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Tätowierung bei Freestyle mangelhaft – Anspruch auf Schadensersatz?

LG Köln – Az.: 4 O 94/19 – Urteil vom 22.12.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine klägerseits behauptete defizitäre Werkleistung des Beklagten auf den Körper des Klägers.

Der Kläger ließ sich ursprünglich auf den rechten Oberarm ein sogenanntes „Tribal“, einen Pantherkopf und einzelne Buchstaben tätowieren. Der Kläger suchte den Beklagten im April 2018 in seinem Tätowierstudio in Brühl auf, um sich bezüglich eines Cover-Ups für die bestehende, oben genannte Tätowierung beraten zu lassen. Er wünschte, die Tätowierung grundsätzlich als Tribal bestehen zu lassen, allerdings sollten diese durch entsprechende Schattierungen einen 3D- Effekt erhalten und dadurch plastischer wirken. Die Parteien vereinbarten eine Bezahlung i.H.v. 300,00 EUR pro Sitzung. Der Kläger unterzeichnete ferner eine Einverständniserklärung. Der Kläger zahlte zudem die vereinbarte Anzahlung i.H.v. 600,00 EUR.

In der zweiten Sitzung erstellte der Beklagte auf dem Oberarm einen flächigen „Malgrund“, die aufgetragene Farbe sollte nach drei Monaten Abheilung heller werden.

Nach zwei Sitzungen sollte das geplante Cover-Up geändert werden in Gestalt von Engelsflügeln. Dies wurde ebenso nach zwei Sitzungen abgebrochen.

Weil der Kläger weiterhin mit der Arbeit nicht zufrieden war, erklärte er die Zusammenarbeit für beendet. Am 18.09.2018 wurde der Beklagte angeschrieben und zur Rückzahlung der Anzahlung i.H.v. 600,00 EUR sowie zur Freistellung der erforderlichen Kosten der Mangelbeseitigung aufgefordert (Anlage K17). Am gleichen Tage erklärte der Kläger dem Beklagten persönlich den Rücktritt.

Der Kläger suchte das I auf, um sich hinsichtlich einer Laserbehandlung zur Entfernung des Tattoos beraten zu lassen (Kostenvoranschlag von 27.10.2018, Anlage K14). Für die Untersuchung musste der Kläger 46,00 EUR aufwenden (Anlage K15). Alternativ suchte er die H Studios in Köln wegen einer Cover-Up-Lösung auf, wo man ihm das C Tattoo Studio in Wesseling empfahl. Gemäß Kostenvoranschlag vom 07.11.2018 wurden 25 Stunden à 150,00 EUR, also ein Gesamtbetrag von 3.750,00 EUR veranschlagt (Anlage K16).

Tätowierung bei Freestyle mangelhaft – Anspruch auf Schadensersatz?
(Symbolfoto: Zamrznuti tonovi/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 17.12.2018 forderte der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von 6.146,00 EUR bis zum 31.12.2018 (Anlage K18). Der Kläger begehrt die Rückzahlung der Anzahlung i.H.v. 600,00 EUR, die Kosten der Mängelbeseitigung i.H.v. 3.750,00 EUR (Quittungen, Anlagen K22 und K26), davon 275,00 EUR als Vorschuss, sowie die Beratungskosten für die Lasertherapie i.H.v. 46,00 EUR. Des Weiteren begehrt er Schmerzensgeld.

Im Zeitraum zwischen Februar und Mai 2019 ließ der Kläger den behaupteten Mangel durch das ….. Studio in Wesseling zum Gesamtpreis von 3.175,00 EUR beseitigen.

Der Kläger behauptet, bei der Beratung mit dem Beklagten habe er diesem eine entsprechende Vorlage mitgebracht (Anlage K2), welche die gewünschte Schattierung mit 3D-Effekt zeige. Der Kläger habe den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schattierungen nicht so dunkel werden dürfe, was aufgrund seiner eher dunkleren Hautfarbe problematisch sei. Bei der zweiten Sitzung habe der Beklagte nahezu den gesamten rechten Oberarm schwarz gestochen. Es seien dadurch nur einfarbige Flächen zu erkennen gewesen. Der Kläger behauptet überdies, die Tätowierung sei nicht fachgerecht ausgeführt worden. Insbesondere habe der Beklagte „freihändig“, also ohne eine Vorlage agiert. Richtig wäre es indes gewesen, die vorhandene Tätowierung des Klägers auf Transparentpapier zu kopieren, hier den gewünschten 3D- Effekt einzuzeichnen und diesen Entwurf zurück auf die Haut zu übertragen sowie anschließend zu stechen. Schließlich habe der Beklagte auch zu tief in die Hautschichten eingestochen. Darüber hinaus sei die Nacherfüllung durch Tätowierung der Engelsflügel fehlgeschlagen. Ferner habe er eine allergische Reaktion feststellen müssen. Die Ursache dieser Erkrankung sei darin zu sehen, dass der Beklagte nicht zugelassene Farben im Sinne der Tätowiermittel-Verordnung verwendet habe oder die erforderlichen Hygienemaßnahmen nicht eingehalten habe. Wegen der völlig missratenen Tätowierungen habe der Kläger ernsthafte psychische Probleme erlitten (Attest vom 12.11.2018, Anlage K13). Der Kläger ist der Ansicht, es sei ein Schmerzensgeld in Höhe von wenigstens 1.750,00 EUR angemessen. Zum Feststellungsantrag behauptet er, durch Stiche mit der Tätowiernadel in die tieferliegenden Hautschichten könnten Infektionen, Allergien und bleibende Hautschädigungen auftreten. Weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen seien daher nicht ausgeschlossen.

Der Kläger beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.396,00 EUR sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und eine Höhe von 1.750,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten Über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 600 EUR seit dem 1.1.2019 sowie weiteren Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.546,00 EUR seit Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Anwaltsgebühren i.H.v. 650,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Zudem beantragt er nunmehr:

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem streitgegenständlichen Vertrag über Tätowierleistungen entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, im Rahmen des ersten Besuchs habe er auf den klägerischen Wunsch hin mitgeteilt, dass dies nicht einfach und langwierig sei und nur dann möglich sei, wenn die neue Überdeckung des alten Tattoos dunkler sei. Ferner sei es erforderlich, dass das neue Bild stärker strukturiert sei. Zudem habe er dem Kläger mitgeteilt, dass es dauere, bis der vorläufige Endzustand erreicht sei. Während des Tätowierens habe der Kläger die Arbeiten des Beklagten jeweils in Etappen verfolgt, sie genehmigt sowie kleine Änderungswünsche geäußert. Alle Arbeiten, die der Beklagte ausgeführt habe, hätten der Absprache zwischen den Parteien entsprochen. Ferner behauptet der Beklagte, die Anzahlung i.H.v. 600,00 EUR zurückgezahlt zu haben. Vor der ersten Sitzung habe der Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit allergischer Reaktionen hingewiesen.

Die Klage ist dem Beklagten am 26.03.2019 zugestellt worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 14.10.2019 (Bl. 38 d.A.) sowie durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 19.08.2020 (Bl. 140 d.A.). Zudem hat das Gericht Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen S gemäß Beweisbeschluss vom 22.04.2021 (Bl. 209 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 07.07.2020 (Bl. 94 ff. d.A.), auf das Ergänzungsgutachten vom 02.11.2020 (Bl. 152 ff. d.A.) sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 22.10.2021 (Bl. 249 ff. d.A.) verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Der Klageantrag zu 1) ist zulässig. Insoweit wird insbesondere dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 ZPO Genüge getan, weil die tatsächlichen schmerzensgeldrelevanten Umstände mitgeteilt sowie ein Mindestbetrag angegeben werden.

Jedoch ist der Klageantrag zu 1) unbegründet. Die beantragten Zahlungen kann der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von dem Beklagten verlangen.

Namentlich hat der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 4.396,00 EUR. Ein solcher Anspruch resultiert insbesondere nicht aus den §§ 346 Abs. 1, 323, 634 Nr. 3 Alt. 1, 636 BGB. Denn mangels Pflichtverletzung besteht schon kein Rücktrittsgrund. Die fehlende Pflichtverletzung steht auch vertraglichen Schadensersatzansprüchen entgegen. In Ermangelung einer deliktischen Handlung kommen auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Beklagten nicht in Betracht.

Die bisher beklagtenseits erbrachte Leistung kann nicht als mangelhaft i.S.d. § 633 BGB bezeichnet werden. Die Tätowierung weist die zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit auf, § 633 Abs. 2 1 BGB. Vereinbart in dem vorgenannten Sinne ist eine im Vertrag festgelegte Beschaffenheit. Welche Beschaffenheit vereinbart worden ist, ergibt sich durch Auslegung des Vertrags als sinnvolles Ganzes. Zur vereinbarten Beschaffenheit gehören alle Eigenschaften des Werks, die den danach vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Dieser bestimmt sich in der Regel nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch welche Funktion das vom Unternehmer herzustellende Werk auf der Grundlage der Vorgaben des Bestellers bei Vertragsschluss nach dem Willen der Parteien erfüllen soll (BGHZ 174, 110 = NJW 2008, 511 = NZBau 2008, 109 = NZM 2008, 94; Palandt/ Sprau § 633 Rn. 6.). Die Tätowierung sollte als „Cover-Up“ die bereits vorhandene Tätowierung umgestalten.

Eine wesentliche Abweichung zu der Vorlage der Anlage K2 kann nicht festgestellt werden, da schon nicht mit hinreichender Überzeugung i.S.d. § 286 ZPO konstatiert werden kann, dass die Anlage K2 als Vorlage fungieren sollte. Nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO ist ein Beweis erst dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung derart überzeugt ist, dass alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind, ohne sie gänzlich auszuschließen. § 286 ZPO verlangt demnach den sogenannten Vollbeweis und stellt mithin hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugung. Mit einer nur überwiegenden Wahrscheinlichkeit darf der Richter sich im Regelfall nicht begnügen (vgl. MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 286 Rn. 35). Es ist zu berücksichtigen, dass der Gegensatz zwischen § 286 ZPO einerseits und § 287 ZPO (freie Überzeugung ohne Bezug auf die Wahrheit) sowie § 294 ZPO (Glaubhaftmachen) vom Gesetz gewollt ist und verdeutlicht, dass im Normalfall der Richter all das noch nicht seiner Entscheidung zugrunde legen darf, wofür nur eine gewisse Plausibilität oder eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht (vgl. MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 286 Rn. 36). Dieser hohe Überzeugungsgrad i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO ist vorliegend erreicht.

Der Beklagte hat bei Vertragsschluss ausreichend darauf hingewiesen, dass die Vorlage aus Anlage K2 nicht eins-zu-eins umsetzbar ist und die neue Tätowierung nicht so aussehen würde. Der Zeuge S hat in nachvollziehbarer und glaubhafter Weise geschildert, dass es dem Vorgehen des Beklagten entspricht, bei „Cover-Ups“ die Kunden darauf hinzuweisen, dass eine Vorlage nie hundertprozentig umgesetzt werden kann. Auch in den Gesprächen mit dem Kläger hat der Beklagte diesem mitgeteilt, dass das Ergebnis nicht direkt perfekt aussehen wird, da es Zeit zum Überdecken braucht. Die Vorlage der Anlage K2 war somit allenfalls richtungsgebend. Die Aussage des Zeugen S ist insbesondere deswegen glaubhaft, weil er Erinnerungslücken auch ohne Nachfragen direkt kenntlich gemacht hat, indem er beispielsweise angibt, nicht genau zu wissen, ob es zwei, drei oder vier Sitzungen gab. Der Zeuge hat auch sofort offenbart, dass er nicht zu 100 % aufgepasst hat, als das erste Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden hat. Aufgrund der Tatsache, dass der Laden klein ist, ist es aber nachvollziehbar, wenn der Zeuge S jedenfalls eine gute akustische Wahrnehmungsmöglichkeit hatte. Der Zeuge selbst hat auch angegeben, nicht hingeguckt zu haben, aber alles hören zu können. Darauf kommt es bei einem Gespräch maßgeblich an. Er hat demnach seine nur begrenzte Wahrnehmungsmöglichkeit direkt preisgegeben. Ferner hat er selbstständig das Geschehen ohne erkennbare Zielorientierung im Hinblick auf die Beweisfragen bekundet, und ist auch in der Lage gewesen, auf Nachfrage weitere Details zu geben, indem er auf die Frage bzgl. des ersten Gesprächs zunächst geschildert hat, dass er an dem Tag dort gearbeitet, aber nicht zu 100 % aufgepasst hat.

Soweit es um die klägerischen Behauptungen bzgl. fachlicher Fehlleistungen geht, so vermag das Gericht solche aufgrund der Beweisaufnahme nicht festzustellen. Der Kläger bleibt auch insoweit beweisfällig. Die Sachverständige konnte in beiden nachvollziehbaren Gutachten, in denen sie jeweils von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist, feststellen, dass eine Umsetzung der Vorlage der Anlage K2 auf der Haut des Klägers wegen des vorhandenen Ausgangsmotivs nicht umsetzbar ist. Die Anlage K2 hätten in keiner Weise Verwendung finden können, weil weder der 3D-Effekt noch das Tribal bei den gegebenen Voraussetzungen hätten umgesetzt werden können. Soweit es um den Flügel geht, so konnte die Sachverständige den realen Ist-Zustand der Farbintensität und Tiefenwirkung aufgrund des zur Verfügung stehenden Fotomaterials nicht beurteilen. Auch im Ergänzungsgutachten kommt die Sachverständige daher zu dem Ergebnis, dass die zur Verfügung gestellten Fotos wegen Überbelichtung zur weiteren Beurteilung nicht brauchbar sind. Schließlich konnte die Sachverständige feststellen, dass die verwendeten Farben der EU tätowieren Mittelverordnung entsprechen. Insoweit stützt sich die Sachverständige jedoch nur auf die Angaben des Beklagten. Ob Hygienemaßnahmen eingehalten wurden, konnte die Sachverständige ebenfalls nicht beurteilen. Anhaltspunkte dafür sind jedenfalls nicht ersichtlich. Die allergische Reaktion vermag insoweit nicht auszureichen. Hinsichtlich der verwendeten Farben sowie hinsichtlich der Hygienemaßnahmen erweist sich der Vortrag der Klägerseite allerdings auch als unsubstantiiert, da es keine greifbaren Anhaltspunkte gibt, die eine solche Behauptung zumindest als plausibel erscheinen lassen.

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Auch kann kein fachlicher Mangel darin gesehen werden, dass der Beklagte ohne Schablone, im sogenannten „Freestyle“ arbeitete (vgl. etwa LG Kassel, Hinweisbeschluss vom 13. 5. 2009 – 1 S 34/09; NJW-RR 2009, 1685, 1686).

Überdies kann auch keine Aufklärungs- oder Hinweispflichtverletzung konstatiert werden. Der Unternehmer hat den Besteller auf alle Umstände hinzuweisen und über diese aufzuklären, die er nicht kennt, deren Kenntnis aber für dessen Willensbildung und Entschlüsse bezüglich des Werkes bedeutsam sind (Palandt/ Sprau, 80. Aufl. BGB, § 631 Rn. 17). Maßstab dieser vorgenannten Pflicht ist Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, wenn redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten werden darf, die für die Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (BGH NJW-RR 2016, 859, 860). Der Zeuge S hat glaubhaft geschildert, dass der Beklagte dem Kläger darauf hingewiesen hat, dass es gewisse Zeit zum Überdecken alter Tätowierungen brauche und dass es mehrerer Sitzungen bedarf, da besonders am Anfang das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist.

In der Folge scheitert auch ein Schmerzensgeldanspruch. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ist ein solcher gegeben. Eine Pflichtverletzung oder eine Körperverletzung sind nicht existent. Soweit es um die allergische Reaktion geht, so liegt jedenfalls ein Einverständnis in die Tätowierung und den damit einhergehenden Substanzeingriff in den Körper vor.

II.

Der Klageantrag zu 2) ist bereits teilweise unzulässig. Zwar war die Erweiterung der Klage durch den Klageantrag zu 2) jedenfalls gemäß § 267 ZPO zulässig, doch fehlt es am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Dass in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann (st. Rspr., BGH, Urteile vom 4. Dezember 1986 – III ZR 205/85, NVwZ 1987, 733 mwN; vom 21. Februar 1991 – III ZR 204/89, VersR 1991, 788 f. mwN; Senat, Urteil vom 8. Juli 2003 – VI ZR 304/02, NJW 2003, 2827 unter II 1 mwN; BGH, Urteil vom 19. April 2016 – VI ZR 506/14 -, Rn. 6, juris), vermag an der Unzulässigkeit der Feststellungsklage nichts zu ändern. Denn bei dem Ersatz des immateriellen Schadens nach § 253 BGB handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch (BeckOK BGB/Spindler, 54. Ed. 1.5.2020, BGB § 253 Rn. 13, 53). Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds gebietet es, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgelds auf Grund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbilds zu bemessen (vgl. BGHZ (GS) 18, 149 = NJW 1955, 1675; Senat, VersR 1961, 164 [165], u. NJW 2001, 3414 = VersR 2001, 876). Dabei steht die mit der Verletzung verbundene Lebensbeeinträchtigung im Verhältnis zu den anderen zu berücksichtigenden Umständen stets an der Spitze (BGH, Urteil vom 20. 1. 2004 – VI ZR 70/03). Die Feststellungsklage ist daher insoweit problematisch, als mit dem auf eine unbeschränkte Klage insgesamt zuzuerkennenden Schmerzensgeld nicht nur alle bereits eingetretenen, sondern auch alle erkennbaren und objektiv vorhersehbaren künftigen unfallbedingten Verletzungsfolgen abgegolten werden (vgl. Senat, VersR 1980, 975; VersR 1988, 929; VersR 1995, 471 [472]; NJW 2001, 3414 = VersR 2001, 876; BGH, VersR 1976, 440; BGH, Urteil vom 20. 1. 2004 – VI ZR 70/03). Es scheidet ergo eine Klage auf Feststellung der Ersatzverpflichtung für künftige immaterielle Schäden dann aus, wenn ausschließlich voraussehbare Schädigungsfolgen in Betracht standen, die von der Zubilligung des Schmerzensgelds umfasst wären (BGH, Urteil vom 14. Februar 2006 – VI ZR 322/04; BGH, Beschluss vom 09. Januar 2007 – VI ZR 133/06 -, Rn. 13, juris). Eine Begrenzung des Anspruches auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Schadenentwicklung noch nicht abgeschlossen und nicht final überschaubar ist (vgl. MAH StraßenVerkehrsR, § 26 Die Ansprüche bei Schwerstverletzungen – Personengroßschäden, Rn. 375, 376, beck-online). Hierfür genügt es, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht (vgl. BGH, NJW 2001, 1431). Diese Möglichkeit eines Schadenseintritts ist zu negieren, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. BGHZ 116, BGHZ Band 116 Seite 60 [ BGHZ Band 116 Seite 75] = NJW 1992, NJW Jahr 1992 Seite 560 = LM H. 7/1992 § 823 [Dc] BGB Nr. 181 m.w. Nachw.).

Daran gemessen, erweist sich der klägerische Vortrag als unzureichend. Mit dem Klageantrag zu 1) macht der Kläger eine umfassende Schmerzensgeldforderung geltend. Hiervon umfasst sind alle Schadensfolgen, die entweder bereits eingetreten oder objektiv erkennbar sein sollen, deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen werden könne. Ein darüber hinaus gehendes Feststellungsinteresse hinsichtlich möglicher weiterer Schadenspositionen, die in der Zukunft noch eintreten können, ist indes nicht gegeben. Die Behauptung durch die Tätowierung könnten Infektionen, Allergien oder Hautschädigungen auftreten, genügt alleine nicht. Denn die nach der Tätowierung aufgetretenen Hautreaktionen waren temporär. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für den Eintritt weiterer Schadensfolgen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die beklagtenseits erbrachten Tätowierleistungen bereits mehr als drei Jahre zurückliegen und zwischenzeitlich keine weiteren Probleme aufgetreten sind. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass ein Wiederauftreten etwaiger gesundheitlicher Probleme infolge der Tätowierleistungen noch zu befürchten wäre. Eine Gefahr der Krebserkrankung kann bereits aus der Eigenart der Tätowierung, als möglicherweise krebsauslösend, nicht geltend gemacht werden.

Soweit es um weitere materielle Schäden geht, so ist die Feststellungsklage zulässig und scheitert nicht am Grundsatz der Subsidiarität zur Leistungsklage. Allerdings ist nach den obigen Ausführungen der Klageantrag zu 2) jedenfalls auch unbegründet. Begründet ist ein Feststellungsantrag, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2017 – VI ZR 423/16 -, BGHZ 216, 149-174, Rn. 49; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl., § 256 Rn. 32). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

III.

Die Nebenentscheidungen basieren auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 7.146,00 EUR festgesetzt.

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