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Trennungsunterhalt – tätlicher Angriff – Verwirkung der Unterhaltsansprüche

Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Az.: 2 UF 5/00

Urteil vom 30.03.2001

Vorinstanz: Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein, Az.: 5 d F 255/99


In der Familiensache wegen Trennungsunterhaltes hat der 2. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2001 für Recht erkannt:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Ludwigshafen am Rhein vom 19. November 19 99 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.100,– DM abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien sind geschiedene Eheleute.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Trennungsunterhalt für die Zeit vom 1. April 1998 bis zur Rechtskraft der Ehescheidung, die am 15. Oktober 1999 eingetreten ist. Die Parteien leben seit März 1998 getrennt; seinerzeit ist die Beklagte mit den beiden gemeinsamen Kindern, A…, geboren am 28. Februar 1991 und J…, geboren am 27. Mai 1992, die seither von ihr betreut werden, aus der Ehewohnung ausgezogen. Der am 1. November 1945 geborene, gesundheitlich beeinträchtigte Kläger war während der hier streitgegenständlichen Zeit – wie auch schon in den Jahren vor der Trennung – nicht erwerbstätig und verfügte auch über keine anderweitigen Einkünfte. Seit Ende Dezember 1998 bezieht er Sozialhilfe von der Stadt M…. Er blieb bis Mai 1999 in der vormaligen Ehewohnung, einem angemieteten Einfamilienhaus, wohnen; die Miete für diesen Zeitraum hat die Beklagte erbracht.

Die Beklagte ist Diplom-Übersetzerin; sie arbeitete während der Ehe vollschichtig als Übersetzerin in einem Patentanwaltsbüro und erzielte daneben Einkünfte aus selbständiger Übersetzungstätigkeit. Seit Juni 1998 hat sie ihre nichtselbständige Tätigkeit auf 30 Wochenstunden reduziert. Ob bzw. in welchem Umfang sie daneben auch während der Trennungszeit selbständig Übersetzungsarbeiten durchgeführt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Am 23. Dezember 1998 kam es zu einem tätlichen Angriff auf die Beklagte. Sie befand sich am Nachmittag dieses Tages mit den beiden Kindern auf dem Weg zu den Räumlichkeiten des Kinderschutzbundes in Ludwigshafen am Rhein, wo der Kläger mit den Kindern betreuten Umgang haben sollte, als sie von einem Mann angegriffen und mit einem Metallrohr mehrmals auf Kopf und Arme geschlagen wurde. Sie erlitt hierdurch eine Kopfplatzwunde sowie Schwellungen und Hämatome an Kopf und Oberarm.

Wegen dieser Tat ist der Kläger, der die Täterschaft bestreitet, vom Amtsgericht – Schöffengericht – Ludwigshafen am Rhein wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die vom Kläger gegen diese Verurteilung eingelegten Rechtsmittel (Berufung und Revision) wurden jeweils als unbegründet verworfen.

Das Amtsgericht hat das Trennungsunterhaltsbegehren wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers einerseits und nicht gegebener Leistungsfähigkeit der Beklagten andererseits für unbegründet erachtet.

Der Berufung des Klägers ist die Beklagte (auch) mit dem Einwand begegnet, der Kläger habe etwaige Trennungsunterhaltsansprüche wegen des tätlichen Angriffes auf sie verwirkt .

Der Senat hat auf entsprechenden Antrag der Beklagten die Strafakten 5171 Js 4838/99 der StA Frankenthal zu Beweiszwecken beigezogen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das angefochtene Urteil, sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist – nach bewilligter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist – verfahrensrechtlich bedenkenfrei, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht Trennungsunterhaltsansprüche des Klägers gegen die Beklagte verneint. Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend die Voraussetzungen für einen Trennungsunterhaltsanspruch des Klägers gemäß § 1361 BGB gegeben sind, da der Kläger etwaige danach bestehende Trennungsunterhaltsansprüche für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum verwirkt hat (§ 1361 III i.V.m. 1579 Nr. 2 BGB).

Nach den im Strafverfahren protokollierten Zeugenaussagen steht auch zur Überzeugung des Senates fest, dass es der Kläger war, der die Beklagte am Nachmittag des 23. Dezember 1998 mit einem Metallrohr mehrmals auf Kopf und Arm geschlagen und ihr dabei die unstreitigen Verletzungen zugefügt hat. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die protokollierten Angaben der Zeugin C… M…, die zwar die eigentliche Tatausführung nicht mitverfolgt hat, deren vor der und im unmittelbaren Anschluss an die Tat erfolgten Wahrnehmungen jedoch keine vernünftigen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es der Kläger gewesen ist, den sie seinerzeit beobachtet und dessen Verhalten sie im Rahmen des Strafverfahrens geschildert hat. Die Zeugin hat einen Mann in blauem Arbeitsanzug mit einem länglichen Gegenstand in der Hand hinter der um Hilfe schreienden Beklagten und den beiden Kindern hinterherlaufen sehen. Kurze Zeit später sah sie den mit dem „Blaumann“ bekleideten Mann zurückkommen. Sie sah, dass dieser den in der Hand gehaltenen Gegenstand sowie eine bei Rückkehr getragene Perücke in den Kofferraum eines dunkelfarbenen Pkws legte und mit dem Fahrzeug, dessen amtliches Kennzeichen sie sich merkte, davon fuhr. Unter dem amtlichen Kennzeichen, das die Zeugin sich merkte und im Rahmen ihrer polizeilichen Ermittlungen nannte, war seinerzeit ein dunkelfarbener Pkw auf den Namen des Klägers zugelassen. Auch die von der Zeugin geschilderten persönlichen Merkmale des von ihr beobachteten Mannes treffen auf den dem Senat von mehreren Anhörungen persönlich bekannten Kläger zu. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der von der Zeugin beschriebenen etwas dunkleren Hautfarbe, der Brille mit dunklem Rand und den fehlenden Haaren auf dem Hinterkopf.

Da der Senat bereits auf der Grundlage der urkundenbeweislich verwerteten Aussage dieser Zeugin von der Wahrheit der Behauptung der Beklagten, es sei der Kläger gewesen, der sie seinerzeit tätlich angegriffen und verletzt habe, überzeugt ist, bedarf es der von der Beklagten vorsorglich beantragten unmittelbaren Vernehmung der Zeugin M… sowie der beiden Kinder der Parteien, deren Angaben im Ermittlungsverfahren wegen der fehlenden Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht urkundenbeweislieh verwertet werden können, nicht mehr. Der Kläger hat die Anhörung dieser (oder anderer) Zeugen zum Antritt des Gegenbeweises nicht beantragt.

Dieser schwerwiegende Angriff des Klägers gegen die körperliche Unversehrtheit der Beklagten erfüllt den Tatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB; er führt zum Ausschluss etwaiger (noch bestehender) Trennungsunterhaltsansprüche des Klägers, da eine Inanspruchnahme der Beklagten – auch auf herabgesetzten oder zeitlich begrenzten – Unterhalt aufgrund dieser Tätlichkeit des Klägers gegen sie grob unbillig wäre. Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, trotz dessen Verhaltens ihr gegenüber Unterhaltsleistungen für ihn zu erbringen.

Das gilt nicht nur für die Zeit nach dem tätlichen Angriff, sondern auch für den davor liegenden Zeitraum. In der Regel tritt eine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen wegen schwerer Vergehen oder Verbrechen gegen den Unterhaltsverpflichteten zwar nur für die Zukunft ein und lässt zum Zeitpunkt der Verfehlung bereits entstandene Unterhaltsansprüche unberührt. Dem Unterhaltsberechtigten steht der Unterhaltsanspruch solange zu, als er sich nicht in der vom Gesetz bezeichneten Weise gegen den Unterhaltsverpflichteten verfehlt. Es besteht grundsätzlich kein Anlass, den mit Unterhaltszahlungen in Verzug geratenen Unterhaltspflichtigen zu begünstigen, weil ein späteres Ereignis ihn von der Unterhaltspflicht befreit (BGH FamRZ 1984, 34).

Der Bundesgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung offen gelassen, ob Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die Verfehlung des Berechtigten so schwerwiegend ist, dass die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch wegen bereits entstandener Unterhaltsansprüche unzumutbar erscheinen muss.

Der Senat bejaht dies und nimmt vorliegend einen solchen Ausnahmefall an. Den besonderen Unrechtsgehalt der Verfehlung des Klägers gegen die Beklagte sieht der Senat dabei insbesondere darin, dass die Tat nicht – wie in dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung unterbreiteten Fall – infolge der Eskalation einer verbalen Auseinandersetzung zwischen anlässlich eines geselligen Beisammenseins zusammengetroffenen Ehegatten erfolgte, sondern vom Kläger von langer Hand vorbereitet und geplant worden ist. Der Kläger hat der Beklagten aufgelauert und von hinten auf sie eingeschlagen, wobei der von ihm benutzte Gegenstand in Verbindung mit der Art und Weise, wie er gegen den Körper der Beklagten geführt wurde, geeignet war, der Beklagten wesentlich größere und ernsthaftere Verletzungen zuzufügen, als sie sie letztlich infolge ihres Weglaufens tatsächlich erlitten hat. Hinzu kommt, dass der Kläger die Tat anlässlich eines zuvor vereinbarten Termins zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit den gemeinsamen Kindern der Parteien begangen hat; bereits bei der Planung und ebenso bei der Ausführung der Tat war ihm daher bewusst, dass die beiden Kinder das Geschehen miterleben würden.

Schließlich war zu bedenken, dass die Beklagte nach der Trennung der Parteien und über den 23. Dezember 1998 hinaus zumindest den Wohnbedarf des Klägers gedeckt hat, indem sie bis zum Auszug des Klägers im Mai 1999 den Mietzins für die vormalige Ehewohnung an die Vermieter entrichtet hat; damit hat sie den Unterhaltsanspruch des Klägers für die Zeit vor dessen tätlichem Angriff zumindest teilweise erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, S. 1 ZPO.

Der Senat lässt gemäß §§ 621 d Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 5, 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zu. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, soweit es um die vom Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung offen gelassene Frage geht, ob Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die Verfehlung des Unterhaltsberechtigten so schwerwiegend ist, dass die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch wegen bereits entstandener Unterhaltsansprüche unzumutbar erscheinen muss.

Beschluss:

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.210,– DM festgesetzt (§ 17 Abs. 1 und Abs. 4 GKG).

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