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Verkehrsunfall – Leitplankenschaden – Abzug neu für alt

LG Bremen urteilt gegen „Neu für Alt“-Abzug bei Verkehrsunfall

In einem Verkehrsunfallfall verurteilte das LG Bremen die Beklagte zur Zahlung weiteren Schadensersatzes für einen Leitplankenschaden, wobei ein Streit um den Abzug „neu für alt“ im Fokus stand, den die Beklagte vorgenommen hatte, was die Klägerin jedoch erfolgreich anfocht, da sie argumentierte, dass Leitplanken faktisch keinem messbaren Verschleiß unterliegen und der Austausch der Anpralldämpfer keine messbare Vermögensmehrung darstelle.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Fall betrifft einen Verkehrsunfall, bei dem es zu einem Leitplankenschaden kam, für den die Beklagte zur Zahlung weiteren Schadensersatzes verurteilt wurde.
  • Im Mittelpunkt stand die Frage des Abzugs „neu für alt“, den die Beklagte vorgenommen hatte, was die Klägerin erfolgreich anfocht.
  • Die Klägerin argumentierte, dass Leitplanken und Anpralldämpfer faktisch keinem messbaren Verschleiß unterliegen und somit ein Abzug „neu für alt“ nicht in Betracht komme.
  • Das Gericht gab der Klägerin Recht und entschied, dass der Austausch der Anpralldämpfer keine messbare Vermögensmehrung darstelle und die Beklagte den vollen Betrag zahlen müsse.
  • Die Entscheidung betont den Grundsatz, dass Schadensersatz nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen darf, aber auch, dass der Geschädigte nicht unbillig benachteiligt werden soll.
  • Der Fall illustriert die Anwendung des Schadensersatzrechts im Kontext von Verkehrsunfällen und die spezifischen Überlegungen bei der Schadensregulierung.

Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen

Verkehrsunfälle können nicht nur zu erheblichen Personen- und Sachschäden führen, sondern auch zu komplexen rechtlichen Fragen der Schadensregulierung. Neben der Haftungsverteilung zwischen den Unfallbeteiligten spielt insbesondere die Bemessung des zu erstattenden Sachschadens eine zentrale Rolle. Dabei gilt es, verschiedene Faktoren wie Wertminderung, Alter der beschädigten Sachen und eine mögliche Besserstellung des Geschädigten zu berücksichtigen.

Besondere Herausforderungen ergeben sich bei Schäden an Infrastruktur wie Leitplanken oder Ampeln. Hier stellt sich die Frage, ob aufgrund des Alters ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen ist oder ob eine Reparatur bzw. ein Austausch voll erstattet werden muss. Die Gerichte haben hierzu eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt, die eine sachgerechte Schadensregulierung ermöglicht.

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➜ Der Fall im Detail


Verkehrsunfall führt zu rechtlicher Auseinandersetzung über Schadensersatz

Bei einem Verkehrsunfall am 02.02.2023 kollidierte die Fahrerin eines haftpflichtversicherten Fahrzeugs mit einer Leitplanke auf der BAB 270, woraufhin ein Schaden an den Anpralldämpfern entstand. Die zuständige Autobahnmeisterei sicherte den Schaden, und die Reparaturkosten wurden von der Autobahn GmbH des Bundes mit insgesamt 31.391,41 € beziffert, einschließlich einer Rechnung der Firma S über 31.083,53 €. Die Versicherung der Fahrerin, die Beklagte, übernahm jedoch nur einen Teil der Kosten und begründete dies mit einem Abzug „neu für alt“, woraus eine Differenz von 7.651,89 € resultierte. Dies führte zu einer Klage, in der die Klägerin den vollen Ersatz der Schadenssumme forderte, mit der Begründung, dass bei Anpralldämpfern kein messbarer Verschleiß und somit kein Abzug „neu für alt“ anzunehmen sei.

Gericht gibt Klägerin recht und setzt neue Maßstäbe

Das Landgericht Bremen entschied am 13.03.2024 zugunsten der Klägerin. Es stellte fest, dass die Beklagte zur Zahlung der ausstehenden Summe verpflichtet ist, da der Abzug „neu für alt“ in diesem Fall nicht gerechtfertigt war. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Ersatz von Anpralldämpfern keine messbare Vermögensmehrung für die Klägerin darstelle. Die Argumentation, dass Anpralldämpfer und Leitplanken einem natürlichen Verschleiß unterlägen und daher der Abzug „neu für alt“ angebracht sei, wurde verworfen. Die richterliche Begründung betonte, dass Schadensersatz die wirtschaftliche Situation des Geschädigten weder verbessern noch verschlechtern soll. Es wurde klargestellt, dass eine pauschale Anwendung des Abzugs „neu für alt“ ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls der Intention des Schadensersatzrechts widerspricht.

Signifikante Aspekte der richterlichen Abwägung

Die Abwägung des Gerichts bezog sich auf die Frage, ob die Instandsetzung der Anpralldämpfer eine bereichernde Vermögensmehrung für die Klägerin bedeutet. Dabei wurde hervorgehoben, dass die spezifische Funktion und Lebensdauer von Anpralldämpfern sowie die Rolle der Leitplanken als Ganzes zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung lehnte die Praxis ab, einen generellen Abzug „neu für alt“ vorzunehmen, ohne die individuelle Situation und den Nutzen für den Geschädigten genau zu prüfen.

Relevanz der Entscheidung für die Schadensregulierung

Mit diesem Urteil setzt das Landgericht Bremen ein wichtiges Signal für die Handhabung von Schadensersatzforderungen, insbesondere im Kontext von Verkehrsunfällen und der Beschädigung von Infrastruktur. Es unterstreicht, dass die pauschale Anwendung von Abzügen ohne eingehende Prüfung der Umstände nicht im Einklang mit den Prinzipien des Schadensersatzrechts steht.

Ausblick auf zukünftige Schadensersatzfälle

Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für ähnliche Fälle haben, in denen Versicherungen versucht sein könnten, Abzüge „neu für alt“ vorzunehmen. Sie betont die Notwendigkeit einer individuellen Betrachtung jedes Schadensfalles und könnte dazu beitragen, die Rechte von Geschädigten in Zukunft besser zu schützen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was bedeutet der Abzug „neu für alt“ bei Schadensersatzansprüchen?

Der Abzug „neu für alt“ ist ein Prinzip aus dem deutschen Schadensersatzrecht, das unter bestimmten Umständen eine Minderung der Schadensersatzleistung erlaubt. Dahinter steht der Gedanke des Vorteilsausgleichs und des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots.

Grundsätzlich soll der Geschädigte durch den Schadensersatz so gestellt werden, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Er soll aber nicht besser gestellt werden als zuvor. Wenn nun bei der Schadensbeseitigung Teile ersetzt werden müssen, kann es dazu kommen, dass der Geschädigte einen Vorteil erlangt, weil die neuen Teile einen höheren Wert haben als die alten, beschädigten.

Ein Beispiel: Werden bei einem Unfall abgefahrene Reifen beschädigt und müssen durch neue ersetzt werden, ist das Auto nach der Reparatur mehr wert als vor dem Unfall. Diesen Wertzuwachs darf der Schädiger bzw. die Versicherung ausgleichen, indem die Differenz zwischen dem Wert der alten und neuen Reifen von der Schadensersatzsumme abgezogen wird.

Voraussetzung für den Abzug ist, dass beim Geschädigten eine messbare Vermögensmehrung eintritt, die sich wirtschaftlich günstig auswirkt. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt der Schädiger. Der Abzug kann vertraglich ausgeschlossen werden, was aber nicht immer zulässig ist.

Im Mietrecht ist der „neu für alt“-Abzug bei Schönheitsreparaturen und Instandsetzungen durch den Mieter laut BGH in der Regel nicht anwendbar. Bei Kfz-Kaskoschäden kommt er hingegen häufig zum Tragen, wenn Verschleißteile wie Reifen, Batterie, Bremsen oder Kupplung ersetzt werden müssen.

Warum sind Anpralldämpfer und Leitplanken in der Rechtsprechung besonders zu betrachten?

Anpralldämpfer und Leitplanken nehmen in der Rechtsprechung zu Schadensersatzansprüchen eine Sonderstellung ein. Das liegt an ihren besonderen Eigenschaften und Funktionen im Vergleich zu anderen Sachen:

Anpralldämpfer und Leitplanken dienen der Verkehrssicherheit. Sie sollen Fahrzeuge bei einem Unfall kontrolliert abbremsen und umlenken, um Schäden und Verletzungen zu minimieren. Daher müssen sie hohen Sicherheitsanforderungen genügen und werden nach strengen Normen geprüft und zertifiziert.

Im Gegensatz zu vielen anderen Sachen unterliegen Leitplanken keinem regelmäßigen Verschleiß. Sie haben eine sehr lange Lebensdauer, oft über Jahrzehnte. Ein Austausch erfolgt in der Regel nur nach einer Beschädigung durch einen Unfall.

Daher wird in der Rechtsprechung bei Schadensersatzansprüchen nach Leitplankenunfällen meist kein Abzug „neu für alt“ vorgenommen. Denn durch die Reparatur entsteht dem Geschädigten kein messbarer wirtschaftlicher Vorteil, der eine Vorteilsausgleichung rechtfertigen würde.

Die Besonderheit von Leitplanken liegt also darin, dass sie trotz ihres Alters nicht an Wert und Funktionalität verlieren, solange kein Schaden eintritt. Ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung für die Verkehrssicherheit begründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Schadensregulierung ein Abzug für die Wertsteigerung durch neue Teile vorzunehmen ist.

Inwiefern spielt die Lebensdauer von Anpralldämpfern eine Rolle bei Schadensersatzforderungen?

Die Lebensdauer von Anpralldämpfern spielt bei Schadensersatzforderungen nach Unfällen eine wichtige Rolle für die Frage, ob ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen ist. Dabei sind folgende Aspekte zu beachten:

Anpralldämpfer haben im Gegensatz zu vielen anderen Bauteilen eine sehr lange Lebensdauer, oft über Jahrzehnte. Sie unterliegen keinem regelmäßigen Verschleiß, sondern werden in der Regel nur nach einer Beschädigung durch einen Unfall ausgetauscht.

Aufgrund dieser langen Lebensdauer ist bei der Reparatur von Anpralldämpfern meist kein Abzug „neu für alt“ gerechtfertigt. Denn durch den Austausch der beschädigten Teile entsteht dem Geschädigten kein messbarer wirtschaftlicher Vorteil, der eine Vorteilsausgleichung erfordern würde.

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Die Besonderheit liegt darin, dass Anpralldämpfer trotz ihres Alters nicht an Wert und Funktionalität verlieren, solange kein Schaden eintritt. Ihre Beschaffenheit und Zweckbestimmung für die Verkehrssicherheit begründen eine Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Schadensregulierung ein Abzug für die Wertsteigerung durch neue Teile vorzunehmen ist.

Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob die lange Restlebensdauer des konkreten Anpralldämpfers noch gegeben war. War er bereits vorgeschädigt oder abgenutzt, kann ein Abzug gerechtfertigt sein. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt aber der Schädiger.

Zusammengefasst ist die lange Lebensdauer von Anpralldämpfern ein gewichtiges Argument gegen einen Abzug „neu für alt“. Sie führt dazu, dass durch die Reparatur in der Regel kein Vorteil entsteht, der einen Ausgleich erfordern würde. Nur wenn der konkrete Anpralldämpfer diese lange Restnutzungsdauer nicht mehr aufwies, kann ein Abzug in Betracht kommen.

Warum ist die individuelle Betrachtung jedes Schadensfalls wichtig?

Die individuelle Betrachtung jedes Schadensfalls ist aus mehreren Gründen sehr wichtig für eine faire und angemessene Schadensregulierung:

Jeder Schadensfall ist einzigartig und weist spezifische Umstände auf. Pauschale Regelungen können den Besonderheiten des Einzelfalls oft nicht gerecht werden. Nur durch eine differenzierte Prüfung lässt sich ermitteln, welche konkreten Schäden entstanden sind und in welchem Umfang sie zu ersetzen sind.

Für die Bemessung des Schadensersatzes ist entscheidend, inwieweit den Geschädigten ein Mitverschulden trifft. Hat er durch sein Verhalten zur Entstehung oder Vergrößerung des Schadens beigetragen, mindert dies den Ersatzanspruch. Dies muss im Einzelfall geprüft und berücksichtigt werden.

Auch die Schadensminderungspflicht des Geschädigten erfordert eine Einzelfallbetrachtung. Er muss zumutbare Maßnahmen ergreifen, um den Schaden gering zu halten. Ob und welche Schritte ihm möglich und zumutbar waren, hängt von den jeweiligen Umständen ab.

Bei der Schadensermittlung ist zu prüfen, welche Vermögensnachteile dem Geschädigten konkret entstanden sind und ob sie kausal auf das Schadensereignis zurückzuführen sind. Dies lässt sich nur anhand der Fakten des Einzelfalls beurteilen.

Schließlich geht es darum, den Geschädigten so zu stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten – nicht besser, aber auch nicht schlechter. Eine Überkompensation ist ebenso zu vermeiden wie eine unzureichende Entschädigung. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die individuellen Schadensposten ermittelt und angemessen ausgeglichen werden.

Zusammengefasst ist die Einzelfallbetrachtung unverzichtbar, um den Besonderheiten jedes Schadensfalls Rechnung zu tragen und eine gerechte, interessengerechte Schadensregulierung zu gewährleisten. Nur so lässt sich der Schaden präzise beziffern und ein angemessener Ausgleich zwischen Geschädigtem und Schädiger finden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 249 BGB – Schadensersatz in Natur; Geldersatz
    • Regelung zur Schadensersatzpflicht und zur Art und Weise der Schadenswiedergutmachung. Im Kontext des Falles ist dies zentral, da es um die Frage geht, inwiefern die Ersatzleistung in Form der Erneuerung von Anpralldämpfern eine berechtigte oder übermäßige Vermögensmehrung für die Klägerin darstellt.
  • § 115 VVG – Direktanspruch gegen den Versicherer
    • Erläutert die Möglichkeit, direkt Ansprüche gegen die Versicherungsgesellschaft des Schädigers geltend zu machen. Im vorliegenden Fall relevant, da die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch direkt gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung der Beklagten richtet.
  • §§ 7, 17, 18 StVG – Haftung bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs
    • Diese Paragraphen definieren die Haftung für Schäden, die im Betrieb eines Fahrzeugs entstehen. Für den Fall wichtig, da der Verkehrsunfall und die daraus resultierenden Schäden an den Anpralldämpfern direkt aus dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs resultieren.
  • § 823 Abs. 1 BGB – Schadensersatzpflicht
    • Normiert die allgemeine Schadensersatzpflicht bei der Verletzung eines Rechtsgutes. Im vorliegenden Fall ist der Paragraph relevant für die Begründung der Haftung der Beklagten für die durch den Verkehrsunfall verursachten Schäden.
  • §§ 280, 286, 288 BGB – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung und Verzugszinsen
    • Diese Vorschriften sind im Kontext der Zinsforderung der Klägerin von Bedeutung. Sie regeln die Voraussetzungen für Schadensersatz wegen Pflichtverletzung sowie die Höhe und die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Verzugszinsen.
  • §§ 91, 709 ZPO – Kostenentscheidung und Sicherheitsleistung
    • Bestimmen, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat und unter welchen Bedingungen Urteile vorläufig vollstreckbar sind. Für den vorliegenden Fall relevant, da das Gericht über die Kostenverteilung und die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils entschieden hat.


Das vorliegende Urteil

LG Bremen – Az.: 4 O 980/23 – Urteil vom 13.03.2024

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.651,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2023 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung weiteren Schadensersatzes nach einem Verkehrsunfall.

Am 02.02.2023 fuhr die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkws der Marke mit dem amtlichen Kennzeichen auf dem rechten Fahrstreifen der BAB 270 in Fahrtrichtung Bremen-Blumenthal. Sie kam von der Fahrbahn ab und kollidierte bei Kilometer 8,950 mit dem dort befindlichen Anpralldämpfer der Schutzplanken.

Der Schaden wurde von der zuständigen Autobahnmeisterei aufgenommen und abgesichert. Anschließend wurden die von dem Beklagtenfahrzeug beschädigten Anpralldämpfer neu hergerichtet.

Unter dem 18.04.2023 stellte die Autobahn GmbH des Bundes der Beklagten einen Betrag in Höhe von 31.391,41 € in Rechnung (Anlage K4). Diese Rechnung umfasst unter anderem die Rechnung der Firma S in Höhe von 31.083,53 €.

Die Beklagte ließ einen Prüfbericht erstellten und zahlte auf die Schadensposition „Rechnung Firma S anschließend 23.431,64 €. Die Kürzung resultiert auf einem Abzug „neu für alt“.

Der nicht erstattete Teil der Rechnung der Firma S ist Gegenstand der vorliegenden Klage.

Die Klägerin trägt vor: Eine bestimmte Lebensdauer für Anpralldämpfer könne nicht angenommen werden. Leitplanken unterlägen faktisch keinem messbaren Verschleiß. Ein Abzug „Neu für Alt“ bei den Kosten des Anstoßdämpfers käme daher nicht in Betracht.

Bei den Anpralldämpfern handele sich nicht um ein eigenständiges Bauwerk, sondern der Anpralldämpfer teile regelmäßig das Schicksal der gesamten Anlage. Der Einbau der neuen Anpralldämpfer führe nicht zu einer messbaren Vermögensmehrung der Klägerin.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, einen Betrag in Höhe von € 7.651,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2023 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Die berechtigten Ansprüche der Klägerin seien bereits vollständig erfüllt worden. Vorliegend sei ein Abzug „Neu für Alt“ vorzunehmen. Auch bei langlebigen Wirtschaftsgütern trete durch die Ersatzleistung bei dem Geschädigten eine messbare Vermögensmehrung ein. Voraussetzung für den Abzug sei, dass sich die Werterhöhung wirtschaftlich günstig auswirke. Der Einbau eines Ersatzteils müsse also dazu führen, dass der Geschädigte den Einsatz eigener Mittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erspart. Der Geschädigte sei darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass kein Vorteil eintrete.

Die Beklagte behauptet, bei dem Austausch eines Anpralldämpfers trete eine messbare Verbesserung der Funktionsfähigkeit und damit eine Verbesserung des Wertes ein. Ein Vermögensvorteil bestehe auch darin, dass Unterhaltungsmittel gespart würden. Es sei von einer Lebensdauer von 40 Jahren auszugehen.

Nach Einschätzung der Beklagten ist es sachgerecht, aufgrund der fehlenden Altersangabe der Anpralldämpfer einen Abzug in Höhe von 25 % vorzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 7.651,89 € aus § 115 VVG (§§ 7, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, §§ 249 ff. BGB).

Die Haftung der Beklagten aus § 115 VVG für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalles auf der BAB 270 dem Grunde nach, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Zwischen den Parteien ist ebenfalls unstreitig, dass durch den Anstoß des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw ein Schaden an dem Anpralldämpfer der Schutzplanken an der BAB 270 bei Kilometer 8.950 entstanden ist. Ferner steht nicht im Streit, dass die Klägerin für den Austausch des Anpralldämpfers Kosten in Höhe von insgesamt 31.083,53 € (brutto) aufgewendet hat.

Die Teilzahlungen der Beklagten auf die Kosten der Klägerin, unter anderem 23.759,52 € für den Schaden an dem Anpralldämpfer der Schutzplanke, stehen ebenfalls nicht im Streit. Nach den Zahlungen der Beklagten ist noch eine Restforderung der Klägerin in Höhe von unstreitig 7.651,89 € offen.

Die Beklagte ist – entgegen ihrer Ansicht – nicht berechtigt, eine Kürzung der Rechnung der Firma S unter dem Gesichtspunkt „neu für alt“ vorzunehmen. Richtig ist, dass es sich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung um eine Versicherung handelt, die grds. nur für den tatsächlich entstandenen Schaden an einer Sache (Zeitwert) und nicht für den Neuwert einer Sache einzustehen hat. Nach § 249 Satz 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtenden Umstand nicht eingetreten wäre. Ist, wie im vorliegenden Falle, wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Das Gesetz stellt damit nicht auf die Herstellung genau des gleichen Zustandes ab, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat, sondern es kommt darauf an, wie sich der wirtschaftliche Zustand des Geschädigten ohne das schadensstiftende Ereignis darstellen würde. Der danach erforderliche Vermögensvergleich spiegelt den Grundgedanken des Schadensersatzrechts wider – zu erreichen, dass der Geschädigte durch die Ersatzleistung nicht ärmer, aber auch nicht reicher gemacht wird (vgl. bereits BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, BGHZ 30, 29-36, Rn. 5).

Ob und ggfl. in welcher Höhe ein Vorteil im Sinne eines Abzuges „neu für alt“ zu berücksichtigen ist, muss daher in jedem einzelnen Fall nach dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht geprüft werden.

Für die Notwendigkeit eines Abzugs ist maßgeblich, ob die neue bzw. reparierte Sache gerade für den Geschädigten einen höheren Wert hat. Daran fehlt es zB, wenn das bei einer Reparatur ausgewechselte Teil voraussichtlich ebenso lange gehalten hätte, wie die reparierte Sache (es sei denn, das eingebaute Teil lässt sich ohne Schwierigkeiten wieder herausnehmen und als gebraucht verkaufen, wie zB Batterie oder Reifen eines Autos) oder sich Mängel eines Werkes relativ früh zeigten, so dass eine deutlich verlängerte Nutzungsdauer nicht angezeigt ist. Entsprechendes gilt, wenn der ersetzte Gegenstand bei dem Geschädigten nicht zu einer messbaren Vermögensmehrung geführt hat (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 349). Die Vermögensmehrung muss sich für den Geschädigten günstig auswirken. Davon ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Naturalrestitution die Lebensdauer einer beschädigten Sache verlängert oder dem Geschädigten durch das Hinausschieben künftiger Reparaturen Aufwendungen erspart (BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 210). Der Einbau neuer Einzelteile in eine Gesamtsache rechtfertigt keinen Vorteilsausgleich, solange sich der Wert der Gesamtsache nicht messbar erhöht (Geigel Haftpflichtprozess, Kap. 9 Vorteilsausgleich Rn. 82, beck-online). Bei der Entscheidung der Anrechenbarkeit eines Vorteils ist eine Gesamtschau über die Interessenlage vorzunehmen, wie sie durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten besteht. Der Grundsatz, dass ein durch die Schädigungshandlung adäquat kausal verursachter Vorteil anzurechnen ist, gilt nicht ausnahmslos. Einerseits soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, andererseits soll aber der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, juris). Bei der rechtlichen Abwägung sind u.a. der Wertzuwachs der beschädigten Sache, eine ggf. erhöhte Lebensdauer oder auch das Hinausschieben künftig nötig werdender Reparaturen bedeutsam. Allerdings kommt es bei der Abwägung nicht lediglich auf die wirtschaftliche oder steuerrechtliche Betrachtungsweise an. Für die zivilrechtliche Beurteilung ist deshalb auch nicht einfach der bloße Verkaufswert der (alten) Sache vor ihrer Beschädigung zugrunde zu legen, sondern ihr Wert gerade für den Geschädigten (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58 –, BGHZ 30, 29-36, Rn. 10).

Würde man allein auf den Sachzeitwert des Anpralldämpfers abstellen, könnte dies dazu führen, dass die Klägerin jetzt nur einen Bruchteil ihrer Kosten für die Montage des neuen Anpralldämpfers bekommen würde, obwohl sie diesen womöglich in wenigen Jahren im Rahmen der Erneuerung der gesamten Leitplankenanlage in dem betroffenen Bereich ohnehin wieder austauschen müsste, obwohl er deutlich neuwertiger ist, als der Rest der Anlage. Für die Klägerin ist es wirtschaftlich nicht von Vorteil, dass sie bei einem kleinen Streckenabschnitt einen neuen Anpralldämpfer anstelle des gebrauchten erhält. Bei einer Beschädigung von einzelnen Teilen eines Bauwerks ist es regelmäßig so, dass nur eine Reparatur, regelmäßig aber keine Schadensregulierung nach Wiederbeschaffungsaufwand möglich ist. Andererseits darf der Geschädigte durch die Reparatur auch keinen Vermögensvorteil im Sinne einer Bereicherung erlangen. Die Kammer vermag aber nicht zu erkennen, welchen konkreten Wertzuwachs die Klägerin durch den Ersatz des gebrauchten Anpralldämpfers durch einen neuen erlangt hat, angesichts des Gesamtbauwerkes „Leitplankensystem einer Autobahn“. Eine signifikante Substanzverbesserung ist jedenfalls nicht zu erkennen. Dies folgt insbesondere aus der Tatsache, dass der Anpralldämpfer nur ein begrenzter Teil des Leitplankensystems im Bereich der BAB 270 bei km 8.950 ist.

Das wesentliche Bauwerk, die seitliche Absicherung der Autobahn mittels Leitplanken, bleibt auch bei Einbau eines neuwertigen Teilstückes unverändert. Dass die gesamte Leitplankenanlage bereits ein gewisses Alter aufwies, darf nicht zu Lasten der geschädigten Klägerin gehen. Ein Abzug „neu für alt“ steht im vorliegenden Fall nicht mit dem Schutzgedanken des § 249 BGB im Einklang. Die Klägerin kann die vollen Kosten, die für den Austausch des beschädigten Anpralldämpfers gegen den neuen angefallen sind, erstattet verlangen (so im Ergebnis auch bei OLG Koblenz, Beschluss vom 25. August 2020 – 12 U 663/20 –, Rn. 11, juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. November 2015 – 12 U 85/15 –, Rn. 32, juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 13. August 2014 – 1 U 71/12 –, Rn. 37, juris).

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

II.

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird gemäß §§ 43, 48 GKG, §§ 3 ff. ZPO auf 7.651,89 € festgesetzt.

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