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Prozessvergleich mit Gesamtschuldner – Wirkung

OLG Celle, Az.: 14 U 92/07, Urteil vom 23.04.2008

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. April 2007 abgeändert und insgesamt neu gefasst wie folgt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 204.651,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juli 2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit Architektenleistungen für einen von ihr als Bauträger errichteten Wohnpark “ Am K.“ aus 57 Mehrfamilien- und 37 Reihenhäusern in B. bei B. Sie macht gegenüber dem Beklagten Schadensersatz wegen Mangelfolgeschäden geltend in Höhe der von ihr behaupteten Ersatzvornahmekosten zur Mängelbeseitigung.

Prozessvergleich mit Gesamtschuldner – Wirkung
Symbolfoto: yanc/ Bigstock

Mit Vertrag vom 20. Juni/7. Dezember 1992 wurde der Beklagte von der Klägerin für das genannte Bauvorhaben mit den Leistungsphasen 1 bis 9 gemäß § 15 HOAI beauftragt sowie mit Leistungsphasen 1 bis 6 für die Tragwerksplanung gem. § 64 HOAI. Die bauliche Ausführung wurde der Streithelferin zu 2 des Beklagten als Generalunternehmerin übertragen. Der Streithelfer zu 1 des Beklagten ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn M. L., der für den Beklagten als Nachunternehmer im Rahmen der Bauüberwachung tätig war. Der Architektenvertrag wurde durch Schreiben der Klägerin vom 15. November 1999 (Anlage K 2) gekündigt. Die Klägerin betrieb in der Folgezeit vor dem Landgericht Stuttgart zwei selbständige Beweisverfahren gegenüber der Streithelferin zu 2 des Beklagten. In dem anschließenden Rechtsstreit zwischen der Klägerin und der Streithelferin zu 2 des Beklagten verpflichtete sich diese durch Vergleich vom 30. Januar 2003, zum Ausgleich der mangelhaften Erkerelemente der Reihenhäuser des Bauvorhabens B./Am K. einen Betrag in Höhe von insgesamt brutto 375.000 Euro an die Klägerin zu zahlen (vgl. Bl. 197 f. d. Beiakte 26 O 472/02 LG Stuttgart). Außerdem verpflichtete sie sich durch einen weiteren Vergleich vom 2. September 2003 (Bl. 93 f. d. Beiakte 17 O 297/03 LG Stuttgart), an die Klägerin 225.000 Euro brutto zum Ausgleich für an den Balkonen der Mehrfamilienhäuser mangelhaft angebrachte Geländer zu zahlen. In den vorausgehenden selbständigen Beweisverfahren – nicht aber in den Hauptsacheverfahren selbst – hat die Klägerin dem Beklagten den Streit verkündet.

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf den Differenzbetrag zwischen dem von ihr behaupteten Gesamtsanierungsaufwand und den von der Streithelferin zu 2 des Beklagten durch den Vergleich erhaltenen Zahlungen in Anspruch. Sie vertritt dazu die Ansicht, die mit der Streithelferin zu 2 des Beklagten geschlossenen Vergleiche vor dem Landgericht Stuttgart entfalteten im Verhältnis zu dem Beklagten keine Wirkungen. Dem Beklagten sei eine mangelhafte Planung der Erkerkonstruktion und der Balkongeländer anzulasten.

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zwar wirke der zwischen einem Gläubiger und einem Gesamtschuldner geschlossene Vergleich gemäß § 423 BGB nur dann für die übrigen Schuldner, wenn sich der Erlass gerade auch auf diese erstrecken solle. Das sei aber bei den vor dem Landgericht Stuttgart geschlossenen Vergleichen zwischen der Klägerin und der Streithelferin zu 2 des Beklagten der Fall gewesen. Denn eine solche Gesamtwirkung des Vergleiches müsse schon dann angenommen werden, wenn der durch den Erlass Begünstigte andernfalls besorgen müsste, über einen im Vergleichsweg anerkannten Betrag hinaus im Gesamtschuldnerausgleich schließlich doch weitere Zahlungen leisten zu müssen. Bei einer Gesamtwürdigung der Rechtsbeziehungen der Parteien und der Streithelferin zu 2 des Beklagten lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, dass der Beklagte im Innenverhältnis zu seiner Streithelferin zu 2 für den gesamten Schaden allein aufkommen müsste. Wenn es aber für die Frage der Erlasserstreckung der Feststellung bedürfte, dass eine Vertragspartei einen gegen einen Gesamtschuldner bestehenden Anspruch tatsächlich ganz oder auch nur teilweise erlassen hätte, müsste in dem Rechtsstreit des Gläubigers mit den übrigen Gesamtschuldnern im Nachhinein gerade der Rechtsstreit inzident entschieden werden, welcher durch den Vergleich hätte verhindert werden sollen. Deshalb sprächen schon praktische Gesichtspunkte gegen das Erfordernis, positiv einen Erlass feststellen zu müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist der Ansicht, die Streithelferin zu 2 des Beklagten als Generalunternehmerin und der Beklagte als Architekt hafteten der Klägerin gegenüber gesamtschuldnerisch. Im Ausgleichsverhältnis der Gesamtschuldner untereinander sei gemäß § 426 BGB eine Haftungsquote für den jeweiligen Innenanteil zu bestimmen. Mit der Klage werde gegenüber dem Beklagten lediglich das verlangt, was er seinem Innenanteil entsprechend im Verhältnis zur Generalunternehmerin, seiner Streithelferin zu 2, zu tragen habe. Der Beklagte müsse damit nicht mehr zahlen, als er im Ausgleichsverhältnis zur Generalunternehmerin endgültig zu tragen hätte. Der geltend gemachte Betrag für die Erkerkonstruktion von noch 91.346,22 Euro (vgl. Bl. 187 d. A.) rechtfertige sich aus der auf den Beklagten entfallenden Haftungsquote entsprechend seinem Anteil an dem Gesamtschaden im Komplex Erker in Höhe von 19,6 %. Für die Balkongeländer müsse der Beklagte in Höhe von 33,5 % anteilig haften, sodass sich ein Schadensersatzanspruch von noch 113.305,41 Euro ergebe, insgesamt also in Höhe von 204.651,63 Euro. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte müsse im Innenanteil im Verhältnis zur Generalunternehmerin aufgrund der ihm anzulastenden Planungsfehler von Rechts wegen erheblich höher haften (Bl. 188 f. d. A.). Die der Klage zugrunde gelegte Quote orientiere sich jedoch nur an den tatsächlich entstandenen Kosten der Ersatzvornahme. Das Landgericht habe zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die Gesamtwirkung der Vergleiche darzulegen und zu beweisen; im Zweifel könne nicht von einer Gesamtwirkung ausgegangen werden, die Drittwirkung des Vergleichs sei eine Ausnahme. Darüber hinaus habe die Generalunternehmerin nur das legitime Interesse, dass die Erlasswirkung zugunsten des Beklagten so weit reiche wie ihr Innenanteil im Regressverhältnis zum Beklagten, um nicht im Regresswege letztlich wieder in Anspruch genommen werden zu können, sodass der Vergleich im Ergebnis wirkungslos wäre. Das Landgericht sei dagegen allem Anschein nach letztlich von dem Grundsatz ausgegangen, im Zweifel habe der Vergleich Gesamtwirkung und die Klägerin müsse das Gegenteil beweisen. Es sei aber nur von einer beschränkten Gesamtwirkung des Vergleichs auszugehen. Danach werde den anderen Gesamtschuldnern die Forderung in Höhe des Innenanteils des vergleichschließenden Gesamtschuldners erlassen, in Höhe der allein auf sie entfallenden weiteren Innenanteile bleibe die Forderung jedoch bestehen. Deshalb sei im vorliegenden Rechtsstreit zu klären, wie hoch die Innenanteile der Generalunternehmerin – der Streithelferin zu 2 des Beklagten – und des Beklagten selbst seien.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

den Beklagten zu verurteilen, an sie 204.651,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil im Ergebnis. Die Frage, ob ein Vergleich Gesamt- oder Einzelwirkung habe, sei durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung habe das Landgericht ausführlich und sorgfältig vorgenommen. Es sei immer der konkrete Fall entscheidend. Aufgrund der Umstände dieses Falles müsse aber die jeweilige Abgeltungsklausel in den Vergleichen umfassend auch in Bezug auf die hier streitbefangenen Ansprüche gegen den Beklagten verstanden werden. Für die Klägerin hätte zum Zeitpunkt der Vergleichsabschlüsse klar sein müssen, dass die Streithelferin zu 2 des Beklagten eine endgültige Regelung auch hinsichtlich etwaiger Regressansprüche gewollte hätte, also eine Gesamtwirkung des Vergleichs. Dies habe man aber nur durch eine völlige Freistellung des Beklagten erreichen können, wie es das Landgericht auch angenommen habe. Darüber hinaus sei dem Beklagten auch kein Planungsfehler vorzuwerfen. Denn seine Planung zu den Erkern und Balkongeländern sei – so wie ursprünglich von ihm selbst gefertigt – nicht zur Ausführung gekommen, sondern allein Alternativplanungen der Generalunternehmerin. Alle von der Klägerin geltend gemachten Mängel beruhten auf dieser geänderten Planung. Damit habe die Streithelferin zu 2 des Beklagten die entscheidende Ursache für die Mängel gesetzt. Dem Beklagten sei allenfalls eine fehlende Nachprüfung der geänderten Planung vorzuwerfen. Es sei damit im Ergebnis sachgerecht, dass die Generalunternehmerin im Innenverhältnis den gesamten Schaden allein trage, und zwar selbst dann, wenn man keine Gesamtwirkung der Vergleiche annähme. Außerdem sei der Klägerin die Tatsache der Ausführung einer geänderten Planung der Streithelferin zu 2 des Beklagten bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen. Sie habe deshalb bei dem Vergleichsabschluss mit einkalkuliert, dass die Streithelferin zu 2 im Innenverhältnis zum Beklagten den Schaden allein zu tragen habe. Das sei bei der Auslegung der Vergleiche im Verhältnis der Parteien zu berücksichtigen. Denn die Klägerin habe zunächst auch nur die Streithelferin zu 2 des Beklagten verklagt und den Beklagten in den Hauptsacheverfahren nicht den Streit verkündet. Erst Jahre später habe sie den Beklagten in Anspruch genommen (vgl. insbesondere Bl. 289 d. A.). Vorsorglich beruft sich der Beklagte – wie bereits erstinstanzlich – auf Verjährung (Bl. 248 d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 138 f. d. A.), das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 1. April 2008 (Bl. 295 d. A.) sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die Berufung ist begründet.

1. Zur Gesamtwirkung der Vergleiche:

Die vor dem Landgericht Stuttgart geschlossenen Vergleiche zwischen der Klägerin und der Streithelferin zu 2 des Beklagten haben keine Auswirkung auf den Klageanspruch. Ein Prozessvergleich, in dem die Forderung gegen einen Gesamtschuldner für erledigt erklärt wird, hat im Zweifel keine Wirkung auf den Anspruch des Gläubigers gegenüber einem anderen Gesamtschuldner; im Zweifel hat der Erlass nur Einzelwirkung (vgl. nur BGH, Urt. v. 21. März 2000 – IX ZR 39/99, NJW 2000, 1942, juris-Rdnr. 20). Es kann sich zwar ein Wille der Vergleichsparteien, das Schuldverhältnis insgesamt aufzuheben, im Einzelfall daraus ergeben, dass der Erlass gerade mit dem Gesamtschuldner vereinbart wird, der im Innenverhältnis oder den Gesamtschuldnern die Verbindlichkeit allein zu tragen hätte (BGH a. a. O., Rdnr. 23). Außerdem kann einem Prozessvergleich eine beschränkte Gesamtwirkung in dem Sinne zukommen, dass der Schuldner, dessen Verbindlichkeit erlassen wird, zugleich von seiner im Innenverhältnis aus § 426 Abs. 1 BGB dem andern Gesamtschuldner gegenüber begründeten Haftung befreit werden soll. Das ist wirksam in der Weise möglich, dass der Anspruch des Gläubigers gegen den am Vergleich nicht beteiligten Gesamtschuldner im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter in dem Umfang aufgehoben wird, in welchem der durch den Erlass begünstigte Gesamtschuldner, wäre er vom Gläubiger voll in Anspruch genommen worden, Ausgleich von dem andern Gesamtschuldner verlangen könnte (BGH a. a. O., Rdnr. 24 m. w. N.).

Für eine unbeschränkte Gesamtwirkung nach Maßgabe dieser Grundsätze mangelt es aber vorliegend an ausreichenden Anhaltspunkten. In den Vergleichstexten selbst sowie in den zugehörigen Protokollen vom 10. Dezember 2002 (bezüglich der Erker, Bl. 181 d. Beiakte 26 O 472/02) und vom 25. Juli 2003 (bezüglich der Balkone, Bl. 84 d. Beiakte 17 O 297/03) findet sich kein Hinweis, dass mit den Vergleichen jeweils auch die Ansprüche gegen den Beklagten mit erledigt werden sollten im Sinne einer unbeschränkten Gesamtwirkung des jeweiligen Vergleichs, für die er im Innenverhältnis allein einzustehen hätte. Auch aus den – im Übrigen nicht im Einzelnen bekannten – Umständen bei Abschluss der Vergleiche kann nicht auf eine entsprechende Willensbildung der Parteien in Bezug auf eine derartige Gesamtwirkung der Vergleiche geschlossen werden. Insbesondere war dabei für die Klägerin nicht offensichtlich, dass hier nur eine vollständige Abgeltung sämtlicher Ansprüche, auch soweit sie sich gegen den Beklagten richten, gewollt war. Denn die Vergleiche genügten durchaus, um eine endgültige Regelung der mit ihnen abgegoltenen Forderungen für die Generalunternehmerin, die Streithelferin zu 2 des Beklagten, zu erreichen. Diese Endgültigkeit wird aber durch den vorliegenden Prozess nicht angetastet. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten gerade nicht einen Betrag, für den wiederum im Regresswege die Generalunternehmerin einstehen müsste, sondern lediglich das, was der Beklagte aufgrund seines von der Klägerin angenommenen Verschuldens unabhängig von der Haftung der Generalunternehmerin zu tragen hätte. Mangels hinreichender Indizien, die für eine weitergehende Gesamtwirkung der Vergleiche zugunsten des Beklagten sprechen können, ist deshalb insgesamt davon auszugehen, dass hier keine unbeschränkte Gesamtwirkung gewollt war. Verbleibende Zweifel gehen nach der erwähnten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Lasten desjenigen, der sich auf die behauptete Gesamtwirkung beruft, das ist hier der Beklagte.

Diese Würdigung widerspricht auch nicht der Entscheidung des Senats vom 27. Juni 2007 (14 U 122/05, OLGR 2007, 797). Dort ist der Architekt letztlich nur deshalb von einer Haftung freigestellt worden, weil im Innenverhältnis der Gesamtschuldner (Bauunternehmer und Architekt) der Bauunternehmer ohne den Vergleich voll für die aufgetretenen Mängel hätte einstehen müssen und damit jede Inanspruchnahme des Architekten im Wege eines Innenregresses zwischen den Gesamtschuldnern wiederum den geschlossenen Vergleich wirkungslos gemacht hätte.

2. Zu den Haftungsanteilen:

Der Senat hält im Ergebnis die von der Klägerin angesetzten Haftungsquoten von (etwa) 1/5 für die Erkerkonstruktion und (etwa) 1/3 für die Balkongeländer für angemessen.

a) Erker:

Der Beklagte war als Architekt umfassend (Leistungsphasen 1 bis 9 gemäß § 15 HOAI) beauftragt. Er kann sich deshalb nicht damit entlasten, die Generalunternehmerin habe letztlich nicht seine ursprünglichen im Maßstab 1 : 100 vorgelegten Entwurfsplanungen verwirklicht, sondern eine andere Planung. Denn ihm oblag auch die Ausführungsplanung gemäß § 15 HOAI/Leistungsphase 5. Der Beklagte hätte demnach selbst die ausführungsreife Lösung entwickeln müssen und in diesem Rahmen als Grundleistung alle für die Ausführung notwendigen Einzelangaben, insbesondere endgültige und vollständige Ausführungs-, Detail- und Konstruktionszeichnungen im Maßstab 1 : 50 bis 1 : 1 mit den erforderlichen textlichen Ausführungen anfertigen müssen. Pläne im Maßstab 1 : 100 – die üblicherweise im Rahmen der Entwurfsplanung gemäß § 15 HOAI/Leistungsphase 3 angefertigt werden – genügten hierfür nicht. Das gilt erst recht im Hinblick auf die in Rede stehenden Mängel der Erkerkonstruktion. Diese wurde unter Verwendung von Kunststoffelementen ausgeführt, aufgrund der verwendeten Bauteile kam es jedoch unter anderem zum Eintritt von Kondensfeuchtigkeit. Es handelte sich also schon um Mängel, die in den Bereich der Detailplanung fielen. Eine etwaig abweichende Entwurfsplanung ist demgegenüber umso weniger beachtlich, als der Architekt im Rahmen der Leistungsphase 5 als Grundleistung auch die umfassende Koordinierung aller an der Planung fachlich Beteiligten schuldete, um einen reibungslosen Planungsablauf zu gewährleisten (vgl. nur Locher/ Koeble / Frik, HOAI, 9. Aufl., § 15 Rdnr. 127). Der Beklagte hätte deshalb schon im Bereich der Ausführungsplanung entweder durch eigene Zeichnungen oder durch entsprechende Koordinierung anderer an der Planung Beteiligter wie – nach seinem Vortrag – der Generalunternehmerin dafür Sorge tragen müssen, dass die Bauteilanschlüsse wie die der Kunststofferker an die Gebäudeaußenwand im Hinblick auf die Bauausführung mangelfrei waren. Der Beklagte hat jedoch unstreitig weder entsprechende Detailzeichnungen noch die zudem im Rahmen der Tragwerksplanung gemäß den insoweit übertragenen Leistungsphasen 1 bis 6 des § 64 HOAI erforderlichen statischen Berechnungen gefertigt. Dies hat im Übrigen auch der Sachverständige F. im Rahmen des vor dem Landgericht Stuttgart geführten selbständigen Beweisverfahrens (26 OH 4/00) festgestellt. Dieses Gutachten – wie auch das in dem anderen selbständigen Beweisverfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen R. vom 29. Dezember 2001 (17 OH 5/99 LG Stuttgart) – kann der Senat jedenfalls gemäß § 411 a ZPO im vorliegenden Rechtsstreit verwerten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z. B. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 328/03, BauR 2005, 1016, Rdnr. 33 f.) ist dann, wenn der Architekt durch einen Planungsfehler die Schadensursache gesetzt hat, gegenüber dem Bauunternehmer von einer Einstandspflicht auszugehen. Es kann dabei im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Streithelferin zu 2 des Beklagten hier auch einen Ausführungsfehler zu verantworten hat. Denn in jedem Fall war der Planungsfehler des Beklagten nicht völlig unbeachtlich. Eine (Mit-)Haftung von 19,6 %, wie sie dem Klageanspruch zugrunde liegt, erscheint damit ohne weiteres vertretbar. Denn nach dem Gutachten F. vom 29. Dezember 2001 war vorliegend keineswegs nur die Bauausführung selbst mangelhaft. Es soll schon die Erkerkonstruktion samt Dach nicht die Erfordernisse der Wärmeschutzverordnung von 1995 berücksichtigt haben (S. 27 des Gutachten F., Bl. 64 d. Beiakte 26 O 472/02). Auch die an der Außenseite angebrachte Wärmedämmung der Mauerwerkskonstruktion entsprach nicht den bauphysikalischen Erfordernissen und ist nach den Feststellungen des Sachverständigen F. nicht fachgerecht geplant worden (S. 29 des Gutachtens, Bl. 66 d. Beiakte). Außerdem erlaubte die Aufteilung der einzelnen Konstruktionselemente der Erkerkonstruktion nicht die Reinigung in der üblichen Art (S. 30 des Gutachtens, Bl. 67 d. Beiakte). Ferner war die Erkerkonstruktion insgesamt instabil und beeinträchtigte die Nutzungsmöglichkeit (ebenda S. 31 bzw. Bl. 68). Die von der Klägerin angesetzte Haftungsquote ist nach alledem allein schon wegen des Planungsverschuldens in Leistungsphase 5 berechtigt.

b) Balkongeländer:

Die vorstehenden Ausführungen gelten hier entsprechend. Der Sachverständige R. hat in seinem im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Stuttgart erstatteten Gutachten ausgeführt, die statischen Unterlagen seien mangelhaft und hätten nicht der Ausführung zugrunde gelegt werden können (S. 2 des Gutachtens, nach Bl. 84 d. Beiakte 17 O 297/03). Der Sachverständige hat ferner darauf hingewiesen, aufgrund der unvollständigen Unterlagen hätte überhaupt nicht beurteilt werden können, ob die Konstruktion den anerkannten Regeln der Technik entsprochen hätte. Denn hierfür hätte es keine vollständigen oder gültigen Konstruktionsunterlagen gegeben. Die Pläne und Angaben zur Konstruktion seien in jedem Fall unvollständig gewesen. Der Sachverständige hat deshalb die Möglichkeit einer trotz der mangelhaften Planung noch richtigen Bauausführung mit der Wahrscheinlichkeit „eines Sechsers im Lotto“ verglichen (S. 5 des Gutachtens R.).

Der Senat hält deshalb für die mangelhafte Konstruktion und Planung der Balkongeländer ebenfalls die von der Klägerin ihrem Anspruch zugrunde gelegte (Mit-)Haftungsquote von 33,5 % für angemessen. Dabei erscheint auch die höhere Mithaftung bei den Balkongeländern berechtigt, weil der Kläger hier nach den Feststellungen des Sachverständigen R. überhaupt keine brauchbare Planung vorgelegt hat.

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3. Zur Höhe:

Der Beklagte hat zwar die geltend gemachten Beträge bestritten und behauptet, es sei kein höherer Schaden entstanden, als durch die vergleichsweise gezahlten (insgesamt) 600.000 Euro abgegolten worden sei. Die Klägerin hat jedoch demgegenüber die tatsächlichen Sanierungskosten im Einzelnen vorgetragen und umfassend (in mehreren Leitzordnern) belegt. Sie hat dies auch dargestellt anhand der Anlagen K 5 bis K 7 (Bl. 65 f. im Anlagenband) für die Erker bzw. der Anlagen K 10 bis K 15 (Bl. 88 f. im Anlagensonderband) für die Balkongeländer. Darüber hinaus hat sie noch ergänzend zur Schadenshöhe vorgetragen (vgl. insbesondere S. 8 f. d. Schriftsatzes vom 23. Oktober 2006, Bl. 52 f. und 59 f. d. A.). Der Beklagte hat sich demgegenüber lediglich auf pauschales Bestreiten beschränkt. Er hat insbesondere nicht vorgetragen, in welchem Punkt die ausführlichen Darlegungen der Klägerin unzutreffend sein sollen. Diese hat schließlich auch im Berufungsverfahren nochmals zur Höhe des geltend gemachten Schadens vorgetragen (S. 10 f. d. Berufungsbegründung, Bl. 186 f. d. A.).

Die Klägerin kann demnach zu Recht für die mangelhafte Erkerkonstruktion gegenüber dem Beklagten einen Betrag von 91.346,22 Euro geltend machen (466.346,22 Euro abzüglich der vergleichsweise gezahlten 375.000 Euro). Für die Balkongeländer steht der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 113.305,41 Euro zu (338.305,41 Euro abzüglich vergleichsweise gezahlter 225.000 Euro – vgl. je auch Bl. 187 d. A.). Der Klägerin steht damit insgesamt ihre Klageforderung in Höhe von 204.651,63 Euro zu. Entsprechend war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klageforderung zuzusprechen. Die hierauf zuerkannten Zinsen rechtfertigen sich aus § 291 BGB (vgl. Bl. 21 d. A.).

4. Die vorsorglich auch im Berufungsverfahren nochmals geltend gemachte Einrede der Verjährung steht dem Klageanspruch nicht entgegen. Das Landgericht hat hierauf bereits erstinstanzlich im Rahmen der Verfügung vom 5. Dezember 2006 hingewiesen (Bl. 77 d. A.). Für den vorliegenden Rechtsstreit ist die Einrede der Verjährung nicht erheblich. Sie hätte sich allenfalls auf die Zulässigkeit der Streitverkündung auswirken können. Es ist jedoch noch vor Ablauf der Verjährungsfrist gegenüber dem Beklagten im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens jeweils der Streit verkündet und dann wiederum vor Ablauf der entsprechend verschobenen Verjährungsfrist noch rechtzeitig Klage erhoben worden (durch den am 12. Juli 2006 beim Landgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 10. Juli 2006).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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