Bundesgerichtshof
Az.: XII ZR 67/00
Urteil vom 19.02.2003
Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich):
Die Höhe der Unterhaltspflicht der Kinder bestimmt sich nach der Lebensstellung des unterhaltsberechtigten Elternteils. Bei der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Kinder sind deren Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihrer Ehefrau und ihren Kinder zu berücksichtigen. Ferner muss bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit der Kinder ein Anteil von ca. 20 % von deren Bruttoeinkommen für ihre primäre Altersvorsorge angesetzt werden.
Sachverhalt:
Die klagende Stadt hatte der Mutter der Beklagten (2 Söhne) Sozialhilfe gezahlt. Die Stadt nahm die Söhne für die Zeit ab 1994 auf rückständigen Unterhalt und ab Januar 1999 auf laufenden Unterhalt in Anspruch. Das Amtsgericht hatte der Klage für die Zeit ab April 1997 teilweise stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, der Bedarf der Mutter sei ebenso zu bemessen wie derjenige eines volljährigen Kindes mit eigenem Haushalt. Diesen notwendigen Bedarf hatte die Mutter bis März 1997 durch ihr eigenes Einkommen decken können. Das OLG war in der zweiten Instanz der Ansicht, dass der Bedarf der Mutter von dem Amtsgericht zu niedrig angesetzt worden ist. Das Maß des von den Kindern geschuldeten Unterhalts bestimmt sich nach dessen eigener Lebensstellung. Als angemessener Unterhalt müssen dabei aber auch die vorhandenen Mittel des Elternteils berücksichtigt werden. Liegen diese unterhalb des Existenzminimums, so bildet der Ausgleichsbetrag die Untergrenze des Bedarfs.
Entscheidungsgründe:
Der Bundesgerichtshof hat unter Fortführung seiner Rechtsprechung (vgl. https://www.ra-kotz.de/pflegeheimkosten.htm) die Auffassung des Oberlandesgerichts bestätigt. Zur Ermittlung des Bedarfs des unterhaltsberechtigten Elternteils darf auf die in den Unterhaltstabellen enthaltenen Eigenbedarfssätze zurückgegriffen werden und derjenige Betrag als Bedarf angesetzt werden, der der jeweiligen Lebenssituation des Elternteils entspricht. Hinzuzurechnen sind jeweils die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung. Hinsichtlich der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigten ist, dass der Unterhaltsverpflichtete in angemessener Weise für sein Alter Vorsorge tragen muss. Bei der Leistungsfähigkeit muss ein Anteil ca. 20 % des Bruttoeinkommens für die primäre Altersvorsorge angesetzt werden. In welcher Weise der Unterhaltspflichtige diese Vorsorge trifft, steht diesem dabei grundsätzlich frei. Zu berücksichtigen sind auch die sonstigen Verpflichtungen, hierzu gehören auch die Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern. Dieser Unterhaltsanspruch ist nicht von vornherein auf einen Mindestbetrag beschränkt, sondern richtet sich nach den individuellen Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen, die den ehelichen Lebensstandard bestimmen. Da die Ehefrau ihrer Schwiegermutter nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, braucht sie mit Rücksicht auf deren Unterhaltsansprüche keine Schmälerung ihres angemessenen Anteils am Familienunterhalt hinzunehmen. Gleiches dürfte auch für die Kinder gelten, die ebenfalls vorrangig unterhaltsberechtigt sind.