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Neufahrzeug bei einjähriger Standzeit, Roststellen usw.?

OBERLANDESGERICHT KÖLN

Az.: 12 U 9/87

Verkündet am 19.10.1987

Vorinstanz: LG Köln – Az.: 2 O 243/85


 In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 1987 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 03. Dezember 1986 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer. des Landgerichts Köln – 2 O 243/85 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.660,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.06.1985 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges M Fahrgestellnummer: XXXXX

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie bis auf einen Teil des Zinsanspruchs Erfolg.

1. Die Beklagte ist gemäß § 463 Satz 1 BGB verpflichtet, an den Kläger 11.660,00 DM Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw ’s zu zahlen, da der Kaufsache im Zeitpunkt der Übergabe eine zugesicherte Eigenschaft im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB gefehlt hat.

Der von dem Kläger hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist begründet.

a) Die Beklagte hat dem Kläger ein Neufahrzeug verkauft. Bei einem derartigen Geschäft sichert ein Verkäufer mangels abweichender Absprachen grundsätzlich die Eigenschaft zu, daß das Fahrzeug „fabrikneu“ sei. Diese Eigenschaft hat wiederum einen mehrfachen Erklärungsinhalt, nämlich daß

– das Modell unverändert weitergebaut wird, also keinerlei Änderungen in der Technik oder in der Ausstattung aufweist,

– keine standzeitbedingten erheblichen Mängel entstanden sind,

– nach dem Verlassen des Herstellerwerkes keine erheblichen vor der Auslieferung nachgebesserte Beschädigungen aufgetreten sind,

– und das Fahrzeug vor der Übergabe an den Käufer keine längere „ungeklärte“ Fahrtstrecke zurückgelegt hat, (einhellige Meinung z. B. BGH NJW 1980, 1097; BGH NJW 1980, 2127; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1156; OLG Köln – 20. Zivilsenat – DAR 1982, 403; OLG Hamm DAR 1983, 357; OLG München DAR 1984, 60; OLG Nürnberg DAR 1985, 81).

Ein derartiger Regelfall liegt hier vor, was auch dadurch deutlich wird, daß dem Kaufvertrag allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Verkauf von „fabrikneuen“ Kraftfahrzeugen und Anhängern zugrunde lagen. Eine vom normalen Erklärungsinhalt abweichende Absprache behauptet die Beklagte nur zu einem Punkt, nämlich zur Modellaktualität mit ihrem Vortrag, der Kläger sei darauf hingewiesen worden, daß es sich-um ein „Auslaufmodell“ handele. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte durch die Aussage der Zeugin Ziegler den ihr obliegenden Beweis (vgl. zur Beweislast OLG Köln a.a.O.) für einen derartigen Hinweis erbracht hat. Auf die Frage eines Fehlens der Modellaktualität kommt es dann nicht an, wenn dem Fahrzeug aus einem anderen Grund die zugesicherte Eigenschaft der „Fabrikneuheit“ im Zeitpunkt der Übergabe gefehlt hat. Dies ist hier der Fall. Die Produktion des Fahrzeuges war bereits im September 1983 eingestellt worden, es war also im Zeitpunkt der Übergabe bereits vor circa einem Jahr beim Herstellerwerk vom Band gerollt. In der Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, daß ein zum Zeitpunkt der Veräußerung ein Jahr altes Fahrzeug nicht mehr fabrikneu sei (OLG Braunschweig DAR 1976, 301), während die wohl überwiegende Meinung erst bei längeren Standzeiten dem Fahrzeug die Eigenschaft „fabrikneu“ abspricht (vgl. BGH NJW 1980, 1097 verneinend für eine Standzeit von 10 – 12 Monaten; OLG Hamm DAR 1983, 357 bejahend für eine Standzeit von 18 Monaten jeweils m. w. N.). Einer Entscheidung zu diesem Meinungsstreit bedarf es nicht, da auch auf der Grundlage der herrschenden Meinung ein Fahrzeug dann nicht mehr „fabrikneu“ ist, wenn standzeitbedingte Mängel aufgetreten sind (BGH NJW 1980, 1097, 2127). Hierzu gehören insbesondere auch erhebliche Rostschäden, die umfangreiche Nachlackierungsarbeiten erforderlich machen (OLG Düsseldorf, NJW 1982, 1156).

Hier reicht die Feststellung des Sachverständigen W. , die ursprüngliche Ursache des späteren Rostbefalls sei auf eine unsaubere Arbeit bei dem Herstellerwerk zurückzuführen, zwar noch nicht aus, um dem Fahrzeug die Eigenschaft „fabrikneu“ zu nehmen, da diese keine Fehlerfreiheit beinhaltet (BGH NJW 1980, 2127). Der Sachverständige hat jedoch auch die weitere an ihn gerichtete Frage bejaht, ob die Rosterscheinungen bereits bei Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger vorhanden waren. Diese Feststellung des Sachverständigen ist, auch wenn er sie nicht weiter begründet, nachvollziehbar und überzeugend; denn sie steht mit allgemeinen Erfahrungstatsachen in Einklang. Ein Rostbefall an einem Pkw entsteht in einem länger dauernden und fortschreitenden Prozeß. Wenn aber im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen im Juli 1986 – insoweit von der Beklagten nicht angegriffen – die Rosterscheinungen so weit fortgeschritten waren, daß eine Beseitigung nur mit einem Kostenaufwand von 2.430,00 DM möglich war, entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, daß der Prozeß des Rostbefalls bereits während der Standzeit begonnen hat und bereits im Zeitpunkt der Übergabe Rostansätze vorhanden waren. Auch ist die Beklagte bereits im ersten Rechtszug dem Vorbringen des Klägers nicht entgegengetreten, er habe sie kurz nach der Auslieferung des Fahrzeuges auf Rostschäden am Bremszylinder und am Auspuff hingewiesen, worauf sie einen Nachbesserungsversuch unternommen habe. Gerade weil hiernach ein Beginn des Rostbefalls kurz nach der Auslieferung des Pkw ’s wegen der beiden Teile als unstreitig zu behandeln ist, geben die in der Berufungsverhandlung vorgetragenen Einwendungen der Beklagten gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen keinen Anlaß für die Einholung eines weiteren Gutachtens. Soweit

der Sachverständige seinen Schluß auf das Vorhandensein der Rostansätze auch auf Äußerungen des Zeugen Flügel anläßlich des Ortstermins stützt, handelt es sich nur um eine zusätzliche Erwägung, mit der er das bereits aufgrund einer Untersuchung des Fahrzeuges gewonnene Ergebnis nur erhärten will.

Da hiernach davon auszugehen ist, daß die ursprünglich vorhandenen Herstellungsmängel sich nachträglich weiter verschlechtert haben, und zwar standzeitbedingt, fehlte der Kaufsache die zugesicherte Eigenschaft einer Fabrikneuheit.

b) Der Kläger braucht sich wegen des Rostbefalls auch nicht auf eine Nachbesserung verweisen zu lassen, und zwar unabhängig davon, ob eine Nachbesserungsmöglichkeit besteht. Diese würde nur dem in erster Linie verfolgten Wandlungsbegehren entgegenstehen. Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung bei einem Fehlen zugesicherter Eigenschaften bleibt nach Ziffer VII 9. der Geschäftsbedingungen der Beklagten von der Modifikation der Gewährleistungsansprüche im übrigen unberührt.

c) Das weitere Vorbringen der Beklagten, der Kläger habe gerade wegen der schlechten Erfahrungen mit dem ursprünglich gekauften Fahrzeug das Ersatzfahrzeug eingehend untersucht und er habe die Mängel gerügt, die aus der im Termin überreichten Urkunde ersichtlich seien, rechtfertigt keinen Ausschluß der Haftung der Beklagten nach § 460 Satz 1 BGB.

Sie behauptet selbst nicht, daß dem Kläger Rostansätze bekannt gewesen seien. Eine etwaige grobe Fahrlässigkeit des Klägers würde eine Haftung der Beklagten nur für Fehler der Kaufsache im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB entfallen lassen, nicht aber die Haftung für zugesicherte Eigenschaften, § 460 Satz 2 BGB.

d) Der Klageanspruch ist auch nicht verjährt; denn zwischen den Parteien ist nicht mehr im Streit, daß dem Kläger eine Garantie von einem Jahr gewährt worden ist. Die Garantiefrist war im Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 28. Juni 1985 noch nicht abgelaufen.

e) Der Höhe nach kann der Kläger im Rahmen seines Schadensersatzanspruchs einem Austausch der beiderseits erbrachten Leistungen beanspruchen (vgl. BGHZ 29, 148 „Großer“ Schadensersatzanspruch). Er hat sich darüber hinaus die gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen. Dem hat er durch seine

Fassung des Klageantrages und die Ermäßigung in der mündlichen Verhandlung Rechnung getragen. Bedenken gegen seine Berechnungsweise zur Bewertung der Nutzungen (0,67 g6 des Kaufpreises pro 1.000 km = 107,80 DM) hat der Senat nicht (vgl. zu dieser Berechnungsweise auch OLG Nürnberg DAR 1985, 81 sowie OLG Köln -z. ZS Urteil vom 20.9.1987 – 2 U 170/86 – ). Bei einer Laufleistung von nunmehr 40.143 km, wäre ein Betrag von 40,143 x 107,80 DM = 4.327,42 DM anzurechnen. Nach Abzug dieses Betrages von dem Kaufpreis zuzüglich der dem Kläger berechneten Nebenkosten (insgesamt 16.090,01 DM verbleiben 11.762,57 DM, also ein Betrag der über dem nunmehr nur noch geltend gemachten 11.660,– DM liegt.

2. Zinsen kann der Kläger gemäß § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit beanspruchen. Da nur das hilfsweise verfolgte Schadensersatzbegehren begründet ist, läßt sich der weitergehende Zinsanspruch nicht auf die für ein Rückgewährschuldverhältnis nach einer Wandlung geltende Vorschrift des § 347 Satz 3 BGB herleiten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf dem §§ 91, 91 a Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 91 a ZPO, daß die Beklagte auch die Kosten des erledigten Teils der Klageforderung zu tragen hat; denn ohne die Veränderung der Sachlage infolge der fortdauernden Nutzung des Pkw %s durch den Kläger wäre die Klage auch insoweit begründet gewesen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.

Beschwer der Beklagten: unter 40.000,01 DM Berufungsstreitwert g) bis zur Abgabe der beiderseitigen

Erledigungserklärungen im Termin vom 24.9.1987: 15.227,59 DM b) für die Zeit danach: 11.660,00 DM.

 

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