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Verkehrsunfall – Anscheinsbeweis bei Auffahrunfall auf Autobahn

LG Essen – Az.: 17 O 329/18 – Urteil vom 07.04.2021

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.925,27 Euro sowie außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 650,34 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Beklagten zu 1) seit dem 19.01.2019 und für die Beklagte zu 2) seit dem 20.01.2019. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 7 Prozent die Klägerin und zu 93 Prozent die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Klägerin bleibt es nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz von den Beklagten aus einem Verkehrsunfall.

Verkehrsunfall - Anscheinsbeweis bei Auffahrunfall auf Autobahn
(Symbolfoto: Southworks/Shutterstock.com)

Am … gegen 13.32 Uhr ereignete sich auf der Bundesautobahn 3, Fahrtrichtung G in Höhe Kilometer 8,9, im Bereich der Stadt S, ein Verkehrsunfall dessen Hergang im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist.

Der Zeuge N war Fahrer des Sattelschleppers mit Auflieger, Lkw, W, weiß. Die Zugmaschine hatte das amtliche Kennzeichen …, der Auflieger das Kennzeichen ….. Der Auflieger stand im (Sicherheits-)Eigentum der finanzierenden Bank der Klägerin, der D GmbH. Der Zeuge N befand sich mit dem klägerischen Fahrzeug und dem Auflieger auf der Bundesautobahn 3.

Der Beklagte zu 1) befuhr ebenfalls die Bundesautobahn 3 mit seinem Pkw E mit dem amtlichen Kennzeichen …., dessen Halter er ist und welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

Bei der Kollision erlitt der Lkw-Auflieger der Klägerseite Beschädigungen im Heckbereich links. Das Fahrzeug der Beklagtenseite wurde durch den Unfall vorne rechts beschädigt.

Die Klägerin ließ das Fahrzeug nach dem Unfall von der E1 GmbH begutachten. Diese stellte fest, dass sich die Nettoreparaturkosten auf 4.651,55 Euro belaufen würden. Ferner sei bei dem klägerischen Anhänger eine merkantile Wertminderung in Höhe von 500,00 Euro eingetreten. Die Verbringungskosten würden sich auf 240,00 Euro netto und die UPE-Aufschläge auf 136,53 Euro netto belaufen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das private Sachverständigengutachten der E1 GmbH vom 14.08.2018 (Bl. 7 ff. d.A.) Bezug genommen. Für das Gutachten bezahlte die Klägerin an die E1 GmbH 843,72 Euro. Diese Beträge macht die Klägerin nunmehr neben einer begehrten allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 Euro klageweise geltend.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 10.08.2019 forderte die Klägerin die Beklagten zu 2) unter Fristsetzung bis zum 20.08.2018 auf, ihre Eintrittspflicht dem Grunde nach zu erklären. Nachdem das Privat-Sachverständigengutachten bei der Klägerin eingetroffen war, übersandte sie dieses mit anwaltlichen Schreiben vom 15.08.2018 an die Beklagte zu 2). Gleichzeitig bat die Klägerin die Beklagte zu 2) in diesem Schreiben um Reparaturfreigabe bis spätestens zum 21.08.2018. Eine Regulierung seitens der Beklagten fand nicht statt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie ausweislich der E-Mail der D GmbH vom 01.07.2019 (Bl. 106 d.A.) die Berechtigung habe, den geltend gemachten Anspruch in eigenem Namen einzuklagen.

Ferner behauptet die Klägerin, dass der Zeuge N das Fahrzeug der Klägerin auf der rechten von insgesamt drei Fahrstreifen mit normaler Geschwindigkeit gefahren habe, als er plötzlich einen „Schlag“ verspürt habe. Im ersten Moment habe er noch vermutet, dass ihm ein Lkw aufgefahren sei. Dann habe er allerdings im linken Außenspiegel plötzlich das Beklagtenfahrzeug wahrgenommen, welches nach dem Aufprall ihn sogar noch überholt habe. Der Zeuge N habe sodann den Lkw abgestellt und sei ausgestiegen, um nach dem Rechten zu sehen. Auch der Beklagte zu 1) sei ausgestiegen. Der Zeuge N habe die Hände gehoben und mit dem Achseln gezuckt und habe den Beklagten zu 1) dann gefragt, was denn passiert sei. Die spontane Antwort des Beklagten zu 1) habe daraufhin wörtlich gelautet: „Ich kann dir auch nicht sagen, warum ich aufgefahren bin.“ Zudem habe der Zeuge N festgestellt, dass der Beklagte zu 1) sehr müde ausgesehen habe. Der Beklagte zu 1) habe ihm gegenüber auch erwähnt, dass die Familie gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt sei. Vor diesem Hintergrund sei für den Zeugen N klar gewesen, dass der Beklagte zu 1) einem Sekundenschlaf erlegen gewesen sei.

Der Beklagte zu 1) sei auf den klägerischen Auflieger aufgefahren. Dem Auffahrunfall sei seitens des Zeugen N weder ein Fahrstreifenwechsel noch sonst irgendein ungewöhnliches Fahrmanöver vorausgegangen. Er habe sich schlicht durchweg auf der rechten Fahrbahn mit konstanter Geschwindigkeit befunden. Da er ohnehin an der nächsten Ausfahrt C/T habe ausfahren müssen, hätte es keinerlei Grund für einen Fahrstreifenwechsel oder ein Überholmanöver gegeben.

Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, dass sowohl die Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 Euro sowie auch der merkantile Minderwert in Höhe von 500,00 Euro richtig ermittelt worden seien. Sie würden keine Umsatzsteuer beinhalten, die man im Abzug bringen müsse. Die Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin wirke sich insbesondere bei der Wertminderung nicht aus, da die Umsatzsteuerpflicht eine steuerbare Lieferung oder Leistung voraussetze und die Wertminderung keine solche darstelle.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.401,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2018 sowie außergerichtliche nicht anrechnungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung von 650,34 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2018 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass der Klägerin der streitgegenständliche Schadensersatzanspruch nicht zustehe, da der Zeuge N die entscheidende Unfallursache durch ein Abkommen von der eigenen Fahrbahn und einem damit verbundenen Fahrstreifenwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO bzw. durch einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO gesetzt habe.

Dazu behaupten die Beklagten, der Beklagte zu 1) habe den mittleren Fahrstreifen benutzt und habe beabsichtigt, in diesem Fahrstreifen den rechts daneben befindlichen Lkw nebst Anhänger der Klägerseite zu überholen. Als der Beklagte zu 1) sich dem Lkw und dem Anhänger unmittelbar von hinten angenähert hätte, sei der Lkw jedoch im Rahmen einer Fahrbewegung vom rechten Fahrstreifen auf den mittleren Fahrstreifen und damit direkt vor das herannahende Fahrzeug der Beklagtenseite geraten. Der Beklagte zu 1) habe angesichts dieses überraschenden Fahrmanövers, welches er auf eine Schleuderbewegung beim Lkw zurückführe, gar nicht mehr reagieren können und es sei zur Kollision mit dem nach links auf seine Fahrspur ausschwenkenden Anhängers des Lkw-Gespanns gekommen, sodass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) vorne rechts und der Anhänger hinten links getroffen worden sei. Der Zeuge N habe dagegen diese Kollision ohne weiteres vermeiden können, wenn er sich unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt in seiner eigenen Fahrspur weiterhin befunden hätte und ein Ausschwenken des Anhängers verhindert hätte bzw. ein ggf. damit verbundenen Fahrstreifenwechsel unterlassen und die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen hätte.

Dieser Unfallhergang werde auch durch die eingetretenen Schäden an den entsprechenden Fahrzeugen belegt. Es handele sich gerade nicht um einen achsparallelen Auffahrunfall. Die Schäden an den Pkws seien ohne weiteres mit der Unfallschilderung der Beklagten in Einklang zu bringen.

Die Beklagten sind weiter der Ansicht, dass der Beklagte zu 1) nicht gegen die Straßenverkehrsordnung, insbesondere auch nicht gegen § 4 Abs. 1 StVO verstoßen habe. Es habe sich gerade nicht um einen typischen Auffahrunfall gehandelt, sondern für den Beklagten zu 1) war der Verkehrsunfall sogar bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gar nicht zu vermeiden. Der Beweis des ersten Anscheins setzte bei einem Auffahrunfall voraus, dass beide Fahrzeuge so lange in einer Spur hintereinander gefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangene Fahrbewegung hätten einstellen können. Ein Anscheinsbeweis für das Verschulden des Auffahrenden sei wie hier insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Vorausfahrende im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall den Fahrstreifen gewechselt habe.

Zu den von der Klägerseite geltend gemachten Schäden sind die Beklagten der Ansicht, dass von dem – von der Klägerin grundsätzlich richtig ermittelten – merkantilen Minderwert die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent abzuziehen sei, da die Klägerin – insoweit unstreitig – vorsteuerabzugsberechtigt ist. Dieser Wert sei daher um 95,00 Euro zu kürzen. Gleiches gelte ebenfalls für die allgemeine Unkostenpauschale, die von vornherein nur 25,00 Euro brutto betragen würde und somit auf 20,00 Euro zu kürzen sei.

Die Klage ist dem Beklagten zu 1) am 18.01.2019 und der Beklagten zu 2) am 19.01.2020 zugestellt worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin T1 und den Zeugen N sowie durch die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie zweier Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Prof. T2 vom 17.12.2019, 20.04.2020 und 30.12.2020. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2020 (Bl. 94 ff. d.A.) verwiesen. Die Akte der Staatsanwaltschaft Köln, Aktenzeichen ….., ist zu Informationszwecken beigezogen worden.

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Mit Beschluss vom 02.03.2021 hat das Gericht nach Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und gleichzeitig angeordnet, dass Schriftsätze bis zum 17.03.2021 eingereicht werden können.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und größtenteils begründet.

A.

Die Klage ist zunächst zulässig.

Insbesondere ist es zulässig, dass die Klägerin den Anspruch der D GmbH im eigenen Namen geltend macht. Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft liegen vor. Die D GmbH hat der Klägerin spätestens mit E-Mail vom 01.07.2019 – und damit vor Schluss der mündlichen Verhandlung – die wirksame Ermächtigung für die Geltendmachung des hiesigen Anspruchs erteilt. Ferner hat sie gleichzeitig auch der Klägerin die Einziehungsermächtigung erteilt, dass diese die Zahlung an sich selbst verlangen darf. Schließlich hat die Klägerin als Darlehensnehmerin, berechtigte Besitzerin und Anwartschaftsrechtinhaberin hinsichtlich des streitgegenständlichen Lkw-Aufliegers auch ein berechtigtes Interesse inne, den Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen.

B.

Die Klage ist darüber hinaus im tenorierten Umfang begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG – für die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherin i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 1 PflVG auf Zahlung in Höhe von 5.925,27 Euro sowie auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro. Dies entspricht einer Haftungsquote der Beklagten von 100 Prozent.

1.

Die Beklagten sind der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Die Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG sind für den Beklagten zu 1) erfüllt. Die Haftung des Beklagten zu 1) ist nicht gemäß §§ 7 Abs. 2 oder 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Der Unfall ist weder durch höhere Gewalt noch durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden. Auch die Haftung der Klägerin ist aus denselben Erwägungen nicht nach §§ 7 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 2 oder 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen.

Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 Abs. 1 ZPO bewiesene Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben. Das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH, NJW 2012, 1953). Jede Seite hat dabei die Umstände zu beweisen, die der Gegenseite zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 17.09.2009 – 12 U 26/03; OLG München, Urteil vom 28.02.2014 – 10 U 3878/13 -, juris).

Im vorliegenden Fall ist bei der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge von einem überwiegenden groben Verschulden des Beklagten zu 1) aufgrund eines schuldhaften Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO, § 1 StVo bzw. § 3 Abs. 1 StVO auszugehen, hinter dem eine eventuelle Haftung aus der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs und dessen Auflieger vollständig zurücktritt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) auf die Rückseite des vorausgefahrenen Lkw-Aufliegers aufgefahren ist. Bei einem solchen Auffahrunfall streitet der Beweis des ersten Anscheins für eine alleinige Verursachung des Auffahrenden. Es ist dessen Sache, den gegen ihn sprechenden Anschein durch die Darlegung eines atypischen Verlaufs zu erschüttern. Das Kerngeschehen eines Auffahrunfalls genügt für die Annahme eines Anscheinsbeweises nur dann nicht, wenn aus dem Unfallgeschehen weitere Umstände bekannt sind, die als Besonderheit gegen die Typizität sprechen. Als Auffahrender hat deshalb der Beklagten zu 1) einen – von ihm so behaupteten – Spurwechsel bzw. ein „Schlingen“ des klägerischen Lkw-Aufliegers zu beweisen. Dies ist der Beklagtenseite vorliegend nicht gelungen. Ein Anlass, vom Grundsatz der alleinigen Haftung des Auffahrenden abzuweichen, besteht vorliegend nicht.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei Auffahrunfällen, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, der erste Anschein dafür sprechen kann, dass der Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat (§ 4 Abs. 1 StVO), unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder aber mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO) (BGH, Urteil vom 13.12.2011 – VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84; vom 30.11.2010 – VI ZR 15/10, NJW 2011, 685; vom 16.01.2007 – VI ZR 248/05, NJW-RR 2007, 680; vom 18.10. 1988 – VI ZR 223/87, NJW-RR 1989, 670, 671; vom 06.04.1982 – VI ZR 152/80, NJW 1982, 1595, 1596). Denn der Kraftfahrer ist verpflichtet, seine Fahrweise so einzurichten, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann, wenn ein Hindernis auf der Fahrbahn auftaucht (BGH, Urteil vom 06.04.1982, a.a.O.).

Das Kerngeschehen – hier also der Auffahrunfall – reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die – wie etwa ein vor dem Auffahren vorgenommener Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs (BGH, Urteil vom 13.11.2011 – VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84) – als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGH, Urteile vom 13.12.2011, a.a.O.; 15.12.2015 – VI ZR 6/15, NJW 2019, 1098 Rn. 14). Steht allerdings nicht fest, ob über das – für sich gesehene typische – Kerngeschehen hinaus Umstände vorliegen, die, sollten sie gegeben sein, der Annahme der Typizität des Geschehens entgegenstünden, so steht dies der Anwendung des Anscheinsbeweises nichts entgegen. Denn in diesem Fall bleibt dem Gericht als Grundlage allein das typische Kerngeschehen, das ohne besondere Umstände als Basis für den Anscheinsbeweis ausreicht. Bestreitet mithin der Vorausfahrende – hier die Klägerin – den vom Auffahrenden – hier der Beklagte zu 1) – behaupteten Spurwechsel bzw. das „Schlingen“ des Fahrzeugs der Klägerin und kann der Auffahrende den Spurwechsel des Vorausfahrenden nicht beweisen, so bleibt – in Abwesenheit weiterer festgestellter Umstände des Gesamtgeschehens – allein der Auffahrunfall, der typischerweise auf einem Verschulden des Auffahrenden beruht (BGH, Urteil vom 13.12.2016 – VI ZR 32/ 16 -, juris).

Diesen Grundsätzen folgend steht für das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Vortrag der Parteien fest, dass es sich um einen Auffahrunfall gehandelt hat. Dabei ist an dieser Stelle nicht von Relevanz, dass die streitgegenständlichen Fahrzeuge sich beim Anstoß nur teilweise und nicht gänzlich überlagert haben. Jedenfalls kollidierten die streitgegenständlichen Fahrzeuge hinsichtlich der Klägerseite im hinteren Bereich und für die Beklagtenseite im vorderen Bereich. Dass die Anstoßstelle sich nicht über die gesamte Fahrzeugseite zieht, hat für das Gericht keine Auswirkung auf den Grundsatz des Anscheinsbeweises. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) vor der Kollision hinten dem klägerischen Fahrzeug befunden hat und dass die Kollision – wie oben bereits beschrieben – für das klägerische Fahrzeug hinten und für das Beklagtenfahrzeug vorn erfolgte. Dies ist ausreichend, um von einem typischen Auffahrunfall nach den o.g. Grundsätzen auszugehen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist es der Beklagtenseite nicht gelungen, den Anscheinsbeweis des Auffahrenden zu entkräften. Das Gericht ist nicht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der klägerische Lkw bzw. dessen Anhänger – in Form eines Spurwechsels oder durch ein einfaches „Schlingel“ – die Spur des Beklagten zu 1) gekreuzt hat.

Nach dem in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Gerichts gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet. Das ist vorliegend nicht der Fall. Weder die Gutachten des Sachverständigen Prof. T2 noch die Vernehmung der Zeugin T3 bestätigen zur Überzeugung des Gerichts die Tatsachenbehauptungen der Beklagtenseite sowie die Angaben, die der Beklagte zu 1) im Rahmen der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung angab.

Der Beklagte zu 1) berichtete in der mündlichen Verhandlung zwar, dass er gemütlich auf der mittleren Spur gefahren sei und plötzlich ein Schatten herausgekommen sei, den er wahrgenommen habe. Dann habe es auch schon geknallt. Dabei habe er den Lkw der Klägerseite erst kurz vor dem Aufprall wahrgenommen. Es sei auch nicht so gewesen, dass dieser zum Überholen angesetzt habe. Vielmehr sei es so gewesen, dass der Lkw eine schlingende Bewegung gemacht habe und so auf seine Spur geraten sei.

Die Zeugin T3 bekundete in der mündlichen Verhandlung, dass sie, der Beklagte zu 1) und ihre beiden Kindern am Unfalltag aus dem Urlaub von der Nordsee gekommen seien. Gegen 10 Uhr seien sie vom Ferienort an der Nordsee losgefahren und gegen 12 Uhr hätten sie eine Mittagspause auf einem Rasthof gemacht. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sie, die Zeugin, gefahren, danach sei der Beklagte zu 1) gegen 12.45 Uhr oder 13 Uhr weitergefahren. Um 14.30 Uhr sei es dann zu dem Unfall gekommen. Dabei sei der Beklagte zu 1) auf dem Mittelstreifen gefahren. Neben ihm habe die jüngere Tochter gesessen. Sie, die Zeugin, habe mit der größeren Tochter hinter dem Fahrersitz gesessen und mit ihrer Tochter eine DVD geschaut. Der Beklagte zu 1) sei dabei ganz gelassen und ruhig auf der mittleren Spur gefahren. Trotz dessen, dass sie hinten im Wagen gesessen habe, habe sie durch das kleine Fenster gesehen, dass links und rechts des Wagens Autos gewesen seien.

Auf einmal habe es einen großen Knall gegeben. Davor sei die Spur des Beklagtenfahrzeugs frei gewesen. Es sei so gewesen, dass man wie auf eine Wand draufgefahren sei. Eine Lenkbewegung des Beklagten zu 1) habe sie nicht wahrgenommen. Dabei führte die Zeugin aus, dass sie nicht die ganze Zeit stur nach vorne geschaut habe, da sie hinten mit ihrer Tochter sich über die DVD unterhalten habe. Trotzdem sei die Fahrbahn bis auf eine Sekunde vor dem Knall vorne frei gewesen. Es habe sich vor ihnen nichts angebahnt. Die Zeugin habe die ganze Zeit nach vorne geschaut, auch wenn dies nur mit einem halben Auge gewesen sei. Nach dem Knall sei es plötzlich dunkel gewesen. Der Beklagte zu 1) sei dann weitergefahren und zum Stehen gekommen.

Der Sachverständige Prof. T2 führte in seinem Gutachten vom 17.12.2019 aus, dass der Pkw des Beklagten zu 1) ungebremst mit dem Sattelzug der Klägerseite kollidiert sei. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Unterfahrschutz des Lkw-Aufliegers durch die Kollision der Fahrzeuge verdreht gewesen sei, wie dies auf den Bildern der Anlage A 14 zu erkennen sei. Durch eine – normalerweise erwartete – Vollbremsung des hinteren Pkw tauche hingegen die Front des Pkw um ca. 5 cm ein, was vorliegend gerade nicht der Fall gewesen sei.

Wenn man die Ausführungen der Beklagten zugrunde legen würde, dass das Klägerfahrzeug einen Spurwechsel mit dem Sattelauflieger durchgeführt hätte, hätte sich der Spurwechsel über eine lange Zeitdauer in Richtung 8 Sekunden hingezogen. Dies hieße, hierauf hätte von dem Beklagten zu 1) eine Vollbremsung erwartet werden müssen. Da der Beklagte zu 1) allerdings nach den Feststellungen des Sachverständigen ungebremst gegen das Fahrzeug der Klägerseite geprallt sei, liege nach technischem Verständnis kein normaler Spurwechsel des Klägerfahrzeugs vor.

Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass möglicherweise auch eine kritische Situation für den Fahrer des Klägerfahrzeugs nachvollzogen werden könne und zwar dahingehend, dass er von einem weiteren Pkw geschnitten worden sei und dann noch wegen eines weiteren Hindernisses in seiner Fahrspur zusätzlich abgebremst haben müsste. In diesem Fall wäre die Heckpartie des Sattelaufliegers über einen Zeitbereich von 1,2 Sekunden in die Gegenfahrspur geraten. Dies wäre allerdings nur möglich, wenn der Sattelanhänger leer – und nicht wie das Klägerfahrzeug beladen – gewesen sei. Dass der Lkw der Klägerseite zum Unfallzeitpunkt beladen gewesen sei ergebe sich zudem auch aus dem von dem Sachverständigen angeforderten Beladungszustand (Anlage E 13 zur Stellungnahme vom 20.04.2020). Mit einem voll beladenen Sattelzug sei dies nicht möglich. Darüber hinaus entfalle diese Möglichkeit, da der Sattelzug der Klägerseite auch über die Sicherheitssysteme ABS und ESP verfüge.

Soweit die Beklagtenseite in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2020 (Bl. 144 ff. d.A.) um Klarstellungen des Sachverständigen gebeten hat, hat der Sachverständige diese in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.04.2020 beantwortet. Dazu führt er zusammenfassend zunächst aus, dass das Ergebnis seiner Erstbegutachtung bestehen bliebe. Ferner gab er auf die Nachfragen der Beklagten an, dass selbst wenn man eine minimale Spurwechseldauer von 4,7 Sekunden für den Sattelzug zugrunde legen würde, ebenfalls sich ein aus technischer Sicht nicht verständlicher Zeitverzug von 1,5 Sekunden seitens des Beklagten zu 1) ergebe. Darüber hinaus schreibt der Sachverständige, dass auch nach den Ergänzungen der Beklagtenseite der behauptete „Schlenker“ des Klägerfahrzeugs aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar sei. Dieser Schlenker sei nur ohne jede Beladung und ohne jede elektronische Ausstattung der Achsen möglich. Aus diesem Grund sei die von Beklagtenseite geschilderte Kollision daher nur möglich, wenn die Elektronik des Lkws zum Unfallzeitpunkt nicht intakt gewesen wäre. Dazu führt der Sachverständige jedoch weiter aus, dass er die Akte so verstanden hätte, dass die Elektronik überprüft worden sei und dies nicht der Fall gewesen sei. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen würde, dass die Elektronik defekt bzw. ausgeschaltet gewesen sei, so sei die von der Beklagtenseite geschilderte Kollision jedoch zumindest ungewöhnlich. Wenn man davon ausginge, dass die klägerische Zugmaschine plötzlich über eine Sekunde in der mittleren Spur sich befunden habe, so würde das Heck praktisch nicht nennenswert in die Mittelspur gelangen (Anlage E9). Wenn man davon ausginge, dass das Heck kurzfristig etwa mehr als 1,5 Meter in die Mittelspur rangen würde, müsse der Pkw des Beklagten zu 1) aus der rechten Spur kommen. In diesem Fall müssten beide Fahrzeugführer von ihrer Situation weggelenkt haben. Der Beklagte zu 1) müsse daher aus der rechten Spur zur Mitte hin und der Zeuge N von einem abgebrochenen Schlenker nach rechts weggelenkt haben. Dies sei aus der Akte jedoch nicht ersichtlich.

Ferner schildert der Sachverständige, dass die von der Beklagtenseite und der Zeugin T1 genannte „schwarze Wand“, die sehr kurzfristig da gewesen sei, im Rahmen der technischen Analyse nicht gefunden werden könne.

Schließlich ergänzte der Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 30.12.2020, dass sich durch das Auslesen der technischen Daten der Sattelzugmaschine sowie des Aufliegers der Klägerseite keine Daten entnehmen lassen würden, die eine instabile Fahrsituation des Aufliegers zum Unfallzeitpunkt registriert hätten. Dies deute – wie die übrige Analyse – darauf hin, dass der Auflieger auf der rechten Spur gefahren worden sei.

Das Gericht hat keine Zweifel an den Ausführungen des Sachverständigen. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist der Sachverständige für die vorliegende Begutachtung besonders qualifiziert. Zudem ist der Sachverständige dem Gericht seit Jahren bekannt und hat sich in dieser Zeit insbesondere durch seine besondere Fachkunde und seine stets zuverlässigen und nachvollziehbaren Gutachten und Erläuterung ausgezeichnet. Das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Soweit die Beklagtenseite in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2020 Ergänzungsfragen an den Sachverständigen gestellt hat, hat dieser diese nachvollziehbar und für Laien verständlich erläutert. Auch die vom Gutachter erstellten Diagramme, Tests und dazugehörigen Rechnungen sind für das Gericht verständlich und anschaulich.

Das Gericht kommt nach der Vernehmung der Zeugin T3 der schriftlichen Begutachtungen des Sachverständigen Prof. T2 und der informatorischen Anhörung des Beklagten zu 1) nicht zu dem Ergebnis, dass sich die Kollision der streitgegenständlichen Fahrzeuge so zugetragen hat, wie dies die Beklagten berichtet haben. Der Sachverständige kommt in seinen Gutachten – wie oben bereits erläutert – gerade nicht zu dem Schluss, dass sich der Unfall so zugetragen hat, wie dies die Beklagtenseite geschildert hat. Die Aussage der Zeugin T3 ist darüber hinaus bereits nicht ausreichend ergiebig, um eine Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO darauf zu stützen. Das Gericht hat bereits Zweifel daran, ob die Zeugin zu jederzeit die erforderliche Wahrnehmungsbereitschaft und Wahrnehmungsmöglichkeit innehatte, den Verkehr auf der Bundesautobahn und das Fahrverhalten des Beklagten zu 1) sowie anderer Verkehrsteilnehmer zu überblicken. Wie die Zeugin selbst schilderte, saß diese hinten im Wagen hinter dem Fahrersitz und schaute mit ihrer Tochter eine DVD sowie unterhielt sich mit der Tochter über diese. Sie selbst räumte ein, dass sie nicht während der gesamten Autofahrt nach vorne geschaut hat, sodass ihre Wahrnehmungsmöglichkeit partiell zumindest eingeschränkt war. Soweit die Zeugin einige Sätze später behauptete, dass sie die ganze Zeit – auch nur mit einem halben Auge – nach vorn geschaut habe, so widerspricht diese Aussage der zuvor getätigten. Es erscheint lebensnaher und schlüssiger, dass die Zeugin nicht während der gesamten Zeit, in der sie hinten mit ihrer Tochter saß und eine DVD schaute, ihre Augen – auch – auf die Fahrbahn gerichtet haben mag. Jedenfalls überzeugt dies das Gericht im Ergebnis nicht in der erforderlichen Art und Weise des § 286 Abs. 1 ZPO.

Die Aussagen des Beklagten zu 1) sind ferner nicht geeignet, um die logischen, ausführlichen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. T2 in seinen Gutachten zu widerlegen. Das Gericht hält die Feststellungen des Sachverständigen für wissenschaftlich fundierter und nachvollziehbarer als die Behauptungen des Beklagten zu 1). Dies insbesondere deswegen, weil der Sachverständige sehr ausführlich und nachvollziehbar ausführte, dass die von der Beklagtenseite geschilderter Unfallalternativen wissenschaftlich nicht nachvollziehbar seien.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält das Gericht eine Haftungsquote von 100 Prozent für die Beklagten für angemessen. Maßgebliche Ursache des Unfalls war das Verhalten des Beklagten zu 1). Die einfache Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs und dessen Auflieger treten hinter dem überwiegenden Verschulden des Beklagten zu 1) vollständig zurück.

2.

Der Höhe nach hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 6.575,61 Euro (5.925,27 Euro Hauptforderung zzgl. 650,34 Euro Nebenforderung) gegen die Beklagten.

a) Zunächst besteht der Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Höhe von 4.651,55 Euro.

b) Die Höhe der allgemeinen Unkostenpauschale schätzt das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf 25,00 Euro (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014 – 4 U 61/13 -, juris). Soweit die Beklagtenseite hierzu der Ansicht ist, dass davon die Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent abzuziehen sei, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, überzeugt dies nicht. Die allgemeine Unkostenpauschale hat den Zweck, die typischerweise durch das Unfallereignis entstanden Auslagen wie Telefon-, Porto- und Fahrtkosten kleineren Umfangs zu pauschalisieren. Soweit solche Aufwendungen nicht im Einzelnen belegt werden können, dürfen sie im Rahmen der Unfallkostenpauschale in geschätzter Höhe beansprucht werden. Sie sind angesichts der vorstellbaren tatsächlichen Belastung bei pauschaler Berechnung mit 25,00 Euro regelmäßig angemessen bewertet (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, a.a.O.)

Damit kommt zum Ausdruck, dass soweit ein Antragssteller die einzelnen Beträge nicht einzeln auflisten möchte bzw. kann, er den o.g. Pauschalbetrag gegenüber den Anspruchsgegnern geltend machen kann. Eine Pauschale berücksichtigt dabei aber nicht nur Beträge, die insgesamt über 25,00 Euro liegen könnten sondern auch solche, die unter 25,00 Euro liegen könnten. Damit ist im Hinblick auf die Pauschale nicht zwischen einer vorzugssteuerabzugsberechtigten Person und einer nicht vorsteuerabzugsberechtigten Person zu unterscheiden. Der konkrete Einzelfall ist vielmehr durch die Pauschale insgesamt eingepreist.

c) Auch die Gutachterkosten in Höhe von 843,72 Euro sind als Kosten der Schadensfeststellung Teil des zu ersetzenden Schadens (BGH NJW 2017, 1875). Diese waren vorliegend auch für die Rechtsverfolgung notwendig.

d) Darüber hinaus sind auch die Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Höhe von 650,34 Euro als Kosten der Rechtsverfolgung erstattungsfähig. Die Inanspruchnahme der Rechtsanwälte war vorliegend erforderlich und zweckmäßig.

e) Schließlich haben die Beklagten nach § 251 Abs. 1 BG auch den merkantilen Minderwert in Höhe von 405,00 Euro zu ersetzen. Ein zu ersetzender Vermögensschaden ist auch der nach einer technisch einwandfreien Reparatur verbleibende merkantile Minderwert. Er beruht darauf, dass eine Sache, die Unfallschäden von einigem Gewicht aufweist, im Verkehr unter Umständen trotz ordnungsgemäßer Reparatur geringer bewertet wird als eine unfallfreie (BGH NJW 2008, 53, 1517; 2013, 525).

Da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, war der merkantile Minderwert nur nach dem Nettobetrag und nicht nach dem geltend gemachten Bruttobetrag in Höhe von 500,00 Euro zuzusprechen (vgl. AG Düsseldorf VersR 2020, 179; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 251 Rn. 14).

f) Nicht erstattungsfähig sind hingegen die Verbringungskosten in Höhe von 240,00 Euro netto sowie die UEP-Aufschläge in Höhe von 136,53 Euro netto. Bei einer fiktiven Abrechnung sind diese Positionen nur dann erstattungsfähig, wenn diese bei regionaler Ortsüblichkeit berücksichtigungsfähig sind (vgl. BGH NJW 2019, 852, Grüneberg, a.a.O., § 249 Rn. 14). Dazu hat die Klägerin trotz des gerichtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2019 nichts vorgetragen, sodass der Anspruch hinsichtlich dieser Positionen unschlüssig geblieben ist.

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Da die Klage dem Beklagten zu 1) ausweislich der Postzustellungsurkunde am 18.01.2019 und der Beklagten zu 2) am 19.01.2019 zugestellt wurde, begann jeweils mit Ablauf dieses Tages der Zinsbeginn, § 187 Abs. 1 BGB analog.

Nicht gerechtfertigt hingegen waren Verzugszinsen ab dem 22.08.2018 nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB, da sich die Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht im Verzug im Sinne von § 286 BGB befunden haben. Insbesondere war das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.08.2019, in dem sie die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 21.08.2019 zur Reparaturfreigabe aufforderten, nicht als Mahnung i.S.v. § 286 Abs. 1 BGB zu verstehen.

Die Mahnung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die Leistung zu erbringen. Mahnung bedeutet dabei die eindeutige Aufforderung zur Leistung. Die in der Mahnung liegende Leistungsaufforderung muss eindeutig und bestimmt sein (Ernst, in: MüKO BGB, 8. Aufl. 2019, § 286 Rn. 51).

Eine solche Aufforderung enthält das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.08.2018 gerade nicht. In diesem forderte sie die Beklagte zu 2) lediglich auf, die begehrte Reparatur freizugeben. Für die Beklagte bzw. einen objektiven Dritten (§§ 133, 157 BGB) war zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass die Klägerin nunmehr sofort Zahlung dieses Betrages verlangt. Dies insbesondere auch deswegen, weil das Schreiben der Prozessbevollmächtigten selbst überhaupt keine konkrete Summe benennt sondern lediglich schlicht auf das Sachverständigengutachten der E1 GmbH Bezug nimmt. Aus diesem ergab sich z.B. aber bereits nicht, ob die Klägerin die geltend gemachte Summe brutto oder netto begehrte.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2 ZPO.

D.

Der Streitwert wird auf 6.401,80 Euro festgesetzt.

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