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Verkehrssicherungspflicht Gastwirt – Umfang

Verkehrssicherungspflicht des Gastwirts: Klärung des Umfangs

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die Verkehrssicherungspflicht eines Gastwirts umfangreiche Verpflichtungen beinhaltet, um die Sicherheit der Gäste auf seinem Grundstück zu gewährleisten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 119/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrssicherungspflicht: Der Gastwirt trägt die Verantwortung für die Sicherheit auf seinem Grundstück, insbesondere bei winterlichen Bedingungen.
  2. Beweislast: Bei vertraglichen Ansprüchen liegt die Beweislast für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht beim Gastwirt.
  3. Schadensfall: Im vorliegenden Fall stürzte ein Gast aufgrund von Glätte, was zu Verletzungen führte.
  4. Feststellungsklage: Die Klage ist zulässig, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen war.
  5. Anscheinsbeweis: Es besteht ein Anscheinsbeweis für die Verursachung des Schadens durch die Verkehrssicherungspflichtverletzung des Gastwirts.
  6. Mitverschulden: Ein höheres Mitverschulden des Gastes aufgrund von Alkoholkonsum wurde vom Gericht nicht angenommen.
  7. Schadensersatz: Der Gast hat Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden.
  8. Berufung: Das Gericht beabsichtigt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, da keine Aussicht auf Erfolg besteht.

Verantwortung und Haftung im Gastgewerbe: Ein juristischer Überblick

Verkehrssicherungspflicht bei Gastwirten
(Symbolfoto: IsabellaO /Shutterstock.com)

Im Zentrum der rechtlichen Diskussionen im Gastgewerbe steht die Verkehrssicherungspflicht des Gastwirts. Diese Pflicht betrifft die Sicherheit der Gäste in gastronomischen Einrichtungen und erfordert besondere Aufmerksamkeit in Bezug auf potenzielle Gefahrenquellen. Insbesondere bei Unfällen aufgrund von Glättebildung stellt sich die Frage, inwieweit Gastwirte für Verletzungen ihrer Gäste verantwortlich sind. Die rechtliche Grundlage bildet hierbei das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere die Paragraphen, die sich mit Schadensersatzansprüchen (§ 823 BGB) und Vertragsverletzungen (§§ 280, 241 Abs. 2 BGB) befassen.

In dem vorliegenden Fall, der vom OLG Hamm bearbeitet wurde, stehen die Berufung und ihre Erfolgsaussichten im Mittelpunkt. Die rechtliche Auseinandersetzung konzentriert sich auf die Beweislast und die Beurteilung der Sachlage im Rahmen der Zivilprozessordnung (ZPO), speziell § 286 ZPO, welcher die Anforderungen an die Beweisführung regelt. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie das Gericht in diesem speziellen Fall die Verkehrssicherungspflicht des Gastwirts beurteilt und welche entscheidenden Aspekte dabei eine Rolle spielen.

Die Rolle der Verkehrssicherungspflicht bei Gastwirten

Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich in einer bedeutenden Entscheidung mit der Verkehrssicherungspflicht von Gastwirten. Im Kern drehte sich der Fall um einen Gast, der in einem Restaurant gestürzt war und sich dabei schwer verletzt hatte. Der Kläger argumentierte, dass der Gastwirt seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, da er den Bereich, in dem der Sturz stattfand, nicht ausreichend vor Glätte gesichert hatte.

Umfang und Grenzen der Haftung

Das Gericht musste zunächst die Zulässigkeit der Feststellungsklage prüfen. Dabei wurde festgestellt, dass die Klage zulässig war, da die Schadensentwicklung sowohl in materieller als auch in immaterieller Hinsicht zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen war. Dies bedeutet, dass der Kläger nicht zur Erhebung einer Teilleistungsklage verpflichtet war. Die Entscheidung des OLG Hamm bezog sich hierbei auf ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere auf Urteile, die sich mit ähnlichen Sachverhalten beschäftigten.

Beweislast und die Bedeutung der Glättebildung

Ein zentraler Aspekt des Falls war die Frage der Beweislast bezüglich der Glättebildung. Der Kläger konnte nachweisen, dass eine allgemeine Glättebildung zum Zeitpunkt des Unfalls vorhanden war. Zeugenaussagen, unter anderem von Rettungsdienstmitarbeitern, bestätigten die glatten Bedingungen. Interessant war, dass das Gericht hierbei nicht nur die Angaben der Zeugen, sondern auch die Wettervorhersage und die Aussagen anderer Beteiligter berücksichtigte. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beklagten nach 18 Uhr keine Räum- und Streumaßnahmen unternommen hatten, obwohl sie als Betreiber des Restaurants und der benachbarten Skihütte den vom Kläger genutzten Weg als Verkehrsfläche eröffnet hatten.

Entscheidung des OLG Hamm und ihre Bedeutung

In seinem Beschluss legte das OLG Hamm dar, dass die Beklagten ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen waren und somit haftbar für die Verletzungen des Klägers waren. Dieser hatte Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schäden gemäß § 249 Abs. 2, § 253 Abs. 2 BGB. Interessanterweise wurde auch das mögliche Mitverschulden des Klägers aufgrund seines Alkoholkonsums thematisiert. Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass dies für den Sturz keine Rolle spielte. Die Entscheidung des OLG Hamm stellt somit einen wichtigen Fall in der Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht dar, der die Verantwortung von Gastwirten hinsichtlich der Sicherheit ihrer Gäste unterstreicht.

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Verkehrssicherungspflicht und die Notwendigkeit für Gastwirte, potenzielle Gefahrenquellen, insbesondere in Bezug auf Glättebildung, angemessen zu adressieren. Dieser Fall dient als ein wegweisendes Beispiel für ähnliche Fälle und unterstreicht die rechtlichen Verpflichtungen im Gastgewerbe.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was umfasst die Verkehrssicherungspflicht eines Gastwirts?

Die Verkehrssicherungspflicht eines Gastwirts in Deutschland bezieht sich auf die Pflicht, notwendige und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden zu verhindern und die Sicherheit der Gäste zu gewährleisten. Diese Pflicht umfasst jedoch nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger Mensch für notwendig hält.

Ein Gastwirt muss beispielsweise dafür sorgen, dass der Zu- und Abgangsbereich zu seinem Restaurant für seine Gäste gefahrenfrei ist. Er muss auch die Verkehrssicherheit der den Gästen zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten gewährleisten, einschließlich der Anpassung an gehbehinderte und ungeschickte Personen.

Allerdings ist ein Gastwirt nicht verpflichtet, einen völlig gefahrlosen Zustand der Terrasse oder anderer Bereiche der Gaststätte herzustellen. Gäste müssen ihren Gang den erkennbaren Gegebenheiten anpassen. Der Gastwirt muss nur solchen Gefahren entgegenwirken, auf die sich die Besucher nicht einstellen können.

Darüber hinaus hat der Gastwirt die Pflicht, an erkennbar Betrunkene keinen Alkohol auszuschenken, gemäß § 20 Nr. 2 des Gaststättengesetzes.

Bitte beachten Sie, dass diese Informationen allgemeiner Natur sind und nicht alle spezifischen Situationen abdecken können. In bestimmten Fällen können weitere Pflichten bestehen oder bestimmte Pflichten können eingeschränkt sein, abhängig von den spezifischen Umständen und den geltenden Gesetzen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-7 U 119/22 – Beschluss vom 19.01.2023

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird der Beklagten Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Zurecht hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben.

Die Einwendungen der Beklagten, die Feststellungsklage sei jedenfalls teilweise unzulässig, die Feststellung einer allgemeinen Glättebildung genüge nicht den Anforderungen des § 286 ZPO und der Kläger müsse im Hinblick auf seinen unstreitigen Alkoholkonsum jedenfalls ein Mitverschulden von 50 % tragen, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung (Bl. 58 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA II-58 ff.) verwiesen wird, greifen nicht durch.

1. Die Feststellungsklage ist zulässig, da die Schadensentwicklung sowohl in immaterieller als auch materieller Hinsicht zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen waren und der Kläger damit nicht zur Erhebung auch nur einer Teilleistungsklage verpflichtet war. Ob eine Leistungsklage im Laufe des Prozesses insgesamt möglich geworden ist, ändert nichts an der Zulässigkeit der einmal erhobenen Feststellungsklage (vgl. insoweit ständig BGH Urt. v. 5.10.2021 – VI ZR 136/20, NJW-RR 2022, 23 Rn. 25; BGH Urt. v. 31.10.2022 – VIa ZR 591/21, BeckRS 2022, 31955 Rn. 12; BGH Urt. v. 10.3.2016 – I ZR 147/14, WM 2016, 1632 Rn. 9; BGH Urt. v. 19.4.2016 – VI ZR 506/14, r+s 2016, 533; BGH Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, r+s 2019, 155 Rn. 19 f.).

2. Die Klagen sind auch begründet.

Es besteht allerdings nicht nur ein Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 1 BGB, sondern auch ein solcher aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung jeweils mit § 249 Abs. 2, § 253 Abs. 2 BGB, da der Kläger als Gast im Restaurant der Beklagten war und beim Verlassen des Gebäudes auf dem Grundstück der Beklagten gestürzt ist und sich dabei eine Oberschenkelhalsfraktur zuzog.

a) Im Rahmen der vertraglichen Haftung ist dabei anders als bei der deliktischen Haftung die Beklagte nach den Grundsätzen der Beweislast nach Gefahren- und Organisationsbereichen dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass sie ihrer Räum- und Streupflicht nachgekommen ist (vgl. BGH Urt. v. 25.10.2022 – VI ZR 1283/20, r+s 2023, 42 Rn. 15 ff. m. w. N.). Vorliegend ist aber ohnehin unstreitig oder jedenfalls aufgrund der Beweisaufnahme unzweifelhaft, dass die Beklagten nach 18 Uhr bis zum Sturzereignis um 22 Uhr keine Räum- und Streumaßnahmen organisiert und unternommen hat, obwohl sie als Betreiberin des Restaurants und der benachbarten Skihütte auch und gerade noch um diese Zeit den vom Kläger genutzten Weg als Verkehrsfläche eröffnet hatte.

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b) Diese Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Pflichtverletzung im vertraglichen Bereich entbindet den Kläger indes nicht davon – wie im Rahmen der deliktischen Haftung – zunächst darzulegen und zu beweisen (im Fall BGH Urt. v. 25.10.2022 – VI ZR 1283/20, r+s 2023, 42 Rn. 8 hatte das Berufungsgericht bindend festgestellt, dass mit einer Weintraube auf dem Boden eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle bestand und diese Ursache für den Sturz war), dass überhaupt eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle aufgrund allgemeiner Glätte oder erkennbarer Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen bestand (vgl. BGH Urt. v. 2.7.2019 – VI ZR 184/18, r+s 2019, 606 Rn. 10 m. w. N.; Senat Urt. v. 19.1.2021 – 7 U 106/19, BeckRS 2021, 2529 = juris Rn. 18 m. w. N.).

Diesen Beweis einer allgemeinen Glättebildung hat der Kläger aber nach den im Hinblick auf § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts geführt.

aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können sich ferner aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz (BGH Urt. v. 23.6.2020 – VI ZR 435/19, VersR 2021, 1497 Rn. 18; siehe auch BGH Urt. v. 16.11.2021 – VI ZR 100/20, r+s 2022, 48 Rn. 15 f.; Senat Urt. v. 28.10.2022 – 7 U 25/22, BeckRS 2022, 38552 = juris Rn. 55). Besteht aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, ist es zu einer erneuten Tatsachenfeststellung verpflichtet (st Rspr. vgl. nur Senat Urt. v. 28.10.2022 – 7 U 25/22, BeckRS 2022, 38552 = juris Rn. 55 m. w. N.).

Die allgemeine Glättebildung muss dabei nach dem Beweismaß des § 286 ZPO feststehen, das die volle Überzeugung des Gerichts verlangt. Diese erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH Urt. v. 23.6.2020 – VI ZR 435/19, VersR 2021, 1497 Rn. 13).

bb) Zweifel begründende Umstände im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind vorliegend weder hinreichend aufgezeigt noch sonst ersichtlich; auch der Senat ist von einer allgemeinen Glättebildung nach § 286 ZPO überzeugt.

Die unbeteiligten Zeuginnen A und B vom lokalen Rettungsdienst haben übereinstimmend eine allgemeine Glätte umschrieben und damit die Angaben des Klägers in seiner persönlichen Anhörung (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 1 f., eGA I-248 f. „Es war glatt. Überall war Eis.“) hinreichend bestätigt.

Die Zeugin A hat ausgeführt, dass sie als Fahrerin des Notarzteinsatzfahrzeugs „vorsichtig gefahren“ ist, weil es an „dem Abend […] relativ glitschig“ war (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 7 letzter Absatz, eGA I-254). Es sei beim Aussteigen „sulzig“ und „schmierig“, wenn auch nicht spiegelglatt gewesen (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 8 Absatz 1, eGA I-255). Die konkrete Erinnerung der Zeugin wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie ausgeführt hat, es sei beim Fahren um diese Jahreszeit immer so (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 7 letzter Absatz, eGA I-254). Denn die Zeugin konnte besonders gut erklären, warum sie sich an diesen Einsatz und dessen Umstände konkret erinnern konnte, nämlich weil es sich um ihren einzigen Glatteiseinsatz am Hotel der Beklagten handelte (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 8 Abs. 5, eGA I-255).

Ebenso konnte sich die Zeugin B konkret an diesen Einsatz und die Umstände erinnern, auch wenn sie dafür keinen Grund nennen konnte (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 9 Abs. 5, eGA I-256), was aber die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage ebenso wenig in Frage stellt wie nach den Ausführungen des Landgerichts ihre Glaubwürdigkeit. Sie hat sich konkret daran erinnert, dass es „sehr kalt und glatt“ war und dass sie „schon [beim Aussteigern aus dem Rettungswagen] schauen [mussten], dass [sie] nicht hinfallen“ und dass tatsächlich entsprechend den Angaben des Klägers „noch eine Person kam, die abgestreut hat“ (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 9 Abs. 2, eGA I-256).

Die Angaben der beiden Zeuginnen beziehen sich dabei ersichtlich nicht nur auf die Unfallstelle und damit etwa auf eine etwaige vereinzelte Glättestelle, sondern umschreiben eine allgemeine Glätte.

Dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass verschiedene Zeugenaussagen im Hinblick auf diese Frage unergiebig waren. Dazu gehört auch die des Sohnes des Geschäftsführers der Beklagten. Der Zeuge C hat ausgesagt, dass er „nicht mehr genau sagen [könne], ob an dem Abend Schnee lag oder gestreut werden musste“ (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 4 viertletzter Abs., eGA I-251) und er nicht mehr sagen könne, „wie es am 19.02.2020 genau war“ (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 5 Abs. 8, eGA I-252). Eine allgemeine Glättebildung hat er damit gerade nicht ausgeschlossen. Dasselbe gilt für den Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen D, der nur ausgesagt hat, er sei gerannt und habe dabei „nicht bemerkt, dass es besonders glatt war“ (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 11 Abs. 1, eGA I-258).

Damit kommt es schon nicht darauf an, dass auch die vom Landgericht als Indiz gewertete Wettervorhersage (Auskunft Deutscher Wetterdienst, eGA I-147 f.) für den Abend vor einer Glättebildung warnte.

c) Das Verschulden der Beklagten wird in Bezug auf den vertraglichen Anspruch vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), steht aber auch im Hinblick auf den deliktischen Anspruch aufgrund der aufgezeigten Umstände außer Zweifel; die Rechtswidrigkeit wird indiziert.

d) Entsprechend den Feststellungen des Landgerichts bestehen auch keine Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Verkehrssicherungspflichtverletzung und Rechtsgutsverletzung; hierfür spricht nicht zuletzt ein Anscheinsbeweis.

e) Der Kläger hat danach Anspruch auf Ersatz der ihm dadurch entstandenen materiellen und immateriellen Schäden gemäß § 249 Abs. 2, § 253 Abs. 2 BGB, zu denen auch die klarstellend im zweiten Teil des Tenors ausgeurteilten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gehören.

f) Ein über das vom Landgericht angenommene Mitverschulden hinausgehendes Mitverschulden des Klägers aus § 254 Abs. 1 BGB hat die Beklagte nicht bewiesen. Ein solches lässt sich nicht auf den Alkoholkonsum stützen, dessen Mitursächlichkeit für den Sturz nicht ersichtlich ist und mit der die Beklagte als Gastwirtin auch rechnen musste (vgl. BGH Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 169/83, NJW 1985, 482 = juris Rn. 12). Es lässt sich ebenso wenig darauf stützen, dass der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben hat, dass es glatt gewesen sei und auch überall Eis gelegen habe (Protokoll vom 24.08.2022 Seite 1, eGA I-248). Denn er hat nicht angegeben oder es wäre sonst ersichtlich, dass ihm dies vor dem Sturz gewahr geworden wäre oder er die allgemeine Glätte hätte wahrnehmen können und müssen (vgl. hierzu BGH Urt. v. 20.11.1984 – VI ZR 169/83, NJW 1985, 482 = juris Rn. 15).

II.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht sich der Senat angesichts dessen, dass es keiner weiteren Beweisaufnahme bedarf, keine neuen Erkenntnisse. Auch ansonsten erscheint eine mündliche Verhandlung nach einstimmigem Votum des Senats nicht geboten.

Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

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