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Selbständiges Beweisverfahren und negative Feststellungsklage parallel möglich?

Oberlandesgericht Köln – Az.:11 W 54/21 – Beschluss vom 18.03.2022

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 07.06.2021 wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 26.05.2021 (10 OH 2/21) in seiner ergänzten Fassung vom 06.07.2021 dahingehend abgeändert, dass sich die Beweiserhebung vollumfänglich auf die Beweisfrage zu Ziffer IV. 3. der Antragsschrift vom 10.12.2020 erstreckt, mithin auch in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

G r ü n de:

I.

Die Antragstellerin beauftragte im Zuge der geplanten Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern und acht Einfamilienhäusern die Antragsgegnerin zu 2) mit der Planung und Überwachung der technischen Gebäudeausrüstung und die Antragsgegnerin zu 1) mit der Ausführung der Gewerke Heizung, Lüftung und Sanitär. Nach Fertigstellung und Abnahme der Leistungen rügte die Antragstellerin unter anderem Mängel an dem Gewerk Heizung und führte diese auf Planungs- und Überwachungsfehler der Antragsgegnerin zu 2) sowie auf Ausführungsfehler der Antragsgegnerin zu 1) zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.04.2019 (Anlage AS 25) verlangte die Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu 1) Schadenersatz in Höhe von insgesamt 32.136,- € und stützte diesen unter anderem auf die Behauptung, infolge der gerügten Mängel an der Heizungsanlage sei es in den Kalenderjahren 2017 und 2018 zu einem erheblichen Strommehrverbrauch gekommen.

Mit Schriftsatz vom 11.11.2020 – bei Gericht am selben Tag eingegangen und der hiesigen Antragstellerin am 10.12.2020 zugestellt – erhob die Antragsgegnerin zu 1) gegen die Antragstellerin im Hinblick auf das vorgenannte anwaltliche Schreiben vom 26.04.2019 vor dem Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 10 O 199/20 negative Feststellungsklage mit dem Antrag „festzustellen, dass der Beklagten kein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin wegen mangelhafter Leistung beim Bauvorhaben A-Straße in B in Höhe von 32.136,- € zusteht.“

Mit Schriftsatz vom 10.12.2020 – bei Gericht am 11.12.2020 eingegangen und den Antragsgegnern am 18.12.2020 zugestellt – hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegner einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gestellt, mit dem sie unter anderem Beweiserhebung darüber begehrt, ob die Heizungsanlage von der Antragsgegnerin zu 1) sach- und fachgerecht errichtet, eingeregelt und gewartet worden ist (Ziffer I.), die Ingenieurleistungen der Antragsgegnerin zu 2) sach- und fachgerecht erbracht sind (Ziffer II.), welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine sach- und fachgerechte Ausführung herbeizuführen (Ziffer IV. 1.), welche Kosten hierfür anfallen (Ziffer IV. 2.) und wie hoch die Betriebskosten der Heizungs- und Lüftungsanlage in den Kalenderjahren 2017, 2018 und 2019 gewesen wären, wenn die Antragsgegnerin zu 1) diese sach- und fachgerecht erstellt und die Antragsgegnerin zu 2) sie sach- und fachgerecht geplant und ihre Errichtung ordnungsgemäß überwacht hätte (Ziffer IV. 3.).

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 26.05.2021 (Bl. 167 ff. LGA) den Anträgen auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens weit überwiegend entsprochen und lediglich hinsichtlich der Beweisfrage zu Ziffer IV. 3. den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung der teilweisen Zurückweisung hat es angeführt, dieser Antrag sei unzulässig, da er entgegen § 485 Abs. 2 ZPO nach Anhängigkeit der Hauptsache unter dem Aktenzeichen 10 O 199/20 LG Köln gestellt worden sei; die mit dem Antrag zu Ziffer IV. 3. gestellte Beweisfrage nach den bei mangelfreier Erstellung notwendigen Betriebskosten (Strommehrkosten) sei auch Gegenstand des Verfahrens unter dem Aktenzeichen 10 O 199/20 LG Köln. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Landgericht den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen 10 O 199/20 LG Köln nach § 148 ZPO bis zum Abschluss der Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren zu den Beweisfragen I. und III. ausgesetzt.

Gegen die teilweise Zurückweisung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahren hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 07.06.2021 (Bl. 183 LGA) sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 06.07.2021 (Bl. 196 LGA) teilweise – in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2) – abgeholfen, da diese am Rechtsstreit 10 O 199/20 nicht beteiligt ist. Im Übrigen hat es der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens hinsichtlich der Beweisfrage zu Ziffer IV. 3. in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1) zu Unrecht zurückgewiesen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein während eines Streitverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren dann zulässig wird, wenn die Aussetzung des Streitverfahrens beschlossen wird (so Ulrich, Selbständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen, 2. Aufl. 2008, 3.4.1 Rn. 20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.1983 – 21 W 45/83, JurBüro 1984, 280 – ergangen zur alten Rechtslage vor Inkrafttreten des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes vom 17.12.1990, BGBl. I 1990, 2847).

Die Zulässigkeitssperre des § 485 Abs. 2 ZPO kommt vorliegend schon deswegen nicht zum Tragen, da auch in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1) keine Identität zwischen der Beweisfrage zu Ziffer VI. 3. des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens und dem zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) unter umgekehrten Rubrum geführten Rechtsstreit zum Aktenzeichen 10 O 199/20 LG Köln besteht.

Zwar sind die von der Antragstellerin behaupteten Mängel an der Heizungs- und Lüftungsanlage, wegen derer sie mit dem Antrag zu Ziffer IV. 3. die Ermittlung etwaiger Strommehrkosten begehrt, auch Gegenstand des Rechtsstreits zum Aktenzeichen 10 O 199/20 LG Köln. Um im vorgenannten Rechtsstreit dem Anspruch auf Feststellung des Nichtbestehens des von der Antragstellerin vorgerichtlich geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz angeblich entstandener Strommehrkosten für die Kalenderjahre 2017 und 2018 nachzugehen, ist im dortigen Verfahren Beweis darüber zu erheben, ob die von der Antragsgegnerin zu 1) erstellte Heizungsanlage fachgerecht errichtet und gewartet worden ist.

Eine Identität von Beweisantrag zu Ziffer IV. 3. und dem anhängigen Rechtsstreit liegt gleichwohl auch in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1) nicht vor. Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 22.07.2004 – VII ZB 3/03, NZBau 2004, 550) hat im Fall einer umgekehrten Parteirolle – Mängelansprüche im selbständigen Beweisverfahren einerseits und Vergütungsklage des Bauunternehmers andererseits – offengelassen, ob ein Hauptsacheverfahren auch dann vorliegt, wenn der Antragsteller sich gegen eine vom Antragsgegner erhobene Klage mit Ansprüchen verteidigt, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens stehen. Nach Auffassung des Senats ist dies jedenfalls für den Fall einer negativen Feststellungsklage zu verneinen. Eine negative Feststellungsklage der Antragsgegnerseite sperrt nach Ansicht des Senats nicht die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens der Antragstellerseite nach § 485 Abs. 2 ZPO (a.A.: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 1. Aufl. 2015, Rn. 37). Im Falle der negativen Feststellungsklage ist Herrin des Verfahrens die Antragsgegnerseite; sie kann das Verfahren – etwa durch (teilweise) Klagerücknahme bis zur mündlichen Verhandlung – einseitig beenden oder beschränken, bevor eine umfassende Tatsachenfeststellung und damit eine Klärung etwaiger Rechte der Antragstellerseite stattgefunden hat und ohne dass die Antragstellerseite hierauf Einfluss nehmen könnte. Angesichts dessen der Antragstellerseite das Recht auf selbständige Beweisermittlung zu verwehren, erscheint nicht sachgerecht. Dies gilt umso mehr, als die Verteidigung gegen eine negative Feststellungsklage nicht die Verjährung des mit dieser Klage geleugneten Anspruchs hemmt (vgl. BGH, Urteil vom 15.08.2012 – XII ZR 86/11, NJW 2012, 3633; Werner/Pastor/Manteufel, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Rn. 403; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl. 2022, § 204 Rn. 3). Bei Annahme einer Zulässigkeitssperre nach § 485 Abs. 2 ZPO würde der Antragstellerseite sodann auch die Möglichkeit genommen, eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB herbeizuführen und sie würde zur Verjährungshemmung letztlich gezwungen, die geleugneten Ansprüche ihrerseits rechtshängig zu machen. Sie müsste den Anspruch zudem mit der Leistungsklage geltend machen ohne die Möglichkeit der vorherigen Klärung der Anspruchshöhe durch ein Sachverständigengutachten im selbständigen Beweisverfahren. Dies würde weder dem Interesse der Antragstellerseite an einer zweckmäßigen und kostengünstigen Beweisermittlung gerecht noch würde es dem Gesetzeszweck entsprechen, wonach es gerade Ziel des selbständigen Beweisverfahrens ist, einen Rechtsstreit zu vermeiden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drs. 11/3621, S. 1, 2 und 23). Das Vorgehen des Landgerichts entspricht im Übrigen auch nicht der Prozessökonomie, da es ohnehin die Beweiserhebung im Beweisverfahren zum Anspruchsgrund gegenüber beiden Antragsgegnern und zur Anspruchshöhe gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) angeordnet hat und zudem das Hauptsacheverfahren bis zum Abschluss des Beweisverfahrens ausgesetzt hat. Damit hat es allein noch die Klärung der Anspruchshöhe – sofern es darauf für die negative Feststellungsklage noch ankommt – dem nach seiner Ansicht vorrangigen Hauptsacheverfahren vorbehalten.

2.

Eine Kostenentscheidung ist bei der in der Sache erfolgreichen Beschwerde nicht veranlasst. Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens wird innerhalb des Verfahrens nach §§ 485 ff. ZPO grundsätzlich nicht entschieden, auch nicht in einer Beschwerdeentscheidung. Eine Kostenerstattung ist grundsätzlich nur und erst im Hauptsacheprozess möglich (OLG Celle, Beschluss vom 09.04.2015 – 13 W 18/15; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 13.05.1999 – 1 W 125/99, VersR 2000, 891; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.09.1999 – 22 W 49/99, BeckRS 1999, 17005 Rn. 15).

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