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Unfallersatztarif – Darlegung der Preiskalkulation durch Geschädigten

AG Chemnitz

Az.: 21 C 5078/04

Urteil vom 12.05.2005


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes hat das Amtsgericht Chemnitz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2005
für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 844,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 16. Juli 2004 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger 1/5, die Beklagten 4/5 als Gesamtschuldner.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteiles zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Seite Sicherheit in Höhe von 120 % des vollstreckten Betrages leistet.
Wert des Verfahrens; 1.080,00 EUR

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 22. Juni 2004 gegen 10.45 Uhr in Chemnitz ereignet hat. Der Unfallhergang sowie die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig; im Streit stehen allein ausstehende Mietwagenkosten in Höhe von 1.079,96 EUR. Das klägerische Fahrzeug war zur Instandsetzung der Unfallschäden vom 28. Juli bis zum 09. August 2004 in der Werkstatt. Dabei ist der Reparaturauftrag am 29. Juni 2004 erteilt worden; der Gutachter hat am gleichen Tag das Fahrzeug besichtigt und am 30. Juni 2004 sein Gutachten erstellt; die Ersatzteillieferungen erfolgten vom 01. Juli 2004 bis zum 06. Juli 2004. Reparaturbeginn war der 28. Juli 2004, ausgeliefert worden ist das Fahrzeug an den Kläger am 09. August 2004.

Im Reparaturzeitraum hat der Kläger bei der Firma XXX Autovermietung ein Fahrzeug der Marke Audi A6 Avant TDI gemietet. Die Mietwagenfirma hat dem Kläger unter Abrechnung nach Klasse 7 nach EURO-Mobil 11/01 insgesamt für 13 Tage 2.120,48 EUR brutto in Rechnung gestellt. Die Beklagte zu 2 hat aus diesem Betrag bislang lediglich 1.040,52 EUR ausgeglichen. Der Restbetrag wird mit der Klage geltend gemacht.

Der Kläger behauptet, die Verzögerung in der Reparaturausführung ursprünglich war eine Rückgabe des Fahrzeuges am 06. August 2004 vereinbart gewesen – habe auf einer von ihm nicht zu vertretenden Verzögerung im Reparaturablauf der Werkstatt beruht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 1.079,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 16. Juli 2004 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger in Bezug auf die Reparaturdauer gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Der Unfall habe sich bereits im Juni 2004 ereignet; der Kläger habe sein Fahrzeug sodann am 28. Juli 2004 – einem Mittwoch – zur Reparatur gegeben. Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger, um nicht Gefahr zu laufen, 2 Wochen in die Reparaturzeit fallen zu lassen, das Fahrzeug an einem Montag in die Werkstatt hätte bringen müssen. Die Beklagten haben weiter – unbestritten – vorgetragen, dass ein vergleichbares Fahrzeug für eine Anmietdauer von 13 Tagen zu einem Preis von 692,10 EUR im Normaltarif erhältlich gewesen wäre. Unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind die Beklagten der Auffassung, dass es hinsichtlich des den ausgeglichenen Betrag überschießenden Teilbetrages an der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB fehle.
Wegen des weiteren Parteivortrages im Übrigen wird auf die vorbereitenden und zu den Akten gereichten Schriftsätze und ihre Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten umfang begründet. Die Beklagten schulden dem Kläger als Gesamtschuldner (§ 426 ff. BGB) den tenorierten Betrag aus §§ 7, 17, StVG, 823 Abs. l BGB, l, 3 PflVG.

Im Einzelnen:
1.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig; Einwendungen hiergegen sind nicht erhoben.

2.
Der Höhe nach hat sich der Kläger aufgrund einer Verletzung seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) so behandeln zu lassen, als habe er das Fahrzeug nur für 11 Tage angemietet.
a)
Zutreffend ist der Einwand der Beklagten, der Kläger wäre verpflichtet gewesen, zur Vermeidung eines – weiteren – Wochenendaufenthaltes seines Fahrzeuges in der Werkstatt dieses bereits an einem Montag, also etwa am 26. Juli 2004 oder 02. August 2004 in die Werkstatt zu verbringen. Auch unter Berücksichtigung einer hohen Auslastung der Werkstatt wäre in diesem Fall das Fahrzeug jedenfalls so repariert worden, dass nicht noch ein Wochenende hierüber hätte verstreichen müssen. Dies war für den Kläger bei Ablieferung des Fahrzeuges auch evident und für ihn unter Anwendung der ihm zumutbaren und möglichen Sorgfalt erkennbar. Es ist auch weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass es dem Kläger unmöglich gewesen wäre oder unzumutbare Schwierigkeiten bereitet hätte, so zu verfahren. Insbesondere ist unstreitig geblieben, dass der Reparaturzeitpunkt als solcher, da das Fahrzeug nach dem Verkehrsunfall weiterhin uneingeschränkt fahrbereit war, im Wesentlichen im Belieben des Klägers stand, der bei der Werkstatt deswegen auf einen anderen Einlieferungstermin hätte dringen können und müssen und die Terminsvorgabe der Werkstatt so nicht hätte hinnehmen dürfen.
b)
Dies vorangestellt sind von den Mietwagenkosten 2 Tage in Abzug zu bringen. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Unfallersatztarifliste der Autovermietung C………. fallen in der gewählten Fahrzeugklasse für 11 Tage Mietkosten in Höhe von 1.625,00 EUR an. Zuzüglich der Mehrwertsteuer (260,00 EUR) ergibt sich ein Betrag in Höhe von 1.885,00 EUR. Eigenersparnis ist nicht abzuziehen, weil der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass sein Vertragspartner eine Typklasse niedriger abgerechnet hat.
Nachdem die Beklagten auf diesen Betrag unstreitig 1.040,52 EUR gezahlt haben, bleiben noch 844,48 EUR zur Zahlung fällig.

3 .
Mit ihren im Übrigen gegen die Klageforderung gerichteten Einwendungen vermögen die Beklagten nicht durchzudringen:

a)
Es entspricht seit langem der gefestigten Rechtsmeinung des erkennenden Gerichts, dass den Unfallgeschädigten nach einem Verkehrsunfall eine Erkundigungspflicht nach etwaigen, günstigeren Anbietern von Mietwagen nur dann trifft, wenn sich ihm aufgrund des an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens – oder aufgrund anderer Umstände, etwa aufgrund eines Hinweises der Haftpflichtversicherung des Schädigers auf die besondere Problematik des Unfallersatzwagengeschäftes – evident aufdrängen muss, dass durch die Anmietung des von ihm zunächst beabsichtigten Fahrzeuges ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht (vgl. Amtsgericht Chemnitz, Urteil vom 26. Februar 2003, 21 C 2967/02; Urteil vom 26. Februar 2004, 21 C 5032/03; Urteil vom 16. September 2004, 21 C 1309/04). Von dieser Auffassung abzuweichen, sieht das Gericht auch nach Überprüfung keinen Anlass.

Entscheidend bleibt für das erkennende Gericht, dass der durchschnittliche Unfallgeschädigte, der erstmals in seinem Leben mit einem Verkehrsunfall und dessen Folgen konfrontiert wird und der nicht über besondere Rechts- oder Marktkenntnisse verfügt, ohne weiteres davon ausgeht und ausgehen darf, dass sich im Mietwagenbereich – wie dies aus allen anderen Bereichen des Wirtschaftslebens bekannt ist – den Marktmechanismen entsprechende, zwischen allen Anbietern etwa vergleichbare Preise ergeben. Dass durch Inanspruchnahme eines Fahrzeuges eines bestimmten Anbieters ein unverhältnismäßiger hoher Schaden entstehen könnte bzw. er durch Anmietung eines Fahrzeuges eines anderen Anbieters einen wesentlich geringeren Schaden verursachen könnte, ist dem durchschnittlichen Unfallgeschädigten weder bekannt, noch von ihm ohne weiteres erkennbar. Deswegen muß sich dem durchschnittlichen Geschädigten ohne besondere Rechts- oder Marktkenntnisse eine Notwendigkeit oder gar Verpflichtung, vor der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges Preiserkundigungen bei mehreren Anbietern einzuziehen, nicht aufdrängen. Der gegenteiligen Auffassung auch des Landgerichts Chemnitz vermag sich das Gericht auch weiterhin nicht anzuschließen.

Das vorliegend dem Kläger die Mietwagenproblematik als solche – etwa aufgrund eines Hinweises der Beklagten zu 2 – bekannt gewesen war oder sich ihm anhand des Schadens an seinem Fahrzeug hätte aufdrängen müssen, dass ein unverhältnismäßiger hoher Schaden drohte, behaupten die Beklagten selbst nicht.

b)
Die von den Beklagten vertretene Auffassung, der Kläger hätte ein Fahrzeug zum Normaltarif anmieten können und sollen, erachtet das Gericht auch weiterhin als völlig abwegig. Es ist weder vorgetragen, noch für das Gericht auch nur ansatzweise erkennbar, dass ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall in der Lage wäre, ein Fahrzeug zum Normaltarif anzumieten:

Bei entsprechender Nachfrage ist er verpflichtet, dem Autovermieter wahrheitsgemäß Auskunft darüber zu erteilen, dass er ein Unfallersatzfahrzeug benötigt. Lügt er auf diese Frage hin, macht er sich seinem Vertragspartner gegenüber einer Vertragsverletzung schuldig, da dieser auf der Grundlage dieser Angabe seine Preisbildung kalkuliert. Insoweit setzt sich der Geschädigte, der den Autovermieter in diesem Punkt belügt, der Gefahr zivilrechtlicher Inanspruchnahme, unter Umstände sogar der Gefahr der Strafverfolgung aus. Dass es dem Geschädigten andererseits bei wahrheitsgemäßer Angabe der Tatsachen möglich sein könnte, gleichwohl ein Auto zum Normaltarif zu erhalten, erscheint dem Gericht neben jeglicher Lebensrealität zu liegen. Der Autovermieter, der Kenntnis von den tatsächlichen Umständen und mithin davon hat, dass es sich um ein Unfallersatzfahrzeug handelt, wird zu Normaltarifen mit ihm schlicht und einfach nicht kontrahieren.

c)
Nicht durchzudringen vermögen die Beklagten auch, soweit sie dem Kläger unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ansinnen wollen, zu den kalkulatorischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen des Unfallersatzwagentarifes vorzutragen (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2004, VI 2R 151/03; vom 26. Oktober 2004 VI ZR 300/03 und zuletzt bestätigt durch Urteil vom 15. Februar 2005, VI ZR 160/04). Denn der diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsmeinung des Bundesgerichtshofes vermag sich das erkennende Gericht aus vielerlei Gründen nicht anzuschließen:

aa)
Bedenklich erscheint dem Gericht bereits, soweit der Bundesgerichtshof für die Frage der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB darauf abstellt, ob sich der geltend gemachte Schadensbetrag nach Marktmechanismen entwickelt, die von Angebot und Nachfrage bestimmt sind. Alle dem Gericht hierzu vorliegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes lassen eine weiterführende, rechtliche Begründung des postulierten Zusammenhanges zwischen Erforderlichkeit im Sinne von § 249 Abs. l BGB und den Marktmechanismen vollständig vermissen.

Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als es aus Sicht des erkennenden Gerichtes doch gerade dem Schadensersatzrecht immanent ist, dass der Schädiger oftmals zur Schadensbeseitigung erforderliche Kosten zu ersetzen hat, die sich nach keinerlei Marktmechanismen bilden; zu denken sei hier etwa an die Kosten von Krankenhausbehandlungen (vgl. § 116 SGB X) oder auch öffentlichrechtlicher Abgaben, wie z.B. Um- und Abmeldekosten von Fahrzeugen, Rechtsanwaltsgebühren (BGH, NJW 1959, 1631), die Mehrwertsteuer (§ 249 Abs.2 S.2 BGB) oder auch die Kosten des KFZ-Sachverständigen (vgl. zu dieser Problematik Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 249, Rdnr.40 m.w.N.). All diesen Kosten ist gemeinsam, dass sie sich zwar auch nach bestimmten Kriterien und Maßstäben orientieren und bilden, mit Marktwirtschaft im Sinne einer Preisentwicklung nach Angebot und Nachfrage indes nicht das Geringste zu tun haben.

Für einige dieser Kostenarten werden höhenmäßige Begrenzungen auch diskutiert (vgl. etwa für die Gutachterkosten AG Hagen, NZV 2003, 144) oder sind sogar anerkannt (Krankenbehandlungskosten vgl. BGH, NJW 1969, 2281) . Das indes auch . nur für eine dieser Kostenarten irgendjemand aus fehlenden Marktmechanismen den Schluss gezogen hätte, diese Kosten seien deswegen dem Geschädigten nur dann zu ersetzen, wenn er darlegt und nachweist, dass die Kosten durch die Besonderheiten des Unfalles marktwirtschaftlich „gerechtfertigt“ seien, ist dem Gericht nicht bekannt.

Hinzukommt folgendes: Aus der Sicht der erkennenden Gerichts ist durchaus nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass sich auch der Unfallersatzwagentarif marktwirtschaftlich, nämlich nach Angebot und Nachfrage, bildet. Denn auch, wenn die verlangten Unfallersatzwagentarife teilweise erheblich über den „Normaltarifen“ angesiedelt sind, unterscheiden sich die Unfallersatztarifspreise der jedenfalls im Einzugsbereich des erkennenden Gerichts tätigen Vermieter nicht so erheblich voneinander, wie es zu erwarten wäre, wenn nicht auch hier letztlich Marktmechanismen eine Rolle spielen und die jeweiligen Anbieter berücksichtigen müssten und berücksichtigen würden, wie die Mitbewerber – mindestens am regionalen Markt – ihre Preis gestalten.

bb)
Danach ist nicht davon auszugehen, dass die Frage marktwirtschaftlicher Preisgestaltung ein rechtlich taugliches Tatbestandsmerkmal zur Bestimmung der Erforderlichkeit i.S.v. § 249 Abs.2 S.l BGB ist.

Doch selbst, wenn der höchstrichterlichen Rechtsprechung bis zu diesem Punkt noch gefolgt werden könnte, verlässt diese Rechtsprechung dort, wo sie von dem Geschädigten verlangt, zu den betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen der Gestaltung und Berechnung des Unfallersatztarifes vorzutragen (und diese ggf. zu beweisen) den Boden anerkannten Prozessrechts:

Der Geschädigte hat nach einem Verkehrsunfall von der Preiskalkulation seines Autovermieters regelmäßig keine Kenntnis und kann sich diese Kenntnis unter Anwendung der ihm zumutbaren und möglichen Sorgfalt auch nicht beschaffen. Denn dass das Vermietungsunternehmen ihm gegenüber auskunftspflichtig darüber sein könnte, wie es seine Preise kalkuliert, erscheint dem Gericht nicht einsichtig. Eine solche Information schuldet das Vermietungsunternehmen weder als vertragliche Haupt-, noch als Nebenpflicht. Und selbst wenn, stünden einem diesbezüglichen Informationsanspruch des Kunden erhebliche und letztlich wohl auch durchgreifende Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens entgegen. Damit kann sich der Geschädigte die geforderten Informationen zur Preiskalkulation und Notwendigkeit der Unfallersatzwagentarife regelmäßig überhaupt nicht beschaffen.

Und selbst, wenn man einen rechtlich höherrangigen Informationsanspruch des Geschädigten noch bejahen wollte, erscheint es dem Gericht unverhältnismäßig, ihn – bevor er seinerseits den Schädiger bzw. dessen Versicherung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann – darauf zu verweisen, seinen Vertragspartner auf Auskunftserteilung verklagen zu müssen. Denn freiwillig wird kaum ein Autovermieter seine Preiskalkulation offen legen.

Den Geschädigten gleichwohl auf einen diesbezüglichen Sachvortrag und Nachweis festzulegen, verlangt ihm mithin Unmögliches ab und stellt damit eine verfassungwidrige, unzumutbare Rechtsschutzerschwerung dar (vgl. BVerfG vom 10. November 2004, l BvR 179/03).

cc)
Erkennbarer Hintergrund der bereits zitierten und vieler anderer, ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen ist vielmehr, dass der Versicherungswirtschaft – und, ihr folgend, vielen Gerichten – die im Unfallersatzwagenbereich verlangten und gezahlten Entgelte subjektiv als zu hoch erscheinen. Dies mag nachvollziehbar sein, berechtigt die Rechtsprechung jedoch zur Rechtsüberzeugung des erkennenden Gerichts nicht, unter Überschreitung ihrer Auslegungsspielräume rechtspolitisch tätig zu werden. Dies wäre vielmehr allein Sache des Gesetz- oder eines Verordnungsgebers. So lange diese(r) indes untätig bleibt, haben die Beteiligten der Unfallschadensprozesses und haben auch die Gerichte hinzunehmen, dass die Autovermietungen unternehmen, was ihnen nach dem fundamentalsten Prinzip der Marktwirtschaft zukommt: Zu versuchen, für eine Dienstleistung den höchsten, am Markt überhaupt nur zu realisierenden Preis zu erhalten.
Begrenzt wird dieses grundsätzlich legitime Gewinnstreben in diesem Bereich allein durch die gesetzlichen Regelungen von § 138 BGB – was im übrigen nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch durchaus ausreichend ist.

Dessen Grenzen sind hier indes weder erreicht, noch überschritten :

(1) Für eine Nichtigkeit wegen Wuchers (§ 138 Abs.2 BGB, vgl. LG Bonn, NJW-RR 1999, 464) fehlt jeder Vortrag der Beklagten, insbesondere ist weder vorgetragen, noch erkennbar, dass der Vermieter eine geschäftliche Unerfahrenheit oder wirtschaftliche Zwangslage des Klägers gekannt und ausgenutzt hätte.

(2) Aufgrund Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs.l BGB ist der Vertrag gleichfalls nicht nichtig. Anders, als etwa das AG Böblingen (Schaden-Praxis 2004, 375) meint, ist für die Frage der sittenwidrigen Relation zwischen Leistung und Gegenleistung nämlich nicht auf einen Vergleich zwischen Unfallersatz- und Normaltarifen abzustellen. Denn dies würde voraussetzen, dass der Geschädigte den Normaltarif überhaupt für sich realisieren könnte, was er, wie bereits ausgeführt, nicht kann. Als Vergleichsmaßstab tauglich sind allein die Unfallersatztarife anderer Anbieter, die sich – wie die vom Kläger vorgelegten Preislisten zeigen – durchaus in demselben Rahmen bewegen, in dem auch der streitgegenständlichen Vermieter des Klägers abgerechnet hat.

dd)
Dies vorangestellt sieht das Gericht auch keinerlei Veranlassung, den i. S. v. § 249 Abs. 2 S. l BGB erforderlichen Schadensbetrag etwa durch Sachverständigengutachten ermitteln zu lassen. Erforderlich ist vielmehr – bis zur Grenze von § 138 BGB und unter Maßgabe von § 254 BGB – was der Autovermieter seinem Vertragspartner für die gewährte Dienstleistung in Rechnung stellt und der Geschädigte ihm deswegen vertraglich schuldet.

Es kommt für das erkennende Gericht kraft vorstehender Gründe deswegen auch nicht darauf an, ob oder ob nicht der Kläger, hätte er denn eine Erkundigungspflicht gehabt, bei Erkundigungen bei verschiedenen Autovermietern zutreffende oder überhaupt Auskünfte zu den verlangten Entgelten erhalten hätte.

ee)
Die vorstehenden Ausführungen stellen den Geschädigten auch keineswegs, wie teilweise zu der Entscheidung des BGH in NJW 1996, 1958 vertreten wurde (Palandt-Heinrichs, aaO., Rdnr.31) von allen Sorgfaltspflichten frei. Wenn sich ihm aus dem Unfallschaden oder aufgrund anderer Hinweise aufdrängen muss, dass durch die Anmietung ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht, ist er auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts – und zwar unabhängig von der Anmietdauer und insoweit weitergehend als die bisher herrschende Rechtsprechung – verpflichtet, Preisvergleiche anzustellen und zu versuchen, den Schaden zu minimieren. Aber den seit langem bestehenden Streit zwischen Versicherungswirtschaft und Vermietungsunternehmen auf dem Rücken des bereits durch den Unfall – unverschuldet und rechtswidrig – Geschädigten auszutragen, erscheint dem Gericht als völlig unangemessen.

Nachdem die Beklagten weitere, erhebliche Einwendungen gegen die Klageforderung nicht erheben, waren sie im übrigen antragsgemäß zur Zahlung zu verurteilen.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 BGB, die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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