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Verjährung des Rückzahlungsanspruchs bei Wohnflächenabweichung

LG München I – Az.: 31 S 6768/13 – Urteil vom 19.12.2013

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 21.02.2013, Az. 454 C 28439/12, teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 11.329,88 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.08.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger 3/10 und die Beklagte 7/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

4. Das angefochtene Urteil sowie dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.333,34 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Verjährung des Rückzahlungsanspruchs bei Wohnflächenabweichung
Symbolfoto: Von Panayot Savov /Shutterstock.com

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Rückzahlung überzahlter Miete wegen erheblicher Wohnflächenabweichung in Anspruch. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Amtsgericht München hat den Klägern wegen einer Grundflächenabweichung von 14,35 % für die im Zeitraum von Januar bis September 2009 geleisteten Mietzahlungen einen Rückzahlungsanspruch in monatlicher Höhe von 279,75 EUR samt Verzugszinsen zugesprochen. Hinsichtlich der die Vorjahre betreffenden Rückzahlungsansprüche hat das Erstgericht Verjährung angenommen, da die Kläger mit Bezug des Hauses im Jahr 2005 grob fahrlässige Unkenntnis von der tatsächlichen Wohnfläche gehabt hätten. Eine Zinszahlungspflicht seit Entstehung der Bereicherungsansprüche hat das Erstgericht verneint, ebenso wie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Gegen dieses am 26.02.2013 zugestellte Urteil haben die Kläger am 22.03.2013 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Die Kläger halten ihre Ansprüche nicht für verjährt und begehren mit der Berufung weiterhin Mietrückzahlung für den Zeitraum von August 2005 bis Dezember 2008, wobei sie einen monatlichen Minderungsbetrag in Höhe von 279,82 EUR geltend machen. Die hälftige Flächenanrechnung des Hobbyraums wird in der Berufung nicht mehr angegriffen. Ferner begehren die Kläger für den Zeitraum von August 2005 bis zum 20.08.2012 (ausgerechnete) Zinsen auf die überzahlten Beträge, nun allerdings in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Zur Begründung tragen sie vor, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses positive Kenntnis von der tatsächlichen Wohnfläche gehabt habe. Hierzu legen sie erstmals einen von der Beklagten Unterzeichneten Erhebungsbogen für die Baugenehmigung zum Wintergartenbau aus dem Jahr 2005 vor, in welchem diese die Wohnfläche mit 160 qm bzw. 178,8 qm angibt (Anlage K11).

Die Kläger beantragen, das Urteil des Amtsgerichts München mit dem Aktenzeichen 454 C 28439/12 abzuändern und die Beklagte wie folgt zu verurteilen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 11.333,34 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 21.08.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Zinsen in Höhe von 4.193,45 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht sich in der Sache die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen. Ein Mieter, der jahrelang in der Wohnung gewohnt habe, kenne die tatsächlichen Ausmaße und Gegebenheiten der Wohnung. Außerdem sei es den Klägern möglich gewesen, die konkreten Längen, Breiten und Höhen der von ihnen selbst bewohnten Doppelhaushälfte in tatsächlicher Hinsicht zu ermitteln.

Von den weiteren tatbestandlichen Ausführungen wird gemäß §§ 540Abs. 2, 313a ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517,519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden, § 520 ZPO.

2. In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg. Der Rückforderungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist in Höhe von weiteren 11.329,88 EUR nebst Verzugszinsen begründet, der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen ist hingegen unbegründet.

a) Die Kläger können von der Beklagten auch für die Monate August 2005 bis Dezember 2008 Rückzahlung von monatlich 279,75 EUR beanspruchen (§§ 535, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sind diese Ansprüche nicht verjährt.

Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB beginnt mit Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Entscheidend sind also die Kenntnis der Kläger von der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche und die Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche.

Selbst wenn man – wie das Erstgericht in Anschluss an eine Entscheidung des Amtsgerichts Bonn (Urteil vom 18.04.2012, Az. 203 C 55/11) – die Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche darauf reduzieren wollte, dass dem Mieter die konkreten Längen, Breiten und Höhen der von ihm bewohnten Räume in tatsächlicher Hinsicht bekannt sind, wurde nicht dargetan, dass die Kläger diese Maße vor dem Jahr 2012 positiv gekannt hätten. Die Kammer folgt des Weiteren der Auffassung des Landgerichts Krefeld (Urteil vom 07.11.2012, Az. 2 S 23/12), dass ein Mieter die Kenntnis von Kantenlänge bzw. Raumhöhe nicht schon aufgrund bloßen Ansehens bei Nutzung der Mieträume erlangt.

Dem Erstgericht wird nicht darin gefolgt, dass die Unkenntnis der Kläger von den vorgenannten Tatsachen auf grober Fahrlässigkeit beruht. Grob fahrlässige Unkenntnis i.S. des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist und der Gläubiger auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 14.01.2010, Az. VII ZR 213/07, Rn. 17 m.w.N.). Der Gläubiger muss es versäumt haben, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen (BGH, a.a.O.).

Ebenso wenig wie allgemeine Erkundigungs-, Untersuchungs- oder Nachforschungspflichten des Mieters bei Vertragsschluss oder Annahme der Mietsache im Zusammenhang mit möglicherweise vorhandenen Mängeln bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2007, Az. XII ZR 139/05; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 536b BGB Rn. 19), besteht auch im laufenden Mietverhältnis keine Obliegenheit des Mieters, die Mieträume ohne konkreten Anlass auszumessen, um die Richtigkeit der Wohnflächenangabe im Mietvertrag zu überprüfen. Anhaltspunkte, dass die Kläger während der Mietzeit Veranlassung gehabt hätten, die einzelnen Maße des Mietobjektes zu ermitteln, liegen nicht vor. In Anbetracht dessen, dass sich die mietvertraglich vereinbarte Wohnfläche über vier Etagen auf fünf Zimmer, eine Küche, zwei Korridore, eine Diele, zwei Bäder, eine Toilette, einen Hobbyraum, eine Terrasse und einen Wintergarten verteilt, musste sich den Klägern eine Flächenabweichung nicht aufdrängen, zumal eine Aufteilung der Gesamtfläche auf die einzelnen Räumlichkeiten dem Mietvertrag nicht zu entnehmen war.

Unter Ansatz der vom Erstgericht festgestellten Flächenabweichung ergibt sich somit für den Mietzeitraum vom 15.08.2005 bis zum 31.12.2008 ein Minderungsbetrag in Höhe von 11.329,88 EUR (279,75 EUR x 40,5 Monate). Die geringfügige Mehrforderung von monatlich 8 Cent beruht offenbar auf Rundungsdifferenzen.

Die zugesprochenen Verzugszinsen sind gemäß §§ 286Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB geschuldet.

b) Die Kläger haben keinen Anspruch auf die mit Klageantrag Ziffer 2 geltend gemachten Zinsen. Insoweit war die Klage abzuweisen und die weitergehende Berufung zurückzuweisen. Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts an, dass eine verschärfte Haftung der Beklagten nach §§ 819Abs. 1, 818 Abs. 4,291,288 Abs. 1 BGB nicht nachgewiesen werden kann.

Die bloße Kenntnisnahmemöglichkeit der in den Bauunterlagen des Jahres 1987 (Anlagen K7 und K8) aufgeführten Wohnfläche beweist nicht, dass die Beklagte, die selbst nicht Bauherrin des Hauses war, hiervon positive Kenntnis hatte.

Soweit die Kläger ausführen, dass es mehr als unüblich sei, sich eine Immobilie übertragen zu lassen, ohne sich vorher über deren Fläche informiert zu haben, handelt es sich um eine reine Mutmaßung.

Der Umstand, dass die Beklagte vor dem Einzug der Kläger neuen Parkettboden verlegen ließ, lässt nicht den Rückschluss auf ihre Kenntnis von der Gesamtwohnfläche des Hauses zu. Ausweislich des Mietvertrages (Anlage zum Mietvertrag, § 19.3.8) wurde nämlich nicht im kompletten Haus Parkett verlegt, sondern nur in 3 Zimmern im 1. OG und im großen Zimmer im 2. OG.

 

Hingegen ist dem erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Erhebungsbogen des Jahres 2005 (Anlage K11), den die Beklagte im Zusammenhang mit dem Bauantrag für den Wintergartenanbau unterzeichnet hat und dessen Inhalt unstreitig ist, zu entnehmen, dass die Beklagte vor Abschluss des Mietvertrages Kenntnis einer Wohnflächengröße von 160 qm bzw. von 178,8 qm hatte. Dass die Quadratmeterzahlen in den Spalten alter Zustand und neuer Zustand vertauscht wurden, ist offensichtlich, denn aus dem Erhebungsbogen ergibt sich ferner, dass die Doppelhaushälfte um einen Wintergarten erweitert werden sollte und sich die Wohnfläche nach der Maßnahme auf 6 statt auf 5 Räume verteilen sollte. Die Beklagte wusste mithin bei Abschluss des Mietvertrages, dass die Wohnfläche des Mietobjektes nicht ca. 185 qm, sondern (angeblich) 178,8 qm beträgt. Mit diesem Wissen hatte die Beklagte allerdings bei Empfang der Mietzahlungen keine Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (z.B. BGH, Urteil vom 24.03.2004, Az. VIII ZR 295/03; BGH, Urteil vom 28.10.2009, Az. VIII ZR 164/08) stellt eine Wohnflächenabweichung einen zur Minderung berechtigenden Mangel dar, wenn die tatsächliche Wohnfläche von der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % nach unten abweicht. Bei unterstellten 178,8 qm handelt es sich im Verhältnis zur vertraglich vereinbarten Wohnfläche nur um eine Abweichung von 3,35 %, welche nicht zu einer Minderung berechtigen würde.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Bei der Bemessung des Obsiegens und Unterliegens war zu berücksichtigen, dass die mit Klageantrag Ziffer 2 verlangten Zinsen den Streitwert nicht erhöhten.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

3. Es liegen keine Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die eine Rechtsfortbildung nicht erfordert. Eine divergierende obergerichtliche Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, lediglich das Amtsgericht Bonn (Urteil vom 18.04.2012, Az. 203 C 55/11) hat in einem Fall die Auffassung vertreten, dass einem Mieter regelmäßig kurz nach Bezug einer Wohnung die konkreten Längen, Breiten und Höhen der von ihm bewohnten Räume in tatsächlicher Hinsicht bekannt seien.

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IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Die geltend gemachten Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB stehen neben dem Hauptanspruch und waren als Nebenforderung bei der Bemessung des Streitwertes gemäß § 43 GKG nicht zu berücksichtigen.

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