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Staatsexamen: Verwendung von Klausuren aus anderen Bundesländern rechtmäßig?

OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN

Aktenzeichen: OVG 4S 23.03 VG 12 A 1256.02

BESCHLUSS vom 26.02.2004


In der Verwaltungsstreitsache wird die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. Februar 2003 zurückgewiesen.

Der Rechtsbehelf stützt den Anordnunganspruch (vorläufig erneutes Zulassen zur Wiederholung des zweiten juristischen Staatsexamens) wesentlich (noch) auf den Aspekt (sinngemäß:), das Justizprüfungsamt hätte zwei Klausuren (S I und V I) bei der schriftlichen Prüfung Mai 2002 nicht verwenden dürfen, weil eine von ihnen in Nordrhein-Westfalen (2001), die andere in Bayern (dito 2001) ausgegeben gewesen sei, dortige Examenskandidaten den Sachverhalt und Stichworte zur Lösung über eine Internetfirma publiziert gehabt hätten (Mitte Juni 2001, Anfang Oktober 2001), wovon einige Prüflinge im Gegensatz zu ihr, der Antragstellerin, gewusst hätten. Im Übrigen wird darauf beharrt, die Antragstellerin sei durch Kenntniserlangen vom (behaupteten) Vorteil jener Kandidaten relevant in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt worden (Prüfungsunfähigkeit).

Soweit der Rechtsbehelf den formellen Anforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) genügt, überzeugt er materiell nicht (weshalb der Gesichtspunkt unberücksichtigt bleiben mag, dass die Antragstellerin ihre Unkenntnis der „Klausuren“ nicht, wie wohl geboten, eidesstattlich versichert hat).

II. Die Chancengleichheit ist nicht verletzt.

Das prüfungsrechtliche Prinzip (siehe u.a. BVerfGE 79, 212, 220 f.; BVerwG Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189 [Seite 167], Nr. 388 [Seite 213]) mit seinen Verfahrens- und Sachfunktionen (dazu etwa Lindner BayVBI. 1999, 100 ff.) determiniert allerdings auch, gerade auch die Wahl von Prüfungsaufgaben, von Klausuren, ihre Zubereitung etc.: Prüflinge müssen eben generell Gelegenheit erhalten, ihre Leistungen (hier auf Grund vorhandener Rechtskenntnisse etc.) unter möglichst gleichen Bedingungen zu erbringen, müssen (so gesehen) entsprechende Erfolgschancen haben; das Prüfungsamt darf Kandidaten weder bevorzugen noch benachteiligen (siehe zum Thema Prüfungsaufgaben BFH NVwZ-RR 2000, 299, 300; BVerwG NVwZ-RR 1994, 585).

Deshalb ist nicht nur rechtswidrig wenn eine Aufgabe gestellt wird, die ein Mitglied der Prüfbehörde, ein Prüfer Kandidaten zur Vorbereitung gestellt hat (BVerwG Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; Beschluss des ehemals zuständigen Senats des OVG Berlin vom 26. Juni 1998 OVG 7 N 15.98), sondern überhaupt wenn die Behörde die Klausur in Kenntnis der Tatsache ausgibt, dass die Lösung der Arbeit einem Teil der Aspiranten sachwidrig geläufig geworden ist (BVerwG NVwZ-RR 1994, 585 [Absprache zwischen Prüfer und Repetitor]). Es muss soweit möglich Vorsorge gegen „derartige“ bzw. entsprechende „Zufälle“ getroffen werden, nämlich, dass einige Prüflinge die Aufgabe, die Lösung kennen (BVerwG NVwZ-RR 1994, 585), deswegen „besonders gut vorbereitet“ sind (BVerwG NVwZ-RR 1994, 585), die Aufgabe unter Verletzung des Gebots der Chancengleichheit trotzdem gestellt wird (wie etwa, eben, im Fall BVerwG Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189 o.a.).

Es verhält sich jedoch nicht etwa so, es gibt keinen solchen prüfungsbezogenen Rechtssatz, dass die Prüfungsbehörde bei der Auswahl ihrer Arbeiten nicht auf veröffentlichte Fälle zurückgreifen dürfte (BVerwG NVwZ-RR 1994, 585 [Wirtschaftsprüferexamen, jedoch generalisierend]). Vielmehr kann eventuell das notwendige Fachwissen sogar nur dadurch ermittelt werden, dass „bekannte Fälle“, in der Literatur (speziellen Fallsammlungen etc. pp.) publizierte Arbeiten verwandt werden (BVerwG wie zuletzt zitiert; siehe auch BFH NVwZ-RR 2000, 299, 300), welche durchaus schon (je nachdem: modifiziert) als Klausuren gedient haben mögen. Von den erwähnten Medien unterscheidet sich das Internet insofern, hier, nicht, ansonsten durch die leichtere (billigere) Erreichbarkeit der entsprechenden Web-Seiten (das Niveau dortiger Angaben [welche der Anbieter der hier relevanten Seite selbst mit erheblichen Fragezeichen versieht] noch beiseite gelassen).

Wenn die Antragstellerin hervorgehoben hat, es seien die Art der Klausur, ihre Qualität als schon einmal von einer (anderen) Prüfbehörde ausgegebene, ihre „größere Authentizität“, wenn der Rechtsbehelf den Grund wahrscheinlicher Bekanntheit (arg.: Internet), entsprechende Wahrscheinlichkeit übungsweiser Bearbeitung durch Kandidaten postuliert, betont, spezielle Vorkehrpflicht der Antragsgegnerin (Einsicht ins Internet, Aussondern der Klausuren) behauptet und vernachlässigt sieht, verschlägt die Argumentation jedoch nicht.

Ob das Prüfungsamt etwa gehalten sein könnte, Klausuren anderer Prüfungsämter zum Beispiel stets nur nach Änderung zu verwenden, muss nicht problemati-siert werden.

Abgesehen davon, dass es an den (vom BVerwG NVwZ-RR 1994, 585 entwickelten) Kriterien für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, der Zurechenbarkeit, relevanter „Bevorzugung“ fehlt, enthalten die von ehemaligen Prüflingen anderer Bundesländer zu den hier strittigen Klausuren (alsbald nach dem „Termin“) gemachten Angaben nicht nur nicht notwendig die vom jeweiligen (anderen) Prüfungsamt erwartete Lösung, sondern vielmehr fast durchweg nur Stichworte, nahezu keine Argumente, überhaupt keine Ausarbeitung (die erstinstanzliche Version „Musterlösung“ war falsch, ist fallen gelassen).

Die „besonders gute Vorbereitung“ einiger Kandidaten (Kriterium im Fall BVerwG NVwZ-RR 1994, 585), wie spezielle Vorbereitung durch einen Prüfer (BVerwG Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 190 [Seite 168]), durch einen Prüfer in einer zeit-, sachnahen Lehrveranstaltung (OVG Berlin, 7. Senat wie zitiert), eventuell Repetitor (BVerwG NVwZ-RR 1994, 585 [bei Absprache mit Prüfer]) o.a. ist nicht glaubhaft gemacht; nicht einmal sind es beachtliche (wie der Rechtsbehelf argumentiert) „vorkenntnisbedingte Bearbeitungsvorteile“. Die Beschwerde behauptet nur, dass Examensvorbereitung von Kandidaten, welche die hier genannte Internet-Adresse, Web-Seite besucht haben (sollen), die betreffenden zwei Klausuren „gezielt erfassen würde“, sie erfasst habe. Der Schluss aus dem (postulierten) Bekanntheitsgrad der genannten Web-Seite ist aber nicht per se behelflich. Unstrittig stellen die (anderen) Prüfungsämter dem Antragsgegner jährlich etwa sechzig bis siebzig Klausuren zur Verfügung (die sich schon über wenige Jahre hochrechnen). Das legt die Erwägung zumindest ebenso nahe, dass es uneffektiv, dass der Zeitaufwand in Relation zur Quote potenzieller Treffer unverhältnismäßig wäre, ungesicherte Internetversionen amtlicher „Klausuren“ quasi prophylaktisch, nachhaltig zu bearbeiten. Dass, warum es sich in con-creto anders verhalten haben könnte, ist weder behauptet noch detailliert.

2L Zum Thema Prüfungs(un)fähigkeit genügt die Beschwerde dem Prozessrecht nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die (nach Bekanntgabe des negativen Prüfungsergebnisses gebrachte) Version, die Antragstellerin sei, als sie von den Internetklausuren etc. erfahren gehabt habe, „von einem Tag zum anderen völlig aus dem Gleichgewicht geworfen“ gewesen, habe deshalb, prüfungsunfähig, keine der weiteren Klausuren (mehr) bestanden, argumentativ verworfen. Mit der jedenfalls angesichts dessen substanzlosen Behauptung, die entsprechenden „Prüfungsbelastungen“ seien „erheblich …“ gewesen, ist die gebotene Auseinandersetzung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) nicht geleistet.

Im Übrigen teilt der Senat die Wertung des Beschlusses.

III. Der Pauschalbezug auf erstinstanzliches Vorbringen ist ohnehin entsprechend irrelevant (unstrittige, st. Rspr. zum Beschwerderecht).

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt (§ 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz1,§ 14 Abs. 1 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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