BAG, Az.: 3 AZR 442/68, Beschluss vom 17.10.1969
1. Wegen Erledigung der Hauptsache sind die Urteile des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. März 1968 — 7 Ca 176/68 — und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. August 1968 — 1 Sa 331/68 — gegenstandslos, soweit sie sich über die Verpflichtung des Beklagten, die Tätigkeit für ein anderes Unternehmen zu unterlassen (Klageantrag zu 2), verhalten und hierzu über die Kosten entschieden haben. Insoweit trägt der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits.
2. Der Beklagte hat das Rechtsmittel der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. August 1968 — 1 Sa 331/68 — verloren, soweit es über die Verpflichtung des Beklagten zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit bei der Klägerin (Klageantrag zu 1) entschieden hat. Insoweit trägt der Beklagte die Kosten der Revision.
Gründe
I. Die Klägerin betreibt, neuerdings in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, in zahlreichen deutschen Städten Warenhäuser. Der Beklagte war bei ihr seit 1. April 1961, zuletzt als Einkaufssubstitut, angestellt. Der Arbeitsvertrag war mit Jahresfrist zum Monatsende kündbar. Am 27. November 1967 kündigte der Beklagte und bat darum, daß er bis spätestens Jahresende ausscheiden könne. Dies lehnte die Klägerin ab. Daraufhin kündigte der Beklagte am 5. Januar 1968 fristlos. Seitdem war er bei der Firma W GmbH, …, K, oder bei der Firma M, … KG, K, angestellt. Beide Unternehmen sind miteinander verflochten; sie haben dieselbe Anschrift. Ihr Warensortiment deckt sich mindestens teilweise mit dem der Klägerin.
Mit einem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, seinen Dienstpflichten gegenüber der Klägerin sofort wieder nachzukommen, war die Klägerin in beiden Vorinstanzen erfolgreich.
Mit einem zweiten Hauptantrag, den Beklagten zu verurteilen, vor Ablauf des 30. November 1968 jede Tätigkeit für ein anderes Unternehmen zu unterlassen, ist die Klägerin in den Vorinstanzen nicht durchgedrungen. Hingegen hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten auf einen entsprechenden Hilfsantrag der Klägerin verurteilt, es vor dem Ablauf des 30. November 1968 zu unterlassen, bei den Firmen W oder M tätig zu sein oder zu werden.
Gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte in vollem Umfang Revision eingelegt. Die Revision gegen die Verurteilung, die Tätigkeit bei der Klägerin wieder aufzunehmen (Klageantrag zu 1), hat er jedoch zurückgenommen.
Hinsichtlich der Unterlassungsklage (Klageantrag zu 2) haben beide Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt, weil dieser Klageantrag bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist mit dem 30. November 1968 begrenzt war und diese Frist während des Revisionsverfahrens abgelaufen ist.
II. Der Senat hatte aufgrund der entsprechenden Anträge der Parteien nur noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden.
1. Da der Beklagte die Revision gegen die Verurteilung zur Wiederaufnahme der Tätigkeit bei der Klägerin zurückgenommen hat, treffen ihn insoweit die Kosten des dritten Rechtszuges gemäß § 566 ZPO in Verbindung mit § 515 Abs. 3 ZPO. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich ferner, daß der Beklagte das Rechtsmittel der Revision verloren hat. Beide Wirkungen waren auf dahingehenden Antrag der Klägerin auszusprechen.
2. Mit der Erledigungserklärung sind die Urteile des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts insoweit gegenstandslos geworden, wie der Beklagte verurteilt worden ist, eine Tätigkeit bei den Firmen W und M zu unterlassen. Dies ist aus Gründen der Rechtsklarheit im Tenor dieses Beschlusses ausgesprochen worden.
Bei seiner Entscheidung über die durch den Unterlassungsantrag entstandenen Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin mit ihrem in den Vorinstanzen noch gestellten Hauptantrag erfolglos geblieben ist. Das war deshalb gerechtfertigt, weil das wirtschaftliche Hauptinteresse der Klägerin nach dem Aktenbild ersichtlich darauf gerichtet war, einer Abwerbung ihrer Angestellten durch die Konkurrenzfirmen W und M entgegenzutreten, und weil der Klageanteil, mit dem die Klägerin in den Vorinstanzen unterlegen ist, sich im Streitwert nicht auswirkt.
III. Die Entscheidung über die durch den Unterlassungsantrag entstandenen Kosten des Rechtsstreits hing folglich nur davon ab, ob der Antrag der Klägerin begründet war, dem Beklagten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist eine Tätigkeit für die Firmen W und M zu untersagen. Dies hat der Senat aufgrund der folgenden Erwägungen bejaht:
1. Entgegen der Ansicht des Beklagten war der Arbeitsvertrag einschließlich der Abrede über die einjährige Kündigungsfrist in vollem Umfang rechtswirksam.
a) Als die Parteien am 3. Dezember 1965 die einjährige Kündigungsfrist vereinbarten, galt der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 1965 (vgl. Bundesanzeiger 1965 Nr. 183 S. 2); dieser verwies in § 14 Abs. 2 wegen der Kündigungsfristen für Angestellte auf die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches. Nach dem damals noch geltenden § 66 HGB betrug die gesetzliche Kündigungsfrist sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Damit war nur die mangels abweichender Vereinbarung maßgebliche Mindestkündigungsfrist festgelegt; es war nicht ausgeschlossen, längere Kündigungsfristen zu vereinbaren.
b) Gegen die Vereinbarung der einjährigen Kündigungsfrist bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Kündigungsfrist galt für beide Parteien; sie brachte beiden Parteien Nachteile wie Vorteile. Der Beklagte hatte bei der Klägerin eine Laufbahn beschritten, deren Positionen üblicherweise erst nach längerer Einarbeitungszeit übertragen und langfristig besetzt werden. Unter diesen Umständen sieht der Senat in der Vereinbarung weder einen Verstoß gegen das Grundrecht der freien Wahl von Beruf und Arbeitsplatz (Art. 12 Abs. 1 GG) noch eine sonst unangemessene und deshalb rechtlich zu mißbilligende Beschränkung der beruflichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Beklagten; dies gilt umso mehr, als das Gesetz die Bindung eines Arbeitnehmers bis zur Dauer von fünf Jahren gestattet (§ 624 BGB, der trotz der zahlreichen Änderungen des Kündigungsrechts im BGB aufgrund des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 (BGBl. I, 1106) in seiner alten Fassung bestehen geblieben ist, und § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 des Berufsbildungsgesetzes vom 14. August 1969, BGBl. I, 1112).
c) Es war der Klägerin auch nicht nach dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, sich bei ihrer Klage auf die einjährige Kündigungsfrist zu berufen. Der Beklagte hatte zwar eine überaus günstige neue Stellung gefunden. Deswegen brauchte die Klägerin ihn jedoch nicht kurzfristig aus der vertraglichen Bindung zu entlassen. Vielmehr durfte auch sie ihre Interessen wahrnehmen. Auf die Gegenvorstellungen des Beklagten brauchte sie sich nur einzulassen, wenn seine Gründe so schwerwiegend waren, daß sie die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätten.
2. Die vom Beklagten am 5. Januar 1968 erklärte fristlose Kündigung war unwirksam.
Die Gründe für seine fristlose Kündigung hat das Landesarbeitsgericht weder im einzelnen noch in der Zusammenfassung als wichtigen Grund im Sinne des § 70 HGB, der für die Kündigung vom 5. Januar 1968 noch maßgeblich ist, anerkannt (Art. 6 Abs. 1 des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969, BGBl. I, 1106). Auf die zugehörigen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts unter IV der Entscheidungsgründe wird verwiesen. Sie berücksichtigen den gesamten Tatsachenvortrag des Beklagten und halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
3. Damit steht fest, daß der Arbeitsvertrag der Parteien über den 6. Januar 1968, den Tag des tatsächlichen Ausscheidens des Beklagten, hinaus bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30. November 1968 rechtlich fortbestanden hat. Bis dahin durfte der Beklagte nicht für die Firmen W und M tätig sein.
a) Es kommt dabei nicht auf die immer noch umstrittene Frage an, ob der Arbeitgeber von seinem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer schlechthin verlangen kann, die Aufnahme anderer Arbeit zu unterlassen (vgl. dazu einerseits RGZ 67, 3 ff., andererseits den Beschluß der Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts in RGZ 72, 393 ff.; ferner die in AP zu § 611 BGB Anspruch auf Arbeitsleistung mitgeteilten Entscheidungen).
Jedenfalls durfte der Beklagte, solange er durch seinen Arbeitsvertrag an die Klägerin gebunden war, nicht für die Firmen W und M arbeiten, die unstreitig mit der Klägerin in Wettbewerb stehen. Das folgt aus seiner Treupflicht. Der Arbeitnehmer muß sich aufgrund seines Arbeitsvertrages für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einsetzen und alles unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist. Er darf deshalb, solange das Arbeitsverhältnis besteht, keine Konkurrenztätigkeit ausüben (BAG AP Nr. 1 zu § 306 BGB (zu I 5)). Insofern schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestandes ein Wettbewerbsverbot ein, und zwar über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus. Das für die kaufmännischen Angestellten geltende gesetzliche Verbot, im Handelszweig des Arbeitgebers für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen, enthält einen allgemeinen Rechtsgedanken, der seine Grundlage in der Treuepflicht des Arbeitnehmers hat. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seiner Arbeitnehmer geschützt sein. Das gilt nicht nur, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet, aber (nebenbei) Konkurrenz macht, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer seine bisherige Tätigkeit trotz weiterbestehendem Arbeitsvertrag auf Dauer eingestellt hat und eine neue (hauptberufliche) Beschäftigung für die Konkurrenz aufnimmt.
Mit diesem Ergebnis stimmt die im Schrifttum wohl herrschende Auffassung überein, die einen klagbaren Anspruch des Arbeitgebers auf Unterlassen einer anderweitigen Tätigkeit des Arbeitnehmers zwar grundsätzlich verneint, jedoch eine Ausnahme für den Fall macht, daß der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse am Unterbleiben einer Arbeitsleistung gerade bei dem betreffenden Unternehmen hat (vgl. bes. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 7. Aufl., § 33 VII Fußnote 60, S. 211; ebenso Staudinger-Nipperdey-Mohnen-Neumann, BGB, 11. Aufl., § 611 Anm. 152; etwas abw. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. I, 3. Aufl., § 26 IV 3, S. 282 und Anm. AP Nr. 4 zu § 611 BGB Anspruch auf Arbeitsleistung).
b) Die Grenzen dieses in der Treuepflicht des Arbeitnehmers begründeten Konkurrenzverbotes brauchen für die Entscheidung nicht gezogen zu werden. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob für die Dauer des Arbeitsverhältnisses dem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer jegliche Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen verwehrt ist oder ob ihm nur eine solche Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen versperrt ist, die mit seiner Tätigkeit für den ersten Arbeitgeber in einem wettbewerbsmäßig erheblichen Zusammenhang steht (vgl. zu der entsprechenden Frage bei dem vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot z.B. BAG AP Nr. 21 zu § 133 f GewO (zu 5 und 6) mit weiteren Nachweisen). In beiden Fällen brauchte die Klägerin für die Unterlassungsklage nicht mehr vorzutragen als den unstreitigen Umstand, daß die Firmen W und M Konkurrenzunternehmen sind. Wenn der Beklagte dagegen geltend machen wollte, daß er keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt habe, wäre es seine Sache gewesen, sein neues Aufgabengebiet klar zu umschreiben. Daran hat es der Beklagte fehlen lassen. Sein Vortrag, er treibe keine Konkurrenz, genügt unter diesen Umständen nicht.
4. Nach allem ergibt sich, daß die Klage auf Unterlassung einer Tätigkeit bei den Firmen W und M Erfolg gehabt hätte. Das führt hinsichtlich des Klageantrages zu 2 zur Belastung des Beklagten mit den Kosten des Rechtsstreits.