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Schulbesuch aus Angst vor einer Corona-Infektion verweigert – Zwangsgeldandrohung

VG Düsseldorf – Az.: 18 L 621/22 – Beschluss vom 05.08.2022

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 2708/22 gegen die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung X. vom 2. März 2022 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, wenn die Behörde – wie hier in Ziffer 2 der mit der Klage angefochtenen Ordnungsverfügung – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat bzw. wenn der Klage gegen eine Regelung bereits kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt – wie hier der Zwangsgeldandrohung nach § 112 JustG NRW -, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen, wenn das diesbezügliche private Interesse der Antragstellerseite an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist von einem überwiegenden privaten Interesse auszugehen; erweist sich demgegenüber der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, ist in der Regel von einem überwiegenden öffentlichen Interesse auszugehen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht kein Anlass, der Klage 18 K 2708/22 aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen. Zunächst enthält die Ordnungsverfügung vom 2. März 2022 eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügende Begründung der im zweiten Tenorpunkt verfügten Anordnung der sofortigen Vollziehung. Die Bezirksregierung X. (im Folgenden: Bezirksregierung) hat – getrennt von der sonstigen Begründung – dargelegt, aus welchen Gründen sie von einem besonderen Vollziehungsinteresse ausgeht. Insbesondere der Einzelfallbezug ist ausreichend hergestellt. Im Übrigen gelten in bestimmten Fällen ausnahmsweise geringere Begründungsanforderungen. Ergibt sich etwa die Dringlichkeit aus Gründen, die aufgrund der Erlassvoraussetzungen des in Rede stehenden Verwaltungsaktes für eine Vielzahl von Fällen gelten – weil unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalles nahezu ausnahmslos von der Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsakts auszugehen ist -, so genügt zur Erfüllung des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 VwGO die Angabe dieser Gründe. Dies gilt umso mehr, wenn die für die Dringlichkeit sprechenden Gründe offensichtlich sind.

OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2020 – 6 B 1575/19 -, juris, Rn. 6.

So liegt es hier. An der Erfüllung der Schulpflicht besteht per se ein dringendes öffentliches Interesse. Hierauf hat die Bezirksregierung in ihrer Begründung mit ihrem Hinweis auf die Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags abgestellt.

Im Rahmen der danach anzustellenden Abwägungsentscheidung des Gerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 2. März 2022 das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Nach der im vorliegenden Verfahren durchzuführenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage geht das Gericht davon aus, dass die Ordnungsverfügung der Bezirksregierung vom 2. März 2022 offensichtlich rechtmäßig ist.

In formeller Hinsicht ist die angefochtene Verfügung nicht zu beanstanden. Insbesondere ist eine ordnungsgemäße Anhörung der Antragstellerin gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW erfolgt, indem dieser von Seiten der Bezirksregierung mit Schreiben vom 14. Februar 2022 Gelegenheit zur Stellungnahme zum Erlass der beabsichtigten Ordnungsverfügung gegeben worden ist.

Die Verfügung erweist sich nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 Satz 1 des Bescheides der Bezirksregierung vom 2. März 2022 erlassene Schulbesuchsanordnung ist § 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 SchulG NRW. Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW sind die Eltern dafür verantwortlich, dass ihr schulpflichtiges Kind am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt, und statten es angemessen aus. Zur Erfüllung dieser Pflicht können die Eltern nach § 41 Abs. 5 SchulG NRW von der Schulaufsichtsbehörde durch Zwangsmittel gemäß §§ 55 bis 65 VwVG NRW angehalten werden. Aus diesen Vorschriften ergibt sich nicht nur die Befugnis zur Verhängung von Zwangsmitteln, sondern auch die Ermächtigung zum Erlass von Verfügungen, mit denen Eltern Handlungspflichten zur Durchsetzung der Schulpflicht auferlegt werden.

Schulbesuch aus Angst vor einer Corona-Infektion verweigert - Zwangsgeldandrohung
(Symbolfoto: Volurol/Shutterstock.com)

VG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 2022 – 18 K 6216/21 – (n.v.), Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 18 L 2031/21 -, juris, Rn. 11 f. unter Verweis auf VG Münster, Beschluss vom 17. Juni 2016 – 1 L 180/16 -, juris, Rn. 11 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung; VG Köln, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 10 L 2014/20 -, juris; zu einer entsprechenden Regelung in Brandenburg: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. April 2021 – OVG 3 M 4/21 -, juris, Rn. 4 sowie zu einer entsprechenden Regelung in Bayern, VG Ansbach, Beschluss vom 22. April 2022 – AN 2 S 22.00743 -, juris.

Die in diesen Regelungen enthaltenen Befugnisse begegnen entgegen der Ansicht der Antragstellerin zunächst keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zu § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW: vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. April 2022 – 19 B 1918/21 -, juris, Rn. 16 ff. m.w.N. und 4. März 2022 – 19 B 1917/21 – juris, vom 23. Dezember 2020 – 19 B 1756/19 -, juris, Rn. 13 ff., vom 7. September 2018 – 19 A 33/18 -, juris, Rn. 4 und vom 24. August 2016 – 19 B 760/16, 19 E 555/16 -, juris, Rn. 6 f. unter Verweis auf das BVerfG und BVerwG sowie VG Aachen, Beschluss vom 14. Februar 2022 – 9 L 59/22 -, juris, Rn. 13 f., VG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 18 L 2031/21 -, juris, Rn. 13 f.; VG Köln, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 10 L 2014/20 -, juris, Rn. 14.

Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2020 – 19 B 1756/19 -, juris, Rn. 15 ff., mit Blick auf die entsprechenden Vorschriften des Grundgesetzes ausgeführt und in seinem Beschluss vom 28. April 2022 – 19 B 1918/21 -, juris, vertieft:

„Pflege und Erziehung der Kinder sind nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nur das natürliche Recht der Eltern, sondern auch „die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Diese Pflicht kann der Landesgesetzgeber auch als öffentlichrechtliche, also dem Staat gegenüber bestehende Pflicht ausgestalten, unter dessen „besondere[m] Schutze“ Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen. Außerdem obliegt den Eltern die Pflicht aus Abs. 2 Satz 1 nur „zuvörderst“, aber nicht ausschließlich, und haben sie nach Art. 7 Abs. 1 GG insbesondere die verfassungsrechtlich unbedenkliche allgemeine Schulpflicht hinzunehmen. Solange diese andauert, ist ihr Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, unmittelbar in eigener Person und in pädagogischer Alleinverantwortung auf ihre Kinder einzuwirken, auf den außerschulischen Bereich beschränkt.

BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. August 2015 – 1 BvR 2388/11 -, NVwZ-RR 2016, 281, juris, Rn. 17 f.; BVerwG, Urteil vom 11. September 2013 – 6 C 12.12 -, NJW 2014, 804, juris, Rn. 21; Beschluss vom 15. Oktober 2009 – 6 B 27.09 -, NVwZ 2010, 525, juris, Rn. 3 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 24. August 2016, a. a. O., Rn. 6.“

Diesen Erwägungen schließt sich das Gericht an.

Auch im Übrigen erweist sich die Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW als rechtlich unbedenklich. Zunächst hat die gemäß § 41 Abs. 5 SchulG NRW i.V.m. § 88 Abs. 2 SchulG NRW zuständige Bezirksregierung die Anordnung zu Recht an die Antragstellerin als Adressatin gerichtet. Denn entsprechend den obigen Ausführungen ermächtigt § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW dazu, Eltern Handlungspflichten aufzuerlegen, und handelt es sich bei der Antragstellerin um die Mutter des Kindes, dessen Schulpflicht durchgesetzt werden soll. Ferner stellt sich der Inhalt der gegenüber der Antragstellerin in Ziffer 1 getroffenen Anordnung, nämlich dafür Sorge zu tragen, den Schulbesuch ihres minderjährigen und schulpflichtigen Sohnes K. , der Schüler des H. -C. -Gymnasiums in X. ist, ab sofort sicherzustellen, als hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW dar.

Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 18 L 2031/21 -, juris, Rn. 19; VG Köln, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 10 L 2014/20 -, juris, Rn. 10.

Darüber hinaus bestand Anlass für eine solche Anordnung. Der Sohn der Antragstellerin, für den sie allein sorgeberechtigt ist und der nach den Angaben der Antragstellerin in dem vor dem erkennenden Gericht geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren 7 L 1811/21 im Schuljahr 2021/2022 die 8. Klasse besucht hat, ist gemäß §§ 34 Abs. 1 und 2, 35, 37 Abs. 1 SchulG NRW schulpflichtig. Die Schulpflicht ruht auch nicht gemäß § 40 SchulG NRW. Es liegt auch keine Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde nach § 40 Abs. 2 SchulG NRW vor. Dieser bestehenden Schulpflicht kommt der Sohn der Antragstellerin (unstreitig) seit dem 9. November 2021 überhaupt nicht mehr nach. Zuvor hat er im Schuljahr 2021/2022 nach Angaben des Antragsgegners lediglich an 18 von 48 Schultagen die Schule besucht und zwar maßgeblich aufgrund eines entsprechenden Willens der Antragstellerin. Der Sohn der Antragstellerin war auch nicht berechtigt, dem Präsenzunterricht fernzubleiben. Insoweit hatte er bereits am 18. Juli 2021 beim erkennenden Gericht im Verfahren 7 L 1811/21 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, mit dem er wegen der bestehenden Zahl der Corona-Infektionen im Gebiet der Stadt X. erstrebte, nicht im Präsenz-, sondern im Distanzunterricht beschult zu werden und am 24. November 2021 eine entsprechende Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 18 K 8019/21 beim erkennenden Gericht anhängig ist. Nachdem der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss der 7. Kammer des erkennenden Gerichts vom 25. August 2021 abgelehnt worden war, legte der Sohn der Antragstellerin gesetzlich vertreten durch die Antragstellerin beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschwerde ein, das diese mit Beschluss vom 22. September 2021 im Verfahren 19 B 1458/21 zurückwies. Dennoch nahm der Sohn der Antragstellerin in der Folgezeit seit dem 9. November 2021 überhaupt nicht mehr am Präsenzunterricht der Schule teil.

Die gegenüber der Antragstellerin erlassene Schulbesuchsanordnung erweist sich auch als verhältnismäßig, insbesondere geeignet.

Mit Blick auf die Anforderungen, die an die Geeignetheit einer Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 2 SchulG NRW zu stellen sind, ist es ausreichend, dass eine derartige Anordnung für die Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks förderlich ist. Davon ist bei Erziehungsberechtigten, die mit dem betreffenden Schüler in häuslicher Wohngemeinschaft leben, regelmäßig schon deshalb auszugehen, weil sie über ständige und unmittelbare Einwirkungsmöglichkeiten verfügen. Ob die in Ausschöpfung dieser Möglichkeiten ergriffenen Maßnahmen erfolgreich sind, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit nicht relevant. Darüber hinaus wird von den Adressaten einer Schulbesuchsanordnung nicht verlangt, dass sie sich mit nicht legalen oder rechtlich fragwürdigen Mitteln für eine regelmäßige Teilnahme des schulpflichtigen Kindes am Unterricht und den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen einsetzen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2022 – 19 B 1918/21 -, juris, Rn. 10, Beschluss vom 4. März 2022 – 19 B 1917/21 -, juris, Rn. 16 sowie Beschluss vom 7. September 2018 – 19 A 33/18 -, juris, Rn. 8.

Allerdings können sich Eltern nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei mit ihren Erziehungszielen nicht vereinbar, einen entgegenstehenden Willen ihres Kindes zu beugen. Denn das Grundgesetz selbst setzt die Bevormundung von Kindern notwendigerweise voraus.

VG Aachen, Beschluss vom 14. Februar 2022 – 9 L 59/22 -, juris, Rn. 23 f. unter Bezugnahme auf VG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 18 L 2031/21 -, juris, Rn. 27; siehe auch VG Minden, Beschluss vom 3. Dezember 2019 – 8 L 747/19 -, juris, Rn. 15 unter Berufung auf BVerfG, Beschluss vom 5. September 1986 – 1 BvR 794/86 -, NJW 1987, S. 180.

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Gemessen daran ist die streitgegenständliche Anordnung als erforderlich und geeignet anzusehen, weil die Antragstellerin über entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten verfügt und nicht ersichtlich ist, dass diese ausgeschöpft sind. Aus ihren bisherigen Ausführungen im gerichtlichen Verfahren geht hervor, dass sie der Ansicht ist, dass ihr Sohn sich auf Grund des Infektionsgeschehens aus berechtigten Gründen weigert, die Schule im Präsenzunterricht zu besuchen und sie nicht gewillt ist, entgegenstehenden Gerichtsentscheidungen nachzukommen und aktiv – selbstverständlich gewaltfrei, wenngleich mit der notwendigen Bestimmtheit – dessen regelmäßigen Schulbesuch durchzusetzen und entsprechend erzieherisch auf ihren zwischenzeitlich 15 Jahre alten Sohn einzuwirken. Dabei spielt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Verfügung keine Rolle, ob in Ausübung der Befugnis als Erziehungsberechtigte ergriffene Maßnahmen bei dem Kind auch Erfolg zeitigen, sodass es darauf, ob der Sohn der Antragstellerin dieser körperlich überlegen ist, nicht ankommt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2022 – 19 B 1917/21 -, juris, Rn. 16.

Gründe, aus denen sich ergibt, dass die Antragstellerin nicht dafür Sorge tragen könnte, dass ihr Sohn K. – wie in Ziffer 1 der angefochtenen Ordnungsverfügung gefordert – ab sofort den Schulbesuch wieder aufnimmt, ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass sie ihren Sohn zu Hause in seinem Recht auf Bildung unterstütze und er dort eine exzellente Bildung erhalte, ergibt sich aus § 34 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SchulG NRW, dass die Schulpflicht nur durch den Besuch einer öffentlichen Schule, einer Ersatzschule oder einer anerkannten Ergänzungsschule erfüllt wird. Damit ermöglicht das Schulgesetz Nordrhein-Westfalen es nicht, dem Wunsch von Eltern zu entsprechen, ihr Kind ausschließlich zu Hause selbst zu unterrichten, zu erziehen und zu bilden. Ein solcher Privatunterricht ist kein Unterricht, durch den ein Schulpflichtiger seine Schulpflicht erfüllen kann,

VG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 18 L 2031/21 – juris, Rn. 41; VG Köln, Beschluss vom 9. Dezember 2020 – 10 L 2014/20 -, juris, Rn. 18 f. unter Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 2015 – 19 A 2031/13 -, juris, Rn. 7; zur entsprechenden bayerischen Regelung VG Ansbach, Beschluss vom 22. April 2022 – AN 2 SS.00743 -, juris, Rn. 42.

Auch soweit die Antragstellerin für sich und ihren Sohn Infektionsrisiken geltend macht, die es ihr unzumutbar machen, den Schulbesuch ihres Sohnes im Präsenzunterricht sicherzustellen, ist eine abweichende Einschätzung nicht geboten. Diese Gründe haben weder Einfluss auf das Bestehen der Schulpflicht noch sind sie geeignet, die sich aus Ziffer 1 der angefochtenen Ordnungsverfügung ergebende Verpflichtung der Antragstellerin, dafür Sorge zu tragen, dass ihr Sohn K. ab sofort den Schulbesuch wieder aufnimmt, als unverhältnismäßig oder sonst rechtswidrig anzusehen.

Es ist zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass die Pflicht ihres Sohnes zur Teilnahme am Präsenzunterricht mit unverhältnismäßigen Gesundheitsgefahren verbunden oder aus anderen Gründen unvertretbar wäre. Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich nicht, dass ihrem Sohn oder ihr zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bei dessen Schulbesuch ein unzumutbares Risiko der Infektion mit dem COVID-19-Virus droht, dem die Schule nicht mit angemessenen Maßnahmen begegnet.

Wie das OVG NRW im Verfahren 19 B 1458/21 mit Beschluss vom 22. September 2021 im Beschwerdeverfahren des Sohnes der Antragstellerin gegen den ablehnenden Beschluss der 7. Kammer des erkennenden Gerichts vom 25. August 2021 ausgeführt hat, ist die landesverfassungsrechtlich in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 LV NRW statuierte und bundesverfassungsrechtlich von Art. 7 GG vorausgesetzte Schulpflicht eine Grundpflicht, die die Grundrechtspositionen von Eltern (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 LV NRW, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und Schülern (u.a. Art. 2 Abs. 1 GG, auch i.V.m. Art. 4 Abs. 1 LV NRW) gleichermaßen einschränkt. Ziel der Schulpflicht ist die Durchsetzung des legitimen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags, der sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen richtet, sondern auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft sollen teilhaben können. Soweit die Grundrechtspositionen von Eltern und Kindern einerseits und der Erziehungsauftrag des Staates andererseits kollidieren, sind diese Konflikte im Einzelfall im Wege einer Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu lösen.

OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 -, juris, Rn. 19 f. m.w.N.

Nichts anderes gilt für eine mit der Schulbesuchspflicht einhergehende mögliche Betroffenheit des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Schüler (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, auch i.V. m. Art. 4 Abs. 1 LV NRW). Etwaig auftretende Konflikte zwischen der besonderen Vulnerabilität der Schüler im Verhältnis zur staatlichen Institution Schule sind im Wege einer praktischen Konkordanz zwischen den betroffenen Grundrechtspositionen einerseits und dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag andererseits aufzulösen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere aus der Pflicht des Staats, sich im Schulverhältnis schützend und fördernd vor die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit der Schüler zu stellen, ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsraum des Normgebers erwächst, um die Lösung dieser grundrechtlichinstitutionellen Kollisionslage auszugestalten und zu konkretisieren.

OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 -, juris, Rn. 21 ff. m.w.N.

Insofern sind entgegen der Auffassung der Antragstellerin die kollidierenden Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen und ist der staatliche Erziehungsauftrag gegenüber dem grundrechtlichen Elternrecht nicht nachrangig. Nichts anderes gilt für ihr Recht sowie das Recht des Sohnes der Antragstellerin auf körperliche Unversehrtheit, auf das sich die Antragstellerin als gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes beruft. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat unter den Bedingungen der Coronavirus-Pandemie das gesundheitliche Kindeswohl nicht prinzipiell Vorrang vor dem staatlichen Erziehungsauftrag in seiner derzeit geltenden einfachrechtlichen Ausgestaltung (im Präsenzunterricht). Es ist Aufgabe des hierfür demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle unterliegenden Exekutive, den Gesundheitsschutz bezogen auf das Risiko einer Infektion mit COVID-19 und etwaiger Folgeerkrankungen einerseits und körperlichgesundheitliche und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale Auswirkungen auf Grund des zum Fernbleiben ihres Sohnes von der Schule führenden Verhaltens der Antragstellerin andererseits im Spannungsverhältnis von Individualgrundrechten und Schulpflicht angemessen in Abwägung zu bringen und einer vertretbaren Bewertung zuzuführen.

OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 -, juris, Rn. 27 ff. m.w.N.

Das Kindeswohl, auf das sich die Antragstellerin beruft, das bei der Abwägung von entscheidender Bedeutung ist, ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin zugleich ein öffentliches Interesse und bedarf nach den obigen Ausführungen einer gestaltenden Verhältnisbestimmung seitens des Normgebers und der Schulverwaltung mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse des Schul- und Gesundheitswesens. Ob der Staat seiner Schutzverpflichtung nach den oben näher dargelegten Maßstäben in einer die Individualrechtsgüter der Antragstellerin und ihres Sohnes hinreichend berücksichtigenden Weise nachgekommen ist, ist keine Frage der abstrakten Maßstabsbestimmung, sondern der Anwendung im Einzelfall.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 -, juris, Rn. 36.

Dies zugrunde gelegt, ist zunächst zu konstatieren, dass entgegen der Vorstellung der Antragstellerin im Verhältnis zwischen Schüler und Staat kein Anspruch auf einen absoluten Ausschluss einer Infektion mit dem COVID-19-Virus besteht. Einen vollkommenen Schutz vor jeglicher Gesundheitsgefahr gebietet die Verfassung auch allgemein nicht. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gehört derzeit vielmehr ein gewisses Infektionsrisiko für die gesamte Bevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2021 – 7 L 1811/21 -, juris, Rn. 55 f. unter Berufung auf das BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 2 BvR 483/20 -, juris, Rn. 9; VG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2020 – 18 L 2406/20 – (n.v.); VG Brauschweig, Beschluss vom 8. Oktober 2020 – 6 B 187/20 -, Rn. 26.

Dieses Risiko lässt sich zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt durch das freiwillige Tragen einer medizinischen Maske bzw. einer FFP2-Maske im schulischen Bereich sowie regelmäßige Durchführung von Antigenselbsttests im häuslichen Bereich vor dem Schulbesuch minimieren. Zudem vermindern Impfungen, die vom Staat für den Bürger kostenlos angeboten werden, die Auswirkungen einer möglichen Corona-Infektion.

Mit Blick auf diese, jedem Einzelnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, das Infektionsrisiko zu senken bzw. den Verlauf einer Infektion abzumildern, ist in Zusammenschau mit den weiteren staatlichen Schutzvorkehrungen ein unzumutbares Risiko im Falles eines Schulbesuchs zu verneinen. Das gilt jedenfalls im Fall der Antragstellerin, die weder für sich noch für ihren Sohn eine individuelle Risikoerhöhung im Falle einer Corona-Infektion geltend macht, sondern sich allein auf die abstrakte Gefahr der Folgen einer möglichen Corona-Infektion in der Schule beruft, die für jeden am Präsenzunterricht teilnehmenden Schüler besteht.

Soweit die staatlichen Schutzvorkehrungen betroffen sind, ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen hat und die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben.

Zu diesem Maßstab vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2020 – 1 BvR 1027/20 -, juris, Rn. 6 f.

Bei der Erfüllung von Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG kommt staatlichen Stellen ein erheblicher Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.

BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2020 – 2 BvR 483/20 -, juris, Rn. 8 m.w.N.

Gemessen daran kann zunächst nicht die Rede davon sein, dass der Antragsgegner im Rahmen der ihm rechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten betreffend den grundsätzlich stattfindenden Präsenzunterricht überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen hat.

Das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: Ministerium) geht in seinem für das kommende Schuljahr 2022/2023 erstellten Handlungskonzept in Übereinstimmung mit der Antragstellerin davon aus, dass die aktuelle Pandemiesituation durch hohe Infektionszahlen gekennzeichnet sei. Gleichzeitig legt es seinem Handlungskonzept in nicht zu beanstandender Weise zu Grunde, dass die Zahl schwerer Krankheitsverläufe und insbesondere von Einlieferungen auf Intensivstationen weiterhin stabil und auf einem geringen Niveau ist. Hinzu komme, dass die Immunisierung in der Bevölkerung – und damit auch unter Schülerinnen und Schülern sowie unter Lehrkräften – durch Impfungen und Genesung nach einer Infektion deutlich zugenommen habe. Dies ermögliche derzeit weitgehend ein öffentliches Leben ohne erhebliche Einschränkungen bzw. Schutzmaßnahmen. Der Eigenverantwortung der Menschen und ihren Erfahrungen mit dem Virus komme in dieser Phase der Pandemie eine große Bedeutung zu. Staatlich verordnete Schutzmaßnahmen könnten aktuell vor allem auf den Schutz vulnerabler Personen beschränkt bleiben.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 2.

Als allgemeine Vorsorgemaßnahmen werden regelmäßiges Händewaschen sowie innerhalb von Schulgebäuden das freiwillige Tragen einer medizinischen oder FFP2-Maske, für Kinder und Jugendliche nur einer medizinischen Maske empfohlen. Regelmäßiges Lüften sowie der Grundsatz anlassbezogener Tests auf freiwilliger Basis bereits im häuslichen Umfeld ergänzen diese Maßnahmen. Am ersten Unterrichtstag nach den Sommerferien erhalten alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich in der Schule mit einem Antigenselbsttest zu testen. Danach testen sich die Schülerinnen und Schüler anlassbezogen (bei leichten Erkältungssymptomen oder engem Kontakt mit einer infizierten Person) und grundsätzlich auf freiwilliger Basis zu Hause, wobei ihnen die Antigenselbsttests von der Schule zur Verfügung gestellt werden.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 3 f., 5, 9.

Testungen in der Schule werden ausnahmsweise durchgeführt, wenn bei Schülerinnen und Schülern, die am selben Tag noch nicht getestet wurden, offenkundig typische Symptome einer Atemwegserkrankung vorliegen.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 5.

Die Regelungen zu Testungen in den Schulen hat das Land NRW in § 4a der erlassenen Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) vom 1. April 2022 in der ab dem 8. August 2022 geltenden Fassung rechtlich verankert.

Masken werden weiterhin grundsätzlich durch den Schulträger zur Verfügung gestellt.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 6.

In Räumen, die nicht entsprechend zu belüften sind, können bauliche Maßnahmen, aber auch die Einrichtung einer technischen Lüftung oder die Aufstellung von Luftreinigungsgeräten zur Verbesserung der Lüftungssituation beitragen. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen bei der Anschaffung und Umsetzung der verschiedenen Förderprogramme.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 7.

Das regelmäßige Lüften der Klassen- und Kursräume bleibe unverzichtbar. CO2-Messgeräte, deren Nutzung vom Corona-Expertinnen- und Expertenrat der Bundesregierung empfohlen werden, könnten auf einen mangelnden Luftaustausch hinweisen und daher die Wahl der richtigen Lüftungsintervalle unterstützen. Einmalig solle daher auch die Anschaffung von CO2-Messgeräten durch das Land finanziert werden, wobei die Anschaffung von (mobilen) Luftreinigungsgeräten sowie von CO2-Messgeräten in den Aufgabenbereich der Schulträger falle.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 7.

Präsenzunterricht sei für die Entwicklung der Kompetenzen und die psychosoziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler von besonderer Bedeutung. Deshalb habe dieser grundsätzlich Vorrang vor Distanzunterricht, der aus Gründen des Infektionsschutzes nur zum Schutz vorerkrankter Schülerinnen und Schüler sowie zum Schutz vorerkrankter Angehöriger erteilt werde bzw. wenn sich das Infektionsgeschehen verschärfe.

https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/handlungskonzept_corona_28.7.2022.pdf, S. 8, S. 13.

Dass diese Maßnahmen an der von dem Sohn der Antragstellerin bisher besuchten Schule nicht umgesetzt werden, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil nimmt die Schule auf das Handlungskonzept des Ministeriums und die in diesem Zusammenhang ergangenen Schreiben auf seiner Website Bezug.

https://xxxxxxxxxxxxxx.lms.schulon.org/course/view.php?id=840#section-0

Soweit die Antragstellerin bemängelt, in der Schule ihres Sohnes seien Luftreinigungsgeräte nicht angeschafft worden, belegen die bestehenden Infektionszahlen entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht, dass Schulen zwingend auf Luftreinigungsgeräte zurückgreifen müssen, um den Gesundheitsschutz von Schülern im Klassenraum zu gewährleisten.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die im Land NRW bzw. regional in der Stadt X. bestehende aktuelle Infektionslage weitergehende als die vom Antragsgegner getroffenen Maßnahmen zur Sicherung des Schulbesuchs unabdingbar erforderlich machen.

In Nordrhein-Westfalen beträgt die 7-Tage-Inzidenz der gemeldeten Infektionen laut dem Robert Koch-Institut mit Stand vom 4. August 2022 435,7.

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

Die 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz liegt am 4. August 2022 bei 6,84, der Anteil der COVID-19-Patienten an betreibbaren Intensivbetten bei 5,91 %.

https://www.lzg.nrw.de/covid19/covid19.html

Im Stadtgebiet X. bestehen zum Stand 4. August 2022 470,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den letzten 7 Tagen. Es liegen 922 Todesfälle vor, die seit Beginn der Pandemie an oder mit einer COVID-19 Infektion gestorben sind mit einer Letalitätsrate von 0,41 %. 16 Patienten werden aktuell intensivmedizinisch mit einer COVID-19 Infektion behandelt und 8 davon invasiv beatmet. Der Anteil der COVID-19-Patienten an den Intensivbetten beträgt 5 %.

https://www.coronainzahlen.de/landkreise/sk%20d%C3%BCxxxxxxxx/

In der Altersgruppe von 5 – 14 Jahren hat es in X. bisher 28.833 erfasste Infektionen mit keinem Todesfall gegeben, in der Altersgruppe von 15 – 34 Jahren 75.972 Personen mit 3 Todesfällen.

https://www.coronainzahlen.de/landkreise/sk%20d%C3%BCxxxxxxxx/

Genügen die dem Einzelnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, sich vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zu schützen bzw. den Verlauf einer Infektion abzumildern, in Zusammenschau mit den derzeitigen staatlichen Schutzvorkehrungen danach den rechtlichen Erfordernissen, sind ferner staatliche Versäumnisse mit Blick auf die zukünftige Infektionsentwicklung nicht ersichtlich. Sollte sich die Infektionslage verschlechtern, stehen dem Antragsgegner weitere Instrumentarien zur Verfügung, und zwar nach Maßgabe des § 28a Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2020, zuletzt geändert am 28. Juni 2022 (BGBl. I, S. 938).

Diesbezüglich sollen nach dem bisherigen Vorschlag für eine Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes die Länder etwa die Befugnis erhalten, bei einem saisonalen Anstieg der COVID-19-Fälle im Herbst und Winter weitergehende Regelungen zu erlassen, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems und der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten. Sie sollen für Kinder ab der 5. Klasse eine Maskenpflicht anordnen können, wenn diese erforderlich sei, um den Präsenzunterricht durchführen zu können, sowie eine Testpflicht anordnen dürfen.

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/fortentwicklunginfektionsschutzgesetzesifsg.html vom 3. August 2022

Liegen danach die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 SchulG NRW vor, ist die angefochtene Ordnungsverfügung auch auf der Rechtsfolgenseite nicht zu beanstanden. Die diesbezüglichen Ermessenserwägungen der Bezirksregierung sind sachgerecht. Dies gilt insbesondere für die Erwägungen, dass die Antragstellerin Präsenzunterricht für ihren Sohn während der Dauer der Corona-Pandemie offenbar generell ablehnt, dieser die von ihm besuchte Schule seit dem 9. November 2021 nicht besucht, obwohl ein gerichtliches Eilverfahren betreffend die Versagung der Erteilung von Distanzunterricht über zwei Instanzen erfolglos geblieben ist, und auch der Erlass zweier, gegen die Antragstellerin gerichteten Bußgeldbescheide ohne Wirkung geblieben ist. Ferner erweist sich die Maßnahme (auch im Übrigen) als verhältnismäßig. Mit Blick darauf, dass nicht abzusehen ist, wann die Corona-Pandemie beendet ist bzw. der Schulbesuch ohne jegliche Pandemieregelungen gestattet ist, und zu besorgen ist, dass ihrem Sohn durch die Nichtteilnahme am Präsenzunterricht schulische Entwicklungsdefizite drohen, ist sie insbesondere auch erforderlich. Neben der Wissensvermittlung ist die Bildung der Persönlichkeit eines Kindes und die Vermittlung von Werten sowie die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger in einer Klassengemeinschaft ein tragender Grund für die Schulpflicht.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 18 L 2031/21 -, juris, Rn. 48; VG Minden, Urteil vom 14. April 2021 – 8 K 2103/19 -, juris, Rn. 39 f. unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des OVG NRW, z. B. Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 2021 -, juris, Rn. 19 f. m.w.N.

Schließlich begegnet auch die in Ziffer 2 der mit der Klage angefochtenen Ordnungsverfügung vom 2. März 2022 erlassene Zwangsgeldandrohung keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 5 SchulG NRW i.V.m. §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW. Im Weiteren hat die Bezirksregierung der Antragstellerin eine Frist zur Erfüllung der Verpflichtung gesetzt (§ 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW), die mit Blick auf das verfolgte Ziel (Durchsetzung der Schulpflicht) auch nicht unangemessen kurz scheint. Ebenso ist die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes (vgl. § 60 Abs. 1 VwVG NRW) unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, zumal gegen die Antragstellerin in der Vergangenheit wegen der Nichterfüllung der Schulpflicht ihres Sohnes K. zwei Bußgeldbescheide ergangen sind, ohne dass dieser den Schulbesuch wieder aufgenommen hätte.

Soweit die Antragstellerin, die im Übrigen eine konkrete Norm nicht benennt, eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht beantragt, ist für diesen Antrag schon deshalb kein Raum, weil ein verfassungswidriges Gesetz, für das es auf die Entscheidung ankommt, nicht ersichtlich ist.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 -, juris, Rn. 37 m.w.N.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und berücksichtigt Ziffern 1.5 und 1.7.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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