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Verkehrsunfall – Nutzungsausfallentschädigung bei einem gewerblich genutzten Pkw

AG Burg – Az.: 3 C 391/16 – Urteil vom 26.09.2018

1. Die Beklagten werden – unter Abweisung der Klage im Übrigen – als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.822,72 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2015 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 293,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2018 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 2.852,55 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 19.04.2013 auf der B 107 zwischen G und R im Begegnungsverkehr ereignete.

Die Zeugin S befuhr als berechtigte Fahrerin an diesem Tag gegen 13:45 Uhr mit dem Pkw Ford mit dem amtlichen Kennzeichen die Bundesstraße aus Richtung G in Richtung R. Die Klägerin war Halterin dieses von der Fa. D GmbH geleasten Fahrzeugs (im Folgendem: Klägerfahrzeug). Die Beklagte zu 2. befuhr mit dem Pkw Toyota mit dem amtlichen Kennzeichen (im Folgendem: Beklagtenfahrzeug) die Bundesstraße in die entgegengesetzte Richtung. In Höhe des Heims stießen beide Fahrzeuge zusammen, wodurch das Klägerfahrzeug an der linken Fahrzeugseite und das Beklagtenfahrzeug auf der rechten Fahrzeugseite beschädigt wurde.

Die unfallbedingten Beschädigungen des Klägerfahrzeug wurden von der Fa. U, Berlin, repariert, die hierfür unter der vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin unter dem 20.07.2013 und 25.09.2013 Beträge in Höhe von 4.206,93 € netto sowie 126,10 € netto in Rechnung stellte. Nach dem von der Klägerin zu Kosten in Höhe von 578,30 € netto eingeholten Schadensgutachten der Fa. S vom 09.07.2013 beträgt die aufgrund des Unfalls eingetretenen merkantile Wertminderung des Klägerfahrzeugs 450 €.

Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2 mit Anwaltsschreiben vom 04.12.2015 bis zum 18.12.2015 erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe der o.g. Schadensersatzpositionen sowie weiterhin zur Zahlung eines Nutzungsausfalls für vier Tage in Höhe von 260 € und zur Zahlung einer Auslagenpauschale von 30 € auf, insgesamt daher zur Zahlung eines Gesamtbetrags in Höhe von 5.650,43 €. Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Klägerin lediglich 50 % dieses Schadens geltend. Die Fa. D ermächtigte als Eigentümerin des Fahrzeugs die Fa. Beklagte zu 2. mit Schreiben vom 02.06.2016 den Schaden unmittelbar mit der Klägerin abzurechnen.

Sie behauptet: Das Beklagtenfahrzeug sei von der Spur abgekommen und auf die Gegenfahrbahn, d. h. auf die Fahrspur des Klägerfahrzeug geraten. Der Beklagten zu 1. sei deshalb ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot vorzuwerfen. Da sich aber letztendlich nicht klären lasse, welcher Unfallbeteiligter gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen habe, bestehe zumindest ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz von 50 % des Schadens.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 2.825,22 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit dem 19.12.2015 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere 293,30 € an vorprozessual angefallenen Gebühren zuzüglich Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten oberhalb des Basiszinssatzes seit Rechtshängigkeit (02.09.2016) zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten:

Die Zeugin S habe überholen wollen, so dass das von ihr geführte Klägerfahrzeug auf die Gegenfahrbahn geraten und der Unfall nur durch die Zeugin verursacht worden sei. Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bestehe nicht, da es sich um ein gewerbliches Fahrzeug handele. Der geltend gemachte Nutzungsausfall von 30,– € sei überhöht.

Das Gericht hat die Beklagte zu 1.) zum Unfallhergang persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin S, durch Einholung eines unfallanalytischen Gutachten des Sachverständigen und durch Anhörung des Gutachters in der mündlichen Verhandlung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom14.12.2016 und 05.09.2018 sowie das schriftliche Gutachten vom 26.02.2018.

Entscheidungsgründe

Die in zulässiger Prozessstandschaft erhobene Klage ist zum weitaus überwiegenden Teil begründet.

Der Klägerin steht aufgrund des Verkehrsunfalls vom 19.04.2013 gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2, 18 StVG; § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG; 249, 251 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 2.822,72 € gegenüber den gemäß § 840 BGB gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten zu.

Die Beklagten haben im Rahmen einer Haftungsquote von 50 % für die Folgen des Unfalls einzustehen, da aufgrund der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden konnte, ob bei dem Unfall im Begegnungsverkehr das Klägerfahrzeug oder das Beklagtenfahrzeug auf die Gegenfahrbahn geraten und ob daher der Zeugin S oder der Beklagten zu 1. ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StVO vorzuwerfen ist, so dass bei der Festlegung der Haftungsquote nur die gleich hoch zu bewertenden Betriebsgefahren beider Fahrzeuge berücksichtigt werden können.

Zwar hat die Zeugin S in ihrer Vernehmung angegeben, dass sie schon vor dem Unfall gesehen habe, dass das Beklagtenfahrzeug zu weit links gefahren sei. Es sei dicht an der Mittellinie gewesen, dann sei es plötzlich zum Unfall gekommen, so dass sie davon ausgehe, dass das Beklagtenfahrzeug noch weiter auf ihre Fahrspur rausgezogen sei. Sie selbst sei auf ihrer Spur geblieben und habe nicht versucht zu überholen. Der Aussage der Zeugin S stehen jedoch die Angaben der Beklagten zu 1. Entgegen. Diese hat persönlich gehört angegeben, dass ein helles Fahrzeug (das Klägerfahrzeug) ihr mit einer Kolonne entgegen gekommen sei und dann plötzlich zum Überholen ausgeschert und mit ihrem Fahrzeug seitlich zusammengestoßen sei. Beide Angaben zum Unfallhergang sind in gleichem Maße glaubhaft. Aus dem Inhalt der Angaben können keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür abgeleitet werden, dass eine der beiden Schilderungen falsch ist.

Der Unfallhergang konnte auch durch das vom Gericht eingeholte Unfallrekonstruktionsgutachten vom 26.02.2018 sowie durch die Anhörung des Gutachters im Termin nicht eindeutig geklärt werden. Der Gutachter hat in seinem Gutachten – wie er in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 05.09.2018 ausführlich erläutert hat – in der Skizze I die Anstoßkonstellation, die sich aufgrund der Fahrzeugschäden ergibt, anschaulich dargestellt. Demnach hat ein seitlicher streifender Kontakt beider Fahrzeuge stattgefunden, der aber keine Rückschlüsse darauf zulässt, in welcher räumlichen Position der Unfall stattgefunden hat. Der Gutachter konnte daher aufgrund der für die Begutachtung nur zur Verfügung stehenden Beschädigungsbilder beider Fahrzeuge den Unfallhergang nicht vollständig rekonstruieren und insbesondere nicht feststellen, auf welcher Fahrspur sich der Unfall ereignete. Eine solche vollständige Rekonstruktion des Unfalls wäre nur möglich gewesen, wenn für die Begutachtung auch Fahrbahnspuren zur Verfügung gestanden hätte. Solche Fahrbahnspuren sind jedoch nach dem Unfall nicht gesichert worden.

Das Gericht schließt sich nach kritischer Würdigung der überzeugend begründeten Einschätzungen des Sachverständigen an.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund der Erwägung der Beklagtenvertreter geboten, dass die Feststellungen des Gutachters der Unfallschilderung der Zeugin S und somit dem Vortrag der Klägerin widersprechen. Zwar hat der Gutachter auf S. 19 seines Gutachtens ausgeführt, dass der Klägervortrag, dass das Beklagtenfahrzeug auf die Gegenfahrbahn geraten sei, nur dann technisch nachvollziehbar sei, wenn man davon ausgehe, dass sich das Beklagtenfahrzeug zunächst in den Gegenfahrstreifen bewegt habe und dann wieder leicht nach rechts gelenkt worden sei. Diese Feststellungen des Gutachters stehen aber nicht im Widerspruch zum Klägervortrag. Aufgrund des Klägervortrags ist eine solche, leichte Korrekturbewegung der Beklagten zu 1. nämlich nicht ausgeschlossen, da die Klägerin insoweit nur vorgetragen hat, dass das Beklagtenfahrzeug auf die Gegenfahrbahn geraten und es daher auf dieser zum Zusammenstoß gekommen sei, was eine leichte Korrekturbewegung nicht ausschließt. Ein solcher Vortrag konnte von der Klägerin auch schon deshalb nicht erwartet werden, weil nach der Einschätzung des Gutachters für die Zeugin S, auf deren Angaben der Klägervortrag beruht, die minimale Ausweichbewegung nach rechts in der kritischen Situation wohl nicht wahrnehmbar war. Weiterhin ist es auch – bei der Annahme der Richtigkeit des Klägervortrags – als plausibel anzusehen, dass das Beklagtenfahrzeug kurz vor dem Zusammenstoß zur Korrektur der Fahrspur wieder nach rechts gelenkt worden ist.

Die Beklagten sind daher verpflichtet, Schadensersatz in Höhe der Hälfte des Gesamtschadens zu leisten. Der zu berücksichtigende Gesamtschaden beträgt 5.645,43 €, der zu ersetzende Schaden somit 2.822,72 €. Der Gesamtschaden setzt sich zusammen aus dem unstreitigen Fahrzeugschaden in Höhe der Reparaturkosten von 4.206,03 € und 126,10 € sowie der Wertminderung in Höhe von 450 € und der Gutachterkosten in Höhe von 578,30 €, dem Nutzungsausfall in Höhe von 260 € und einer vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzten Auslagenpauschale in Höhe von 25 €. Der Nutzungsausfall ist trotz der gewerblichen Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin zu ersetzen, da sich die Klägervertreter stillschweigend die glaubhafte Angabe der Zeugin S zu eigen gemacht haben, dass es sich bei dem Klägerfahrzeug um den Dienstwagen ihres Mannes handele, der ihr auch zur privaten Nutzung überlassen worden sei. In dem Verlust der Nutzungsmöglichkeit liegt daher auch für die Klägerin ein sog. normativer Schaden, für den die Beklagten einzustehen haben.

Die Beklagten haben weiterhin gemäß § 249 Abs. 1 BGB die zur Schadensregulierung notwendigen Rechtsanwaltskosten der Klägerin (1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG nebst Auslagenpauschale) zu erstatten, die auf der Grundlage eines fiktiven Gegenstandswerts von 2.822,72 € auf 293,30 € zu bemessen sind.

Die der Klägerin zuerkannten Zinsansprüche folgen aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 ZPO.

Die Beklagten waren daher – mit den prozessualen Nebenentscheidungen gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO – wie geschehen zur Zahlung von Schadensersatz und Nebenkosten zu verurteilen.

 

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