Kammergericht Berlin
Az: 12 U 67/10
Urteil vom 14.02.2011
In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 09.02.2011 eingereicht werden konnten, für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. April 2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des Landgerichts Berlin – 44 O 153/09 – einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 12. April 2010 verkündete Urteil der Zivilkammer 44 des Landgerichts Berlin, mit der seine auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 25. Mai 2009 in der Dudenstraße in Berlin ereignet hat. Am Unfalltag befand sich in Höhe der Hausnummer … der Dudenstraße und damit kurz vor der Kreuzung Dudenstraße/Katzbachstraße eine Baustelle, weswegen der rechte Fahrstreifen dort für die Weiterfahrt gesperrt war. Der Kläger ist Halter eines Pkw´s der Marke Mercedes mit dem amtlichen Kennzeichen……, welches er am 25. Mai 2009 gegen 12.00 Uhr auf der Dudenstraße in Richtung Platz der Luftbrücke führte. Kurz vor der Kreuzung Dudenstraße/Katzbachstraße kam es zu einer Kollision mit dem in gleicher Richtung fahrenden und vom Beklagten zu 1) geführten LKW mit dem amtlichen Kennzeichen……, dessen Halter der Beklagte zu 2) ist und welches bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversichert ist. Die Parteien streiten über den genauen Hergang des Unfalls und die Haftung dem Grunde nach.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) habe den Unfall allein verursacht. Der Kläger behauptet, er habe am 25. Mai 2009 mit seinem Pkw zunächst einen Fahrstreifenwechsel vom rechten auf den linken Fahrstreifen vorgenommen, weil sich auf seiner Fahrspur eine Baustelle befunden habe. Er habe diesen Fahrstreifenwechsel unter Beachtung der größten Sorgfalt vorgenommen und erfolgreich vollendet, wobei er auf dem linken Fahrstreifen vor dem vom Beklagten zu 1) geführten LKW eingescheert sei. Sodann seien beide Fahrzeuge für einen kurzen Moment hintereinander in derselben Spur gefahren. In Höhe der sich nach Beginn der Baustelle eröffnenden Linksabbiegerspur habe der Beklagte zu 1) ihn dann bei einem vom Beklagten zu 1) beabsichtigten Fahrstreifenwechsel in die Linksabbiegerspur hinten links gerammt, weil dieser den Abstand falsch eingeschätzt habe. Wegen des vom Kläger im Einzelnen vorgetragenen Schadens (u.a. Kosten für eine Notreparatur, Reparaturkosten u. Auslagenpauschale) wird auf Seite 3 u. 4 des angefochtenen Urteils verwiesen.
Demgegenüber sind die Beklagten der Auffassung, der Unfall sei allein durch den Kläger verursacht worden. Sie behaupten, der Unfall habe sich bereits ereignet, als der Kläger vor der Baustelle – ohne die hierfür notwendige Sorgfalt an den Tag zu legen – aus dem rechten Fahrstreifen auf den linken Fahrstreifen hinüber gewechselt sei und zwar für den Beklagten zu 1) im toten Winkel, so dass dieser mit seiner vorderen rechten Fahrzeugecke den hinteren seitlichen Bereich am Klägerfahrzeugs getroffen habe.
Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung des Zeugen ….. sowie persönliche Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1)) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stünden aus Anlass des Verkehrsunfalls am 25. Mai 2009 keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall in einem engen und räumlichen Zusammenhang mit dem unstreitig vollzogenen Spurwechsel des Klägers i.S.d. § 7 Abs. 5 StVO ereignet habe. Die Angaben des Klägers und des Zeugen ……. hätten dem Gericht nicht die Überzeugung zu vermitteln vermocht, dass die Unfalldarstellung des Klägers zutreffe. Demgegenüber seien die Angaben des Beklagten zu 1) zum Unfallablauf in sich schlüssig und frei von Widersprüchen gewesen. Es spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine unfallursächliche Missachtung der durch § 7 Abs. 5 StVO vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten seitens des Klägers. Ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) an der Unfallentstehung habe der Kläger nicht nachzuweisen vermocht.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er primär die Zurückverweisung an das Landgericht und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des begehrten Schadensersatzes erstrebt. Der Kläger ist der Auffassung, das Landgericht sei zu Unrecht seinem erstinstanzlichen Beweisangebot zur Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens nicht gefolgt. Nachdem das Gericht dem Zeugen ….. nicht geglaubt habe, obwohl dieser ein erfahrener Taxifahrer und mit dem Verkehr in Berlin gut vertraut sei, hätte seinem Beweisantrag zur Einholung eines Gutachtens aus der Klageschrift vom 3.8.2009 stattgegeben werden müssen. Bei der hier streitigen Unfallkonstellation sei zu beachten, welches Fahrzeug schneller gefahren sei. Bei einem Anschleifen durch den Pkw, wie der Beklagten vorgetragen habe, müsse der Pkw schneller gewesen sein. Er streife dann feiner an, da er das schnellere Fahrzeug sei und beide Fahrzeuge fast parallel fahren und löse sich mit Druck über den Heckbereich, wo also die tiefste Delle hätte sein müssen. Dieses Schadensbild weise aber der klägerische Pkw gerade nicht auf. Bei diesem sei die tiefste Eindellung kurz vor dem Abriss der Schleifspuren und die Anstoßstelle beginne als 7 cm breite Farbspur auf der hinteren linken Stoßstangenecke. Die Farbspur beginne hier und verlaufe um die Stoßstangenecke herum weiter nach vor, was dafür spreche dass von hinten eine Kraft gegen die Stoßstange gedrückt habe, also der schnellere LKW von hinten gekommen sei und in das Klägerfahrzeug eingefahren sei.
Im übrigen habe das Landgericht fehlerhaft einen Anscheinsbeweis angenommen und auch nicht berücksichtigt, dass der Beklagte zu 1) mit seinem LKW entgegen dem Rechtsfahrgebot auf dem linken Fahrstreifen gefahren sei. Schon aus diesem Grunde sei eine Mithaftung mindestens in Höhe der Betriebsgefahr gegeben, die im Verhältnis zum Pkw des Klägers höher anzusetzen sei. Sollten sich die Beklagten auf § 7 Abs. 1 StVO berufen, so läge in der Folge ein Fall des § 7 Abs. 4 StVO, des Reissverschlussverfahrens, vor. Danach hätte der Beklagte zu 1) den Kläger vor sich einfädeln lassen müssen. Insoweit ergäbe sich zumindest eine Mithaftung des Beklagten zu 1/3, weil er den neben sich fahrenden Verkehr nicht ausreichend beachtet habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen, hilfsweise,
1. die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.091,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 11.12.2009 auf diesen Betrag und für den Zeitraum vom 27.06.2009 bis zum 10.12.2009 auf den Betrag von 4.909,56 EUR an ihn zu verurteilen,
2. die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner zur Zahlung von 14,28 EUR Kosten der Akteneinsicht nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit an ihn zu verurteilen,
3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1., 2. und 3. gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm den Betrag auszugleichen, den er durch die Rückstufung in seiner Haftpflichtversicherung auf Grund des Unfalls vom 25.05.2009 künftig erleidet, sowie weiter, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihm darüber hinaus sämtliche aus dem Unfallereignis vom 25.05.2009 entstehenden materiellen Schäden zu ersetzen,
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, in Höhe von 489,45 EUR außergerichtliche Kosten nebst 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz der EZB gemäß §§ 247, 288 BGB ab Rechtshängigkeit an ihn zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie tragen vor, dass Gründe für eine Zurückverweisung nicht vorlägen. Es sei weder das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden noch liege eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft, zumal das Gericht bereits nach der Zeugenbefragung eine Bestätigung des Klägervorbringens nicht gesehen habe. Im übrigen hätte eine Gutachteneinholung auch bedingt, dass zumindest einigermaßen gesicherter Sachvortrag über den Unfallverlauf vorlege, was aber nicht der Fall sei. Im übrigen passe das Schadensbild an den Fahrzeugen nicht zu dem vom Kläger geschilderten Unfallhergang. Völlig zu Recht habe das Landgericht angenommen, dass gegen den Kläger auf Grund des von ihm unstreitig vorgenommenen Fahrstreifenwechsels der Anscheinsbeweis streite.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst ihrer Anlagen Bezug genommen.
Die Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
II. Über die Berufung des Klägers ist nach Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 1 ZPO zu entscheiden.
Die Berufung des Klägers hat (einen zunächst vorläufigen) Erfolg. Die Sache wird auf Antrag des Klägers gem. § 538 Abs. Abs. 2 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 12. April 2010 an das Landgericht zurückverwiesen, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oer aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist.
1) Wesentlicher Verfahrensmangel
Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, denn das Landgericht hat zu Unrecht von der Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens abgesehen. Ein wesentlicher Verfahrensfehler liegt vor, wenn das Erstgericht unter Verstoß gegen eine Verfahrensnorm entscheidet und dies für das Urteil ursächlich ist. Dies ist insbesondere der Fall bei Unterlassen einer erforderlichen Beweisaufnahme ohne zulässigen Ablehnungsgrund (vgl. Senat, Urteil vom 3. November 2008 – 12 U 177/08 -; OLG Schleswig, NJW-RR 2008, 1525 – hier zitiert nach juris).
Zwischen den Parteien ist der Hergang des Unfalls am 25. Mai 2009 in der Dudenstraße in Berlin streitig. Das Landgericht hat daher zum Hergang des Unfalls den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört und den vom Kläger benannten Zeugen ### vernommen. Allerdings hat das Landgericht die Behauptung des Klägers zum Unfallhergang damit noch nicht hinreichend aufgeklärt. Der Kläger hat nämlich im Schriftsatz vom 3.12.2009 behauptet, die Richtigkeit seiner Schilderung des Unfallhergangs könne (auch) durch ein Sachverständigengutachten bewiesen werden, weil die Einbeulung an seinem Fahrzeug keinesfalls dafür spreche, dass der Beklagte zu 1. mit seinem Fahrzeug mit seiner vorderen rechte Ecke das Klägerfahrzeugs bei dem Vollzug eines Spurwechsels gerammt habe. Das Schadensbild spreche vielmehr eindeutig dafür, dass der Beklagte zu 1) von hinten kommend seitlich das Klägerfahrzeug geschrammt habe. Die Beule an seinem Fahrzeug an der Seitenpartie hinten links weise erhebliche Schrammen auf. Träfe die Unfalldarstellung der Gegenseite zu, wäre die Beule aber tiefer und der Schaden an seinem Fahrzeug erheblich größer. Er hat ferner behauptet, dass beim dem von den Beklagten geschilderten Unfallhergang die Krafteinwirkung auf sein Fahrzeug dazu hätte führen müssen, dass dieses eine Rotation um die eigene Achse gegen den Uhrzeigersinn vornehme. Dies aber sei nicht geschehen. Auch hierfür hat er ein Gutachten zum Beweis angeboten (Seite 4 des Schriftsatzes vom 3. Dezember 2009 – Bl. 66 der Gerichtsakte). Die Beklagten haben demgegenüber vorgetragen, das Schadensbild am Klägerfahrzeug stehe nicht im Einklang mit der Unfallschilderung des Klägers und haben sich unter Protest gegen die Darlegungs-, Beweis- und Kostenlast zum Beweis auf ein unfallanalytisches Gutachten berufen.
Den vom Kläger angebotenen (weiteren) Beweis „Sachverständigengutachten“ hat das Landgericht nicht erhoben, ohne hierfür einen Grund zu benennen. Damit hat es das Beweisangebot übergangen, was in der Sache einer Ablehnung des Beweisantrages gleichkommt. Zur Ablehnung eines Beweisantrages hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 2. Senat 2 Kammer, Beschluss vom 9.10.2003, 2 BvR 1268/03 – hier zitiert nach juris) ausgeführt:
„Die Ablehnung eines Beweisantrags kann dann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn sie keine Stütze im anzuwenden Prozessrecht findet (BVerfGE 50, 32 [BVerfG 08.11.1978 – 1 BvR 158/78] [36]; 60, 250 [252]; 69, 141 [143 f.]; stRspr). Einem Beweisangebot ist nach den Bestimmungen des Zivilprozessrechts dann nicht nachzukommen, wenn das angebotene Beweismittel ungeeignet ist, weil es im Einzelfall völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zum Beweisthema sachdienliche Ergebnisse erbringen kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Februar 1992 – 2 BvR 1179/91 -, NJW 1993, S. 254 [255]; Greger, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, Vor § 284 ZPO, Rn. 10a). Bedarf es für die Beurteilung der Ungeeignetheit eines Beweismittels selbst fachlicher Kenntnisse, so muss das Gericht, wenn es sich diese Sachkunde selbst zutraut, darlegen, woher es diese Fachkenntnisse bezieht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Oktober 2002 – 1 BvR 2116/01 -, NJW 2003, S. 1655).
Nicht nachzukommen ist einem Beweisantritt ferner, wenn er nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen zu dienen bestimmt ist, sondern die Ausforschung von Tatsachen oder die Erschließung von Erkenntnisquellen, die es erst ermöglichen sollen, bestimmte Tatsachen zu behaupten, zum Inhalt hat (Greger, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, Vor § 284 ZPO, Rn. 5). Entscheidend für die Unterscheidung eines solchen Beweisermittlungsantrags von einem beachtlichen Beweisantrag ist, ob die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. Juli 1996 – 1 BvR 634/94 -, ZIP 1996, S. 1761 [1762]; BGH, Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 178/94 -, NJW 1995, S. 2111 [2112]).“
Bei Beachtung dieser Grundsätze findet die Nichteinholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens durch das Landgericht vorliegend keine Stütze im Prozessrecht. Der Beweisantritt dient vorliegend nicht der Ausforschung, denn der Kläger behauptet konkrete Tatsachen – nämlich bestimmte, näher bezeichnete Schäden an seinem Fahrzeug – die nach seiner Darstellung nur durch den geschilderten Unfallhergang entstanden sein können, während die Schäden an seinem Fahrzeug bei Zugrundelegung des gegnerischen Vortrags anders aussehen müssten. Er macht also in der Sache geltend dass die Art der Schäden an seinem Pkw einen Rückschluss auf den Unfallhergang zulässt.
Das vorliegend ein untaugliches Beweisangebot vorliegt, weswegen das Beweisangebot ohnehin abzulehnen gewesen wäre, kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Das Landgericht setzt sich in der angefochtenen Entscheidung bereits nicht damit auseinander, warum der vom Kläger insoweit angebotene Beweis „Sachverständigengutachten“ nicht erhoben wird. Sofern das Landgericht den Beweisantritt als untauglich angesehen haben sollte – ohne dies allerdings in den Urteilsgründen auszuführen -, hätte es aber seine diesbezügliche gerichtliche Sachkunde darlegen müssen. Der Senat jedenfalls – der seit Jahren schwerpunktmäßig Verkehrssachen bearbeitet – war im Rahmen der Beratung nicht in der Lage festzustellen, dass es ausgeschlossen ist, dass ein Sachverständiger zum Beweisthema sachdienliche Ergebnisse zu gewinnen vermag. Bei der Rekonstruktion eines Unfallverlaufs handelt es sich um einen komplexen Vorgang, der nur von einem Sachverständigen beurteilt werden kann. Für das Gericht ist jedenfalls nicht sicher feststellbar, dass aus der Art der vom Kläger hier geschilderten Schäden an seinem Fahrzeug – welche durch Fotos dokumentiert sind und auch noch am unreparierten Fahrzeug des Klägers vom Sachverständigen untersucht werden können – ein Fachmann keine Rückschlüsse auf den Unfallhergang ziehen kann.
Soweit die Beklagten darauf rekurrieren, dass das Gutachten nicht einzuholen gewesen sei, weil das Landgericht bereits nach der Zeugenbefragung eine Bestätigung des Klägervorbringens nicht gesehen habe und daher keine Unsicherheit für die Entscheidungsfindung vorgelegen habe, vermag dies eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Nach § 286 ZPO hat das Gericht sämtliche angebotenen Beweise auszuschöpfen und das gesamte Ergebnis der Beweisaufnahme einer umfassenden Würdigung zu unterziehen. Genauso wie eine Vorwegnahme der Würdigung eines noch nicht erhobenen Beweises verletzt auch die Nichterschöpfung der angebotenen Beweise § 286 Abs. 1 ZPO und Art. 103 GG (Zöller-Greger, 28. Auflage, § 286, Rdn. 12)
Auf der verfahrensfehlerhaften Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens beruht auch das angefochtene Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei Durchführung einer vollständigen Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
b) Umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme
Eine Fortführung des Verfahrens in zweiter Instanz kommt gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht in Betracht. In § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist neben dem Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels und dem Antrag einer Partei auch das Erfordernis einer umfangreichen oder aufwändigen Beweisaufnahme als Voraussetzung einer Zurückverweisung geregelt. Der Gesetzgeber hat sich hinsichtlich des Anwendungsbereichs darauf beschränkt, festzustellen, dass die einfache Vernehmung eines Zeugen im Inland keine umfangreiche Beweisaufnahme darstellt, während die Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen oder Sachverständigen als Beispiel für eine umfangreiche Beweisaufnahme genannt ist (BT-Ds. 14/4722 S. 102 f.). Konkrete Vorgaben zur Zahl der Beweismittel oder der beweisbedürftigen Tatsachen sind dort also erkennbar unterblieben. Vorliegend würde eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht notwendig, denn neben der Einholung des notwendigen Sachverständigengutachtens wäre erneut der Zeuge ### zu vernehmen sowie der Kläger und der Beklagte zu 1) persönlich anzuhören. Eine Zurückverweisung an das Erstgericht erscheint daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Gericht verkennt nicht, dass eine Zurückverweisung in aller Regel zur Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits führt (vgl. insoweit BGH, Versäumnisurteil vom 01.02.2010, II ZR 209/10 – zitiert nach juris), jedoch sieht es die Zurückverweisung vorliegend dennoch als sachdienlich an, weil allein der Gesichtspunkt der Prozessökonomie die Erhebung der notwendigen Beweise durch das Berufungsgericht nicht rechtfertigt. Den Parteien würde damit eine Tatsacheninstanz genommen. Die Zurückverweisung dient auch dem Interesse der Parteien an der Erhaltung einer Überprüfungsmöglichkeit durch die Berufungsinstanz, da nach der Neufassung des § 513 ZPO keine umfassende zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet ist, sondern in erster Linie eine Fehlerprüfung stattfindet (so auch Senat, Urteil vom 11.10.2010, 12 U 79/09). Der Kläger hat insoweit auch bereits in der Berufungsbegründung geltend gemacht, dass er die Zurückverweisung und nur hilfsweise die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils begehrt, um der weiteren Berufungsmöglichkeit anhand neuer Beweiserhebung nicht verlustig zu gehen.
Über die Kosten der Berufungsinstanz ist durch das Landgericht zu entscheiden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.