Verwaltungsgericht Hamburg
Az.: 1 See 2/2000
Beschluß vom 11.04.2000
O R I E N T I E R U N G S S A T Z
Der Führer einer Segelyacht mit einem Blutalkoholgehalt (BAK) von mehr als 1,1 %o ist absolut fahruntüchtig. Dies rechtfertigt die vorläufige Entziehung des Sportbootführerscheins See.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die vorläufige Anordnung des Seeamtes Hamburg vom 7. Februar 2000, durch die ihm der Sportbootführerschein See vorläufig entzogen und durch weitere Anordnung vom selben Tag die sofortige Vollziehung angeordnet wurde.
Der Antragsteller ist Inhaber des Sportbootführerscheins See Nr. …, ausgestellt unter dem 11. Juli 1990 vom Prüfungsausschuß des Deutschen Motor Yacht Verbandes/Deutschen Segler Verbandes.
Am 9. Juli 1999 segelte die Segelyacht „J.“ von Wedel kommend die Elbe abwärts. An Bord befanden sich der Antragsteller, dessen Vater und zwei weitere Mitsegler, die zuvor – nach Angaben von Zeugen mit Ausnahme des Vaters des Antragstellers – bei einem Mittagessen alkoholische Getränke zu sich genommen hatten. Gegen 15 Uhr 11 kam es in Höhe der Tonnen 95 bzw. 97 zu einer Kollision mit dem die Elbe aufwärts fahrenden Schubverband „SCH …“. Ursache dafür war, daß der Bootsführer der Segelyacht mehrere Wendemanöver („Zick-Zack-Kurs“) gefahren hatte. Die Segelyacht wurde dabei in erheblichem Umfang beschädigt und zwei ihrer Besatzungsmitglieder wurden verletzt. Wer im Zeitpunkt der Kollision der Bootsführer der Segelyacht war, konnte nicht festgestellt werden. Denn die an Bord anwesenden Personen hatten zunächst gegenüber den nach dem Anlegen des Schiffes im Hafen des Motor Yacht Clubs in Stade vor Ort eintreffenden Polizeibeamten angegeben, daß der Antragsteller die Segelyacht im Zeitpunkt der Kollision gesteuert hätte. Infolgedessen war auch nur bei dem Antragsteller eine Blutalkoholbestimmung angeordnet worden, obgleich die vor Ort befindlichen Polizeibeamten bei der gesamten Besatzung der Segelyacht Atemalkohol festgestellt hatten. In ihren späteren Vernehmungen als Zeugen widerriefen diese ihre Aussagen und gaben an, der Vater des Antragstellers habe die Segelyacht in Zeitpunkt der Kollision geführt und erst danach, kurz vor dem Erreichen des Hafens in Stade, das Ruder an den Antragsteller überreicht. Bei dem Antragsteller wurde aufgrund der Blutalkoholbestimmung ein Wert von 1,27 Promille zur Blutentnahmezeit um 18 Uhr 25 festgestellt.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2000 ordnete die Antragsgegnerin die vorläufige Entziehung des Sportbootführerscheins des Antragstellers an und erklärte diese Anordnung für sofort vollziehbar. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, daß der Antragsteller durch seinen alkoholbedingten Zustand Menschenleben erheblich gefährdet und eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit des Schiffsverkehrs am 9. Juli 1999 verursacht habe. Bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete die Antragsgegnerin ein besonderes öffentliches Interesse damit, daß der Antragsteller nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen durch sein Fehlverhalten, daß er infolge des Genusses alkoholische Getränke einen Blutalkoholwert von 1,27 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme gehabt und damit die Sicherheit der Schiffahrt und die Sicherheit der Menschen an Bord erheblich gefährdet habe, ein besonderes öffentliches Interesse gegeben sei, ihn am Führen von Wasserfahrzeugen auf den Seeschiffahrtsstraßen der Bundesrepublik Deutschland so lange zu hindern, bis in einem seeamtlichen Untersuchungsverfahren die Frage geklärt sei, ob ihm eine Eigenschaft fehle, die für das Führen von Sportfahrzeugen erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 22. Februar 2000 legte der Antragsteller gegen die Entscheidung Widerspruch ein.
Am selben Tage hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Hamburg die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt.
Der Antragsteller hält die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2000 für rechtswidrig: Zwar sei zutreffend, daß er an Bord Alkohol zu sich genommen habe. Er habe jedoch keine andere Möglichkeit gesehen, zumal eine Alkoholbeeinträchtigung nicht vorgelegen habe, als das Anlegemanöver für seinen Vater, der dazu nicht in der Lage gewesen sei, durchzuführen und das Ruder kurz vor der Anfahrt des Hafens in Stade zu übernehmen. Unverständlich sei auch, daß die vorläufige Anordnung erst sieben Monate nach dem Vorfall erlassen worden sei.
Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und führt aus, daß die Sicherheit der Schiffahrt diese Anordnung erfordere: Es sei grundsätzlich einzuräumen, daß die vorläufige Anordnung im Interesse der Sicherheit der Schiffahrt besser frühzeitiger ergangen wäre. Daß die vorläufige Anordnung über sieben Monate nach dem Vorfall erlassen worden sei, erkläre sich daraus, daß das zuständige Seeamt erst Ende Oktober 1999 die Akten vorgelegt bekommen habe. Im übrigen sei die einmal gewonnene Erkenntnis des Vorliegens dringender Gründe im Hinblick auf § 14 Abs. 6 SeeUG nicht wegen der bereits vergangenen Zeit zu ignorieren. Sie, die Antragsgegnerin gehe nach den vorläufigen Ermittlungsergebnissen davon aus, daß der Antragsteller die Segelyacht im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses geführt habe. Unglaubwürdig sei, daß der Antragsteller das Ruder von seinem Vater kurz vor Einfahrt in den Hafen Stade übernommen habe, weil diesem das Führen der Segelyacht infolge der Ereignisse nicht mehr möglich gewesen sei. Denn der Vater des Antragstellers habe dies ab der Kollision bis vor den Hafen sehr wohl gekonnt und zwar über eine Entfernung von vier Seemeilen, was einer Fahrzeit von ca. einer dreiviertel Stunde entspreche. Insbesondere rechtfertige dies eine Übernahme des Steuers durch den unter Alkohol stehenden Antragsteller nicht.
Dem Gericht haben die Akten der Antragsgegnerin über die seeamtliche Untersuchung sowie die Akte der Staatsanwaltschaft vorgelegen. Auf diese Akten sowie die Gerichtsakte wird Bezug genommen.
II.
Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Spruch des Seeamtes wird nicht wiederhergestellt.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durfte durch die Antragsgegnerin erfolgen und ist von dieser ausreichend begründet worden. Die Antragsgegnerin hat auch bei der insoweit gebotenen Abwägung zu Recht festgestellt, daß dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der vorläufigen Entziehung des Sportbootführerscheins der Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers gebührt, bis zur Entscheidung über den Widerspruch weiter als Führer eines Sportbootes am Schiffsverkehr teilzunehmen.
Bei der insoweit im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der Widerspruch erfolglos bleiben dürfte. Die Entscheidung des Seeamtes dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr.4 VwGO, für die die Antragsgegnerin zuständig war, enthält die nach § 80 Abs.3 VwGO erforderliche ausdrückliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung der vorläufigen Entziehung des Sportbootführerscheins.
Die Anordnung des Sofortvollzugs selbst stand im Ermessen der Antragsgegnerin. Sie hat rechtsfehlerfrei ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Entscheidung vom 7. Februar 2000 angenommen. Bei der Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses und des privaten Interesses, bis zur endgültigen Entscheidung von der Maßnahme verschont zu bleiben, sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs –hier des Widerspruchs des Antragstellers- maßgeblich. An diesem Maßstab ändert sich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nichts dadurch, daß bereits einige Monate seit dem Vorfall vergangen sind. Nach summarischer Prüfung wird der Widerspruch aller Voraussicht keinen Erfolg haben.
Rechtsgrundlage der durch den Widerspruch angefochtenen Entscheidung ist § 19 Absatz 1 Satz 1 und 2 i. V. m. Abs. 3 des Gesetzes über die Untersuchung von Seeunfällen (Seeunfalluntersuchungsgesetz -SeeUG) vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2146). Danach hat die Antragsgegnerin eine Fahrerlaubnis für Sportboote zu entziehen, wenn sie ein fehlerhaftes Verhalten des Inhabers festgestellt hat und aufgrund der Verhandlung zu der Überzeugung gelangt ist, daß der Inhaber zur Führung eines Sportbootes auf Seeschiffahrtsstraßen ungeeignet ist (§ 19 Abs. 3 SeeUG).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zu Recht hat die Antragsgegnerin ein fehlerhaftes Verhalten des Antragstellers dahingehend festgestellt, daß er am 9.Juli 1999 die Segelyacht „J.“ im Zustande alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit zumindest bei der Einfahrt in die Schwinge und den Stader Hafen geführt hat. Damit hat der Antragsteller eine Straftat nach § 316 StGB begangen. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer im Verkehr –auch im Schiffsverkehr- ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke … nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen ist u.a. derjenige, bei dem absolute Fahrunsicherheit besteht. So liegt es hier, denn der Antragsteller wies noch drei Stunden nach dem Anlegen der Segelyacht einen Blutalkoholwert von 1,27 Promille auf. Damit ist unwiderleglich zu vermuten, daß der Antragsteller nicht in der Lage war, ein Fahrzeug sicher zu führen, denn die Rechtsprechung nimmt für alle Führer von Fahrzeugen im Verkehr eine absolute Fahrunsicherheit bei einem Grenzwert von mindestens 1,1 Promille an (vgl. BGH Bd. 37,S.89; Schönke/Schröder, StGB Kommentar, § 316 Rdnr.9 ff.). Rechtsgut der Strafvorschrift des § 316 StGB, eines sogenannten abstrakten Gefährdungsdelikts, ist u.a. auch die Verkehrssicherheit auf See. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten im Sinne dieser Vorschrift stellt zugleich ein fehlerhaftes Verhalten nach §§ 18, 19 Abs.3 i.V.m. Abs.1 Satz 2 SeeUG dar.
Das Gericht glaubt dem Antragsteller im übrigen nicht, daß er nur deshalb das Ruder der Yacht kurz vor dem Einlaufen in den Yacht Hafen von Stade übernommen habe, weil sein Vater dazu infolge der Aufregungen durch den Unfall nicht mehr in der Lage gewesen sei. Das Gericht hält dies für eine bloße Schutzbehauptung. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Vater dem erheblich angetrunkenen Sohn nun gerade das Ruder für das regelmäßig kompliziertere Einfahrt- und Anlegemanöver überlassen haben sollte. Der Unfall lag zu dieser Zeit bereits etwa eine Stunde zurück. Gründe dafür, dass der Vater des Antragstellers als erfahrener Bootsführer –er besitzt den Motorbootführerschein seit 1971 und segelt nach seinen Angaben seit 40 Jahren- sich zu dieser Zeit plötzlich zu einem weiteren Führen des Bootes nicht in der Lage sah, sind weder ersichtlich noch von dem Antragsteller im einzelnen vorgetragen worden. Das von dem Vater des Antragstellers nachträglich zur Erklärung verwendete Wort, „wir standen alle unter Schockwirkung“, erklärt dies gerade nicht. Ein Schock im medizinischen Sinne dürfte mit Sicherheit nicht vorgelegen haben. Vom Schreck des Unfalls dürfte allein durch den Zeitablauf eine gewisse Erholung eingetreten gewesen sein.
III.
Dem Antragsteller sind nach § 154 Abs.1 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
IV.
Die Kammer hat den Streitwert nach §§ 13 Abs.1 Satz 2, 20 Abs.3 GKG auf 4.000 DM festgesetzt.
V.
Nach § 23 Abs.2 Satz 1 SeeUG ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung ausgeschlossen.