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Verkehrsunfall – Nachweis einer unfallbedingten Folgeverletzung bei 50 Prozent-Wahrscheinlichkeit

LG Hamburg – Az.: 331 O 300/16 – Urteil vom 05.07.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall vom 26.1.2015 nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz geltend.

Die Klägerin ist Arbeitgeberin des Zeugen S. K., F. …, … N.. Der Zeuge hatte am 26.1.2015 im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin sein Lieferfahrzeug gegen 13.30 Uhr am W. Weg vor dem Haus Nr. … abgestellt. Der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs, amtliches Kennzeichen …, fuhr auf das Lieferfahrzeug auf.

Die Klägerin trägt vor, der Zeuge K. habe sich nach dem Anhalten in dem Laderaum begeben, um das nächste Paket zu holen. Er sei durch den Aufprall zu Boden gestürzt und im Liegen wieder zu Bewusstsein gekommen. Er sei bei dem Unfall am rechten Ellenbogen verletzt worden. Trotz Schmerzen sei er zunächst nicht zum Arzt gegangen, da er Probleme bei der Arbeit gehabt habe und auf die Stelle angewiesen war. Als sich die Beschwerden verschlechterten, habe er erst am 7.4.2015 einen Arzt konsultiert, welcher eine Prellung des Ellenbogens diagnostizierte. Auf den Durchgangsarztbericht vom 7.4.2015 (Anlage K 1) wird verwiesen. Die Klägerin trägt weiter vor, der Zeuge K. sei durch den Unfall verletzt worden, was dessen Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt habe.

Der Zeugen K. wurde, was unstreitig ist, vom 7.4.2015 bis 18.5.2015 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auf die Anlagen K 2 und K 3 wird verwiesen. Die Entgeltfortzahlungen für diesen Zeitraum belaufen sich nach dem Klägervortrag auf 5.911,73 €. Auf Anlagen K 6, K 7 und K 8 wird Bezug genommen. Die Beklagte hat die Erstattungsforderung der Klägerin zurückgewiesen. Daneben verlangt die Klägerin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,20 €.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.911,73 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2015 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 480,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz seit 13.6.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass das Beklagtenfahrzeug in dem Moment auf das Lieferfahrzeug der Klägerin auffuhr, als sich der Zeuge K. im Laderaum aufhielt, um das nächste Paket zu holen. Bestritten wird weiter, dass der Zeuge durch den Aufprall zu Fall kam und erst im Liegen wieder das Bewusstsein erlangte und nach dem Sturz Schmerzen verspürt habe. Die behauptete Verletzung sei nicht Folge des Unfallereignisses. Die Beklagten bestreiten auch die Höhe der beanspruchten Entgeltfortzahlung. Zudem seien ersparte Eigenkosten von 10 % beim Zeugen K. zu berücksichtigen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen S. K. und Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Beweisthemas und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 17.3.2017 (Bl. 59 ff. GA), den Beweisbeschluss vom 7.4.2017 (Bl. 73 ff. GA), das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. med. M. D. vom 23.07.2018 (Bl. 101 ff. GA) sowie die mündliche Anhörung des Sachverständigen Dr. D. am 8.5.2019 (Bl. 201 ff. GA).

Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 6 EFZG zu.

Verkehrsunfall - Nachweis einer unfallbedingten Folgeverletzung bei 50 Prozent-Wahrscheinlichkeit
(Symbolfoto: Von Monkey Business Images/Shutterstock.com)

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes nicht fest, dass der Zeuge K. durch das Unfallereignis am 26.1.2015 eine Epicondylitis humeri lateralis rechts als Folge der Prellung und eine Teilruptur des ulnaren Kollateralbandes des rechten Oberarmknochens erlitten hat.

Die Klägerin hat den Vollbeweis für das Vorliegen der Ellenbogenverletzung infolge des Unfallereignisses zu erbringen. Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein aufgrund des Vorliegens einer Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum 7.4.2015 bis 18.5.2015 des Zeugen K. bereits der hinreichende Nachweis für das Vorliegen der behaupteten Ellenbogenverletzung erbracht ist. Vielmehr hat die Klägerin trotz des Anspruchsübergangs nach § 6 Abs. 1 EFZG den Nachweis der Ursächlichkeit des streitgegenständlichen Unfalls für die behaupteten Verletzungen zu erbringen. Die Klägerin macht Ansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Diese können nicht weitergehen, als die Ansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger. Insofern darf der Schädiger auf Grund der cessio legis nicht schlechter stehen, als er andernfalls stünde. Gegenüber dem Schädiger aber bestünde ein Anspruch des Geschädigten auf „Verdienstausfall“ nur insoweit, als es tatsächlich zu einer Verletzung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, gekommen ist.

Der Nachweis der Ursächlichkeit wird im vorliegenden Fall dadurch erschwert, dass der Zeuge K. erst mehr als 2 Monate nach dem Unfall einen Arzt aufgesucht hat und deshalb eine Diagnose nicht zeitnah nach dem Unfallgeschehen erfolgte. Zudem hat die Beklagte die Kausalität zwischen Verletzung und dem Unfallereignis bestritten.

Den Nachweis dafür, dass es infolge des Unfalls zu den von der Klägerin behaupteten Ellenbogen-Verletzungen gekommen ist, konnte diese auch nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen Dr. D. nicht erbringen. Der Sachverständige Dr. D. hat in seinem Sachverständigengutachten ausgeführt, eine Teilruptur des ulnaren Kollateralbandes des rechten Ellenbogens könne nicht mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Es sei nachvollziehbar, dass es neben der Prellung auch zu einer Epicondylitis humeri lateralis rechts als Folge der Prellung gekommen sei. Ebenfalls nachvollziehbar sei, dass der Zeuge K. deshalb zur Behandlung vom 7.4.2015 bis 18.5.2015 arbeitsunfähig krankgeschrieben war. Mit erheblicher oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit konnte der Sachverständige dies jedoch nicht bejahen. Er schätzt die Wahrscheinlichkeit bei 50:50 ein. Mehr könne es nicht sein. Es sei aus ärztlicher Sicht ungewöhnlich, dass der Zeuge K. sich erst mehr als zwei Monate nach dem Unfall bei einem Arzt vorgestellt habe. Wegen des langen Zeitraums zwischen Unfall und Erstvorstellung beim Arzt sei es ein Problem, hier eine bestimmte Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Dies mag darin begründet liegen, dass der Zeuge Probleme mit seinem Arbeitgeber befürchtete. Für die Kausalität, für die das Beweismaß des § 287 ZPO anzuwenden ist, reicht dies jedoch nicht. Es genügt eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit (BGH v. 4.11.2003 – VI ZR 28/03), die der Sachverständige jedoch nicht bejahen konnte.

Die Kammer schließt sich den in der Methodik und Vorgehensweise überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen Dr. med. M. D. an. Unter Heranziehung der medizinischen Befunde hat der medizinische Sachverständige seine Ergebnisse festgestellt. Der Sachverständige konnte nachvollziehbar und überzeugend ausschließen, dass von Vorschäden nach der Aktenlage und Anamnese des Betroffenen auszugehen ist. Eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit des Ellenbogens des Zeugen K. lag somit nicht vor. Das Gericht hält es auch für überzeugend und nachvollziehbar, dass der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass eine unfallbedingte Verletzung nicht mit erheblicher oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann, weil die erste Vorstellung bei einem Arzt erst mehr zwei Monate nach dem Unfallereignis erfolgte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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