Oberlandesgericht Saarbrücken
Az: 5 U 60/11
Urteil vom 16.11.2011
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 26.01.2011 – Az: 12 O 202/08 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger und seine Ehefrau I. S. weitere 3.893,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 11.03.2008 sowie weitere 2.015,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 23.07.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.056,74 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Versicherungsleistung aus einer Wohngebäudeversicherung.
Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer eines Hauses mit rund 120 qm selbst genutzter Wohnfläche und einem (vermieteten) Anbau von rund 80 qm.
Ursprünglich bestand eine Wohngebäudeversicherung bei der H. C. mit einer Versicherungssumme 1914 von 27.000,00 Mark und einer Jahresprämie von 192,86 EUR (Bl. 24 d. Anlagen).
Der Versicherungsagent der Beklagten, der Zeuge W., der den Kläger und seine Ehefrau seit Jahren betreute, vermittelte ihnen eine neue Hausratversicherung ab dem 01.05.2002 bei der Beklagten, nachdem sie im Jahre 2001 das Hausanwesen gekauft und umgebaut hatten und von dem Anbau in das Haupthaus mit einer Wohnfläche von rund 120 qm gezogen waren. Er sprach dabei den Kläger und seine Ehefrau auch darauf an, mit ihrer Wohngebäudeversicherung zu der Beklagten zu wechseln. Der Zeuge W. legte dem Kläger am 31.07.2002 ein Angebot vor, welches keine Wohnflächenangaben, sondern ebenfalls den Versicherungswert 1914 von 27.000,00 Mark und eine Prämie in Höhe von 186,43 EUR enthielt (Bl. 331 d.A.).
Aufgrund des Antrags vom 14.08.2002 (Bl. 191 d.A.) schlossen der Kläger und seine Ehefrau eine Wohngebäudeversicherung bei der Beklagten. Der Versicherungsschein vom 11.01.2002 (Bl. 22 d. Anlagen) bezeichnete das versicherte Gebäude als Zweifamilienhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 120 qm. Er bezog die VGB 2001 Allianz Kompakt (Bl. 56 d. Anlagen) ein und enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf den Unterversicherungsverzicht und dessen Voraussetzung nach § 28 VGB 2001 (Bl. 82 d. Anlagen). Die Jahresprämie betrug 163,76 EUR.
Am 16.06.2007 kam es zu einem Brandschaden, der das versicherte Wohnhaus erheblich beschädigte. Die Wiederherstellungskosten betrugen nach einer sachverständigen Schätzung der Beklagten rund 177.000,00 EUR. Im Rahmen der Schadensabwicklung berief sich die Beklagte auf eine Unterversicherung, weil die tatsächliche Wohnfläche nicht 120 qm, sondern etwas mehr als 200 qm betrug. Der Zeuge W. formulierte dem Kläger und seiner Ehefrau ein Schreiben, mit dem sie ihn wegen der bestehenden Unterversicherung in Anspruch nehmen sollten.
Mit Schreiben vom 26.02.2008, 10.03.2008 und 18.03.2008 (Bl. 33-35 d. Anlagen) forderte der Kläger die Beklagte zu weiteren Zahlungen auf. Im Schreiben vom 19.03.2008 berief sich die Beklagte auf die bestehende Unterversicherung und lehnte weitere Zahlungen zurzeit ab (Bl. 36 d. Anlagen). Durch Anwaltsschreiben vom 07.04.2008 wurde die Beklagte zur Zahlung weiterer Handwerkerrechnungen gemahnt, die in Höhe von über 50.000,00 EUR aufgelaufen seien (Bl. 151 d.A.).
Die Beklagte erbrachte dem Kläger insgesamt Leistungen unter Berücksichtigung einer Unterversicherung von 43%. Von den bis Mai 2008 geltend gemachten 163.470,82 EUR glich die Beklagte lediglich 93.178,37 EUR aus.
Der Kläger hat 43% zweier Handwerkerrechnungen der Firmen H. B. über 5.704,12 EUR und Be. über 2.083,36 EUR mit seiner Klage geltend gemacht. Außerdem verlangt er seine außergerichtlichen Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 50.000,00 EUR sowie Zinsen.
Der Kläger hat behauptet, der Zeuge W. habe die Verhältnisse des Wohnhauses und des Anbaus gekannt und die Angaben im Versicherungsantrag stammten von ihm. Er – der Kläger – habe dem Zeugen W. nicht nur die Versicherungspolice der H. C. übergeben, sondern auch eine Berechnung von Kubatur und Wohnfläche des gesamten Hauses. Der Zeuge W. habe ihn und seine Ehefrau den Versicherungsantrag unterschreiben lassen, ohne den Inhalt mit ihnen durchzusprechen.
Nachdem der Versicherungsschein vom 11.11.2002 übersandt worden sei, habe er bemerkt, dass darin die Wohnfläche mit 120 qm ausgewiesen gewesen sei. Seine Ehefrau habe dies bei dem Zeugen W. telefonisch reklamiert, der sie aber beruhigt habe mit dem Argument, wegen der Bündelung der Versicherungen müsse die Wohnfläche genauso angegeben werden, wie bei der Hausratversicherung. Dass trotzdem das gesamte Haus versichert sei, könnten der Kläger und seine Ehefrau an der Angabe Zweifamilienhaus sehen.
Der Kläger hat weiter behauptet, aus seinen Telefonverbindungslisten ergebe sich, dass seine Ehefrau am 14.11.2002 (Bl. 171 d.A.) bzw. am 22.11.2002 (Bl. 188 d.A.) mit dem Zeugen … telefoniert habe.
Die Beklagte hat behauptet, der Kläger und seine Ehefrau hätten im Versicherungsantrag die Wohnfläche für das versicherte Gebäude falsch mit 120 qm angegeben. Dies sei passiert, weil der Kläger, der gemeinsam mit dem Zeugen W. die Wohnfläche zusammengerechnet habe, den Anbau vergessen habe.
Sie hat sich auf einen Wegfall der Entschädigungspflicht wegen arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer nach § 31 Nr. 1 VGB 2001 berufen, weil der Vortrag des Klägers zu dem angeblichen Telefonat mit dem Zeugen W. nach Erhalt des Versicherungsscheines falsch sei.
Das Landgericht Saarbrücken hat die Zeugen S. und W. vernommen und die Beklagte durch Urteil vom 26.01.2011 – Az: 12 O 202/08 – unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Klägerin und seine Ehefrau 3.893,75 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Gegen die Klageabweisung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn und seine Ehefrau, I. S., 3.893,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 11.03.2008 und 2.015,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Der Senat hat den Zeugen W. im Termin vom 19.10.2011 erneut vernommen.
II.
Die Berufung des Klägers hat bis auf einen Teil der Zinsen Erfolg und führt zur Abänderung des Urteils des Landgerichts. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein weiterer Anspruch in Höhe von 3.893,73 EUR nebst Zinsen über die landgerichtliche Verurteilung hinaus aus den §§ 27 und 30 VGB 2001 Allianz Kompakt, § 432 BGB zu.
(1.)
Mehrere Gläubiger einer Versicherungsforderung sind als Mitgläubiger im Sinne des § 432 BGB anzusehen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.01.2004 – 5 U 331/03-35 – OLGR Saarbrücken 2004, 316), so dass der Kläger alleine klagebefugt ist und zu Recht Leistung an alle Versicherungsnehmer verlangt.
(2.)
Die Beklagte kann sich nicht auf eine Unterversicherung des Klägers und seiner Ehefrau berufen. Nach dem Inhalt des Versicherungsscheins vom 11.11.2002 ist zwischen den Parteien ein Unterversicherungsverzicht vereinbart worden. Dort ist auf Seite 2 als Vertragsgrundlage u.a. aufgeführt: „Kein Abzug wegen Unterversicherung. Bei Versicherung zum gleitenden Neuwert nimmt der Versicherer gemäß § 28 VGB 2001 keinen Abzug wegen Unterversicherung vor. Diese Bestimmung entfällt…“
Den Entfall des Unterversicherungsverzichts, der nach § 28 Abs. 3 VGB 2001 Allianz Kompakt dann eintritt, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1a oder 1b VGB 2001 Allianz Kompakt vorliegen, muss der Versicherer beweisen. Dies folgt bereits aus der allgemeinen Beweislastregel, dass jede Partei die ihr günstigen Umstände beweisen muss. Der Entfall des grundsätzlich vereinbarten Unterversicherungsverzichts ist für die Beklagte günstig.
Die Beklagte hätte deshalb gemäß § 28 Abs. 1a VGB 2001 Allianz Kompakt beweisen müssen, dass die Angaben des Versicherungsnehmers zur konkreten Gestaltung des Gebäudes (Gebäudetyp, Bauausführung und –ausstattung, Wohn- oder Nutzfläche), aus denen sich der Versicherungswert ergibt, von den tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles abweichen und daher der Beitrag zu niedrig berechnet wurde.
Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Im Gegenteil steht nach der Beweisaufnahme fest, dass keine abweichenden Angaben des Versicherungsnehmers vorliegen, aus denen sich der Versicherungswert ergibt. Vielmehr haben der Versicherungsagent der Beklagten, der Zeuge .., bzw. dessen Mitarbeiter trotz richtiger Angaben des Klägers und seiner Ehefrau falsche Wohnflächenzahlen schriftlich aufgenommen, aus denen die Beklagte den Versicherungswert bzw. die Prämienhöhe berechnet hat.
(a)
Der Zeuge .., Versicherungsagent der Beklagten, hat bekundet, er habe mit dem Kläger die Quadratmeterzahlen zusammengestellt. Als sie durch das Haus gegangen seien, habe er sich Notizen hinsichtlich der Größe der einzelnen Räume auf einem Zettel gemacht. Ihm selbst sei dann bei der Addition der Zahlen ein Fehler unterlaufen. Er habe nämlich den Versicherungsantrag vom 14.08.2002 ausgefüllt. Die obere Quadratmeterzahl von 120 sei eingetragen gewesen, als der Kläger und seine Ehefrau das Antragsformular unterschrieben hätten. Allerdings sei er mit ihnen die einzelnen Positionen vor der Unterschriftsleistung nicht durchgegangen. Die übrigen Quadratmeterzahlen seien in seinem Büro vorgenommen bzw. nachträglich geändert worden. Wann und durch wen, könne er nicht mehr sagen. Auch die Quadratmeterzahl von 120 habe nicht er, sondern einer seiner Mitarbeiter eingetragen. Dies sei aber vor Unterzeichnung durch die Versicherungsnehmer bereits in seinem Büro geschehen.
Auch in seiner Vernehmung vor dem Senat hat der Zeuge angegeben, dass ihm das Anwesen des Klägers bekannt gewesen sei. Er selbst habe die Quadraterzahlen zusammengerechnet und bei der Summenbildung den Anbau nicht berücksichtigt, sondern diesen vergessen.
Diese Aussage steht mit dem wesentlichen Klägervortrag und der Zeugenaussage seiner Ehefrau in Einklang, dass nämlich der Zeuge W. über die richtigen Wohnflächenzahlen verfügt habe – sei es nun nach Übergabe einer Wohnflächenberechnung oder eigener Zusammenstellung der Zahlen -, dieser daraus selbständig den Versicherungsantrag formuliert habe und sich diesen lediglich ohne Prüfung vom Kläger und seiner Ehefrau habe unterzeichnen lassen.
(b)
Bei diesem Sachverhalt fehlt es an abweichenden Angaben des Versicherungsnehmers von den wirklichen Wohnflächenverhältnissen zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles. Vielmehr hat die Beklagte, der die Kenntnis des Zeugen W. zugerechnet wird, aus den richtigen und vollständigen Einzelangaben des Klägers bzw., soweit der Zeuge W. die Wohnflächen eigenständig ermittelt hat, ohne falsche Wohnflächenangaben des Klägers aufgrund eines alleinigen Fehlers des Zeugen W. die Berechnung des Versicherungswertes und der Prämie falsch vorgenommen. Der Zeuge W. kannte den Anbau und auch dessen Größe, weil er für diesen bereits die Hausratversicherung für den Kläger und seine Ehefrau vermittelt hatte. Die Addition der einzelnen Wohnflächen hat er selbst vorgenommen, so dass sein Rechenergebnis nicht auf falschen Angaben des Klägers beruhte, sondern auf seinem Rechenfehler bzw. seinem Nichtberücksichtigen der Wohnflächenzahlen des Anbaus.
Zwar haben sich der Kläger und seine Ehefrau mit der Unterschrift unter dem Versicherungsantrag vom 14.08.2002 die dortigen schriftlichen Angaben zu Eigen gemacht. Mit seiner Unterschrift macht sich nämlich der Versicherungsnehmer die Angaben in Formularen, die beim Versicherer eingereicht werden, zu Eigen, auch wenn er das Formular nicht selbst ausgefüllt hat. Damit gibt er eine eigene Erklärung ab. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom Versicherungsnehmer unterschriebene Formular als dessen Erklärung (BGH, Urt. v. 14.12.1994 – IV ZR 304/93 – VersR 1995, 281; Senat, Urt. v. 12.07.2006 – 5 U 6/06-1 – VersR 2007, 532).
Allerdings ist im Antragsformular vom 14.08.2002, welches der Kläger und seine Ehefrau unterschrieben haben, an keiner Stelle die Eintragung der Gesamtwohnfläche vorgesehen, sondern lediglich die Eintragung der Wohnflächen für jedes einzelne Stockwerk. Es ergibt sich deshalb aus dieser schriftlichen Erklärung bei objektiver Auslegung keine Angabe einer Gesamtquadratmeterzahl, die niedriger als die tatsächliche von rund 200 qm ist. Auch steht nicht fest, welche Zahlen zu dem Zeitpunkt dort eingetragen waren, als der Kläger und seine Ehefrau dieses Formular unterzeichnet haben, weil der Zeuge W. angegeben hat, dass die Zahlen im Nachhinein verändert wurden. Letztlich kann der Inhalt der schriftlichen Erklärung des Klägers und seiner Ehefrau aber dahinstehen.
Entscheidend ist, dass die dem Versicherungsagenten erteilte Vollmacht zur Entgegennahme des Antrags auf Abschluss eines Versicherungsvertrags die Vollmacht zur Entgegennahme der bei dieser Gelegenheit verlangten Informationen enthält. Aus diesem Grund ist alles, was dem Agenten im Rahmen der Antragsaufnahme mitgeteilt wird, dem Versicherer selbst mitgeteilt. Der Agent ist bildlich gesprochen als Auge und Ohr des Versicherers anzusehen (BGH, Urt. v. 27.02.2008 – IV ZR 270/06 – VersR 2008, 765; BGH Urt. v. 03.07.2002 – IV ZR 145/01 – VersR 2002, 1089; Senat, Urt. v. 30.07.2003 – 5 U 50/02-1 – OLGR 2003, 353). Was ihm mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt. Mit der bloßen Verwendung eines – vorbereiteten – Antragsformulars ist zudem keine erkennbare Beschränkung der Empfangsvollmacht auf schriftliche Erklärungen verbunden, so dass auch mündliche Ergänzungen, die vor dem Versicherungsagenten zum schriftlichen Versicherungsantrag abgegeben werden, gegenüber dem Versicherer erklärt sind (BGH, Urt. v. 19.09.2001 – IV ZR 235/00 – VersR 2001, 1498).
Dem Versicherungsnehmer kann auch nicht vorgehalten werden, das Formular vor der Unterschrift nicht sorgfältig geprüft zu haben, weil er seine Anzeigepflichten durch die richtigen mündlichen Erklärungen bereits erfüllt hat. Den Agenten zu kontrollieren, ist nicht Aufgabe des Versicherungsnehmers (BGH, Urt. v. 27.02.2008 – IV ZR 270/06 – VersR 2008, 765). Entscheidend ist, dass sich der Versicherungsnehmer bis zur Grenze der Evidenz eines Vollmachtsmissbrauchs (BGH, Urt. v. 27.02.2008 – IV ZR 270/06 – VersR 2008, 765) auf den Agenten verlassen darf.
Aus diesen Gründen kann der Versicherer bei einer Abweichung zwischen den schriftlichen und mündlichen Erklärungen, die darauf beruht, dass sein Agent nach zutreffender Information durch den Versicherungsnehmer diese falsch in einen Antrag aufnimmt und sich diese Falscheintragung ohne Kontrolle vom Versicherungsnehmer unterschreiben lässt, dem Versicherungsnehmer nicht entgegenhalten, dass ihm nicht die richtigen Angaben gemacht wurden (BGH, Urt. v. 27.02.2008 – IV ZR 270/06 – VersR 2008, 765; Rolfs in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 19 Rdn. 86; Knappmann in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 14 Rdn. 67 und 68).
Wird die Richtigkeit der Aussage des Zeugen W. unterstellt, haben der Kläger und seine Ehefrau keine von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden Angaben zur Wohnfläche gemacht, sondern diese richtig mitgeteilt, bzw. dem Zeugen W. beim Rundgang durch das Haus alle zutreffenden Tatsachen offengelegt. Da der Kläger und seine Ehefrau keine Zweifel daran haben mussten, dass der Zeuge W. die richtig mitgeteilten bzw. aufgeschriebenen Angaben in den Antrag aufnimmt und auch die ihm bekannten Angaben für den Anbau berücksichtigt, konnten sie sich auf ihn verlassen. Der Zeuge W. wusste, dass sich die beantragte Gebäudeversicherung auch auf den Anbau erstreckte, so dass es für den Kläger bzw. seine Ehefrau keinen Anlass gab, ihn an den Anbau zu erinnern bzw. die Addition der einzelnen Wohnflächenzahlen durch den Zeugen W. selbst zu überprüfen.
Es lag aus diesen Gründen auch kein Fall vor, in dem für den Versicherungsnehmer erkennbar ist, dass der Agent nicht über das richtige Wissen verfügen kann, so dass der Versicherungsnehmer bei seiner Unterschriftsleistung unter ein ungeprüftes Antragsformular weiß, dass der Inhalt nicht richtig und vollständig sein kann. Auch gab es keine Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten des Zeugen W., welches dem Kläger bzw. seiner Ehefrau auffallen musste. Eine Kontrolle der Tätigkeit des Versicherungsagenten war nach dem eben Gesagten nicht Aufgabe des Klägers bzw. seiner Ehefrau.
(c)
Aus diesen Gründen entfällt der Unterversicherungsverzicht der Beklagten nicht. Auf Gesichtspunkte des Verschuldens nach § 28 Abs. 1a a.E. VGB 2001 Allianz Kompakt kommt es deshalb nicht an. Die dort vorgesehene und vom Versicherungsnehmer zu beweisende Entlastung ist nur relevant, wenn objektiv abweichende Angaben des Versicherungsnehmers vorliegen.
Deshalb kommt es auch auf einen Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB nicht an. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch wegen eines Beratungsfehlers der Beklagten zu, sondern ein vertraglicher Leistungsanspruch aufgrund vereinbarten – nicht entfallenen – Unterversicherungsverzichts der Beklagten.
(d)
Im Übrigen kann sogar angenommen werden, dass überhaupt keine Unterversicherung vorliegt, weil eine Gesamtwohnfläche von rund 200 qm zum Vertragsinhalt nach § 5 VVG a.F. geworden ist. Fertigt der Versicherer einen Versicherungsschein aus, der inhaltlich nicht dem vom Agenten entgegengenommenen – mündlich ergänzten – Versicherungsantrag entspricht, so liegt darin keine unveränderte Annahme des Antrags; es finden die Vorschriften des § 5 VVG a.F. Anwendung. Unterlässt der Versicherer die in § 5 Abs. 2 VVG a.F. vorgeschriebene Rechtsbelehrung, weil er irrigerweise glaubt, der Versicherungsschein entspreche dem vom Versicherungsnehmer gestellten Antrag, dann gilt der Antrag gemäß § 5 Abs. 3 VVG a.F. als unverändert angenommen, ohne dass es auf ein Verschulden des Versicherers in diesem Zusammenhang ankäme (BGH, Urt. v. 19.09.2001 – IV ZR 235/00 – VersR 2001, 1498). Sieht man folglich wegen der richtigen Einzelangaben des Klägers eine Gesamtwohnfläche von rund 200 qm als Antragsinhalt an, wurde diese Gesamtwohnfläche auch Vertragsinhalt.
(3.)
Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, aufgrund eines Schadensersatzanspruchs von ihrer Leistungspflicht befreit zu sein. Zwar haben der Kläger bzw. seine Ehefrau die falsche Wohnflächenangabe im Versicherungsschein vom 11.11.2002 nach eigenen Angaben erkannt.
Es ist aber fraglich, ob überhaupt eine Hinweispflicht des Klägers bzw. seiner Ehefrau gegenüber der Beklagten aufgrund des versicherungsrechtlichen Treueverhältnisses (§ 242 BGB) bestand. Bei der Annahme einer solchen Pflicht würde der Versicherungsnehmer, der einen Fehler des Versicherers zu dessen Nachteil erkennt, verpflichtet werden, dem Versicherer die Gelegenheit zu einer Vertragsanfechtung zu seinem Nachteil zu geben. Diese Frage kann aber unentschieden bleiben.
Die Beklagte hat nämlich nicht nachgewiesen, dass der Kläger und seine Ehefrau sie, die Beklagte, vertreten durch den Zeugen W., nicht auf diesen Fehler hingewiesen haben, so dass ihr daraus ein Schaden entstanden ist, weil sie diesen Fehler nicht korrigieren konnte.
Die Zeugin S., die Ehefrau des Klägers, hat eine Rückfrage bei dem Zeugen W. bekundet und eine nachvollziehbare Erklärung dafür abgegeben, warum sie sich mit seiner Antwort zufriedengegeben hat. Der Hinweis auf die Angabe Zweifamilienhaus und die notwendig gleiche Wohnflächenangabe wie in der Hausratversicherung konnte den Kläger und seine Ehefrau beruhigen und ihnen den Eindruck vermitteln, alles habe seine Richtigkeit und sie müssten nichts mehr unternehmen. Diese Erklärung lag für einen versicherungsrechtlichen Laien, der sich auf seinen Agenten nach jahrelanger Zusammenarbeit verlässt, auch nicht fern. Im Gegenteil spricht die Darstellung dieser speziellen Erklärung des Zeugen W. dafür, dass die Zeugin S. wirklich Erlebtes bekundete und sich ihre Nachfrage beim Zeugen W. und dessen Erklärung nicht ausgedacht hat. Dann wäre eine detailärmere Darstellung eher zu erwarten gewesen.
Dabei spielt es auch eine Rolle, dass die Versicherungsprämie der Beklagten von 163,76 EUR nicht so weit unter der früheren Prämie bei der H. C. in Höhe von 192,86 EUR lag, dass dies für den Kläger und seine Ehefrau auffällig sein musste. Immerhin war eine Reduzierung der Prämie durch den „Bündelbonus“ und „Dauernachlass“ durch den Agenten der Beklagten gerade als Grund für den Wechsel angegeben worden. Durch die Telefonnachweise hat der Kläger auch belegt, dass es nach Übersendung des Versicherungsscheins zeitnah zwei Anrufe bei dem Zeugen W. bzw. in seinem Büro gegeben hat.
Dass der Zeuge W. diese Aussage der Zeuge S. nicht bestätigte, sondern ihr widersprach, führt nicht dazu, dass die Richtigkeit seiner Aussage feststeht. Vielmehr war der Zeuge W. zum damaligen Zeitpunkt ernsthaft erkrankt, so dass er abgelenkt gewesen sein kann. Außerdem kann die Zeugin S. an einen seiner Mitarbeiter verwiesen worden sein und von diesem die falsche Auskunft erhalten haben, ohne sich nach mehreren Jahren noch an diesen Mitarbeiter zu erinnern.
Es kann auch nicht aus der Fehlerhaftigkeit der behaupteten Antwort des Zeugen W. abgeleitet werden, dass es ein solches Telefonat nicht gegeben habe. Denn durch den feststehenden Fehler beim Ausfüllen des Antragsformular durch den Zeugen W. und die nachträglichen Veränderungen der Wohnflächenangaben durch Mitarbeiter des Zeugen W. nach Unterschriftsleistung steht fest, dass erhebliche Fehler in dessen Bereich vorkamen, obwohl der Zeuge W. und seine Mitarbeiter um die Bedeutung der Wohnflächenangabe für die Gebäudeversicherung genau gewusst haben müssen. Dass sie diesen Fehler mit der nötigen Sorgfalt auf jeden Fall korrigiert hätten, wenn die Zeugin S. sie auf diesen hingewiesen hätte, steht deshalb nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest. Es kann auch nicht argumentiert werden, die Korrektur habe im Interesse des Zeugen W. gelegen. Denn die Errechnung der richtigen Prämie von 327,64 EUR hätte dazu geführt, dass der Kläger und seine Ehefrau die Gebäudeversicherung entgegen den Interessen des Zeugen W. nicht bei der Beklagten abgeschlossen hätten, nachdem sie ihre frühere Versicherung mit einer Prämie von 192,86 EUR auf Anraten des Zeugen W. aufgrund eines Angebotes mit einer Prämie in Höhe von 186,43 EUR gekündigt hatten.
(4.)
Aus denselben Gründen ist auch eine arglistige Täuschung durch den Kläger bzw. seine Ehefrau durch einen falschen Vortrag im Entschädigungsverfahren, die nach § 31 VGB 2001 Allianz Kompakt zum Wegfall der Entschädigungspflicht der Beklagten hätte führen können, nicht bewiesen.
(5.)
Der Anspruch des Klägers in Höhe von 3.893,73 EUR ist nach den §§ 286, 288 BGB seit dem 11.03.2008 zu verzinsen. Nach unbestrittenem Vortrag waren die streitgegenständlichen Rechnungen der Firmen B. und Be. von der i. GmbH bereits am 09.10.2007 bzw. am 14.01.2008 geprüft und freigegeben worden. Durch die Mahnung des Klägers und seiner Ehefrau vom 26.02.2008 bis zum 10.03.2008 trat ab dem 11.03.2008 Verzug ein.
(6.)
Dem Kläger stehen auch die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 2.015,38 EUR, berechnet aus einem Streitwert von 50.000,00 EUR – wie geltend gemacht – zu. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Klägervertreters mit Schreiben vom 07.04.2008 mit entsprechenden Zahlungen in Verzug, so dass sie die entstandenen Anwaltskosten nach den §§ 280, 286 BGB zu ersetzen hat.
Die Beklagte hatte sich in einem Telefonat am 18.03.2008 und in einem Schreiben vom 19.03.2008 (Bl. 36 d. Anlagen) geweigert, zurzeit weitere Zahlungen an den Kläger zu erbringen. Sie hatte auf die Unterversicherung abgestellt und deutlich gemacht, diese zu berücksichtigen. Damit hat sie eine Leistung in Höhe von 43% aller erbrachten und berechneten Handwerker– und Architektenleistungen ernsthaft und endgültig im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert. Folglich ist die Beklagte durch diese Erfüllungsverweigerung mit allen fälligen Leistungen in Verzug geraten.
Zum Zeitpunkt des außergerichtlichen Tätigwerdens des Klägervertreters waren die von ihm im Schriftsatz vom 02.02.2009 aufgeführten Handwerkerleistungen über insgesamt 50.069,55 EUR bereits ausgeführt (Bl. 151 d.A.). Das ergibt sich daraus, dass alle Rechnungen bis zum 28.03.2008 erstellt waren und vom Architekten des Klägers geprüft und für richtig befunden worden waren (Bl. 332ff d.A.). Daraus folgt ohne weiteres, dass die Arbeiten bereits ausgeführt und auch die Voraussetzungen für den Erhalt des Neuwertanteils gegeben waren. Wegen der Weigerung der Beklagten, einen Leistungsausgleich in Höhe der von der Beklagten behaupteten Unterversicherung von 43% vorzunehmen, trat auch sofort Fälligkeit ein, ohne dass die weiteren Voraussetzungen von § 11 Abs. 1 VVG a.F. bzw. § 30 Abs. 1 VGB 2001 Allianz Kompakt hätten vorliegen müssen. Denn mit der endgültigen Leistungsverweigerung des Versicherers kommt es auf weitere Feststellungen des Versicherers nicht mehr an. Der Versicherer hat gerade zum Ausdruck gebracht, keine weiteren Feststellungen mehr zu benötigen, sondern bereits entschlossen zu sein, nicht zu leisten (Prölss in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 11 VVG Rdn. 1; Schlegelmilch in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 21 Rdn. 9).
(7.)
Zinsen hieraus schuldet die Beklagte aber erst seit dem 23.07.2008 aus den §§ 291, 288 BGB. Einen vorherigen Verzugseintritt durch eine vorgerichtliche Mahnung über die außergerichtlichen Anwaltskosten hat der Kläger nicht dargelegt.
(8.)
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.