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Verbraucherdarlehensvertrag – Anforderungen an Widerrufsbelehrung

OLG Stuttgart, Az.: 6 U 115/16, Urteil vom 14.03.2017

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 3.5.2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: Bis 140.000 Euro.

Gründe

I.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass sich ein mit der beklagten Bank im Januar/Februar 2010 geschlossener Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag über insgesamt 320.000 Euro durch ihren am 26.9.2014 erklärten Widerruf in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt habe.

Dem Vertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt wie folgt:

………………………

Die Kläger haben in erster Instanz vorgetragen, der Vertrag sei ihnen vorab postalisch übersandt worden und haben unter Verweis auf die Entscheidungen BGH, Urteil vom 10. März 2009 – XI ZR 33/08 -, juris, und BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 55/00 -, juris, insbesondere gemeint, die Belehrung zum Fristbeginn genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, für eine postalische Übersendung der Vertragsunterlagen ergebe sich aus ihrer Akte nichts, der Vertrag sei in Präsenz der Parteien in einer ihrer Filialen unterzeichnet worden. Sie verteidigt die Belehrung als ordnungsgemäß und meint außerdem, das Widerrufsrecht sei verwirkt oder doch seine Ausübung rechtsmissbräuchlich.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die Schriftsätze und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß gewesen, der Widerruf daher verfristet erklärt worden sei.

Verbraucherdarlehensvertrag – Anforderungen an Widerrufsbelehrung
Symbolfoto: FreedomTumZ/Bigstock

Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Belehrung über den Fristbeginn wiederholen und vertiefen. Bezüglich der Vertragsabschlusssituation räumen sie ein, dass ihnen die Vertragsunterlagen nicht vorab übersandt worden sind und tragen jetzt vor, sie hätten den Vertrag am 27.1.2010 in einer Filiale der Beklagten unterzeichnet, ohne jedoch bei dieser Gelegenheit ein Vertragsexemplar erhalten zu haben. Das von ihnen als Anlage K 1 zur Klage (Bl. 1 d. A.) vorgelegte – von keiner Partei unterzeichnete – Exemplar sei ihnen vielmehr erst mit dem als Anlage K 2 zum Schriftsatz vom 24.1.2017 (Bl. 104 d. A.) vorgelegten Schreiben der Beklagten vom 2.2.2010 übersandt worden.

Die Kläger beantragen: Das am 03.05.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az.: 21 O 259/15, wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Verbraucherdarlehensvertrag Nr. … infolge des klägerischen Widerrufs vom 26.09.2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig. Zur Vertragsabschlusssituation trägt die Beklagte vor, den Klägern sei ein Vertragsexemplar nicht erst mit dem Schreiben vom 2.2.2010 per Post übersandt, sondern bereits beim Termin in der Filiale vom 27.1.2010 übergeben worden.

Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Der Schriftsatz der Kläger vom 14.2.2017 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Dabei kann offen bleiben, ob die Feststellungsklage mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig ist. Denn dessen Fehlen schließt die Sachprüfung und die Abweisung der Klage durch Sachurteil nicht aus (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 7; RGZ 158, 145, 152; BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – XI ZR 66/16 -, juris, jeweils m. w. N.).

Und so liegen die Dinge hier: Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß war und der von den Klägern erst im Jahr 2014 erklärte Widerruf den Darlehensvertrag daher nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat; die Klage ist damit unbegründet.

1.

Maßgeblich sind die bei Abschluss des Vertrages geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art. 229 § 9 Abs.1 Nr.2 und § 22 Abs. 2 EGBGB).

2.

Zutreffend hat das Landgericht zunächst entschieden, dass die streitgegenständliche Belehrung den nach diesen Vorschriften an die äußere Gestaltung zu stellenden Anforderungen (dazu BGH, Urteile vom 23. Juni 2009 – XI ZR 156/08 -, Rn. 24, juris; vom 25. April 1996 – X ZR 139/94 -, juris; vom 27. April 1994 – VIII ZR 223/93 -, juris; vom 20. Dezember 1989 – VIII ZR 145/88 -, juris; vom 7. Mai 1986 – I ZR 95/84 -, juris) genügt.

Durch den Abdruck der doppelt umrahmten, in gegenüber dem übrigen Vertragstext größerer Schrifttype gehaltenen Belehrung auf einem gesonderten Blatt und unter der gegenüber allen anderen wesentlich größer gehaltenen Überschrift „Widerrufsbelehrung“ hebt sich die Belehrung aus dem Text des Vertrages deutlich heraus und bringt dem Verbraucher so die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis.

3.

Gleichfalls zutreffend und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass die Belehrung nicht dadurch verwirrend wird, dass sie den Terminus „Textform“ u. a. mit der Wendung „schriftlich“ erläutert.

Dass der Widerruf schriftlich erklärt werden kann, ist ausdrücklich als Beispiel für einen Widerruf in Textform bezeichnet. Dass der Verbraucher deshalb glauben könnte, er könne den Widerruf nur schriftlich erklären, ist abwegig, zumal, worauf das Landgericht gleichfalls zutreffend hinweist, mit der Möglichkeit des Widerrufs mittels „E-Mail-Nachricht“ ein weiteres Beispiel genannt ist, in dem der Widerruf gerade nicht schriftlich erfolgt.

4.

Richtig hat das Landgericht zuletzt entschieden, dass auch die Erläuterung zum Beginn des Fristlaufs den gesetzlichen Anforderungen genügt.

a)

Die Formulierung der streitgegenständlichen Belehrung, wonach die Widerrufsfrist erst in Gang gesetzt wird, wenn dem Verbraucher neben einem Exemplar der Widerrufsbelehrung auch „eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages zur Verfügung gestellt“ wurden nimmt – abgesehen von der unschädlichen und eher verdeutlichenden Verwendung des Personalpronomens „mein“ – die Formulierung des Gesetzes in § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a. F. auf und genügt den vom Gesetz gestellten Anforderungen grundsätzlich (BGH, Beschluss vom 27. September 2016 – XI ZR 309/15 -, Rn. 8, juris).

b)

Dabei kommt es nicht darauf an, ob etwas Anderes gilt, wenn die Widerrufsbelehrung trotz ihrer dem Gesetz entsprechenden Fassung nach der konkreten Art ihrer Verwendung, insbesondere der konkreten Vertragsabschlusssituation, für den Verbraucher gleichwohl missverständlich sein konnte (vgl. dazu Senat, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 6 U 48/16 -, Rn. 16, juris).

Denn die Gefahr eines solchen Missverständnisses bestand vorliegend nicht, unabhängig davon, ob der Vortrag der Kläger (dazu aa)) oder der Vortrag der Beklagten (dazu bb)) zur Vertragsabschlusssituation zugrundegelegt wird, so dass es auch einer Beweiserhebung über den Ablauf nicht bedarf.

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aa)

Ist den Klägern das von ihnen mit der Klage vorgelegte Exemplar des Vertragsantrages erst mit dem Bestätigungsschreiben der Beklagten vom 2.2.2010 übersandt worden, bestand aus Sicht eines verständigen Verbrauchers, auf den abzustellen ist, kein Zweifel, dass ihm (erst) damit im Sinne der Belehrung ein Exemplar der Widerrufsbelehrung und sein Vertragsantrag „zur Verfügung gestellt“ war.

Soweit die Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14.2.2017 die Auffassung vertreten haben, ein Verbraucher könne bei diesem Ablauf glauben, ihm seien die Vertragsunterlagen bereits „zur Verfügung gestellt“ worden, als sie ihm in der Filiale der Bank zur Unterschrift vorgelegt worden sind, liegt ein solches Verständnis fern: „Zur Verfügung stellen“ meint aus Sicht eines verständigen Verbrauchers offensichtlich mehr als (kurz) zur Unterschrift vorgelegt und gleich wieder weggegeben. Erst recht durch die Nennung auch von Abschriften von Vertragsurkunde oder -Antrag im Belehrungstext ist es für den verständigen Verbraucher vielmehr eindeutig, dass die Zurverfügungstellung im Sinne der Belehrung die Übergabe einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Unterlage zum Verbleib bei ihm voraussetzte und dass diese Voraussetzung – unabhängig davon, ob er das für ihn bestimmte Exemplar seines Vertragsantrages unterzeichnet hatte, oder nicht – noch nicht bei Unterzeichnung in einer Filiale ohne Übergabe irgendwelcher Unterlagen, sondern erst mit der anschließenden Übersendung der Vertragsunterlagen an ihn erfüllt war.

bb)

Erst recht nicht die Gefahr eines Fehlverständnisses bestand, wenn der Vortrag der Beklagten zum Vertragsabschluss zutrifft. Wurde den Klägern eine Abschrift ihres Vertragsantrages – wiederum gleich, ob unterschrieben, oder nicht – unmittelbar im Unterschriftstermin mitgegeben, war erst recht eindeutig, wann ihnen die Unterlagen im Sinne der Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt waren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.

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