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Verkehrsunfall – deklaratorisches Schuldanerkenntnis Anforderungen

AG München – Az.: 322 C 17679/10 – Urteil vom 24.08.2011

I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger EUR 1.970,73 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26. Mai 2010 zu bezahlen, zuzüglich EUR 229,55 vorgerichtliche Anwaltskosten.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV. Der Streitwert wird auf EUR 1.970,73 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Hergang eines Verkehrsunfalls am 12. April 2010 gegen 15.50 Uhr auf der B 13 in München.

Beteiligt war der Pkw VW Golf des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen … beim Unfall gefahren von ihm selbst, sowie der Pkw BMW mit dem amtlichen Kennzeichen … beim Unfall gefahren von dem Beklagten zu 1) und haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2).

Am Unfalltag befanden sich beide Fahrzeuge auf der B13 in München, wobei sich das Beklagtenfahrzeug vor dem Klägerfahrzeug befand. Es kam zur Kollision der beiden Fahrzeuge.

Der Kläger behauptet, das Klägerfahrzeug sei verkehrsbedingt hinter dem Beklagtenfahrzeug gestanden, als das Beklagtenfahrzeug plötzlich zurückgesetzt habe und gegen das Klägerfahrzeug gefahren sei.

Der Kläger macht folgende Schäden geltend:

Wiederbeschaffungsaufwand: EUR 1.400,00

Sachverständigenkosten: EUR 545,73

Unkostenpauschale: EUR 25,00

Insgesamt: EUR 1.970,73.

Daneben macht der Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.

Der Kläger beantragt:

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 1.970,73 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 26. Mai 2010 zu zahlen.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, als Nebenforderung an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 229,55 zu zahlen.

Die Beklagtenseite beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagtenseite behauptet, das Beklagtenfahrzeug sei gestanden. Das Klägerfahrzeug habe hinter dem Beklagtenfahrzeug die Spur gewechselt und sei auf das Beklagtenfahrzeug aufgefahren.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … und … sowie durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständiger …

Die Akte des Landgerichts München I mit dem Aktenzeichen 19 O 16608/10 wurde zu Beweiszwecken verwertet.

Der Kläger und der Beklagte zu 1) wurden informatorisch angehört.

Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien, die Sitzungsniederschrift vom 20.12.2010, das Gutachten des Sachverständigen sowie die beigezogene Akte und die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 1.970,73 aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 1 PflVG.

Dem liegt eine Haftungsquote von 100 % zu Lasten der Beklagtenseite zugrunde.

Unfallhergang und Haftungsverteilung

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu 1) nach eigenen Angaben nach dem Unfall eine schriftliche Erklärung abgegeben, die lautete „Ich übernehme den Unfallkosten % 100, Scheinwerfer Rechts, Kotflügel, Motorhaube, 12.04.2010, 15.50“.

Die Bedeutung dieser Erklärung ist durch Auslegung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall handelt sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis.

Die nach einem Verkehrsunfall von einem Beteiligten abgegebene schriftliche Erklärung, nach der er sich verpflichtet, dem Unfallgegner den Unfallschaden zu ersetzen, ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, durch das dem Versprechenden die Einwendungen aus dem Grundverhältnis abgeschnitten sind, die er bei der Abgabe der Erklärung kannte oder mit denen er rechnete. Eine derartige Erklärung ist nicht nur eine „Beruhigungserklärung“ oder ein Beweismittel (vgl. KG Berlin, Urteil vom 15.3.1971, 12 U 1317/70). Auch das OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.01.1972, 12 U 101/71) hat ausgeführt, die nach einem Verkehrsunfall abgegebenen Erklärung „den Schaden trägt Herr X“ sei eindeutig und besage, dass der Betreffende alleine hafte. Der Auffassung, diese Erklärung sei lediglich eine rechtlich unverbindliche Beruhigungserklärung, sei nicht zu folgen. Eine solche Auslegung widerspreche sowohl dem Grundsatz von Treu und Glauben als auch der Interessenlage der Unfallbeteiligten.

Die vom Beklagten zu 1) abgegebene Erklärung „Ich übernehme die Unfallkosten % 100“ ist so zu verstehen, dass die beiden Parteien gerade klären wollten, wer für den streitgegenständlichen Unfall verantwortlich war und wer demnach für die Schäden haften sollte.

Es handelt sich nicht nur um das Zugestehen der alleinigen Schuld an dem Unfall, sondern darüber hinaus um die unbeschränkte Verpflichtung zur Übernahme des Unfallschadens.

Schon daraus haftet die Beklagtenseite zu 100 %.

Der Beklagtenseite ist es nicht gelungen, einen Unfallhergang zu beweisen, der die Haftung in einem anderen Licht erscheinen lassen würde (siehe dazu noch unten).

Selbst wenn die Erklärung nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten wäre, haftet die Beklagtenseite zu 100 %.

Das Gericht ist nämlich – unabhängig von der Beweislast – auch davon überzeugt ist, dass sich der Unfall so ereignet hat, wie von der Klägerseite behauptet.

Das Gericht ist – auch nach der persönlichen Anhörung der Parteien und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung durch das erkennende Gericht – davon überzeugt, dass das Beklagtenfahrzeug rückwärts gegen das Klägerfahrzeug fuhr.

Das Gericht hält die Einlassung des Beklagten zu 1) nicht für plausibel, dass er die Erklärung (Übernahme der Unfallkosten zu „% 100 %) abgegeben hätte, wenn ihm nicht ein erheblicher Sorgfaltspflichtverstoß zu Lasten gelegen hätte. Dass er die Erklärung angeblich nur abgab, weil der Kläger gesagt habe, dass er (der Beklagte zu 1) an dem Unfall schuld sei, weil dieser ohne Grund gebremst habe, hält das Gericht nicht für glaubhaft. Diese angebliche Beschuldigung durch den Kläger gab keinerlei Anlass, eine solche Erklärung abzugeben, noch dazu für 100 %. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) die Erklärung deshalb abgab, weil er den Unfall durch sein Rückwärtsfahren verursachte.

Dazu kommt, dass die Glaubwürdigkeit des Beklagten zu 1) auch noch dadurch erschüttert ist, dass er gegenüber dem Sachverständigen … einräumte, dass sein Fahrzeug am linken Seitenteil einen Altschaden hatte, der im Privatgutachten für das Beklagtenfahrzeug als unfallkausal kalkuliert wurde, offensichtlich also nicht als Vorschaden angegeben wurde. (Im Privatgutachten heißt es: „Am Besichtigungstag zeigten sich diverse alters- und laufleistungsbedingte Gebrauchsspuren (…). Weitere Vorschäden wurden vom Auftraggeber/Halter nicht offenbart und waren nicht erkennbar.“)

Insgesamt hält das Gericht den Beklagten zu 1) nicht für glaubwürdig und seine Aussage nicht für glaubhaft. Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers hat das Gericht dagegen keine Bedenken. Nach §§ 141, 278 Abs. 2 Satz 3 ZPO abgegebene Erklärungen der Parteien dürfen zwar nicht als Beweismittel verwertet werden, es ist aber allgemein anerkannt, dass die Ergebnisse einer Anhörung ohne weiteres im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses verwertet werden dürfen. Das hat das Gericht hier getan. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass es sich beim Kläger um den Fahrer des Klägerfahrzeugs handelte und er ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hat. Anders als beim Beklagten gibt es aber keine Umstände, die das Gericht an der Glaubwürdigkeit des Klägers zweifeln lassen.

Aufgrund der genannten Umstände ist das Gericht davon überzeugt, dass die klägerische Darstellung richtig und die des Beklagten zu 1) unzutreffend ist. Auch die Aussage der Zeugen … und … ändert daran nichts.

Der Zeuge … sagte u. a. aus, das Beklagtenfahrzeug sei „seit ca. einer halben bis einer Minute“ gestanden. Im Moment der Kollision sei das Beklagtenfahrzeug gestanden und das Klägerfahrzeug gefahren. Das habe er gesehen. Der Zeuge … sagte u. a. aus, das Klägerfahrzeug sei auf das Beklagtenfahrzeug draufgefahren. Das habe er gesehen.

Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen erhebliche Bedenken. Zum einen hält es das Gericht schon für wenig wahrscheinlich, dass nicht nur ein, sondern sogar zwei Zeugen, die den Unfall wahrgenommen haben wollen, sich nicht unmittelbar am Unfallort bei den Beteiligten meldeten, dann aber auf einen Zettel an der Bushaltestelle hin sich doch noch als Zeugen zur Verfügung stellten.

Zudem sagte der Zeuge … bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht München I aus, er habe die Kollision „ein bisschen gehört“, aber „Ich habe die Kollision nicht gesehen.“. Im vorliegenden Verfahren sagte er ausdrücklich, er habe die Kollision gesehen.

Der Zeuge … sagte gegenüber dem Landgericht München I aus, er sei erst durch einen Knall richtig auf den Unfall aufmerksam geworden. Wenn das richtig ist, dann hält es das Gericht für erwiesen, dass der Zeuge nicht bewusst wahrnehmen konnte, ob das Beklagtenfahrzeug bei der Kollision rückwärts fuhr oder nicht. Sicher war sich der Zeuge diesbezüglich nicht.

Insgesamt hält das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund der schriftlichen Erklärung des Beklagten zu 1) in Verbindung mit der Aussage des Klägers für erwiesen, dass das Beklagtenfahrzeug bei oder unmittelbar vor der Kollision rückwärts fuhr. Die Aussagen des Beklagten zu 1) und der beiden Zeugen genügen nicht, um diese Überzeugung zu erschüttern.

Damit trifft die Beklagtenseite der Anscheinsbeweis aus § 9 Abs. 5 StVO gegen den Rückwärtsfahrenden, der nicht widerlegt ist. Gegen die Klägerseite spricht dagegen kein Anscheinsbeweis, weil ein Auffahren (selbst wenn der Kläger bei der Kollision vorwärts gefahren sein sollte) dann keine typische Situation mehr darstellt, wenn das andere Fahrzeug bei oder kurz vor der Kollision rückwärts fuhr.

Damit steht ein Verschulden des Klägers nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Für ein Verschulden dürfen aber nur solche Umstände herangezogen werden, die erwiesen sind (z. B. OLG Nürnberg, Urteil vom 11.10.2002, 6 U 2114/02).

Ein Verschulden des Beklagten zu 1) steht dagegen aufgrund des nicht erschütterten Anscheinsbeweises aus § 9 Abs. 5 StVO fest.

Damit haftet im vorliegenden Fall die Beklagtenseite allein für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall. Die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs tritt unter Berücksichtigung aller Umstände bei der gemäß § 17 StVG gebotenen Abwägung im Hinblick auf den von dem Beklagtenfahrzeug ausgehenden Verursachungs- und Verschuldensbeitrag vollständig zurück.

Schaden

Die Schadenspositionen von insgesamt EUR 1.970,73 waren in tatsächlicher Hinsicht unstreitig.

Fraglich war nur, ob von dem Wiederbeschaffungsaufwand noch die Mehrwertsteuer abzuziehen sei. Ausweislich des Privatgutachtens des Sachverständigen … handelte es sich bei der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts jedoch bereits um einen steuerneutralen Wert. Auf Seite 11 des Gutachtens ist noch einmal ausdrücklich ausgeführt, dass vergleichbare Fahrzeuge nicht mehr im gewerblichen Kfz Handel erhältlich seien. Berücksichtigt worden sei daher der für ein derartiges Fahrzeug maßgebliche, so genannte Privatmarkt. Angaben zu der Mehrwertsteuer könnten daher nicht gemacht werden, da für derartige Fahrzeuge bei der Wiederbeschaffung am Privatmarkt keine Umsatzsteuerausweisung erfolge. Daher kann der Wiederbeschaffungsaufwand in der vom Sachverständigen festgestellten Höhe geltend gemacht werden, da er keine Mehrwertsteuer enthält.

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Insgesamt ergibt sich damit ein Schaden in Höhe von EUR 1.970,73.

Zinsen

Verzug bestand, von Beklagtenseite nicht bestritten, seit 26.05.2010. Von diesem Zeitpunkt an besteht ein Anspruch auf Verzugszinsen, § 286 BGB. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 BGB.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerseite geltend machen eine 1,3 Gebühr aus einem Geschäftswert in Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung von EUR 1.970,73 zuzüglich einer Auslagenpauschale von EUR 20,00 und der Mehrwertsteuer. Dies sind hier EUR 229,55

Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Streitwert

Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Einbeziehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

 

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