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Testament – Sanktionsklausel in gemeinschaftlichem Testament

Oberlandesgericht Celle

Az.: 69 W 27/03

Beschluss vom 11.02.2003

Vorinstanz: LG Hildesheim, Az.: 4 O 27/03


Leitsatz:

1. Eine Sanktionsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament, dass ein Kind, welches beim Tode des erstversterbenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlangt, auch beim Tod des Längstlebenden nur den Pflichtteil erhält, muss nicht zwingend als stillschweigende Einsetzung des Kindes als Schlusserbe auszulegen sein.

2. Ein Schlusserbe kann zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten trotz eingetretener Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht verlangen, dass dieser sich bestimmter Verfügungen unter Lebenden enthält.


In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 11. Februar 2003 beschlossen:

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde der Antragstellerin vom 6. Februar 2003 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: bis 10.000 Euro.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 Abs. 1 S. 1, § 922 Abs. 1 S. 1, § 936 ZPO), aber unbegründet.

Der Antragstellerin steht kein Verfügungsanspruch zu. Sie kann nicht gem. § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 2269 Abs. 1 BGB. von den Antragsgegnern verlangen, dass diese sich jedweder Verfügungen über das Vermögen der Frau …, Mutter der Antragstellerin und Großmutter der Antragsgegner, enthalten, sowie eine ihnen durch Frau … erteilte Vollmacht der Antragstellerin zu offenbaren und vorzulegen.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus der Stellung der Antragstellerin als zukünftige Schlusserbin nach dem Tod ihrer noch lebenden Mutter. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Antragstellerin durch das gemeinschaftliche notarielle Testament vom 25. Mai 1956 ihrer Mutter und ihres 1987 vorverstorbenen Vaters überhaupt zur (Mit)-Schlusserbin nach dem Tod des Längstlebenden eingesetzt wurde. Eine ausdrückliche Bestimmung, wer nach dem Tod des überlebenden Ehegatten dessen Vermögen erben soll, enthält das Testament nicht. Bestimmt ist dort lediglich, dass ein Kind auch beim Tod des Letztversterbenden auf den Pflichtteil gesetzt werden soll, wenn es nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt. Es ist zwar möglich, eine derartige Straf oder Sanktionsklausel dahin auszulegen, dass mit dieser gleichzeitig eine Schlusserbeneinsetzung verbunden sein soll (vgl. OLG Frankfurt/M., FGPrax 2001, 246; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1994, 844; Palandt – Edenhofer, BGB, 62. Aufl., § 2269 Rdnr. 6). Zwingend ist das indessen nicht. Eine solche Klausel behält vielmehr auch mit einem rein bestrafenden Inhalt ihren Sinn, indem die Ehegatten bestimmen, dass das nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangende Kind nach dem Tod des Letztlebenden enterbt sein soll, also auch keine Erbenstellung kraft gesetzlicher Erbfolge eintreten soll.

Diese Frage kann hier indessen offen bleiben. Selbst wenn die Antragstellerin durch das Testament zusammen mit ihrem Bruder als Schlusserbin nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten eingesetzt sein sollte, ergeben sich für sie hieraus keine Rechte, nach dem Tod des Erstversterbenden von dem noch lebenden Ehegatten oder – wie hier – seinen Bevollmächtigten die Unterlassung lebzeitiger Verfügungen zu verlangen. Hierbei kommt es nicht auf die Frage an, ob dem als Schlusserben eingesetzten Dritten vor dem zweiten Erbfall bereits ein Anwartschaftsrecht zusteht oder nicht (zu dieser Frage vgl. Münchener Kommentar – Musielak, BGB, Band 9, §§ 1922 -2385, 3. Aufl. 1997, § 2269 Rdnr. 32; Palandt, a.a.O., Rdnr. 11).

Der überlebende Ehegatte ist nämlich jedenfalls kraft seiner Stellung als Vollerbe nicht daran gehindert, über den Nachlass des vorverstorbenen Ehegatten – und erst recht über sein eigenes Vermögen – durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen. Der Schlusserbe hat keinen Anspruch darauf, dass sich im Zeitpunkt des Todes des Letztlebenden noch bestimmte Vermögensgegenstände oder überhaupt ein Vermögen von wirtschaftlichem Wert im Nachlass befindet (vgl. auch Münchener Kommentar, a.a.O.). Selbst im Falle beeinträchtigender Schenkungen des Erblassers entsteht ein Anspruch des Schlusserben in entsprechender Anwendung von § 2287 BGB erst in dem Zeitpunkt, in dem ihm die Erbschaft angefallen ist, und auch dann nur gegen den Beschenkten (Münchener Kommentar, a.a.O., Rdnr. 36).

Zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten kann dem Schlusserben allenfalls ein Feststellungsinteresse dahin zugebilligt werden, dass der überlebende Ehegatte nicht befugt ist, entgegen der eingetretenen Bindung nach § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB abweichend letztwillig zu verfügen (RG HRR 28 Nr. 843) oder das Testament anzufechten (BGHZ 37, 331). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO:

Die Festsetzung des Beschwerdewertes richtet sich nach § 20 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

 

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