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Tierarzthaftung für fehlerhafte Behandlung eines Pferdes

OLG Celle, Az.: 20 U 71/13, Urteil vom 25.08.2014

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts V. vom 15. November 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert der Berufung: 10.025 €.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von den beklagten Tierärzten, die als Gesellschafter bürgerlichen Rechts eine Tierärztliche Klinik betreiben, Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter tierärztlicher Behandlung des P.R.E. Hengstes „V.“ (Lebensnummer: …), der neben weiteren Pferden beim Kläger stand.

Am 24. Februar 2010 beauftragte die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin W., die Beklagten mit der Untersuchung des Hengstes „V.“, der seit diesem Tag lahmte. Die bei den Beklagten angestellte Tierärztin Dr. S. untersuchte den Hengst am Folgetag zunächst im Stall des Klägers. Anschließend wurden in der Klinik der Beklagten in S. Röntgenaufnahmen des vorderen linken Hufs gefertigt, auf denen eine geringgradige Rotation des Hufbeines vorne links zu erkennen war. Frau Dr. S. empfahl, das Pferd nicht mehr zu arbeiten. Sie behandelte es mit Hippopalazon Gel. Welche weiteren Behandlungsmaßnahmen sie einleitete und welche Diagnose sie stellte, ist zwischen den Parteien streitig.

Tierarzthaftung für fehlerhafte Behandlung eines Pferdes
Symbolfoto: Von Jaromir Chalabala /Shutterstock.com

Anfang März 2010 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagten, weil das Pferd nunmehr hochgradig lahmte. Frau Dr. S. nahm am 12. März 2012 einen Aderlass und eine Höherstellung der Trachten durch beidseitige Hufverbände vor. Spätestens an diesem Tag äußerte sie gegenüber dem Kläger die Verdachtsdiagnose einer Hufrehe. Am 1. Juli 2010 brach an dem betroffenen Huf die Sohle durch, der Kläger ließ das Pferd daraufhin euthanasieren.

Zwischen den Parteien steht u.a. in Streit, wann die Tierärztin Dr. S. die Hufrehe erstmals diagnostiziert und diese Diagnose dem Kläger bzw. dessen Lebensgefährtin mitgeteilt hat; zudem welche Behandlung des Pferdes sie empfohlen hat und ob diese fachgerecht war.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 15. November 2013 (Bl. 232 ff. d. A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen wegen des weiteren Streitstands verwiesen wird, hat das Landgericht V. die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen S. W., D. B. und Dr. B. S. (Sitzungsprotokoll vom 30. November 2012, Bl. 150 ff. d. A.) und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. O. (schriftliches Gutachten vom 15. Mai 2013, Aktendeckel) abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, es sei nach der Beweisaufnahme nicht zu der Überzeugung gelangt, dass den Beklagten bzw. der Tierärztin Dr. S. bei der Behandlung, bei der Diagnosestellung oder bei der Einleitung der Therapiemaßnahmen am 25. Februar 2010 ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Weiterhin habe die Kammer nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Zeugin Dr. S. der Zeugin W. in der Zeit nach dem 25. Februar und vor dem 11. März 2010 eine Weiterführung der Schmerztherapie ohne Kontrolluntersuchung empfohlen habe. Für den Zeitraum nach dem 11. März 2010 sei die Frage nach einem Behandlungsfehler im Hinblick auf die unterbliebene Empfehlung einer engmaschigen Kontrolle und einer erneuten Röntgenuntersuchung sowie die Abgabe von Hippopalazon-Gel ohne Untersuchung zwar zu bejahen, jedoch sei die Ursächlichkeit für die Euthanasie des Pferdes nicht festgestellt. Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden trete auch keine Beweislastumkehr ein, da ein grober Behandlungsfehler nicht vorliege. Dem Kläger sei die Diagnose einer Hufrehe spätestens seit dem 11. März bekannt gewesen; er habe zudem auch über die notwendige Erfahrung mit hufrehekranken Pferden verfügt, so dass ein Tierarzt davon ausgehen durfte, dass der Kläger die erforderliche engmaschige Kontrolle von sich aus vornehmen und sich bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustands des Pferdes zeitnah wieder vorstellen werde.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er greift insbesondere die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts an. Zu Unrecht habe das Landgericht seinem Urteil zu Grunde gelegt, dass die Tierärztin Dr. S. am 25. Februar 2010 gegenüber der Zeugen W. die zutreffende Verdachtsdiagnose einer Hufrehe gestellt habe, obwohl sich die Tierärztin in ihrer Vernehmung selbst nicht mehr an diese Angabe ihrerseits erinnert habe. Da die Diagnose „Verdacht auf Hufrehe“ am 25. Februar zudem unstreitig auch nicht in der Dokumentation der Beklagten vermerkt worden sei, spreche alles dagegen, dass die Diagnose bereits zu diesem Zeitpunkt gestellt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden seien, um das Pferd zu behandeln. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass die Zeugin Dr. S. ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits habe. Wegen einer Vielzahl tierärztlicher Behandlungsfehler ab dem 11. März 2010 hätte das Landgericht eine Beweislastumkehr bezüglich der Ursächlichkeit dieser Fehler für den Tod des Pferdes annehmen müssen. Schließlich sei das Landgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Ursächlichkeit zwischen dem Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten in der Weiterbehandlung des Pferdes vom 11. März bis zum 7. April 2010 und der Euthanasie des Hengstes nicht bestehe. Diese sei vielmehr gegeben, da bei der Untersuchung des Pferdes durch Dr. P. am 22. April 2010 bereits eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands festgestellt worden sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts V. vom 15. November 2013, Aktenzeichen 1 O 27/11, abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an ihn 10.025 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2010 zu zahlen;

2. ihn von den vorgerichtlichen Kosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 162,72 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil als richtig.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch aus vertraglicher (§§ 280Abs. 1, 611 BGB) bzw. deliktischer (§ 823 Abs. 1 BGB) Pflichtverletzung abgelehnt, weil der Tierärztin Dr. S. nach den vom Senat der Entscheidung zu Grunde zu legenden Tatsachen ein Behandlungsfehler erst zu einem Zeitpunkt unterlaufen ist, zu dem das Pferd nicht mehr hätte gerettet werden können.

Im Einzelnen:

Alle denkbaren Grundlagen für einen Ersatzanspruch setzen voraus, dass den Beklagten oder der bei ihnen angestellten Tierärztin Frau Dr. S. schuldhaft ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, der letztlich dazu führte, dass der Hengst „V.“ euthanasiert werden musste.

Bis zum 11. März 2010 erfolgte die Behandlung lege artis. Die unterlassene Empfehlung einer engmaschigen Kontrolle ab dem 12. März 2010 und die erneute Abgabe von „Hippopalazon“ ohne erneute Untersuchung am 7. April 2010 haben sich nicht im Tod des Tieres ausgewirkt.

1. Diagnosestellung und Einleitung der Therapiemaßnahmen am 25. Februar 2010

Ohne Rechtsfehler hat sich das Landgericht auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. O. und der Vernehmung der Zeugen W., B. und Dr. S. nicht die Überzeugung bilden können, dass den Beklagten bzw. der bei diesen angestellten Zeugin Dr. S. bei der Diagnosestellung und der Einleitung der Therapiemaßnahmen am 25. Februar 2010 ein rechtlich relevanter tierärztlicher Behandlungsfehler unterlaufen sei.

Die insoweit vom Kläger in seiner Berufung gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen des Landgerichts erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen gebunden. Eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Gesetzesformulierung die Ausnahme („soweit nicht…“) und an konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Feststellungen geknüpft. Dies kann der Fall sein, wenn Beweise verfahrensfehlerhaft (nicht) erhoben wurden, wenn eine Beweiswürdigung nicht den Anforderungen des § 286 Abs. 1 ZPO genügt oder wenn das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz.

Gemessen an diesem Maßstab sind die Feststellungen des Landgerichts, den Beklagten bzw. der bei ihnen angestellten Tierärztin, der Zeugin Dr. S., sei bei der Diagnosestellung und bei der Einleitung der Therapiemaßnahmen am 25. Februar 2010 ein tierärztlicher Behandlungsfehler nicht nachzuweisen, nicht zu beanstanden.

a. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Feststellung des Landgerichts, die Zeugin Dr. S. sei am 25. Februar 2010 zu der zutreffenden Verdachtsdiagnose einer Hufrehe gelangt, frei von Rechtsfehlern. Dem Landgericht ist insofern beizupflichten, dass der Kläger, den als Pferdehalter nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für das Vorliegen eines tierärztlichen Behandlungsfehlers trifft, diesen Beweis nicht zu führen vermocht hat.

Zwar hat die vom Kläger benannte Zeugin W. in ihrer erstinstanzlichen Vernehmung bekundet, dass lediglich eine Hufbeinprellung oder ein Hufgeschwür diagnostiziert worden sei. Die ausführliche Beweiswürdigung des Landgerichts, warum es dennoch – z.B. angesichts der zahlreichen Erinnerungslücken der Zeugin W. – davon überzeugt war, dass die Zeugin Dr. S. bereits zu diesem Zeitpunkt die zutreffende Verdachtsdiagnose „Hufrehe“ gestellt habe, in sich schlüssig und rechtlich nicht zu beanstanden.

Für dieses Ergebnis spricht insbesondere die vorgelegte tierärztliche Dokumentation, an deren Richtigkeit keine durchgreifenden Zweifel bestehen. So ergibt sich aus den ärztlichen Aufzeichnungen für den 25. Februar 2010, dass die Zeugin Dr. S. bereits nach der ersten Untersuchung des Pferdes im Stall den Ratschlag erteilt hat, das Tier gerade deshalb in der Klinik der Beklagten zu röntgen, weil der „Verdacht auf Hufprellung o. Rehe o. Fraktur“ (Bl. 30R d. A.) bestehe. Die Möglichkeit einer Reheerkankung wurde demnach bereits zu diesem Zeitpunkt ernsthaft in Betracht gezogen. Ausweislich der Dokumentation wurden anschließend nach der Röntgenuntersuchung die vorher ebenfalls möglichen Diagnosen Fraktur, Hufgeschwür und Lederhautentzündung ausgeschlossen („keine Fraktur feststellbar, […] kein Verdacht auf generalisiertes Hufgeschwür, keine infizierte Lederhautentzündung festzustellen“, Bl. 30R d. A). Zwar wurde die endgültige, verbleiende (Verdachts-)Diagnose nicht erneut ausdrücklich in den Aufzeichnungen vermerkt. Da aber auch keine neue Diagnose notiert wurde, spricht bei lebensnaher Betrachtung alles dafür, dass es schlussendlich bei dem Verdacht einer Hufreheerkankung blieb. Denn auch die von der Zeugin Dr. S. sodann empfohlenen Behandlungsschritte – im Einzelnen dazu später – entsprachen nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. O. gerade den bei Behandlung einer Hufrehe tiermedizinisch indizierten Maßnahmen.

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Ob das Landgericht zu Unrecht seiner Beweiswürdigung zu Grunde gelegt hat, die Zeugin Dr. S. habe kein erkennbares Interesse am Ausgang des Verfahrens, ist für die Entscheidung ohne Belang. Diese – im Hinblick auf Regressansprüche der Beklagten gegenüber der Zeugin und wegen der Feststellung des Vorwurfs eines Behandlungsfehlers durchaus fragliche – Erwägung in der Urteilsbegründung des Landgerichts ist erkennbar nicht tragend. Im Wesentlichen hat das Landgericht seine Überzeugung auf die Übereinstimmung der Aussage der Zeugin mit der Dokumentation und der auf die Diagnose einer Hufrehe angepassten Behandlung gestützt. Zudem wäre der Beweiswert der Aussage der Zeugin nicht so weit beeinträchtigt, dass dadurch die Behauptung des Klägers, die Diagnose und die anschließenden Therapiemaßnahmen seien sorgfaltswidrig erfolgt, als bewiesen anzusehen wäre. Denn das Landgericht hat die Aussage der Zeugin W. als widersprüchlich und lückenhaft erachtet; auch eine danach verbleibende unklare Beweislage ginge zu Lasten des Klägers.

b. Auch die Feststellung des Landgerichts, der Zeugin W. sei die Verdachtsdiagnose mitgeteilt worden, ist frei von Rechtsfehlern.

Die Einschätzung des Landgerichts, der Umstand, dass die noch im Stall des Klägers getroffene Verdachtsdiagnose („Hufprellung o. Rehe o. Fraktur“) unmittelbar hinter die Worte „Rat: Röntgen in der Klinik“ eingetragen worden seien, lasse darauf schließen, dass auch diese erste Verdachtsdiagnose der Zeugin mitgeteilt worden sei, überzeugt.

Ob auch nachträglich eine Information über die abschließende (Verdachts-)Diagnose „Hufrehe“ – nach Ausschluss der zuvor ebenfalls für möglich erachteten Hufprellung oder Fraktur – erfolgte, ist ohne Relevanz.

Zwar ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass es zur tierärztlichen Sorgfalt der Beklagten gehört hätte, die Zeugin W. als Betreuungsperson nach der Röntgenuntersuchung erneut eindeutig über das Vorliegen der Hufrehe oder zumindest über den Verdacht auf Vorliegen einer Hufrehe zu unterrichten, wenn dies das Ergebnis der Diagnostik war.

Jedoch hat die Zeugin Dr. S. nach den Feststellungen des Landgerichts bereits auf die nur vorläufige, der Zeugin auch unterbreitete Verdachtsdiagnose alle vom Sachverständigen für erforderlichen Behandlungsschritte empfohlen; ein späterer Aufklärungsfehler hätte sich deswegen nicht im Behandlungsverlauf niedergeschlagen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. O. gehörte zu einer Behandlung, wie sie im Fall einer Hufreheerkrankung bzw. des Verdachts einer solchen Erkrankung erforderlich ist, als wichtigste Maßnahme die Einhaltung von Boxenruhe, ferner das Aufbringen eines feucht-kalten Verbandes auf die erkrankten Gliedmaße bis unterhalb des Vorderfußwurzelgelenks, eine Trachtenhochstellung und engmaschige Kontrolluntersuchungen. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese Einschätzung des Sachverständigen zutrifft.

Die Feststellung des Landgerichts, die behandelnde Tierärztin habe diese unentbehrlichen Maßnahmen angeraten bzw. selbst vorgenommen, ist nicht zu beanstanden. Hierfür spricht neben den glaubhaften Angaben der Zeugin Dr. S. erneut die ärztliche Dokumentation vom 25. Februar 2010 (Bl. 30 d. A.: „Rat: Trachtenhochstellung belassen, Boxenruhe […] Rat: Anruf, wenn nicht besser.“). Dass die Zeugin Dr. S. zudem empfohlen hat, die bereits von der Zeugin W. angelegten kühlen Sauerkrautwickel weiter zu verwenden, wird vom Kläger im Ergebnis nicht bestritten.

2. Behandlung zwischen dem 25. Februar und dem 11. März 2010

Soweit das Landgericht nicht die Überzeugung hat gewinnen können, die Zeugin W. habe in der Zeit zwischen dem 25. Februar und dem 11. März 2010 mehrfach die Zeugin Dr. S. kontaktiert und diese habe eine Weiterführung der Schmerztherapie ohne Kontrolluntersuchung empfohlen, ist der Senat an diese Feststellung gem. § 529 ZPO gebunden.

3. Behandlung am 11. März 2010 und danach

a. Die am 11. März 2010 durch die Zeugin Dr. S. durchgeführten Maßnahmen sind nach Ausführungen des Sachverständigen als nachvollziehbar und sorgfaltsgerecht zu bewerten.

Auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. O. ist aber auch – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – davon auszugehen, dass die Beklagten bzw. die bei ihnen angestellte Tierärztin Dr. S. ihren tierärztlichen Sorgfaltspflichten dadurch nicht genügt haben, als nach den am 11. bzw. 12. März 2010 erfolgten Maßnahmen ab dem 12. März 2010 dem Kläger eine engmaschige Kontrolle des Krankheitsverlaufs ggf. einschließlich einer erneuten Röntgenuntersuchung nicht empfohlen wurde und dass am 7. April 2010 ohne erneute Untersuchung des Pferdes die Abgabe von Hippopalazon-Gel erfolgt ist.

b. Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Kausalität des darin liegenden Sorgfaltspflichtverstoßes für den Tod des Hengstes „V.“ nicht bewiesen. Eine Kausalität in diesem Sinne setzt voraus, dass der Schaden ohne das Verhalten des Tierarztes nicht eingetreten wäre. Dies steht auf der Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht fest. Denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts kann sich die Hufreheerkrankung trotz aller Therapie unvorhersehbar und unbeeinflussbar entwickeln. Wenn sich die Berufung darauf beruft, dass bei der Untersuchung des Hengstes durch den Tierarzt Dr. P. am 22. April 2010 bereits eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes festgestellt worden sei, so ist es zwar nicht auszuschließen, dass diese Verschlechterung auf dem sorgfaltswidrigen Verhalten der Beklagten beruht. Allerdings kann nach den Ausführungen des Sachverständigen aber gerade nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Pferd hätte gerettet werden können. Denn gerade die schnelle Verschlechterung des Zustands des Tieres kann gleichermaßen dafür sprechen, dass auch bei Einhaltung einer engmaschigen Kontrolle der Verlauf die Erkrankung schnell und dramatisch verlaufen wäre.

c. Schließlich hat das Landgericht den festgestellten Behandlungsfehler zutreffend nicht als „grob“ bewertet.

Die Frage, ob dem behandelnden Tierarzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist, ist eine Rechtsfrage, die das Gericht eigenständig zu beantworten hat (vgl. nur BGH VersR 2012, 362 Rn. 9). Ein Behandlungsfehler ist grob, wenn der (Tier-)Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (BGH a.a.O.).

Dies wäre auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen bei einer Hufrehebehandlung dann der Fall, wenn das Tier über einen längeren Zeitraum mit entzündungshemmenden Medikamenten behandelt wird und dem Halter nicht zugleich eine engmaschige Untersuchung anempfohlen wird, weil die Medikamente eine akute Verschlechterung des Zustands überdecken können und das Pferd den Huf wegen der schmerzstillenden Wirkung zu sehr belasten kann (Gutachten S. 16, S. 17). Isoliert betrachtet wäre danach die Behandlung nach dem 11. März 2011 als grob fehlerhaft zu bezeichnen.

Das Landgericht hat jedoch festgestellt (LGU S: 13), dass die behandelnde Ärztin Dr. S. der Zeugin W. schon bei der Behandlung am 25. Februar 2011 den dringenden Ratschlag erteilt habe, dass sie sich wieder melden solle, wenn es nicht besser werde; bei weiter bestehender Lahmheit solle sie eine erneute Untersuchung und gegebenenfalls weitere Maßnahmen veranlassen.

Das – für die Beurteilung des Behandlungsfehlers als „grob“ relevante – Wissen auf Seiten des Klägers beschränkte sich damit nicht allein auf dessen generelle Kenntnis vom Umgang mit der Erkrankung, sondern umfasste auch die Kenntnis der Zeugin W. aus Anlass der Behandlung gerade des streitgegenständlichen Pferdes.

Danach kann das Unterbleiben der (erneuten) Anempfehlung einer fortlaufenden Nachuntersuchung nach dem 11. März 2011 bei fortwährender Behandlung mit Schmerzmitteln zwar als behandlungsfehlerhaft, nicht aber als grob fehlerhaft bezeichnet werden.

d. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im konkreten Fall eine Beweislastumkehr selbst bei Annahme eines groben Behandlungsfehlers nicht eingreifen würde.

Eine Beweislastumkehr scheidet auch bei groben Behandlungsfehlern aus, wenn der Patient bzw. der Pferdehalter durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente für den Heilungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. KG, VersR 1991, 928; OLG Braunschweig, VersR 1998, 459; OLG Karlsruhe OLGR 2001, 412). Die Beweislastumkehr kommt danach nicht zur Anwendung, wenn der Patient in vorwerfbarer Weise durch Missachtung ärztlicher Anordnungen oder Empfehlungen eine mögliche Mitursache für den eingetretenen Gesundheitsschaden gesetzt hat (vgl. Hausch, Der grobe Behandlungsfehler in der gerichtlichen Praxis, S. 227). So scheidet eine Beweislastumkehr zu Lasten der Behandlungsseite aus, wenn der Patient den ärztlichen Behandlungsbemühungen selbst durch schuldhafte Vereitelung einer Komponente zur sachgerechten Behandlung, etwa der ihm dringend angeratenen Ruhigstellung, zuwiderhandelt (vgl. KG a. a. O.).

Nach den landgerichtlichen Feststellungen ist anzunehmen, dass „V.“ entgegen dem ärztlichen Rat auf Veranlassung des Klägers bzw. seiner Lebensgefährtin Weidegang erhielt und mit einem glatten Hufeisen beschlagen wurde. Eine erzwungene Bewegung hat der Sachverständige als kontraindiziert, einen normalen Eisenbeschlag bei akuter Hufrehe als „gänzlich unverständlich“ bezeichnet. Es sei wahrscheinlich, dass der Krankheitsverlauf maßgeblich ungünstig beeinflusst wurde, wenn das Pferd trotz bestehender Hufrehe Weidegang erhielt und frisch mit einem glatten Hufeisen beschlagen wurde. Der Kläger bzw. ihm zurechenbar seine Lebensgefährtin handelte danach den tierärztlichen Weisungen zuwider und setzte so selbst eine – mögliche – Mitursache für die schlussendliche Euthanasie des Hengstes gesetzt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708Nr.10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

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