LG Bremen, Az.: 7 S 262/11, Urteil vom 23.02.2012
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 28. Juli 2011 – Geschäftsnummer 9 C 484/10 – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 255,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 10. Dezember 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 18 % und die Beklagte zu 82 %. Die Kosten der Berufung fallen der Klägerin zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Zahlung von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall aus abgetretenem Recht.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es an der Aktivlegitimation der Klägerin fehle. Die erstinstanzlich vorgetragene Abtretungsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen die §§ 308Nr. 1, 306 BGB unwirksam. Die in den von der Klägerin gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegebene Frist, binnen derer der Mieter an sein erklärtes Angebot, seine Schadensersatzforderungen aus dem Verkehrsunfall gegen gegnerischen Halter, Fahrer und Versicherer an den Kläger als Autovermieter an Erfüllungs statt abzutreten, sei mit 6 Wochen überlang bemessen und benachteilige des Geschädigten unangemessen; soweit die Dauer der Frist dazu dienen sollte, anhand von Rechtsgesprächen mit dem Haftpflichtversicherer deren Einstandsbereitschaft zu klären, stellte dieses Verhalten eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG dar und könnte ein berechtigtes Interesse des Verwenders an der Klausel nicht begründen.
Nach Verkündung des angegriffenen Urteils traf die Klägerin mit Vertrag vom 27. / 28. September 2011 mit dem Geschädigten G. eine neue, sogleich von beiden Seiten unbedingt vereinbarte Abtretungsvereinbarung, welche die vom Amtsgericht beanstandete Klausel nicht mehr enthält. Für die weiteren Einzelheiten der getroffenen Abtretungsvereinbarung wird auf Bl. 236 d.A. verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel in vollem Umfang weiter und stützt sich dabei auch auf die in zweiter Instanz vorgetragene erneute Abtretungsvereinbarung.
Sie beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bremen – Geschäftsnummer 9 C 484/10 – aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 313,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. November 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde binnen der Fristen der §§ 517, 520 Abs. 2 ZPO eingelegt und begründet. Mit Blick auf die Zulassung durch das Amtsgericht ist die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO auch ungeachtet der Höhe der Beschwer statthaft.
Zudem erweist sich die im Berufungsrechtszug vorgenommene Klageänderung gemäß § 533 ZPO als zulässig. Eine Klageänderung liegt u.a. dann vor, wenn der Streitgegenstand gewechselt wird, d.h. wenn entweder ein neuer Antrag gestellt oder wenn ein gleichbleibender Antrag auf einen neuen Sachverhalt gestützt wird (vgl. Greger, in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 263 Rn. 7). Letzterer Fall ist hier gegeben. Die Klägerin hat den mit ihrem unveränderten Klageantrag geltend gemachten Anspruch in zweiter Instanz auch auf die neue Abtretungsvereinbarung gestützt. Auf diese Weise hat sie in der Berufungsinstanz einen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt. Auf einen solchen Fall der nachträglichen Klagehäufung ist § 263 ZPO entsprechend anwendbar (Zöller-Greger, a.a.O., § 263 Rn. 2). Diese Klageänderung erweist sich zum einen als sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 ZPO, denn sie ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit zu beenden. Zum Anderen liegen auch die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO vor, da die Klageänderung auf Tatschen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Zwar ist der Vortrag zur zweiten Abtretungsvereinbarung im Berufungsrechtszug neu eingeführt worden, jedoch sind die zugrundeliegenden Tatsachen unstreitig geblieben. Nicht streitiges Vorbringen hat das Berufungsgericht ungeachtet der Voraussetzung des § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen (BGH, NJW 2009, S. 2532 [Tz. 15]).
III.
Die Berufung erweist sich mit Blick auf das neue Vorbringen auch als teilweise begründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 7, 18 StVG, 823Abs. 1, 398, 249 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 VVG auf Zahlung von 255,10 Euro.
a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie ist jedenfalls mit Abschluss der zweiten Abtretungsvereinbarung gemäß § 398 Satz 2 BGB zur Gläubigerin der Forderung des Geschädigten gegen die Beklagte auf Ersatz der Mietwagenkosten aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall geworden. Bedenken gegen die Wirksamkeit der neuen Abtretungsvereinbarung bestehen nicht. So enthält die neue Vereinbarung die vom Amtsgericht beanstandete überlange Bindungsfrist an das Abtretungsangebot des Mieters nicht mehr. Auch im Übrigen ist die Abtretungsvereinbarung hinreichend bestimmt, da sie die abzutretende Forderung ausreichend genau beschreibt. In den Vertragsbedingungen der Abtretungsvereinbarung heißt es dazu, dass „die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen den Fahrer, den Halter und deren/ dessen Haftpflichtversicherung aus dem oben bezeichneten Schadensereignis an Erfüllungs statt“, abgetreten wird. Auch mit Blick auf die Anforderungen an die Bestimmtheit der Abtretungsvereinbarung, die sich aus der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2011, S. 2713) ergeben, ist der vorliegende Vertrag nicht zu beanstanden. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass die neue Abtretungsvereinbarung deshalb gemäß § 134 BGB nichtig sein könnte, weil die Klägerin durch Einzug der abgetretenen Forderung eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz vornähme. Angesichts dessen, dass die an Erfüllungs statt erfolgte Abtretung uneingeschränkt vereinbart worden ist, verfolgt die Klägerin mit dem Einzug der abgetretenen Forderung kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft, auf das das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht anwendbar ist. Ob die ursprünglich vorgelegte Abtretung wirksam war, kann daher offen bleiben.
b) Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach als Haftplichtversicherer des Schädigers auf Ersatz aller aus dem Verkehrsunfall am 21. Oktober 2010 in Bremen entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig.
c) Der Höhe nach bemisst sich der Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 1 BGB. Danach kann der Geschädigte als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 160, 377 [383f.]; BGH, NJW 2005, S. 1041 [1042]; NJW 2009, S. 58 [Tz. 9]; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 10]). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg zu der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH, NJW 2009, S. 58 [Tz. 9]; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 10]). Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich nur dann ersetzt verlangen, wenn er darlegt und beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der konkreten Umstände unter zumutbaren Anstrengungen auf dem zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-)Tarif zugänglich gewesen ist (BGH, NJW 2011, S. 1947 [Tz. 10]).
Dabei ist es unerheblich, ob der von dem Geschädigten in Anspruch genommene Miettarif von dem Vermieter als „Normaltarif“ bezeichnet wird und sich auch als einheitlicher Tarif dieses Vermieters darstellt, oder ob der vom Geschädigten einen vom üblichen Tarif des Vermieters abweichenden Unfallersatztarif in Anspruch genommen hat (BGH, HJW 2009, S. 58 [Tz. 14]). Jeweils ist zu ermitteln, ob dieser Tarif sich in Höhe dessen bewegt, was als regional marktüblicher Tarif für Fahrzeuge der betreffenden Art anzusehen ist. Übersteigt der vom Geschädigten für die Anmietung aufgewendete Betrag diesen „Normaltarif“, bleibt zu prüfen, ob dieser Mehraufwand eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes darstellt. Daran kann es fehlen, soweit mit Rücksicht auf die Unfallsituation ein gegenüber dem „Normaltarif“ höherer Preis gerechtfertigt ist, weil er auf Leistungen des Vermieters beruht, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in Folge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, NJW 2008, S. 2910; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 10] m.w.N.).
aa) Die Höhe des als erforderlich anzusehenden „Normaltarifes“ ist im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu ermitteln. Allerdings kann die Frage, ob der tatsächlich vom Geschädigten aufgewendete Tarif als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist, dann offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstiger „Normaltarif“ in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (BGH, NJW 2007, S. 2122 [Tz. 11]; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 12]). So liegt es hier allerdings nicht.
Für die Frage, ob dem Geschädigten ein wesentlich günstigerer Tarif ohne Weiteres zugänglich war, ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Erforderlich dafür, dass eine solche Zugänglichkeit „ohne Weiteres“ angenommen werden kann, ist nicht nur, dass dem Geschädigten tatsächlich ein günstigerer Tarif zugänglich gewesen wäre, sondern auch, dass dem Geschädigten dies bekannt oder erkennbar gewesen ist (BGH, NJW 2007, S. 2122 [Tz. 11 f.]; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 16]). Fehlt es an einer positiven Kenntnis von der Verfügbarkeit eines günstigeren Tarifes, bemisst sich die Frage, ob die in Rede stehenden Tarifunterschiede für den Geschädigten zumindest erkennbar gewesen sind, danach, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Unfallersatztarifes haben muss, die sich insbesondere aus dessen Höhe ergeben können. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalles auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und ggfs. ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen (BGH, NJW 2007, S. 2122 [Tz. 12]). Diese Umstände, aus denen sich ergibt, dass ein günstigerer Tarif „ohne Weiteres“ dem Geschädigten zugänglich sei, hat der Schädiger darzulegen und zu beweisen (BGH, NJW 2008, S. 2910 [Tz. 26]; NJW 2009, S. 58 [Tz. 14]; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 16]).
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, dass dem Geschädigten ein günstigerer als der hier abgerechnete Tarif ohne Weiteres zugänglich gewesen wäre. Dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif positiv bekannt gewesen sei, etwa weil er auf einen solchen Tarif hingewiesen worden wäre, hat die Beklagte nicht dargelegt. Auch hat sie nicht dargelegt, dass nach den maßgeblichen Umständen dem Geschädigten hätte erkennbar sein müssen, dass ein günstigerer Tarif für ihn ohne weiteres zugänglich gewesen sei. Für eine solche Erkennbarkeit kann nicht allein darauf abgestellt werden, dass es allgemein bekannt sei, dass Mietwagen auch von anderen Unternehmen, insbesondere hierauf spezialisierten Großanbietern zu möglicherweise günstigeren Tarifangeboten werden (BGH, NJW 2010, S. 1445 [Tz. 18]). Vielmehr ist der Schädiger gehalten, konkrete Umstände darzulegen, die es aus Sicht des Geschädigten als geboten hätten erscheinen lassen, Erkundigungen nach günstigeren Tarifen einzuholen. Dies kann im Einzelfall auch dann gegeben sein, wenn der dem Geschädigten offerierte Tarif derart überhöht ist, das ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter sogleich gehalten ist, alternative Angebote auch von anderen Anbietern einzuholen. So liegt es hier indessen nicht. Die Beklagte konnte nicht darlegen, dass die dem Geschädigten von der Klägerin angebotene Tarife derart überhöht waren, dass auch ein nicht auf dem Mietwagenmarkt erfahrener Mieter sogleich Zweifel an der Angemessenheit der Tarife hätte hegen müssen. Dies folgt bereits aus der absoluten Höhe der hier abgerechneten Mietwagenkosten, die mit 75,- Euro am Tag – zumindest mit Blick auf die ersatzfähigen Mietnebenkosten – nicht als übersetzt erscheinen. Im Gegenteil, rechnet man die nach Auffassung der Kammer ersatzfähigen Mietwagennebenkosten im vorliegenden Fall auch den Vergleichsangeboten, auf die sich die Beklagte stützt, hinzu, so ergeben sich allenfalls marginale Unterschiede in Höhe von 50,- Euro auf die Gesamtsumme, wie sie die Klägerin mit der Klageerwiderung dargelegt hat (Bl. 76 d.A.).
(1) Dieser Betrachtung liegt die Prämisse zugrunde, dass die hier geltend gemachten Mietnebenkosten als ersatzfähig anzusehen sind. Als ersatzfähig erachtet die Kammer insbesondere die Zusatzkosten für eine Haftungsbefreiung des Mieters ohne Selbstbeteiligung. Der durch einen fremdverschuldeten Unfall geschädigte Kfz-Eigentümer kann ungeachtet der Frage, ob das beschädigte Fahrzeug vollkaskoversichert gewesen ist, bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendung für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung grundsätzlich insoweit ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn das beschädigte Fahrzeug schon älter war und als Ersatzfahrzeug ein wesentlich höherwertigeres Fahrzeug angemietet wird. Im Übrigen wird die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges mit Vollkaskoschutz in der Regel eine adäquate Schadensfolge sein (BGH, NJW 2005, S. 1041 [1042]).
So liegt es hier. Das gemietete Fahrzeug war deutlich höherwertiger als das Fahrzeug des Geschädigten. Hinzu kommt nach Auffassung der Kammer, dass der Geschädigte Kfz-Eigentümer bei Inanspruchnahme eines Mietwagens – wohl auch bei Fehlen eines Wertgefälles zwischen Eigen- und Mietfahrzeug – regelmäßig ein legitimes Interesse an einer vollständigen Haftungsfreistellung haben dürfte. Denn anders als im Falle des Betriebes des eigenen Fahrzeuges obliegt dem Geschädigten als Mieter nicht die Entscheidung darüber, ob geringfügige selbstverschuldete Beschädigungen an dem Fahrzeug vollständig repariert werden oder nicht. Als Mieter bleibt ihm nicht die Wahl, aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten davon abzusehen, banale selbstverschuldete Beschädigungen am Fahrzeug zu reparieren. Gerade mit Blick auf die regelmäßig kurze Mietdauer, die zur Überbrückung von Reparaturzeiten oder Neuanschaffungszeiten in Rede steht, schlägt der Ausgleich solcher geringfügigen Beschädigung proportional ganz besonderes zu Buche. Angesichts dessen wird der geschädigte Kfz-Eigentümer deshalb im Regelfall ein legitimes Interesse daran haben, seine Eigenbeteiligung für selbstverschuldete Schäden am Mietfahrzeug auf Null zu reduzieren.
(2) Als ersatzfähig erweisen sich ebenfalls die Mehraufwendungen für die Winterreifen. Dabei spielt es nach Auffassung der Kammer keine Rolle, ob der Vermieter aus gesetzlichen Vorschriften gehalten gewesen wäre, sein Fahrzeug mit Winterreifen auszustatten. Es ist üblich, dass die Ausstattung mit Winterreifen im Mietwagengeschäft zusätzlich vergütet wird; unwidersprochen hat die Klägerin dargelegt, dass selbst die von der Beklagten angeführten vermeintlich günstigeren Mietwagenunternehmen diese Praxis pflegen. Im Übrigen bleibt dem Mieter, der dem legitimen Interesse nachgeht, ebenso wie das geschädigte Fahrzeug auch das Mietfahrzeug mit Winterreifen auszustatten, regelmäßig keine andere Wahl, als den ihm angebotene Zusatztarif anzunehmen. Das hier aber das verunfallte Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet gewesen ist, ist unstreitig geblieben.
Soweit die Beklagte bestreitet, dass der Mietwagen selbst tatsächlich mit Winterreifen ausgestattet gewesen ist, so bleibt dies unerheblich. Zum einen ist erkennbar, dass die Beklagte die Winterreifenausstattung ins Blaue hinein bestreitet, so dass dieses Vorbringen als unsubstantiiert anzusehen ist. Zum anderen ist dieser Umstand für die Frage, ob der von dem Geschädigten in Anspruch genommene Tarif als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werden kann, unerheblich. Denkbar wäre allenfalls, dass der Mieter gegen seine Schadensminderungspflichten verstoßen könnte, wenn er erkennbare Mietmängel nicht zum Anlass für eine Minderung nimmt. Zweifelhaft ist aber bereits, ob man dem Geschädigten tatsächlich eine solche Obliegenheit auferlegen müsste, derartige Ansprüche ggf. mit allen einhergehenden Risiken auch im Interesse des ersatzpflichtigen Schädigers geltend machen zu müssen. Richtigerweise dürfte der Geschädigte allenfalls dazu verpflichtet sein, etwaige Rückzahlungsansprüche an den Schädiger abzutreten. Außerdem hat die Beklagte hier auch nichts dafür vorgetragen, dass dem Geschädigten der vermeintliche Mangel des Mietwagens ohne Weiteres erkennbar gewesen wäre; in Ermangelung dessen ist aber eine schuldhafte Verletzung einer etwaigen Obliegenheit nicht dargetan.
(3) Ebenfalls als erstattungsfähig sieht die Kammer die Aufwendung für die Gestellungskosten an. Unstreitig ist geblieben, dass der Geschädigte den Mietwagen zum Ort der Reparaturwerkstatt gestellt bekommen hat und dass der Mietwagen von dort auch wieder abgeholt worden ist. Dass der Geschädigte hierfür Zusatzkosten aufgewendet hat, ist auch aus Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Geschädigten nicht zu beanstanden. Ohnehin stünden andernfalls Fahrtkosten unbekannter Höhe entgegen, die der Geschädigte aufwenden müsste, um vom Ort der Reparaturwerkstatt zum Ort des Mietwagenunternehmens zu gelangen. Angesichts dessen können die für einen Weg geltend gemachten Kosten von jeweils 30,- Euro hier nicht als übersetzt angesehen werden.
(4) Bezieht man die demnach ersatzfähigen Mietwagennebenkosten in die hier gebotene Betrachtung ein, ob dem Geschädigten die von der Klägerin offerierten Mietwagenkosten als so überhöht angesehen werden mussten, dass er von vornherein gehalten gewesen wäre, Tarife anderer Mietwagenunternehmen zu erfragen, so erweist sich das Vorbringen der Beklagten als unzureichend. Unstreitig ist geblieben, dass die Kosten der Vergleichsunternehmen A. und S., die für die vergleichbaren Leistungen einschließlich der Mietwagennebenkosten im konkreten Fall angefallen wären, nur um etwa 50,- Euro niedriger gelegen hätten als die Leistungen, wie sie die Klägerin dem Geschädigten angeboten hat. Bei einer Gesamttarifsumme von 900,- Euro ist nicht zu erkennen, dass die von der Klägerin angebotenen Tarife derart überhöht gewesen wären, dass ein Geschädigter auch ohne besondere Erfahrungen auf dem Mietwagenmarkt sogleich von einer Beauftragung ohne Einholung von Ersatzangeboten hätte absehen müssen.
bb) Die Ermittlung der Höhe des „Normaltarifes“ ist daneben auch dann entbehrlich, wenn der Geschädigte darlegt und ggf. beweist, dass ihm ein anderer als der in Anspruch genommene Tarif in der konkreten Situation nicht zugänglich gewesen ist. Denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif“ übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann als i.S. des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. BGH, NJW 2007, S. 2916; NJW 2008, S. 2910; NJW 2009, S. 58 [Tz. 12]; NJW 2010, S. 1445 [Tz. 12]). Vorliegend hat die Klägerin nicht dargelegt, dass besondere Umstände vorgelegen hätten, die es dem Geschädigten jedenfalls verwehrt hätten, einen anderen Mietwagentarif – etwa eines anderen Anbieters – in Anspruch zu nehmen.
cc) Demnach ist im vorliegenden Fall die Höhe der für erforderlich zu erachtenden Mietwagenkosten zu schätzen. Erst dann, wenn sich erweisen sollte, dass die vom Geschädigten aufgewendeten Mietwagenkosten diesen Normaltarif übersteigen, kommt es darauf an, ob etwaige Mehrkosten wegen spezifischer Unfallersatzleistungen als ersatzfähig anzusehen sind.
Ob für die im Wege der Schätzung vorzunehmende Ermittlung des regional üblichen Normaltarifes auf die von der Klägerin angeführte Schwacke-Liste oder aber auf die Erhebung des Fraunhofer Institutes abzuheben ist, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Denn selbst wenn man hier auf die von der Beklagten angeführte Fraunhofer-Erhebung allein abstellen wollte, ergibt sich nicht, dass die geltend gemachten Mietwagenkosten außerhalb des Erforderlichen lägen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Erhebungen des Fraunhofer-Instituts regelmäßig und auch im Jahr 2010 allein die Mietwagentarife ermitteln, die für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges einschließlich der üblichen Selbstbeteiligung in Höhe von rund 750,- bis 950,- € anfallen. Dagegen werden die durchschnittlichen Tarife für solche Leistungen, die der Geschädigte auch im vorliegenden Fall als Mietnebenkosten geltend machen kann, durch die Fraunhofer-Erhebungen nicht untersucht. Den Fraunhofer-Erhebungen sind insbesondere keine Erkenntnisse zu entnehmen, wie hoch die durchschnittlichen Tarife für eine vollständige Haftungsbefreiung, für zusätzliche Winterreifen und für die Gestellungskosten liegen. Demgegenüber enthält die Schwacke-Liste 2010 die durchschnittliche Tarifhöhe für diese Leistungen durchaus. Setzt man also die vom Fraunhofer-Institut für die vorliegende Region 28 ermittelten Tarife für die reinen Mietwagenkosten ohne vollständige Selbstbefreiung an, so fallen insoweit 497,85 Euro brutto an. Die weiteren durchschnittlichen Tarife für die von der Kammer als ersatzfähig angesehenen Nebenkosten können allerdings nur anhand der Schwacke-Liste geschätzt werden. Danach fallen für die vollständige Haftungsbefreiung für einen Mietzeitraum wie hier bei der Mietwagengruppe 2 in dem vorliegenden Postleitzahlengebiet weitere 231,62 Euro an (vgl. Blatt 57 der Akten). Für die Anmietung von Winterreifen fallen nach Maßgabe der Schwacke-Liste durchschnittlich 11,60 Euro pro Tag an, so dass insgesamt durchschnittliche Kosten für Winterreifen in Höhe von 139,20 Euro hinzuzusetzen sind. Die Gestellungs- und Abholungskosten sind mit 30,- Euro pro Fahrt anzusetzen, so dass hier 60,- Euro ebenfalls hinzuzurechnen sind. Rechnet man diese Positionen hinzu, ergibt sich auch bei Zugrundelegung des reinen Mietwagentarifs, wie er sich aus der Fraunhofer-Erhebung ergibt, eine Summe von 928,67 Euro. Die von der Klägerin geltend gemachten Mietkosten in Höhe von 909,00 € liegen unterhalb dieses Wertes. Nach allem liegen also die von der Klägerin dem Geschädigten offerierten Mietwagentarife jedenfalls dann, wenn man die als ersatzfähig anzusehenden Mietnebenkosten in die Betrachtung mit einbezieht, im Rahmen dessen, was auch nach den Erhebungen des Fraunhofer Institutes als marktüblich anzusehen ist und stellen daher den erforderlichen Herstellungsaufwand dar. Angesichts dessen kann für den vorliegenden Fall offenbleiben, ob es zur Schätzung des zur Herstellung erforderlichen Mietwagenkostenaufwandes auf die Schwacke-Liste oder auf die Erhebung des Fraunhofer-Institutes ankommt.
Ohne, dass es im vorliegenden Fall noch auf diese Frage ankäme, spricht nach Auffassung der Kammer Einiges dafür, zur Schätzung des regional üblichen Normaltarifes die jeweilig anzusetzenden Werte für die reinen Miettarife der Schwacke-Liste und des Fraunhofer Institutes zu mitteln und die ersatzfähigen Nebenkosten nach Maßgabe der Schwacke-Liste hinzuzusetzen. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergeben sich jedenfalls keine bindenden Vorgaben dafür, welche der beiden Erhebungen heranzuziehen ist (vgl. nur BGH, NJW 2011, S. 1947 [Tz. 17 f.]). Beiden Erhebungen werden Einwände entgegengesetzt, die nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, S. 541 [543]). Eine Aufklärung durch die Gerichte anhand sachverständiger Beratung, welche der empirischen Erhebungsmethoden als die Richtige anzusehen ist, dürfte im Regelfall mit erheblichen Schwierigkeiten und hohen Kosten verbunden sein, die zur Bedeutung der in Rede stehenden Nebenforderungen meist außer Verhältnis stehen dürfte. Den gegen beide Erhebungen in Rechtsprechung und Literatur diskutierten – und hier von den Parteien wiederholten – Bedenken lässt sich nach Auffassung der Kammer in sachgerechter Weise dadurch Rechnung tragen, dass die Werte der beiden Erhebungen als Rahmen angesetzt werden, aus dem ein arithmetisches Mittel gebildet wird (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, S. 541 [543]). Auch diese Schätzmethode hat der BGH gebilligt (BGH, NJW-RR 2010, S. 1251 [Tz. 4]).
Im Übrigen kann zur Ermittlung des zur Herstellung erforderlichen üblichen Mietwagentarifes allerdings nicht darauf abgestellt werden, dass die Beklagte hier drei günstige Anbieter der Region ermittelt hat. Die Schätzung des Marktüblichen kann sich nicht allein an den drei günstigsten Anbietern einer Region orientieren, sondern bedarf eben der Betrachtung des Marktes. Diese Betrachtung wird von den angeführten Erhebungen geleistet, nicht aber von einer schlichten Betrachtung der drei günstigsten Anbieter der Region. In diesem Kontext kommt es also auf die von der Beklagten angeführten drei Vergleichsangebote nicht an.
dd) Die Klägerin muss sich allerdings ersparten Eigenaufwand des Geschädigten anrechnen lassen (Grüneberg, in Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 249 Rnr. 36). Diese ersparten Aufwendungen schätzt die Kammer auf 10 % der Mietwagenkosten (vgl. BGH, NJW 2010, S. 1445 [Tz. 20]). Allerdings ist dieser Abzug nur auf solche Beträge anzusetzen, die für Leistungen des Mietwagenunternehmens aufgewendet werden, denen ohne Schadensereignis eigene Aufwendungen des Geschädigten gegenüberstünden. Dies sind hier die Kosten für die Miete des Fahrzeuges, die Kosten für die Haftungsbefreiung und die Kosten für die Winterreifen, nicht jedoch die Kosten für die Abholung und Gestellung des Mietwagenfahrzeuges. Demnach ergibt sich ein Abzug von 84,90 Euro, den sich der Geschädigte gefallen lassen muss. Zieht man auch die unstreitige Zahlung der Beklagten in Höhe von 569,- Euro von den berechtigten Mietwagenkosten in Höhe von 909,- Euro ab, bleibt die ausgeurteilte Klageforderung von 255,10 Euro. Im weitergehenden Umfang war die Klage abzuweisen.
2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Allerdings hat die Klägerin einen Verzugseintritt bereits zum 23. November 2010 nicht substantiiert dargelegt. Eine Mahnung hat die Klägerin nicht dargelegt. Soweit sie das Schreiben der Beklagten vom 8. Dezember 2010 vorlegt, ergibt sich hieraus durchaus eine ernstliche und endgütige Verweigerung der Leistung von mehr als der vorgerichtlich erbrachten Zahlungen. Auf dieses Schreiben kann ein Verzugseintritt allerdings erst ab dem 10. Dezember 2010 gestützt werden, so dass der weitergehende Zinsantrag abzuweisen war.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der Klägerin waren darüber hinaus die Kosten der Berufung gesondert gemäß § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, da sie allein deshalb obsiegt hat, weil sie in der Berufungsinstanz sich auf neues Vorbringen stützte, welches sie auch in dem früheren Rechtszug hätte geltend machen können. Insoweit kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, an dem die nicht mehr zu beanstandende Abtretungsvereinbarung geschlossen worden ist, sondern auf den Zeitpunkt, an dem eine solche Vereinbarung hätte abgeschlossen werden können. Dass es der Klägerin aber nicht möglich gewesen wäre, bereits nach den Hinweisen des Amtsgerichts die nun in zweiter Instanz vorgelegte Abtretungsvereinbarung mit dem Geschädigten zu schließen, ist nicht dargetan worden. Angesichts dessen waren der Klägerin die Kosten des Berufungsrechtszuges aufzuerlegen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.