Verkehrsunfall in München: Kläger scheitert vor Gericht – Kein Anspruch auf Schadensersatz
Das Oberlandesgericht München wies die Berufung des Klägers im Fall eines Verkehrsunfalls zurück. Der Kläger forderte Schadensersatz, nachdem sein Fahrzeug beim Abbiegen von einem überholenden Fahrzeug beschädigt wurde. Das Gericht entschied, dass der Unfall hauptsächlich durch den Kläger verursacht wurde, da er beim Abbiegen gegen Verkehrsregeln verstoßen hat. Eine Alkoholisierung des Beklagten war nicht ausschlaggebend für den Unfall.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Berufung zurückgewiesen: Das OLG München bestätigte das Urteil des Landgerichts München I, das die Berufung des Klägers zurückwies.
- Schadensersatzforderung: Der Kläger forderte Schadensersatz für einen Verkehrsunfall, bei dem sein Fahrzeug beschädigt wurde.
- Verstoß gegen Verkehrsregeln: Der Kläger verursachte den Unfall, indem er beim Abbiegen gegen die Straßenverkehrsordnung verstieß.
- Anscheinsbeweis: Das Gericht stellte fest, dass der Kläger die Sorgfaltspflichten beim Abbiegen verletzt hat.
- Alkoholisierung nicht entscheidend: Die Alkoholisierung des Beklagten war nicht ursächlich für den Unfall.
- Kein Anspruch auf Schadensersatz: Aufgrund des Verhaltens des Klägers besteht kein Anspruch auf Schadensersatz.
- Kosten des Berufungsverfahrens: Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Revision nicht zugelassen: Das Urteil ist endgültig, da keine Revision zugelassen wurde.
Übersicht:
- Verkehrsunfall in München: Kläger scheitert vor Gericht – Kein Anspruch auf Schadensersatz
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Überholvorgänge und Alkoholisierung: Die Herausforderungen des Anscheinsbeweises
- Der Verkehrsunfall in München: Ein komplexes Rechtsdrama
- Sorgfaltspflicht und Anscheinsbeweis: Schlüsselaspekte des Falles
- Alkoholisierung des Fahrers: Ein nicht entscheidender Faktor
- Urteil des OLG München: Eine Entscheidung mit Tragweite
- ✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Überholvorgänge und Alkoholisierung: Die Herausforderungen des Anscheinsbeweises
Bei einem Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrzeug beim Überholen eines Linksabbiegers kollidiert, kann der Anscheinsbeweis eine wichtige Rolle spielen. Der Anscheinsbeweis geht davon aus, dass der überholende Fahrer den Unfall verursacht hat, wenn er den Unfallort unmittelbar nach dem Unfall verlassen hat oder wenn er nicht an der Unfallstelle verblieben ist.
Allerdings kann eine nachgewiesene Alkoholisierung des überholenden Fahrers die Anwendung des Anscheinsbeweises erschweren. Wenn nicht feststeht, dass die Alkoholisierung für den Unfall ursächlich geworden ist, ist sie ohne Bedeutung. In einem Urteil des OLG München wurde die Anwendung des Anscheinsbeweises auch bei Alkoholisierung des Fahrers des überholenden Fahrzeugs bestätigt. Es ist jedoch zu beachten, dass auch der überholende Fahrer oft eine Mitschuld trifft. Er muss ebenfalls Vorsicht walten lassen und darf den Linksabbieger nicht gefährden.
Im weiteren Verlauf dieses Artikels wird ein konkretes Urteil zum vorgegebenen Thema vorgestellt und besprochen.
Der Verkehrsunfall in München: Ein komplexes Rechtsdrama
Am 23. Januar 2015 fällte das Oberlandesgericht München ein Urteil, das die rechtlichen Auseinandersetzungen um einen Verkehrsunfall in der H.-Straße in München zum Abschluss brachte. Der Unfall, der sich am 29. April 2011 ereignete, involvierte einen Mercedes Sprinter, gesteuert von einem Angestellten des Klägers, und einen Renault Laguna, gefahren vom Beklagten. Der Kern des Falles drehte sich um die Frage, wer für den Schaden verantwortlich ist, der entstand, als der Sprinter-Fahrer versuchte, nach links in eine Grundstückseinfahrt abzubiegen, während der Laguna-Fahrer gleichzeitig überholte.
Sorgfaltspflicht und Anscheinsbeweis: Schlüsselaspekte des Falles
Das zentrale rechtliche Problem in diesem Fall war die Bestimmung der Sorgfaltspflichten und des Verursachungsanteils beider Parteien am Unfall. Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend, während die Beklagten diese Ansprüche zurückwiesen und ihrerseits eine Vorschussleistung auf Schadensersatz forderten. Das Landgericht München I wies die Klage ab und gab der Widerklage statt, was den Kläger dazu veranlasste, beim OLG München Berufung einzulegen. Der Fall warf komplexe Fragen bezüglich der Anscheinsbeweislage und der Pflicht zur Beachtung der Verkehrssorgfalt, insbesondere beim Abbiegen und Überholen, auf.
Alkoholisierung des Fahrers: Ein nicht entscheidender Faktor
Ein bemerkenswerter Aspekt des Falles war die Alkoholisierung des Beklagten zu 1). Obwohl sein Blutalkoholgehalt zum Zeitpunkt des Unfalls zwischen 1,04 und 1,4 Promille lag, fand das Gericht keinen direkten Zusammenhang zwischen der Alkoholisierung und dem Unfallhergang. Dies unterstreicht, dass Alkoholisierung allein nicht zwangsläufig als Unfallursache angesehen wird, es sei denn, sie hat sich nachweislich auf das Unfallgeschehen ausgewirkt. Das Gericht betonte, dass im vorliegenden Fall kein Verkehrsverstoß des alkoholisierten Fahrers nachweisbar war, der den Unfall direkt beeinflusst hätte.
Urteil des OLG München: Eine Entscheidung mit Tragweite
Das Oberlandesgericht München bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung des Klägers zurück. Die Richter hielten fest, dass der Unfallschaden hauptsächlich durch ein für den Beklagten unabwendbares Ereignis verursacht wurde. Sie folgerten, dass der Fahrer des Klägers die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten verletzt hatte und daher der Hauptverantwortliche für den Unfall war. Als Folge dessen wurden die Schadensersatzforderungen des Klägers abgelehnt, und er wurde verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Diese Entscheidung illustriert die Komplexität von Verkehrsunfällen und die Bedeutung einer genauen Untersuchung der Umstände jedes einzelnen Falles. Sie unterstreicht auch die Wichtigkeit der Einhaltung von Verkehrsvorschriften und der Verantwortung aller Verkehrsteilnehmer, zur Sicherheit auf den Straßen beizutragen.
Das vorliegende Urteil Az.: 10 U 299/14 des OLG München stellt somit ein signifikantes Beispiel für die Rechtsprechung in Fällen von Verkehrsunfällen dar, insbesondere wenn Fragen der Sorgfaltspflicht und des Anscheinsbeweises im Mittelpunkt stehen.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Wie wird die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen bewertet?
Die Betriebsgefahr bezieht sich auf das Risiko, das von einem Fahrzeug ausgeht, einfach durch seinen Betrieb, unabhängig von einem Verschulden des Fahrers oder Halters. Dieses Konzept ist im deutschen Straßenverkehrsgesetz (StVG) verankert und hat Auswirkungen auf die Haftungsquote bei Verkehrsunfällen.
Die Betriebsgefahr kann sich auch bei einem geparkten Fahrzeug realisieren, was bedeutet, dass der Halter oder Betreiber auch dann haftbar ist, wenn ein Dritter durch das Fahrzeug geschädigt wird, ohne dass ein eigenes Verschulden des Betreibers vorliegt.
Die Haftungsquote aufgrund der Betriebsgefahr liegt in der Regel bei 20 bis 25 Prozent, unabhängig davon, ob der Fahrzeughalter den Unfall verschuldet hat oder nicht. Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen die Haftung aus Betriebsgefahr ausgeschlossen ist, beispielsweise wenn das Unfallereignis auf höherer Gewalt beruht oder unabwendbar war.
Die Betriebsgefahr kann auch durch die Eigenschaften des Fahrzeugs beeinflusst werden. So kann beispielsweise das Gewicht des Fahrzeugs die Betriebsgefahr erhöhen, da schwerere Fahrzeuge länger zum Bremsen benötigen. Auch die Größe des Fahrzeugs kann die Betriebsgefahr beeinflussen.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Betriebsgefahr nur dem Fahrzeughalter vorgeworfen werden kann. Ein Leasinggeber, der Eigentümer eines Fahrzeugs ist, aber nicht selbst Halter dieses Fahrzeugs ist, muss die Haftung aus Betriebsgefahr nicht gegen sich gelten lassen.
Was sind die rechtlichen Folgen einer Sorgfaltspflichtverletzung beim Abbiegen?
Die Sorgfaltspflichtverletzung beim Abbiegen kann verschiedene rechtliche Folgen haben, die von Bußgeldern bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen reichen können. Gemäß § 9 der Straßenverkehrsordnung (StVO) muss ein Fahrer, der abbiegen möchte, dies rechtzeitig und deutlich ankündigen und auf den nachkommenden Verkehr achten. Bei Missachtung dieser Sorgfaltspflicht können zivilrechtliche, strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen drohen.
Im Bußgeldkatalog sind verschiedene Verstöße und deren Konsequenzen aufgeführt. Beispielsweise kann das Abbiegen ohne ordnungsgemäßes Einordnen mit einem Bußgeld von 10 Euro geahndet werden. Wenn dabei eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entsteht, erhöht sich das Bußgeld auf 30 Euro. Bei Sachbeschädigung beträgt das Bußgeld 35 Euro.
In bestimmten Fällen, wie beim Abbiegen in ein Grundstück, kann eine gesteigerte Sorgfaltspflicht gelten. Diese erhöhte Sorgfaltspflicht ergibt sich aus der Tatsache, dass der fließende Verkehr sich weniger gut auf das Abbiegen einstellen kann, da das Abbiegeziel weniger gut erkennbar ist. Bei Verletzung dieser gesteigerten Sorgfaltspflicht können ebenfalls rechtliche Konsequenzen folgen.
In einigen Fällen kann es auch zu einer Haftungsverteilung kommen. Beispielsweise kann ein Fahrer, der aus einer Ausfahrt kommt und abbiegt, für zwei Drittel des entstandenen Schadens haftbar gemacht werden, wenn er eine Kollision verursacht.
Es ist daher ratsam, stets die gebotene und verkehrsübliche Sorgfalt walten zu lassen, um sich vor Haftung bei Sorgfaltspflichtverletzungen zu schützen.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 10 U 299/14 – Urteil vom 23.01.2015
1. Die Berufung des Klägers und Widerbeklagten vom 20.01.2014 gegen das Endurteil des LG München I vom 29.11.2013 (Az. 17 O 1457/12) wird zurückgewiesen.
2. Das Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Der Kläger, gleichzeitig Widerbeklagter, macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Die Beklagte zu 2) und Widerklägerin hat in erster Instanz eine Vorschussleistung auf den Schadensersatz zurückgefordert.
Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 29.04.2011 gegen 17.15 Uhr zwischen dem klägerischen Pkw Mercedes Sprinter, amtliches Kennzeichen M – S …, und dem Pkw Renault Laguna, amtliches Kennzeichen M – R …, des Beklagten zu 1). Das klägerische Fahrzeug, gesteuert von seinem Angestellten F., wollte – auf Höhe des Anwesens Nr. 3 in der H.-Straße in M. in südwestlicher Richtung fahrend – nach links in eine Grundstückseinfahrt abbiegen oder wenden, als der Beklagte zu 1) sich zum Überholen entschlossen hatte.
Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 29.11.2013 (Bl. 110/119 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG München I hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses dem Kläger am 20.12.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 20.01.2014 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 128/129 d. A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht München am 20.02.2014 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 135/148 d. A.) begründet.
Der Kläger und Widerbeklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen.
Erstinstanzlich hatte er beantragt, die Beklagten samtverbindlich zu Schadensersatzleistungen von 5.543,33 € nebst Verzugszinsen seit 16.08.2011 zu verurteilen, und die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten und die Widerklägerin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst den Kläger gemäß § 522 II 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung zurückzuweisen. Dennoch wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, um dem Kläger hierzu Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme zu geben, und eine – gegenüber einer früheren Mitteilung an den Klägervertreter – geänderte Rechtsauffassung des Senats zu erläutern.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 26.11.2014 (Bl. 176/188 d. A.), den Hinweisbeschluss vom 30.09.2014 (Bl. 156/171 d. A.) die Hinweisreplik vom 28.10.2014 (Bl. 173 d. A.), und den weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz des Klägers vom 22.09.2014 (Bl. 154/155 d. A.), sowie die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2014 (Bl. 182/184 d. A.) Bezug genommen.
Im Übrigen wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B.
Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz verneint.
1. Zwar kommt grundsätzlich ein Anspruch des Klägers aus §§ 7 I, 18 I StVG, 823 I BGB, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG in Betracht, da unstreitig dessen Fahrzeug bei einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) beschädigt wurde. An einem Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) scheitert ein solcher Anspruch im Streitfall nicht, was von den Beklagten auch nicht geltend gemacht wird.
2. Jedoch ist ein Anspruch des Klägers deshalb ausgeschlossen, weil der Unfallschaden von ihm durch ein für den Beklagten zu 1) unabwendbares Ereignis (§ 17 III 1 StVG) oder jedenfalls ganz überwiegend verursacht und allein verschuldet (§ 17 I, II StVG) wurde, so dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten, vorliegend allein die Betriebsgefahr, vernachlässigt werden kann (§§ 17 I StVG, 254 I BGB). Verursachungs- und Verschuldensbeiträge des vom Kläger eingesetzten, somit berechtigten Fahrers sind dem Kläger zuzurechnen, § 18 III StVG.
3. Soweit die zugrunde liegenden Tatsachen zwischen den Parteien streitig waren, haben die Beklagten bewiesen, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs beim Abbiegen straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltspflichten verletzt hat. Dagegen ist dem Kläger der Beweis misslungen, dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten über die bloße Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs hinausgehe, oder den Beklagten zu 1) an dem Unfallgeschehen ein Verschulden treffe. Die Darlegungs- und Beweislast für anspruchs- und einwendungsbegründende Tatsachen, sowie die Beweislastverteilung ergeben sich aus folgenden Grundsätzen:
a) Grundsätzlich genügt der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast mit der – hier unstreitigen – Behauptung, sein Kraftfahrzeug sei im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) beschädigt worden. Jedoch hat er selbst die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verkehrsvorschrift vorgetragen, die ihm höchste Sorgfalt abverlangt (§ 9 V StVO): Laut unstreitigem Tatbestand des Ersturteils wollte der klägerische Fahrer nach links abbiegen, nach streitigem Klägervorbringen in eine Grundstückszufahrt. Die Beklagten haben diese Tatsachen als zutreffend und ihnen günstig übernommen.
b) Den Beklagten obliegt dennoch Darlegung und Nachweis, dass der Schaden jedenfalls ganz überwiegend vom klägerischen Fahrzeug verursacht oder verschuldet worden sei. Dies gilt auch für die Behauptung, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs durch dessen Fahrweise wesentlich erhöht gewesen sei, oder den klägerischen Fahrer an dem Unfall ein Verschulden treffe.
Diese Beweisführung wird jedoch erleichtert durch eine Anscheinsbeweislage, die sich nach allgemeiner Meinung aus der Gesetzesfassung (§ 9 V StVO: „muss sich … darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist“) ergibt. Der Anscheinsbeweis ist als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 – 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 – 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 – 10 U 1886/13 [juris]), und nicht von einer Geltendmachung durch den Beweispflichtigen abhängig, wirkt allerdings nur bei „typischen Geschehensabläufen“ (BGH NZV 1996, 277; NJW 2001, 1140; Senat, Urt. v. 22.02.2008 – 10 U 4455/07 [juris]), also wenn sich unter Prüfung und Bewertung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat (BGH VersR 2007, 557; VersR 2011, 234). In solchen Fällen genügt grundsätzlich die Feststellung „eines allgemeinen Erfahrungssatzes als einer aus allgemeinen Umständen gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerung“ (BGH NJW 1997, 528), allerdings darf der Sachverhalt nicht auf ein „Kerngeschehen“ wie z. B. das bloße Abbiegen, reduziert werden, ohne Rücksicht auf die vorausgegangene Fahrweise. Das „Kerngeschehen“ für sich allein reicht als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene „Typizität“ sprechen. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGH NJW-RR 1986, 383; NJW 1996, 1828; 2012, 608).
aa) Danach streitet für die Beklagten und gegen den Kläger ein Anscheinsbeweis, dass der klägerische Fahrer den Unfall durch eine Sorgfaltspflichtverletzung verursacht hat. Die Beklagten haben die hierfür erforderlichen Tatsachen schlüssig vorgetragen, die der Kläger in entscheidenden Einzelheiten bestätigt hat. Das unstreitige Kerngeschehen besteht darin, dass der klägerische Fahrer in einer engen Straße mit geringer Geschwindigkeit eine längere Strecke dem Beklagten zu 1) voraus gefahren war, und nach einer Verlangsamung nach links gelenkt hatte, um zu wenden oder in ein Grundstück abzubiegen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 1) seinen Überholvorgang bereits begonnen hatte.
Diese Feststellungen des Erstgerichts sind rechtsfehlerfrei und stehen in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (Senat, Urt. v. 25.04.2014 – 10 U 1886/13 [juris 4]; OLG Hamm, Urt. v. 09.07.2013 – 9 U 191/12 [BeckRS 2013, 18082]; KG, Beschl. v. 12.07.2010 – 12 U 177/09 [BeckRS 2010, 22692]; KG, Urteil vom 09.09.2002 – 12 U 26/01 [BeckRS 2002, 07774]; BGH NJW-RR 1986, 384: „für einen Zusammenstoß des wendenden Fahrzeugs mit dem Gegenverkehr“; Senat, Urt. v. 25.10.2013 – 10 U 964/13 [juris]; v. 13.12.2013 – 10 U 2372/13 [juris]; v. 14.02.2014 – 10 U 3074/13 [juris], je für einen Auffahrunfall;).
Die „Typizität“ der streitgegenständlichen Anscheinsbeweislage wird durch die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte weder beseitigt, noch auch nur in Frage gestellt:
(1) Der Kläger macht geltend, über eine längere Strecke vor dem eigentlichen Abbiegevorgang den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und damit seine Absicht bei weitem rechtzeitig angekündigt zu haben. Dieser Behauptung ist jedoch gerade streitig geblieben und betrifft damit nicht das nach umfassender Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung festgestellte Kerngeschehen, sondern die Frage einer möglichen Erschütterung des Anscheinsbeweises, für welche der Kläger darlegungs- und beweispflichtig ist. Der Anscheinsbeweis für verkehrs- und sorgfaltswidriges Abbiegen entfällt nicht aufgrund der bloßen Behauptung, die notwendige Sorgfalt sei gerade beachtet worden (Senat, Urt. v. 16.05.2008 – 10 U 1748/08 [juris]; KG, Urteil vom 09.09.2002 – 12 U 26/01 [BeckRS 2002, 07774]).
(2) Auch der – unstreitige – Überholvorgang des Beklagten zu 1) als solcher kann die „Typizität“ der Anscheinsbeweislage nicht beeinträchtigen. Zulässiges und verkehrsgerechtes Überholen stellt – ebenso wie beispielsweise der bevorrechtigte Gegenverkehr – eine Grundvoraussetzung dar, dass sorgfaltswidriges Abbiegen überhaupt zu einem Unfall, dann allerdings mit einer entsprechenden Anscheinsbeweislage, führt (OLG Brandenburg, Urt. v. 26.09.2001 – 14 U 24/01 [BeckRS 2008, 17564]; OLG Frankfurt a. M., NZV 2000, 211; OLG Nürnberg NZV 2003, 89; KG NZV 2006, 309; OLG Rostock NJOZ 2011, 1564; KG NZV 2010, 156).
(3) Zuletzt wird eine Anscheinsbeweislage nicht aufgehoben durch die Alkoholisierung des Beklagten, unabhängig davon, ob die im unstreitigen Tatbestand des Ersturteils festgestellte Blutalkoholkonzentration von 1,04 Promille, oder – wie vom Kläger gewünscht – bis zu 1,4 Promille zugrunde gelegt wird. Selbst eine Alkoholisierung im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit erlaubt keinen Rückschluss auf die Unfallursache, darf vielmehr bei der Abwägung nach § 17 StVG nur berücksichtigt werden, wenn sie sich nachweislich in dem Unfall niedergeschlagen hat (BGH NJW 1995, 1029). Aus diesem Grund ist ein unfallursächlicher Verstoß das alkoholisierten Kraftfahrers vorauszusetzen, bevor – aufgrund der Alkoholisierung, gegebenenfalls in Form eines Anscheinsbeweises – darauf geschlossen werden kann, der Unfall habe sich in einer Verkehrslage ereignet, die ein nüchterner Kraftfahrer problemlos hätte meistern können (BGH NJW 1976, 897: Fußgänger, zusätzlich zur Alkoholisierung unmotiviertes Liegen auf der Fahrbahn; OLG Stuttgart r + s 1988, 329 [Volltext BeckRS 2008, 19041: zusätzlich stark überhöhte Geschwindigkeit; OLG Hamm NZV 1995, 483; OLG Köln VersR 2002, 1040; KG Urt. v. 21.06.1990 – 12 U 3456/89 [BeckRS 1990, 07643: Alkoholisierung nicht ursächlich, weil ohnehin schuldhaftes Überholen einer unübersichtlichen Kolonne]; OLG Celle, Urt. v. 29.09.2010 – 14 U 27/10 [BeckRS 2011, 14566: zusätzlicher Verstoß gegen § 1 II StVO gefordert, aber nicht erweislich]; Senat, Beschl. v. 12.11.2014 – 10 U 3222/14: zusätzlich zur Alkoholisierung nicht rechtzeitige Ausweichreaktion erforderlich).
Deswegen ist ein Zusammenstoß des Linksabbiegers mit dem Überholenden nicht schon dann „nicht mehr typisch“, wenn und weil der Überholende alkoholisiert war. Anderenfalls stünde jede der bisherigen Anscheinsbeweislagen unter dem Vorbehalt, dass keiner der beteiligten Fahrzeugführer alkoholisiert wäre, während andererseits neue Anscheinsbeweislagen mit alkoholisierten Beteiligten zu entwickeln wären. Zudem verlöre die ständige Rechtsprechung des BGH, dass die Unfallursächlichkeit der Alkoholisierung festzustellen sei, jeden Anwendungsbereich. Die Anscheinsbeweislagen des Abbiegens in ein Grundstück oder Wendens einerseits, der alkoholbedingten absoluten Fahruntüchtigkeit andererseits stehen in einem Stufenverhältnis: Zunächst ist bei anzuwendendem Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger zu klären und im Strengbeweisverfahren festzustellen, ob ein Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmers vorliegt, dass den Anscheinsbeweis erschüttert. Sollte das nicht der Fall sein, kommt es auf dessen Alkoholisierung nicht mehr an. Werden dagegen eine Pflichtwidrigkeit oder ein Sorgfaltsverstoß des zunächst vom Anscheinsbeweis Begünstigten festgestellt, spricht jedenfalls im Fall der absoluten Fahruntüchtigkeit ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Alkoholisierung unfallursächlich geworden ist, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können.
bb) Dem Kläger ist es nicht gelungen, den für die Beklagten wirkenden Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung ernsthafter Möglichkeiten eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH NJW 1953, 584; NJW 1963, 953; DAR 1985, 316; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.07.2014 – 1 U 2572/13 [juris]), deren Tatsachen unstreitig oder (voll) bewiesen sein müssen. Zweifel gehen zu Lasten des Klägers als Anscheinsbeweisgegner.
(1) Der Kläger hat schon keine Umstände nachweisen können, die einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen Verkehrsvorschriften oder allgemeine Sorgfaltspflichten begründen. Nach Sachlage wäre angesichts der unstreitig geringen Geschwindigkeiten lediglich ein Verstoß gegen das Verbot des Überholens bei unklarer Verkehrslage (5 III Nr. 1 StVO) in Betracht gekommen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.10.2014 – 4 U 145/13 [BeckRS 2014, 20521: Überholen bei unklarer Verkehrslage und falsches Wiedereinscheren]; KG, Beschl. v. 12.07.2010 – 12 U 177/09 [BeckRS 2010, 22692]; OLG Koblenz NZV 2005, 413; OLG Frankfurt NZV 1989, 155). Unter Würdigung aller Gesamtumstände hätten im Streitfall die auch sonst zu fordernden drei Gesichtspunkte vorliegen müssen: eine wesentliche Verlangsamung des Vorausfahrenden, das Einordnen nach links und – vor allem – das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers (KG NZV 2003, 89; 2010, 298; OLG Hamm NZV 2006, 309). Vorliegend waren die beiden erstgenannten unerheblich oder ausgeschlossen, denn die schon deutlich vor dem Abbiegevorgang von beiden Fahrzeugen eingehaltenen geringen Geschwindigkeiten von etwa 30 km/h nehmen einer Verringerung auf 10 bis 15 km/h jegliche Aussagekraft. Dagegen war – nach sachverständigen Erkenntnissen – ein Einordnen nach links angesichts der geringen Straßenbreite technisch ausgeschlossen. Deswegen wäre ein Überholen für den Beklagten zu 1) nur verboten gewesen, wenn der klägerische Fahrer nicht nur den linken Fahrtrichtungsanzeiger bedient, sondern dies so rechtzeitig begonnen hätte, dass der Beklagte zu 1) nach Wahrnehmung noch auf den Überholvorgang verzichten oder diesen hätte abbrechen können.
Den Beweis der vorgenannten streitentscheidenden Tatsache rechtzeitiger Anzeige eines beabsichtigten Fahrtrichtungswechsels hat der Kläger nicht führen können. Insoweit wird auf die ausführliche Darstellung und Beweiswürdigung im Hinweisbeschluss vom 30.09.2014 (S. 6 – 12 = Bl. 161/167 d. A.) Bezug genommen, neue oder abweichende Erkenntnisse haben sich auch in mündlicher Verhandlung und den klägerischen Schriftsätzen nicht mehr gezeigt. Beweisbedürftigkeit und -fälligkeit sind dem Kläger durchaus bewusst, anderenfalls wäre nicht einerseits erstmals im Zivilrechtsstreit eine ausführliche Darlegung samt zugehörigen Zeugenaussagen gebracht worden, andererseits nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung in persönlicher Anhörung behauptet worden, der klägerische Fahrer müsse ordnungsgemäß geblinkt haben, weil man hierzu verpflichtet und verkehrsrichtiges Verhalten üblich sei. Letztgenannte Überlegungen haben keinen Beweiswert, ein zwingender Schluss von gebotenem, sinnvollen oder nützlichen auf das tatsächliche Verhalten hätte zur Folge, dass sich Unfälle nicht ereignen könnten. Eine entsprechende Vermutung wird dagegen bereits durch die tatsächliche Häufigkeit von Verkehrsverstößen widerlegt. Nach Einschätzung des Senats haben die klägerischen Zeugen versucht, die ursprüngliche Darstellung des Unfallgeschehens im Strafverfahren des Beklagten zu 1) zu erweitern und abzuändern, durchaus in dem – nachträglich gewonnenen – Bewusstsein, dass diese für ein Obsiegen im Zivilrechtsstreit nicht ausreichend sein könnte. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich das Erstgericht bei dieser Sachlage nicht von der Richtigkeit der Zeugenaussagen überzeugt hat. Der Senat tritt dem nach eigenständiger Überprüfung und Würdigung bei.
(2) Hieraus folgend hat der Kläger auch keine Tatsachen nachgewiesen, die den Schluss darauf zulassen, dass die – selbst zur absoluten Fahruntüchtigkeit führende – Alkoholisierung des Beklagten zu 1) den Unfall mitverursacht habe oder haben könnte (BGH NJW 1995, 1029).
Da schon ein Fahrfehler oder Rechtsverstoß des Beklagten zu 1) nicht erweislich war, kann eine Alkoholisierung (im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit) keine Anscheinsbeweislage für die Unfallursächlichkeit der Trunkenheit (BGH, a.a.O., [1030, unter 3., vorl. u. letzter Abs. ]) liefern: Im Fall des BGH war ein absolut fahruntüchtiger, vorfahrtsberechtigter Kraftfahrer auf ein Fahrzeug aufgefahren, welches – unstreitig oder nachgewiesen – unter Verletzung der Wartepflicht in seine Fahrbahn eingebogen war. Dagegen konnte nicht nachgewiesen werden, dass der alkoholisierte Kraftfahrer mit einer überhöhten Geschwindigkeit gefahren sei, oder verspätet oder falsch reagiert – kurz: gegen Verkehrsvorschriften verstoßen – habe. Die Alkoholisierung (egal ob im Bereich der nur relativen, oder absoluten Fahruntüchtigkeit) hatte deswegen keine Rolle zu spielen (BGH, a.a.O. [1030 unter 3., 1. Abs. : „Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht die Fahruntüchtigkeit des Erstbeklagten – obschon feststehend – hier bei der Schadensabwägung nicht zu Lasten der Beklagten herangezogen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass bei der Abwägung nach § 17 StVG nur solche Umstände Berücksichtigung finden können, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben. Dies gilt grundsätzlich auch für die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Dass der Beklagte … infolge seiner Trunkenheit das Fahrzeug gar nicht erst führen durfte, ist insoweit ohne Belang. Maßgebend ist vielmehr, ob sich die Fahruntüchtigkeit als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen hat.“]). Diese Grundsätze gelten auch im Streitfall: Für den Beklagten zu 1) bestand an der Unfallstelle kein Überholverbot, weil eine unklare Verkehrslage nicht erweislich war. Unstreitig fuhr der Beklagte zu 1) nicht mit überhöhter Geschwindigkeit, während ihm nach den – von der Berufung nicht angegriffenen – Sachverständigenfeststellungen eine verspätete oder fehlerhafte Reaktion nicht vorgeworfen werden kann.
Soweit der Kläger nun meint, der Beklagte zu 1) habe nach dem Unfall alkoholtypische Ausfallerscheinungen gezeigt, wurde dies weder im Strafverfahren festgestellt, noch bisher im Rechtsstreit vorgetragen. Da keinerlei Gründe vorgebracht oder ersichtlich wurden, warum diese Umstände erst jetzt geltend gemacht werden, kann die Verzögerung nur auf grober Nachlässigkeit beruhen, sodass das Vorbringen nach § 531 II 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden kann.
Der Kläger ist offenbar der Auffassung, ein nüchterner Fahrer hätte den Unfall dadurch vermieden, dass er im Hinblick auf die Örtlichkeit und Verkehrsverhältnisse insgesamt auf ein Überholen verzichtet hätte. Insoweit trifft zwar zu, dass der Anscheinsbeweis gegen einen alkoholisierten Kraftfahrer (nur insoweit) wirkt, „(als) sich der Unfall in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet (hat), die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können“ (BGH, a.a.O. [1030, vorl. Abs. ]). Der Kläger übersieht jedoch, dass der Anscheinsbeweis ausscheidet, wenn dem Alkoholisierten kein Verkehrsverstoß zur Last zu legen ist (BGH, a.a.O. [1030, letzter Abs. ]). Allein aus einem wünschenswerten defensiven Fahrstil oder einem grundsätzlichen Absehen von Überholversuchen in derartigen Verkehrslagen ergibt sich jedoch die vom Kläger bevorzugte Rechtsfolge nicht. Nach Sachlage ist auszuschließen, dass ein nüchterner Kraftfahrer in der urteilsgegenständlichen Situation in jedem Fall nicht überholt hätte, anderenfalls würden derartige Unfälle nüchternen Kraftfahren niemals unterlaufen.
cc) Zuletzt berücksichtigt der Senat wie das Erstgericht, dass der klägerische Fahrer (F.) – unabhängig von einem Anscheinsbeweis – eine Sorgfaltspflichtverletzung bereits eingeräumt hat, nämlich einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur zweiten Rückschau aus § 9 I 4 StVO (Hinweisbeschl. v. 30.09.2014, S. 12, 13 = Bl. 167/168 d. A., unter c) aa).
c) Unter Würdigung alle Gesamtumstände hält der Senat die Ausführungen des Landgerichts insgesamt im Ergebnis für zutreffend. Der klägerische Fahrer hat den Verkehrsunfall dadurch verursacht und verschuldet, dass er einerseits beim Abbiegen in ein Grundstück oder beim Wenden sich nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (§ 9 V StVO), andererseits seiner zweiten Rückschaupflicht (§ 9 I 4 StVO) nicht genügt hat.
Gegenüber diesen schwerwiegenden Verstößen tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten zurück, weil dem Beklagten zu 1) keine Pflichtverletzungen nachzuweisen waren (OLG Nürnberg NZV 2003, 89). Insoweit bedarf das Ersturteil einer berichtigenden Klarstellung (EU 7 = Bl. 117 d. A., unter 3.): Die Beklagten träfe als Anspruchsgegner kein Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil, sondern der ursprüngliche Verursachungs- oder Verschuldensanteil, während Mitverursachung und -verschulden den Kläger als Anspruchssteller belasten. Auf das Entscheidungsergebnis hat diese Feinheit jedoch keine Auswirkungen.
II. Das Landgericht hat, aus der vollständigen Abweisung des Klageanspruchs zwingend zu folgern, auch den Widerklageanspruch zu Recht zugesprochen. Wenn insgesamt keine Ersatzpflicht der Beklagten zu 2) bestand, sind hierauf gezahlte Vorschusszahlungen ohne Rechtsgrund geleistet und nach Bereicherungsgrundsätzen herauszugeben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, erfordern weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 f. [2419, Abs. 26 – 32]), noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG, a.a.O. [2419, Abs. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG, a.a.O. [2420, Abs. 34]) eine Entscheidung des Revisionsgerichts.