war zerrüttet. § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt voraus, dass die Lebensgemeinschaft der Ehegatten (vgl. BGHZ 149, 140, 142) nicht mehr besteht. Dementsprechend ist auch nach § 1933 Satz 1 BGB zum einen erforderlich, dass die Lebensgemeinschaft der Ehegatten im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (vgl. BGHZ 99, 304, 313) nicht mehr bestand, sowie zum anderen, dass nicht mehr erwartet werden konnte, die Ehegatten würden ihre frühere Lebensgemeinschaft in absehbarer Zeit wieder aufnehmen (vgl. BGHZ 128, 125, 128). Davon ist hier bei Gesamtschau der Umstände sicher auszugehen. Als Indizien für die Zerrüttung der Ehe in diesem Sinne sind vor allem die Umstände zu berücksichtigen, dass der Erblasser einen eigenen Scheidungsantrag gestellt hat, nachdem die Klägerin ihren Scheidungsantrag in Kenntnis der Krankheitsdiagnose wieder zurückgenommen hatte, ferner dass er trotz seiner tödlichen Erkrankung und ungeachtet des schweren Leidens das Scheidungsverfahren bis kurz vor seinem Tode aktiv betrieben und schließlich die Enterbung und Pflichtteilsentziehung nach dem letzten Auszug aus dem zuvor gemeinsam bewohnten Haus ausgesprochen hat. Hinzu kommt, dass der Erblasser im hier relevanten Zeitraum eine Liebesbeziehung zur Beklagten unterhalten hatte. Das sind in der Gesamtschau genügend Anzeichen dafür, dass die Ehe des Erblassers mit der Klägerin zumindest nach dessen Auszug am 22. Februar 2003 zerrüttet war und in der Folgezeit sicher nicht mehr mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu rechnen war.

Die vom Landgericht dagegen angeführten Umstände betreffen ausnahmslos zeitlich frühere Vorgänge. Das gilt zunächst für die Angaben des Sohnes der Klägerin, die sich auf Erlebnisse im Jahre 2002 beziehen (Bl. 121 GA). Diese sind wenig aussagekräftig, weil der Erblasser sich damals wechselhaft verhalten hat, was mit Blick auf die anfänglich undefinierten körperlichen Beschwerden und die schließlich erfolgte Diagnose der tödlichen Erkrankung verständlich erscheint. Die Aussagen der Zeugen L… (Bl. 123 GA), K… (Bl. 123/124 GA) und G… (Bl. 124 f. GA) betreffen Bemerkungen am 13. Januar 2003 bei der Feier des Geburtstags des Erblassers, die schon in Kenntnis der Krebserkrankung stattfand. Die letzte Geburtstagsfeier in Kenntnis der dann bereits Monate zurückliegenden Diagnose einer rasch und qualvoll tödlich wirkenden Erkrankung bringt erfahrungsgemäß Äußerungen über Sichtweisen hervor, die unter normalen Umständen nicht zu erwarten gewesen wären, so die von den Zeugen beschriebenen Pläne über gemeinsame Reisen. Zudem geht es um eine Momentaufnahme, der gravierende Umstände nachgefolgt sind, welche allesamt auf die Zerrüttung der Ehe hindeuten. Sie lag vor dem erneuten Auszug des Erblassers aus dem Haus, vor seiner letztwilligen Verfügung zum Nachteil der Klägerin und vor der bis fast zum Tode des Erblassers aktiv betriebenen Prozessführung im Scheidungsverfahren. Diesen früheren Indizien für eine Stabilisierung der ehelichen Beziehung kommt deshalb geringeres Gewicht zu als den späteren Indizien für eine Zerrüttung der Ehe. Schließlich betrifft auch die Aussage des Zeugen M… eine frühere Szene aus dem Januar oder Februar 2003 (Bl. 125 GA). Die späteren Ereignisse ergeben ein deutlich anderes Bild, das auch wegen des rechtlichen Anknüpfungspunktes entscheidend ist. Es geht nämlich um die Scheidungsprognose bezogen auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Bei der Gesamtschau aller Umstände ist nach der Überzeugung des Senates sicher davon auszugehen, dass zum Todeszeitpunkt die Ehe zerrüttet war.

Die Dauer der (letzten) Trennung der Ehegatten gehört zwar zu den Umständen, die das Gericht in seine Prüfung einzubeziehen hat, ob eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann (vgl. BGH NJW 1978, 1810, 1811; 1979, 1042). Sie ist – je nach ihrer Länge oder Kürze – ein Indiz für oder gegen das Scheitern der Ehe. Eine darüber hinausgehende Bedeutung im Sinne einer tatsächlichen Vermutung kommt der Trennungszeit nicht zu (vgl. BGHZ 128, 125, 130). Deshalb ist hier auch die relative Kürze der Dauer der Trennung nach dem letztmaligen Auszug des Erblassers aus der Ehewohnung nur ein widerleglicher Hinweis darauf, dass die Ehe noch nicht zerrüttet war.

§ 1565 Abs. 2 BGB stand der Ehescheidung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht entgegen. Diese Vorschrift schränkt den Grundtatbestand dahin ein, dass die Ehe, falls die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben, nur geschieden werden kann, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Damit soll ein Rechtsmissbrauch verhindert werden (BGH NJW 1981, 449, 450 f.). Ein Rechtsmissbrauch durch den Erblasser ist nicht zu besorgen. Denn dieser hat mit seiner letztwilligen Verfügung und mit seinem Scheidungsantrag auch darauf reagiert, dass die Klägerin selbst einen Scheidungsantrag gestellt, aber nach der Diagnose seiner tödlichen Erkrankung zurückgenommen hatte. Die Zeit, die dem Erblasser nach Einreichung seines eigenen Ehescheidungsantrages vom 27. Februar 2003 – also wenige Tage nach dem letztmaligen Auszug aus dem Haus – zur Verfügung stand, war eng begrenzt, denn die Überlebenszeit nach der Diagnose von Lungenkrebs ist gering. Die Klägerin selbst hatte zuvor einen Scheidungsantrag gestellt, aber zeitlich nach der Diagnose der tödlichen Krankheit zurückgenommen. Ihr Verhalten hinsichtlich der Zurücknahme des eigenen Scheidungsantrags und dem Widerspruch gegen den Scheidungsantrag des Erblassers war nach der Überzeugung des Senats – auch vor dem Hintergrund der Liebesbeziehung des Erblassers zur Beklagten – jedenfalls zuletzt überwiegend durch die tödliche Krankheit motiviert, nicht durch den Willen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Der Erblasser selbst hat das Scheidungsverfahren ungeachtet schwerster körperlicher Leiden bis zuletzt aktiv betrieben. Auch das geschah vor dem Hintergrund der Liebesbeziehung des Erblassers zur Beklagten. Bei dieser Sachlage ist ein Rechtsmissbrauch des Erblassers im Fall der Annahme der Zerrüttung der Ehe vor Ablauf der Trennungszeit im Sinne von § 1566 Abs. 1 BGB nicht zu befürchten. Vielmehr erscheint es aus der Perspektive des Erblassers im Angesicht seines nahen Todes unzumutbar, ihn unter den genannten Umständen an der Ehe festzuhalten, weil ihn der Tod schneller ereilte, als das Trennungsjahr im Sinne von § 1566 Abs. 1 BGB verstreichen konnte. Die Verweigerung der Zustimmung der Klägerin zur Ehescheidung, die ihren eigenen Scheidungsantrag Monate nach der Diagnose der tödlichen Erkrankung des Erblassers – auch deswegen – zurückgenommen hatte, wirkt bei dieser Sachlage rechtsmissbräuchlich, nicht aber das vom Erblasser bis zuletzt aktiv verfolgte Scheidungsbegehren des Todkranken. Ein Verschulden des Antragsgegners im Scheidungsverfahren wird nicht vorausgesetzt (vgl. Staudinger/Rauscher, BGB § 1565 Rn. 124). Im Vordergrund steht die Frage der Unzumutbarkeit des Festhaltens an der zerrütteten Ehe bis zum Ablauf des Trennungsjahres. Diese Frage ist hier zu verneinen, weil der krebskranke Erblasser diesen Zeitpunkt nicht mehr erleben konnte. Das Gewicht der Wirkung des Verhaltens der Klägerin auf ihn, hat er in der Enterbung und Pflichtteilsentziehung – unbeschadet ihrer Unwirksamkeit nach § 2335 BGB – sowie im aktiven Betreiben des Scheidungsverfahrens fast bis zum Tode zum Ausdruck gebracht.

Der Senat hat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung nach §§ 1933 Satz 1, 1565 BGB. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einer beiläufigen Bemerkung in einer Kammerentscheidung offen gelassen, ob der einseitige Verlust des Scheidungsgegners an erbrechtlichen Rechtspositionen aufgrund eines begründeten Scheidungsantrags verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (BVerfG NJW-RR 1995, 769, 770). In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist die gesetzliche Regelung allerdings bisher nicht in Frage gestellt worden (verneinend etwa PfzOLG Zweibrücken OLGZ 1983, 160, 162; s.a. Staudinger/Werner, BGB § 1933 Rn. 3). Zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht besteht auch aus der Sicht des Senats kein durchgreifender Anlass. Das Ehegattenerb- und -pflichtteilsrecht hat seine Grundlage in der bestehenden Ehe. Diese Grundlage entfällt durch die Ehescheidung. Ist ein begründeter Antrag auf Ehescheidung rechtshängig und verliert der Erblasser – wie hier – nur aufgrund einer rasch tödlich wirkenden Erkrankung den Wettlauf mit dem Tod vor der Ehescheidung aufgrund seines Antrages, dann ist es nicht unangemessen, diesen Fall dem Fall der Ehescheidung gleichzusetzen.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Die rechtlichen Voraussetzungen für den Ausschluss des Ehegattenerbrechts nach §§ 1933, 1565 BGB sind geklärt; der Schwerpunkt des vorliegenden Falles liegt bei der Prüfung ihres Vorliegens im konkreten Fall.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 16.000 Euro (vgl. Bl. 18 GA).

 

 

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