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Verkehrssicherungspflicht für innerstädtischen Geh- und Radweg

Verkehrssicherungspflicht: Bepflanzung auf Privatgrund keine kommunale Verantwortung

Eine Kommune ist bei innerstädtischen Geh- und Radwegen nicht dazu verpflichtet, gegen Sichtbehinderungen durch Bepflanzung auf Privatgrundstücken vorzugehen, wenn Verkehrsteilnehmer die Situation rechtzeitig erkennen und sich darauf einstellen können. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte mit seinem Beschluss, dass keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegt, wenn die Gefahren für aufmerksame Verkehrsteilnehmer erkennbar und vermeidbar sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 U 76/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Kommune hat keine Pflicht, gegen Sichtbehinderungen durch private Bepflanzung einzuschreiten, sofern diese für Verkehrsteilnehmer erkennbar und vermeidbar sind.
  • Die Verkehrssicherungspflicht der Kommune umfasst nicht die Abwehr jeder theoretisch denkbaren Gefahr, sondern orientiert sich an realistischen Sicherheitserwartungen und der Notwendigkeit, sich auf erkennbare Gegebenheiten einzustellen.
  • Verkehrsteilnehmer müssen sich auf sichtbare Verhältnisse einstellen und mit typischen Gefahren rechnen, wobei eigene Sorgfalt und Vorsicht geboten sind.
  • Ein Tätigwerden der Kommune ist erst dann erforderlich, wenn eine Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar ist und nicht darauf reagiert werden kann.
  • Der vorliegende Fall illustriert, dass die Verantwortung auch bei den Verkehrsteilnehmern liegt, die angehalten sind, ihre Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit den Sichtverhältnissen anzupassen.
  • Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm bestätigt die Rechtsauffassung, dass eine Kommune nicht für das Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern haftbar gemacht werden kann, sofern die grundlegende Verkehrssicherungspflicht erfüllt ist.
  • Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts wurde als offensichtlich aussichtslos eingestuft und sollte aus Kostengründen zurückgenommen werden.
  • Dieses Urteil stärkt die Bedeutung der Eigenverantwortung von Verkehrsteilnehmern und setzt klare Grenzen für die Verkehrssicherungspflicht der Kommunen.

Sichtbehinderungen auf Geh- und Radwegen

Bepflanzungen auf Privatgrundstücken können für Fußgänger und Radfahrer eine Gefahr auf innerstädtischen Wegen darstellen. Die Verkehrssicherungspflicht der Kommunen in solchen Fällen ist nicht immer eindeutig geregelt.

Grundsätzlich müssen sich Verkehrsteilnehmer auf erkennbare Gegebenheiten einstellen. Doch wann liegt eine nicht zumutbare Gefahr vor, die ein Eingreifen der zuständigen Behörden erfordert? Diese Frage führt zu kontroversen Diskussionen über die Grenzen der Sicherheitspflichten und die Eigenverantwortung der Beteiligten.

➜ Der Fall im Detail


Verkehrssicherungspflicht und Sichtbehinderungen auf Rad- und Gehwegen

In einer bemerkenswerten Auseinandersetzung stand die Frage im Mittelpunkt, ob eine Kommune dafür verantwortlich ist, gegen Sichtbehinderungen durch Bepflanzung auf Privatgrundstücken entlang von innerstädtischen Geh- und Radwegen vorzugehen. Ausgangspunkt war ein Unfallgeschehen am 00.09.2019, bei dem die eingeschränkte Sicht durch eine Hecke und einen Zaun eines angrenzenden Privatgrundstücks eine Rolle spielte. Die Klage richtete sich gegen die Stadt, mit der Begründung, diese habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Grundlagen der Verkehrssicherungspflicht

Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet Gebietskörperschaften dazu, dafür Sorge zu tragen, dass Verkehrsteilnehmer nicht zu Schaden kommen. Dies beinhaltet jedoch nicht die Verantwortung für jegliche denkbare Gefahrenquelle. Vielmehr geht es um ein vernünftiges Maß an Sicherheit, das sich nach der Art des Verkehrs und den örtlichen Gegebenheiten richtet. Verkehrsteilnehmer müssen die Situationen, wie sie sind, hinnehmen und sich entsprechend anpassen.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm

Das Oberlandesgericht Hamm entschied in seinem Beschluss vom 29.08.2023 (Az.: 11 U 76/22), dass keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Sichtverhältnisse durch die Bepflanzung zwar eingeschränkt, aber für sorgfältige und aufmerksame Verkehrsteilnehmer erkennbar und somit vermeidbar waren. Entscheidend war, dass die Teilnehmer des Verkehrs sich auf solche Situationen einstellen und ihre Geschwindigkeit sowie Aufmerksamkeit entsprechend anpassen müssen.

Abwägung und Konsequenzen

Für die Gerichtsentscheidung war die Abwägung zwischen dem Handlungsbedarf der Kommune und der Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer ausschlaggebend. Im spezifischen Fall lag ein Versäumnis beider Unfallbeteiligter vor, sich angemessen auf die Verkehrssituation einzustellen. Das Urteil unterstreicht, dass nicht jede potenzielle Gefahr durch die Kommune eliminiert werden kann oder muss. Es betont vielmehr die Bedeutung der individuellen Verantwortung und der Notwendigkeit, als Verkehrsteilnehmer die Umgebung wahrzunehmen und auf sie zu reagieren.

Rechtliche Bedeutung und Verkehrssicherungspflicht

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm verdeutlicht die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht. Sie zeigt auf, dass bei der Beurteilung von Verkehrssicherungsmaßnahmen stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich ist, bei der die Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit von Gefahren eine zentrale Rolle spielen. Der Fall unterstreicht die Wichtigkeit, dass Verkehrsteilnehmer sich aktiv an die gegebenen Verhältnisse anpassen und eine grundlegende Vorsicht walten lassen müssen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Wer ist für die Verkehrssicherungspflicht auf Geh- und Radwegen zuständig?

Grundsätzlich liegt die Verkehrssicherungspflicht für Geh- und Radwege bei den Kommunen bzw. dem jeweiligen Träger der Straßenbaulast. Dies gilt auch für gemeinsame Geh- und Radwege.

Die Kommunen sind dafür verantwortlich, die Wege in einem verkehrssicheren Zustand zu errichten und zu erhalten. Dazu gehört es, die Wege regelmäßig zu kontrollieren und Mängel zu beseitigen. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren neben den Wegen, wie z.B. durch Bäume oder Sträucher.

Bei Ortsdurchfahrten von Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen ist die ansässige Gemeinde für die Gehwege zuständig, auch wenn es sich um einen gemeinsamen Geh- und Radweg handelt. In Stadtstaaten sind in der Regel die jeweiligen Bezirke für die Gehwege verantwortlich.

Private Grundstückseigentümer tragen die Verkehrssicherungspflicht auf ihrem Grundstück und den angrenzenden Gehwegen. Sie müssen dafür sorgen, dass von ihrem Grundstück keine Gefahren für Passanten ausgehen, z.B. durch herabfallende Äste oder Schnee- und Eisglätte im Winter. Die Grundstückseigentümer können Teile dieser Pflichten auch auf Mieter übertragen.

Zusammenfassend liegt die Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Geh- und Radwege bei den Kommunen als Träger der Straßenbaulast. Private Grundstückseigentümer sind für die Sicherheit auf ihrem Grund und den angrenzenden Gehwegen verantwortlich. Eine gute Zusammenarbeit und klare Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen öffentlicher Hand und Privaten ist wichtig, um die Verkehrssicherheit für Fußgänger und Radfahrer zu gewährleisten.

Was umfasst die Verkehrssicherungspflicht auf Geh- und Radwegen?

Die Verkehrssicherungspflicht auf Geh- und Radwegen umfasst folgende wesentliche Aspekte:

  • Zuständig für die Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Geh- und Radwegen sind die Kommunen bzw. der jeweilige Träger der Straßenbaulast. Dies gilt auch für gemeinsame Geh- und Radwege.
  • Die Wege müssen in einem verkehrssicheren Zustand errichtet und erhalten werden. Dazu gehören regelmäßige Kontrollen und die Beseitigung von Mängeln wie Schlaglöchern, Frostaufbrüchen etc..
  • Auch Gefahren neben den Wegen, z.B. durch Bäume, Sträucher oder künstliche Hindernisse wie Poller, fallen unter die Verkehrssicherungspflicht. Hindernisse müssen ausreichend gekennzeichnet sein.
  • Bei erkennbaren Gefahren reicht eine Warnung allein nicht aus, die Gefahrenstelle muss beseitigt werden. Radfahrer müssen aber auch selbst ihr Fahrverhalten anpassen, wenn Gefahren erkennbar sind.
  • Private Grundstückseigentümer tragen die Verkehrssicherungspflicht auf ihrem Grundstück und den angrenzenden Gehwegen. Sie müssen z.B. Schnee- und Eisglätte beseitigen.
  • In Tempo-30-Zonen dürfen keine benutzungspflichtigen Radwege angelegt werden, da sie dort als überflüssig und gefährlich gelten. Bestehende Benutzungspflichten sind aufzuheben.

Zusammengefasst müssen die zuständigen Stellen durch regelmäßige Kontrollen, Beseitigung von Mängeln und ausreichende Kennzeichnung von nicht behebbaren Gefahren die Sicherheit auf Geh- und Radwegen gewährleisten. Radfahrer müssen aber auch selbst Gefahren erkennen und darauf reagieren.

Welche Rolle spielt die Erkennbarkeit von Gefahren für die Verkehrssicherungspflicht?

Die Erkennbarkeit von Gefahren spielt eine zentrale Rolle für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht. Grundsätzlich gilt: Je weniger eine Gefahr für den Verkehrsteilnehmer erkennbar ist, desto mehr muss der Verkehrssicherungspflichtige tun, um vor ihr zu warnen oder sie zu beseitigen.

Der Bundesgerichtshof definiert dies so: „Der Dritte ist nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt, nicht erkennen und vermeiden kann.“ Das bedeutet im Umkehrschluss: Gefahren, die für den Verkehrsteilnehmer bei der gebotenen Sorgfalt erkennbar sind, lösen eine geringere Verkehrssicherungspflicht aus.

Einige Beispiele verdeutlichen dies:

  • Ist ein Hindernis wie ein Granitblock aus dem Bordstein für einen ortskundigen Autofahrer gut sichtbar, muss der Verkehrssicherungspflichtige nicht unbedingt zusätzlich davor warnen.
  • Bei erkennbarer Glätte müssen Fußgänger ihr Verhalten anpassen und vorsichtig gehen. Die Streupflicht des Verkehrssicherungspflichtigen ist dann geringer.
  • Auch Radfahrer müssen bei erkennbaren Gefahren wie Schlaglöchern ihre Fahrweise anpassen. Eine Beseitigung der Gefahrenstelle ist dann nicht zwingend erforderlich.

Andererseits kann ein Verkehrsteilnehmer „grundsätzlich keinen besonderen Hinweis auf eine als solche bereits deutlich sichtbare Gefahrenstelle erwarten“. Nur bei versteckten, nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahren muss der Verkehrssicherungspflichtige Maßnahmen ergreifen.

Zusammengefasst gilt: Je offensichtlicher eine Gefahr ist, desto mehr kann sich der Verkehrssicherungspflichtige darauf verlassen, dass sich die Verkehrsteilnehmer eigenverantwortlich darauf einstellen. Nur bei schwer erkennbaren Gefahren muss er umfassend tätig werden. Die Erkennbarkeit einer Gefahr bestimmt also maßgeblich das Ausmaß der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen.

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Wie verhält es sich mit Sichtbehinderungen durch private Bepflanzungen neben Geh- und Radwegen?

Diese Frage betrachtet den spezifischen Fall, ob und inwieweit die Kommune eingreifen muss, wenn private Bepflanzungen die Sicht auf oder von Geh- und Radwegen einschränken. Es geht um das Spannungsfeld zwischen privatem Eigentumsrecht und öffentlicher Sicherheitsverpflichtung.

Inwiefern sind Verkehrsteilnehmer selbst für ihre Sicherheit auf Geh- und Radwegen verantwortlich?

Verkehrsteilnehmer tragen auf Geh- und Radwegen eine erhebliche Eigenverantwortung für ihre Sicherheit. Sie müssen ihr Verhalten den Gegebenheiten anpassen und können nicht erwarten, dass jede potenzielle Gefahr beseitigt wird. Einige wichtige Aspekte sind:

  • Verkehrsteilnehmer müssen sich den Verkehrsverhältnissen anpassen und Wege so hinnehmen, wie sie sich erkennbar darbieten. Sie können nicht verlangen, dass jede noch so entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts vorsorglich ausgeräumt wird.
  • Auf erkennbare Gefahren müssen sich Verkehrsteilnehmer einstellen, indem sie sich selbst schützen und der Gefahr nicht aussetzen. Je offensichtlicher eine Gefahr ist, desto mehr kann sich der Verkehrssicherungspflichtige darauf verlassen, dass sich die Verkehrsteilnehmer eigenverantwortlich darauf einstellen.
  • Radfahrer müssen bei erkennbaren Gefahren wie Schlaglöchern ihre Fahrweise anpassen. Eine Beseitigung der Gefahrenstelle ist dann nicht zwingend erforderlich. Auch bei Glätte müssen Fußgänger vorsichtig gehen, die Streupflicht ist dann geringer.
  • Fußgänger haben auf gemeinsamen Geh- und Radwegen keinen generellen Vorrang. Radfahrer müssen zwar jede Gefährdung vermeiden, aber Fußgänger müssen sie vorbeifahren lassen. Beide Gruppen sind gleichberechtigt und müssen aufeinander Rücksicht nehmen.
  • Die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer erhöht sich, wenn die Verkehrsfläche im Rahmen der Widmung zur Benutzung zur Verfügung gestellt wird. Dann müssen Benutzer eher selbst auf Gefahren reagieren.

Zusammengefasst müssen Verkehrsteilnehmer stets aufmerksam sein, Gefahren erkennen und angemessen darauf reagieren. Sie tragen eine Mitverantwortung, Unfälle durch vorsichtiges und rücksichtsvolles Verhalten zu vermeiden. Der Verkehrssicherungspflichtige muss aber schwer erkennbare Gefahren ausräumen oder davor warnen. Es gilt, die Eigenverantwortung mit den Sicherungspflichten in Einklang zu bringen.

Welche Konsequenzen hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht?

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann weitreichende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen:

  • In erster Linie führt die Verletzung zu zivilrechtlichen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen der Geschädigten nach den allgemeinen Haftungsregeln der §§ 823 ff. BGB (unerlaubte Handlung). Der Verkehrssicherungspflichtige haftet dann für alle Schäden, die kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sind.
  • Daneben kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auch strafrechtliche Konsequenzen haben, wenn dadurch eine Körperverletzung oder ein Todesfall verursacht wird. In Betracht kommen dann Verurteilungen wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) oder fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB).
  • Ferner sind bußgeldrechtliche Folgen möglich, etwa bei Verstößen gegen Verkehrsvorschriften oder Arbeitsschutzbestimmungen im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht.
  • Bei Verletzung von Amtspflichten im Rahmen der Verkehrssicherung haftet die zuständige Körperschaft nach den Grundsätzen der Amtshaftung (Art. 34 GG). Der Geschädigte hat dann einen Anspruch gegen den Staat oder die Kommune.
  • Schließlich drohen dem Verkehrssicherungspflichtigen unter Umständen versicherungsrechtliche Nachteile, wenn er seine Pflichten grob verletzt hat und dadurch Versicherungsfälle verursacht wurden.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Missachtung der Verkehrssicherungspflicht ist mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden. Je nach Schwere der Pflichtverletzung und der eingetretenen Schäden können die finanziellen Folgen für den Verkehrssicherungspflichtigen existenzbedrohend sein. Hinzu kommt die Gefahr strafrechtlicher Sanktionen. Es ist daher unerlässlich, die Verkehrssicherungspflichten ernst zu nehmen und gewissenhaft zu erfüllen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG: Dies regelt die Haftung des Staates und seiner Bediensteten bei Amtspflichtverletzungen. Im Kontext der Verkehrssicherungspflicht bedeutet das, dass eine Kommune grundsätzlich haftbar gemacht werden kann, wenn sie ihre Pflichten zur Sicherung von Verkehrswegen vernachlässigt und dadurch Schaden entsteht. Der Bezug zum Thema ergibt sich aus der Frage, ob die Kommune ihre Verkehrssicherungspflicht durch nicht entfernte Sichtbehinderungen verletzt hat.
  • §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW: Diese Paragraphen aus dem Straßen- und Wegegesetz Nordrhein-Westfalen befassen sich mit der Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Wegen und Straßen. Sie sind relevant, da sie die Pflichten der Kommunen zur Instandhaltung und Sicherung der Verkehrswege konkretisieren. Im vorgelegten Fall geht es darum, ob die Kommune gegenüber Bepflanzungen auf privatem Grund, die die Sicht beeinträchtigen, eingreifen muss.
  • § 522 Abs. 2 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit des Gerichts, eine Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist relevant für das Verständnis des Verfahrensablaufs und die Entscheidung des Gerichts, die Berufung im konkreten Fall als offensichtlich unbegründet zu betrachten.
  • § 30 StrWG NRW: Dieser Paragraph ermöglicht es, gegen die Eigentümer oder Besitzer vorzugehen, wenn von ihrem Grundstück ausgehende Anpflanzungen oder Einrichtungen die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Im Kontext des Urteils ist dieser Paragraph besonders wichtig, da er die rechtliche Grundlage für Maßnahmen gegen die Sichtbehinderungen darstellt, auch wenn das Gericht im konkreten Fall zu dem Schluss kam, dass kein Handlungsbedarf bestand.
  • § 1 Abs. 1 und 2 StVO: Diese bestimmen die allgemeinen Verhaltensregeln im Straßenverkehr, insbesondere die Pflicht zur Rücksichtnahme und zur Anpassung der Fahrweise an die gegebenen Verhältnisse. Sie sind im Kontext der Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer relevant, insbesondere hinsichtlich der Frage, inwieweit diese selbst für die Anpassung an Sichtbehinderungen verantwortlich sind.
  • § 8 StVO: Regelt die Vorfahrtsrechte im Straßenverkehr. Dies ist im Zusammenhang mit der Diskussion um die Vorfahrt und die Anpassung der Fahrweise an uneinsehbare Einmündungsbereiche relevant. Es beleuchtet die Frage, inwiefern Verkehrsteilnehmer erwarten können, bei eingeschränkter Sicht dennoch Vorfahrt zu haben.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Hamm – Az.: 11 U 76/22 – Beschluss vom 29.08.2023

Leitsätze:

Eine für einen innerstädtischen Geh- und Radweg verkehrssicherungspflichtige Kommune ist nicht verpflichtet, gegen eine die Sicht der Verkehrsteilnehmer einschränkende Bepflanzung auf einem privaten Grundstück vorzugehen, wenn die Verkehrsteilnehmer die eingeschränkten Sichtverhältnisse rechtzeitig erkennen und sich auf sie einstellen können.

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Das Landgericht hat zutreffend einen Schadensersatzanspruch des Klägers aufgrund des Unfallgeschehens am 00.09.2019 um 9.00 Uhr im Kreuzungsbereich der U.-straße / Einmündung I.-straße im Gebiet der beklagten Stadt gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als der allein als in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage mangels Vorliegens einer Amtspflichtverletzung verneint.

1.

Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht dadurch verletzt, dass sie die von dem neben dem Weg gelegenen Privatgrundstück in den Kreuzungsbereich hineinragende Hecke sowie den auf demselben Privatgrundstück stehenden Zaun nicht entfernt oder dem Grundstückseigentümer aufgegeben hat, Hecke und Zaun zu entfernen oder zu kürzen. Zu einem solchen Handeln bestand keine Veranlassung.

a) Nach ständiger Rechtsprechung, welcher der erkennende Senat folgt, haben die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften im Rahmen des ihnen Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben Verkehrsteilnehmer bzw. die Straßen- und Wegebenutzer die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten, und mit typischen Gefahrenquellen zu rechnen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung anderer ergibt (OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006, 9 U 143/05, zitiert nach juris Tz. 9 mit Verweis auf: OLG Hamm, Urteil vom 19.07.1996 zu 9 U 108/96, NZV 1997, S. 43; OLG Hamm, Urteil vom 25.05.2004 zu 9 U 43/04, NJW-RR 2005, S. S. 255, 256). Dies ist der Fall, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer bei Beachtung der zu erwartenden Eigensorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. dazu grundlegend: BGH, Urteil vom 21.06.1979 zu III ZR 58/78, VersR 1979, S. 1055; BGH, Urteil vom 11.12.1984 zu VI ZR 218/83, NJW 1985, S. 1076; OLG Hamm, Urteil vom 03.02.2009 zu 9 U 101/07, NJW-RR 2010, S. 33; OLG Hamm, a.a.O., NJW 2004, S. 255, 256; OLG Hamm, Urteil vom 09.11.2001 zu 9 U 252/98, NZV 2002, S. 129, 130; Zimmerling/Wingler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 839 BGB Rdn. 511; im Anschluss: OLG Celle, Urteil vom 07.03.2001 zu 9 U 218/00, zitiert nach juris). Die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen wird dabei maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, wobei dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und ihrer Verkehrsbedeutung maßgebliche Bedeutung beikommt (OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2006 zu 9 U 143/05, NJW-RR 2006, S. 1100; OLG Hamm, a.a.O., NJW-RR 2005, S. 255, 256).

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte keine Verkehrssicherungspflicht durch das Belassen der Hecke und des Zauns auf dem neben der Einmündung U.-straße / I.-straße gelegenen Privatgrundstück verletzt. Zwar scheidet eine Amtspflichtverletzung der Beklagten nicht bereits deswegen von vornherein aus, weil sich die streitgegenständliche Hecke und der Zaun auf einem Privatgrundstück befinden. Dies ergibt sich aus § 30 StrWG NRW, der die Beklagte dazu ermächtigt, gegen Eigentümer und Besitzer vorzugehen, wenn Anpflanzungen sowie Zäune, Stapel, Haufen und andere mit dem Grundstück nicht fest verbundene Einrichtungen die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.

Indes fehlt es vorliegend an einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle. Zwar war die Sicht der Nutzer des Geh- und Radweges entlang der U.-straße auf den aus der I.-straße kommenden Verkehr eingeschränkt. Eine derartige Situation ist jedoch an Einmündungen und Kreuzungen von Straßen und Wegen nicht ungewöhnlich und, wie sich aus den in der Akte befindlichen Lichtbildern ergibt, für sorgfältige und aufmerksame Benutzer des Geh- und Radweges bei Annäherung schon aus einiger Entfernung ohne weiteres erkennbar, weshalb sie sich rechtzeitig darauf einrichten konnten. Gleiches gilt für die Nutzer des Gehwegs der I.-straße. Ein Unfall wie im vorliegenden Fall setzt daher ein erhebliches Fehlverhalten beider beteiligter Verkehrsteilnehmer voraus, womit die Beklagte nicht rechnen und somit auch keine dagegen gerichteten Vorkehrungen treffen musste.

Das gravierende und grobe Verschulden des unbekannt gebliebenen Radfahrers, der aus der I.-straße unter Verletzung von § 1 Abs. 1 und 2 StVO (Verpflichtung zur ständigen Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme), § 2 Abs. 1 und 5 StVO (Verpflichtung zum Fahren auf der Fahrbahn), § 2 Abs. 2 StVO (Rechtsfahrgebot) und § 3 Abs. 1 StVO (Gebot, nur so schnell zu fahren, wie es die Sichtverhältnisse zulassen) den Radweg entlang der U.-straße kreuzte, steht insofern außer Frage. Mit einem derart gefahrträchtigen und rücksichtslosen Verhalten eines einzelnen Verkehrsteilnehmers musste die Beklagte bereits nicht rechnen. Aber auch der Kläger hat es an der erforderlichen Sorgfalt fehlen lassen und mit seiner Fahrweise gegen die Vorschriften in § 1 Abs. 1 und 2 StVO und des § 3 Abs. 1 StVO verstoßen. Er näherte sich mit unangepasster Geschwindigkeit und fehlender Aufmerksamkeit dem Einmündungsbereich und war deshalb nicht mehr in der Lage, rechtzeitig auf den sich plötzlich für ihn von rechts kommenden unbekannten Radfahrer zu reagieren, weshalb er zu einer so starken Bremsung gezwungen war, dass er sich dabei nicht mehr auf dem Fahrrad halten konnte. Der Kläger, der die irrige Rechtsauffassung vertritt, dass er auf dem gemeinsamen Radweg nicht gehalten gewesen sei, vor der Einmündung abzubremsen und für sich das Bestehen eines Vorfahrtrechts in Anspruch nimmt, verkennt, dass er gegenüber den aus der I.-straße auf dem Gehweg herannahenden Verkehrsteilnehmern keine Vorfahrt i.S.d. § 8 StVO besaß, weil die Vorfahrtregelung nur im Verhältnis von Fahrzeugen zueinander gilt (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl., § 8 StVO Rdn. 25), nicht aber gegenüber Verkehrsteilnehmern auf dem Gehweg der I.-straße (z. B. Fußgängern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrern, Kindern auf Rollern oder Fahrrädern etc.). Es war für ihn daher aufgrund des gegenseitigen Rücksichtnahmegebots gemäß § 1 Abs. 1 und 2 StVO nicht nur zumutbar, sondern zwingend geboten, angesichts der Uneinsehbarkeit des einmündenden Radweges die eigene Geschwindigkeit weiter erheblich zu reduzieren und notfalls mit Schrittgeschwindigkeit auf den Einmündungsbereich zuzufahren, bis eine genügende Einsehbarkeit des Gehwegs der I.-straße nach rechts bestand, um auf plötzlich auftauchende Verkehrsteilnehmer noch rechtzeitig reagieren zu können. Dem hat er nach dem Ergebnis seiner Anhörung durch das Landgericht nicht genügt, denn er war trotz der von ihm angegebenen vorangegangenen Reduzierung seiner Geschwindigkeit von dem Erscheinen des anderen Radfahrers überrascht worden und zu einer solch starken Bremsung gezwungen, dass er über das Lenkrad seines Fahrrads flog und mit dem Gesicht auf dem Boden aufkam.

Für die an die Beklagte zu stellenden Anforderungen kommt es allein darauf an, welches Verhalten von Verkehrsteilnehmern sie vorauszusehen und zu berücksichtigen hatte. Auch wenn sie dabei auch ein typisches Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern in ihre Überlegungen aufzunehmen hatte und ein Fehlverhalten, wie das vom Kläger gezeigte, gelegentlich von Radfahrern zu beobachten sein mag, so brauchte sie in ihre Überlegungen jedenfalls nicht das bei dem Unfall am 00.09.2019 vorliegende Zusammentreffen des – auf Seiten des unbekannten Radfahrers außergewöhnlich groben – Fehlverhaltens zweier Verkehrsteilnehmer einzukalkulieren und aufwändige Maßnahmen zu veranlassen, um auch bei einer derartigen ungewöhnlichen Fallkonstellation eine bessere Einsehbarkeit der jeweils einmündenden Wege herbeizuführen.

2.

Eine Ersatzpflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht deshalb, weil sie durch das Verkehrszeichen 240 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO („Gemeinsamer Geh- und Radweg“) eine Radwegebenutzungspflicht für die entlang der U.-straße fahrenden Radfahrer anordnete. Der Ausbauzustand des Radweges stand dieser Anordnung nicht entgegen.

a) Gemäß Art. 1 VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO (Rdz. 14 ff.) ist eine Radwegebenutzungspflicht anzuordnen, wenn dies aus Verkehrssicherungsgründen erforderlich ist und die weiteren in der VwV-StVO genannten Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die Benutzung des Radwegs nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist. Dabei soll die lichte Breite (befestigter Verkehrsraum mit Sicherheitsraum) in der Regel bei einem gemeinsamen Geh- und Radweg innerorts mindestens 2,50 m betragen. Nach der allerdings grundsätzlich für die Neuanlage von Radwegen erstellten Vorgaben der ERA 2010 Abschnitt 2.2.1 Tabelle 5 wird bei einem einseitigen Zweirichtungsradweg sogar eine Breite von 3,00 m empfohlen. Nach VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO (Rn. 22) kann jedoch ausnahmsweise und nach sorgfältiger Überprüfung von den Mindestmaßen an kurzen Abschnitten unter Wahrung der Verkehrssicherheit abgewichen werden, wenn es aufgrund der örtlichen oder verkehrlichen Verhältnisse erforderlich und verhältnismäßig ist. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.

Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 02.08.2021 dargelegt, dass die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht im Hinblick auf die hohe Verkehrsbelastung mit hohem Schwerlastanteil, unübersichtlicher Teilstrecken und geringer Fahrbahnbreite und der damit verbundenen größeren Gefahren für Radfahrer bei der Nutzung der Straße erfolgte. Gegenüber dieser plausiblen und nachvollziehbaren Darstellung hat der Kläger keine substanziierten Einwände erhoben. Die Beklagte verweist zudem mit Recht darauf, dass das VG Minden in seinem Urteil vom 25.03.2021 zu 3 K 1696/18 die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht für rechtmäßig erachtete.

b) Die relativ geringe Ausbaubreite des gemeinsamen Geh- und Radweges im Bereich der Unfallstelle ändert an der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Radwegebenutzungspflicht und der Ermessensausübung der Beklagten nichts. Dabei kann der Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt werden, dass der gemeinsame Geh- und Radweg an der U.-straße jedenfalls nicht breiter als 1,80 m ist. Gleichwohl erscheint die Benutzung des gemeinsamen Geh- und Radwegs, dessen Zustand aus den vom Kläger vorgelegten und den in den Ermittlungsakten der StA Bielefeld, Az. 3 UJs 383/20 A, enthaltenen Fotos ersichtlich ist, für Fußgänger und Radfahrer insgesamt zumutbar. Entscheidend für die insoweit gebotene Abwägung ist insbesondere, dass die Gefährdung der Radfahrer bei Benutzung der Fahrbahn deutlich schwerer wiegt als die Gefahren durch die relativ geringe Breite des gemeinsamen Geh- und Radweges, die auch mit anderen Maßnahmen der Verkehrsregelung nicht vermindert werden können (vgl. auch VG Minden, Urteil vom 25.03.2021 – 3 K 1696/18, BeckRS 2021, 29515). Insbesondere ist der Einwand des Klägers nicht nachvollziehbar, dass durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h auf der U.-straße den aus der relativ geringen Fahrbahnbreite resultierenden Gefahren für Radfahrer bei Nutzung der Fahrbahn wirksam begegnet werden könnte. Hingegen ist die relativ geringe Breite des gemeinsamen Geh- und Radweges für deren Nutzer ohne weiteres erkennbar, weshalb Radfahrer sich darauf bei Begegnungsverkehr, aber auch beim Überholen von Fußgängern oder anderen Radfahrern, durch vorausschauendes und rücksichtsvolles Fahren unschwer darauf einstellen können. Zudem ist ein etwaiges notwendiges Anhalten und Schieben des Fahrrades, wenn sich eine Engstelle nicht auf anderem Wege sicher passieren lässt, entgegen der Auffassung des Klägers auch auf einem Radweg jedem Radfahrer zumutbar.

Hingegen erscheint eine Verpflichtung der Beklagten zur Verbreitung des gemeinsamen Geh- und Radwegs auf der U.-straße nicht zumutbar. Denn der Geh- und Radweg ist durch einen Streifen mit Baumbestand von der Fahrbahn getrennt, dessen Beseitigung einen erheblichen Aufwand erfordern würde. Zudem würde durch die Beseitigung oder Verengung des Streifens und das Fällen der Bäume die Trennung von Fahrzeug- gegenüber dem Rad- und Fußgängerverkehr und damit die Sicherheit auf dem gemeinsamen Geh- und Radweg verschlechtert. Eine Verbreiterung des Geh- und Radweges über die in Privatbesitz befindlichen Grundstücke kommt ohnehin nicht in Betracht.

c) Darüber hinaus hat das Landgericht auch zu Recht darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall nicht feststellbar ist, dass eine Verbreiterung des gemeinsamen Geh- und Radweges dazu geführt hätte, dass sich der streitgegenständliche Unfall nicht ereignet hätte. Es ist zumindest nicht auszuschließen, wenn nicht sogar naheliegend, dass der Kläger auch auf einem breiteren Radweg auf der rechten Seite dieses Weges gefahren wäre und sich bei sonst gleichem Fehlverhalten beider Unfallbeteiligter der Unfall in gleicher Weise ereignet hätte. Der Kläger hat bei seiner Anhörung angegeben, auf dem Radweg selbst etwas weiter rechts gefahren zu sein, während der andere Radfahrer auf seiner Seite etwas weiter links gefahren sei.

3.

Eine Amtspflichtverletzung, welch einen Anspruch des Klägers begründen würde, ergibt sich schließlich nicht durch das nach Behauptung des Klägers zu kleine Sichtdreieck in dem Kreuzungsbereich U.-straße / Einmündung I.-straße. Insofern fehlt es an der drittschützenden Wirkung der in Rede stehenden Amtspflicht zugunsten des Klägers.

Zwar besteht die Amtspflicht der Beklagten aus § 30 StrWG NRW i.V.m. Kap. 6.3.9.3 RASt 2006, nach der an Knotenpunkten, Rad-/Gehwegüberfahrten und Überquerungsstellen für wartepflichtige Kraftfahrer, Radfahrer und Fußgänger Mindestsichtfelder zwischen 0,80 m und 2,50 m Höhe von ständigen Sichthindernissen, parkenden Kraftfahrzeugen und sichtbehindernden Bewuchs freigehalten werden müssen. Bäume, Lichtmaste, Lichtsignalgeber und ähnliches sind innerhalb der Sichtfelder zwar zulässig, dürfen jedoch wartepflichtigen Fahrern, die aus dem Stand einbiegen oder kreuzen wollen, die Sicht auf die bevorrechtigten Kraftfahrzeuge oder nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer nicht verdecken.

Der Kläger war jedoch kein wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer. Für einen Amtshaftungsanspruch genügt es nicht, dass ein Geschädigter durch eine – hier zugunsten des Klägers zu unterstellende – Amtspflichtverletzung nachteilig betroffen wird. Der Geschädigte muss vielmehr geltend machen können, dass die verletzte Amtspflicht gerade auch seinem Schutz dient, er also vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst ist. Dies bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen (vgl. nur BGH, Urteil vom 16.01.1997 – III ZR 117/95, NVwZ 1997, S. 714 Rdz. 26).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Eine Amtspflicht zur Freihaltung eines ausreichenden Sichtdreiecks besteht bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift in Kap. 6.3.9.3 RASt 2006 nur gegenüber wartepflichtigen Fahrern, die in die vorfahrtberechtigte Straße einbiegen oder sie kreuzen wollen. Sie sind zur Einhaltung der ihnen durch § 8 StVO auferlegten Pflichten auf das Vorhandensein eines ausreichend großen Sichtdreiecks angewiesen. Ob die Amtspflicht daneben auch zugunsten der Verkehrsteilnehmer auf der vorfahrtberechtigten Straße besteht, weil sie davon ausgehen dürfen, dass sie von wartepflichtigen Verkehr rechtzeitig gesehen werden, kann dahinstehen, denn dem Kläger stand, wie bereits oben ausgeführt, gegenüber den auf dem Gehweg der I.-straße befindlichen Verkehrsteilnehmern kein Vorfahrtrecht zu und er war ohnehin zu einer vorausschauenden und rücksichtsvollen Fahrweise verpflichtet. Die Verpflichtung zur Freihaltung eines Sichtdreiecks dient jedenfalls nicht dem Zweck, Radfahrern bei Annäherung an den Einmündungsbereich eine möglichst frühzeitige Sicht auf den jeweils einmündenden Weg zu verschaffen, um etwaig herannahende andere Verkehrsteilnehmer erkennen zu können, und ihnen dadurch die Anpassung ihrer Fahrweise angesichts des einmündenden Weges zu ersparen.

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