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Verkehrsunfall – Darlegungs- und Beweislast bei Vorbeschädigungen

LG Bonn – Az.: 1 O 109/17 – Urteil vom 25.05.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrage leisten.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am ##.##.#### auf der M-Straße in N ereignete.

Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalles Halter und Eigentümer des Pkw A mit dem amtlichen Kennzeichen ####, welcher auch von ihm selbst bei dem streitgegenständlichen Unfall gesteuert wurde. Der Beklagte zu 2) war im Unfallzeitpunkt Fahrer des PKW L AR ### mit dem amtlichen Kennzeichen #### Die Beklagte zu 1) ist die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs.

Der Kläger fuhr am Unfalltag auf der vorfahrtsberechtigten M-Straße. Auf der rechten Seite der M-Straße in Fahrtrichtung des Klägers befinden sich Parkbuchten mit Senkrechtaufstellung. Der Beklagte zu 2) fuhr rückwärts aus einer Parkbucht in den fließenden Verkehr hinein als es zu einer Kollision mit dem Kläger kam. Dem Beklagten zu 2) wurde dabei die Sicht durch ein auf der rechten Seite neben ihm parkendes Fahrzeug vom Typ Z eingeschränkt. Im Zeitpunkt der Kollision kam dem Kläger aus entgegengesetzter Fahrtrichtung ein Fahrzeug entgegen. Um nicht in den Gegenverkehr zu geraten, lenkte der Kläger sein Fahrzeug anschließend in Richtung des Bordsteins, wobei es zu einem Zusammenstoß mit dem Bordstein gekommen sein könnte.

Der Kläger ließ zur Ermittlung der Schadenshöhe an seinem Fahrzeug ein Sachverständigengutachten mit Datum vom 08.10.2016 erstellen. Hiernach beliefen sich die Reparaturkosten auf netto 7.049,31 EUR, welche der Kläger mit dem Klageantrag zu 1) zuzüglich einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR, geltend macht. Die Sachverständigenkosten betrugen 890,12 EUR brutto, welche der Kläger mit dem Klageantrag zu 2) geltend macht. Darüber hinaus sind ihm vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR entstanden.

Der Kläger behauptet, die geltend gemachten Schäden seien auf das Unfallereignis vom ##.##.#### zurückzuführen. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe vor dem Unfallereignis keine Vor- oder Altschäden aufgewiesen.

Der Kläger beantragt,

1.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 7.074,31 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von den Sachverständigenkosten des Sachverständigen P gemäß der Rechnung vom 08.10.2016 in Höhe von 890,12 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen, sowie

3.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagten beantragen,   die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Schaden sei nicht in voller Höhe durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall verursacht worden, sondern beruhe teilweise auf einem unreparierten Vor- bzw. Altschaden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.09.2017 (Bl. ## d.A.) und vom 27.04.2018 (Bl. ### d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen der näheren Einzelheiten und wegen des Beweisergebnisses wird auf den Beweisbeschluss vom 22.09.2017 (Bl. ## f. d.A.), sowie auf das Sachverständigengutachten vom 10.01.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

a)

Verkehrsunfall - Darlegungs- und Beweislast bei Vorbeschädigungen
(Symbolfoto: loraks/Shutterstock.com)

Dem Kläger steht der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 7.074,31 EUR weder ganz noch teilweise zu.

Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht – soweit es den Beklagten zu 2) betrifft – aus §§ 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG und auch nicht – soweit es die Beklagte zu 1) betrifft – aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 VVG.

Das Fahrzeug des Klägers ist zwar durch den streitgegenständlichen Unfall vom ##.##.#### im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG beim Betrieb des bei der Beklagten zu 1) versicherten Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 2) beschädigt worden. Der Kläger hat jedoch einen ihm hieraus entstandenen ersatzfähigen Schaden nicht dargelegt.

Lagen bei einem Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfallereignisses unreparierte Vorbeschädigungen (Altschäden) oder reparierte Vorbeschädigungen (Vorschäden) vor, ist es Aufgabe des Klägers, darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, inwieweit der Schaden nach Art und Umfang insgesamt auf das behauptete Unfallereignis zurück zu führen ist. Die Höhe des Schadens unterliegt zwar grundsätzlich der Schätzung nach § 287 ZPO, wenn wie hier eine nicht unerhebliche Kollision unstreitig ist. Der Kläger ist aber verpflichtet, die tatsächlichen Grundlagen und geeigneten Schätzungsgrundlagen, die Anhaltspunkte für eine Einschätzung des Schadens und seiner Höhe bieten, beizubringen und zu beweisen. Fehlt es an der Darlegung einer ausreichendem Schätzungsgrundlage und ist eine zuverlässige Ermittlung auch nur eines unfallbedingten Teilschadens nicht möglich, so hat diese Unsicherheit die vollständige Klageabweisung zur Folge (vgl. OLG Düsseldorf r + s 2013, 46 m.w.N.).

Letzteres ist hier der Fall. Die Behauptung des Klägers, sein Fahrzeug habe vor dem Unfallereignis vom ##.##.#### keine Vor- oder Altschäden aufgewiesen und der mit der Klage geltend gemachte Schaden sei vollständig auf das Unfallereignis zurückzuführen, ist durch das Sachverständigengutachten des Sachverständigen T vom 10.01.2018 widerlegt.

Der Sachverständige hat ausgeführt, zwei Beschädigungen im Bereich hinter der Hinterachse, deren Beseitigung mit der Klage geltend gemacht wird, seien nicht auf den streitgegenständlichen Unfall zurück zu führen. Bei der ersten Beschädigung oberhalb des Stoßfängers wiesen die Kratzspuren eine Richtungsumkehr auf, die mit dem Unfallereignis nicht in Übereinklang zu bringen sei. Weitere Kratzer auf der lackierten, sich verjüngenden Stoßfängerverkleidung befänden sich hinter einem kontaktfreien Bereich.

Die geltend gemachten Beschädigungen an der vorderen rechten Alu-Felge seien jedenfalls nicht in Gänze auf den Unfall zurück zu führen, denn zwischen den Beschädigungen des Felgenhorns befände sich eine Kontaktunterbrechung, so dass zwingend von zwei Bordsteinkontakten auszugehen sei.

Die geltend gemachten Beschädigungen an der hinteren rechten Alu-Felge seine nicht nachvollziehbar, da das Foto, welches nach dem Klägervorbringen die entsprechenden Beschädigungen zeigen sollen, tatsächlich erneut die vordere rechte Alu-Felge zeige. Auf den im Privatgutachten des Klägers sonst enthaltenen Fotos sei eine Beschädigung der hinteren rechten Alu-Felge hingegen nicht zu erkennen.

Auch die mit der Klage geltend gemachten Beschädigungen der Türabdeckungen seien weder auf die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug, noch auf einen möglichen nachfolgenden Kontakt mit der Bordsteinkante zurück zu führen. Hinsichtlich des Beklagtenfahrzeugs bestehe keine Kompatibilität, auch die Bordsteinkante sei zu niedrig für eine Schadensverursachung.

Schließlich weise das Klägerfahrzeug auch eine Beschädigung des Schwellers unterhalb der Beifahrertür auf. Dessen Instandsetzung macht der Kläger zwar nicht geltend. Hierbei handele es sich jedoch eindeutig um einen Altschaden.

Die Kammer schließt sich den in sich schlüssigen und sehr gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen aus eigener Wertung an.

Dass eine streifende Beschädigung der hier streitgegenständlichen nicht zu Kratzspuren mit eine horizontalen Richtungsumkehr führen kann, ist auch für die Kammer logisch zwingend.

Ebenso kann eine solche Beschädigung nicht zu Kratzern auf einer sich verjüngenden Stoßfängerverkleidung führen, wenn gleichzeitig der am weitesten hervorstehende Teil dieser Verkleidung unbeschädigt bleibt.

Auch das es im Rahmen der Erstellung des Privatgutachtens zumindest zu einer Verwechslung der Bilder der angeblich beschädigten Alu-Felgen gekommen ist und somit eine Beschädigung der hinteren Alu-Felge zumindest nicht dokumentiert ist und damit nicht schlüssig vorgetragen ist, ergibt sich zwingend aus den durch den Sachverständigen gegenübergestellten Fotografien. Diese zeigen jeweils die gleiche Alu-Felge, was an den Beschädigungen klar zu erkennen ist.

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Schließlich ist auch für die Kammer sehr gut nachvollziehbar, dass die Beschädigungen an den Türabdeckungen und dem Schweller nicht auf den streitgegenständlichen Unfall zurück zu führen sind. Sie befinden sich unterhalb des Kollisionsbereiches mit dem Beklagtenfahrzeug in einem sich nach unten verjüngenden Bereich befinden. Gleichzeitig liegen sie mit 20 – 35 cm zu hoch, um durch einen Kontakt mit dem nur 12 cm hohen Bordstein verursacht worden zu sein.

Die derart zur vollen Überzeugung der Kammer festgestellten, vom Kläger verschwiegenen Altschäden am Klägerfahrzeug sind derart gravierend, dass sie eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ausschließen. Insbesondere die streifenden, nicht unfallbedingten Altschäden an den Türabdeckungen und dem Schweller legen nahe, dass es bei ihrer Entstehung zu weiteren Beschädigungen gekommen sein kann, welche nunmehr von der neuen, am Unfalltag entstandenen streifenden Beschädigung im darüber liegenden Bereich überdeckt werden.

Eine sichere Abgrenzung der Schäden, welche eine Schadensschätzung ermöglichen würde, ist vor diesem Hintergrund nicht möglich. Insbesondere kann eine solche nicht derart erfolgen, dass aus der Kalkulation des Privatgutachtens des Klägers einfach diejenigen Positionen herausgerechnet werden, die zweifelsfrei Altschäden betreffen. Dies würde der Darlegungs- und Beweislast nicht gerecht. Es ist Aufgabe des Klägers die Anknüpfungstatsachen für die richterliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO darzulegen und zu beweisen. Dieser Beweis ist nicht dadurch erbracht, dass Altschäden nicht im Bereich aller geltend gemachten Schadensbereiche nachgewiesen werden können. Der Klägervortrag ist durch den Nachweis verschwiegener Altschäden und die Möglichkeit weiterer Altschäden vielmehr derart in Frage gestellt, dass eine Schadensschätzung insgesamt nicht erfolgen kann.

b)

Da dem Kläger der geltend gemachte Hauptanspruch nicht zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf Verzinsung oder Freistellung von vorgerichtlichen Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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