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Verkehrsunfall – Schädiger trägt bei Reparatur das Werkstattrisiko

Wer zahlt nach Verkehrsunfall? Werkstattrisiko und Reparaturkosten im Fokus

Die zentrale Rechtsfrage, die in dem folgenden Urteil behandelt wird, dreht sich um die finanzielle Verantwortung bei der Reparatur eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall. Insbesondere wird das sogenannte „Werkstattrisiko“ beleuchtet, welches die Frage aufwirft, ob und in welchem Umfang der Schädiger für die Kosten aufkommen muss, die im Zuge der Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs entstehen. Das juristische Kernthema fokussiert sich dabei auf das Verkehrsrecht und die damit verbundenen Pflichten und Rechte der beteiligten Parteien.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 C 521/18   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil stellt klar, dass der Schädiger bei einem Verkehrsunfall das Werkstattrisiko trägt und somit auch für zusätzliche Reparaturkosten, wie Entsorgungskosten, aufkommen muss, unabhängig davon, ob der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits bezahlt hat oder nicht.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 304,48 € nebst Zinsen zu bezahlen.
  2. Die Beklagte ist verpflichtet, den durch den Unfall verursachten Schaden zu ersetzen.
  3. Entsorgungskosten von 66,48 € sind im erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB enthalten.
  4. Der Geschädigte darf darauf vertrauen, dass die Werkstatt keine betrügerischen Leistungen in Rechnung stellt.
  5. Es ist unerheblich, ob der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits bezahlt hat.
  6. Es gibt keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Werkstatt oder betrügerische Werkleistungen.
  7. Die Beklagte trägt das Werkstattrisiko und muss die berechneten Reparaturkosten vollständig ersetzen.
  8. Die Mietwagenkosten des Klägers werden um 20% herabgesetzt, da das Ersatzfahrzeug nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen ist.

Verkehrsunfall und rechtliche Auseinandersetzung

Im vorliegenden Fall geht es um einen Verkehrsunfall, bei dem es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung über die Übernahme der Reparaturkosten kam. Der Kläger hatte sein Fahrzeug nach dem Unfall zur Reparatur in eine Werkstatt gebracht. Die Werkstatt berechnete unter anderem Entsorgungskosten in Höhe von 66,48 €. Die Beklagte, die den Unfall verursacht hatte, weigerte sich jedoch, diese Kosten zu übernehmen. Das rechtliche Problem in diesem Fall liegt in der Frage, ob der Schädiger, also die Beklagte, das sogenannte Werkstattrisiko trägt und somit auch für die Entsorgungskosten aufkommen muss.

Herausforderungen bei der Kostenübernahme

Die Herausforderung bei diesem Fall besteht darin, zu klären, ob der Geschädigte, also der Kläger, die Werkstattrechnung bereits bezahlt haben muss, um die Kosten erstattet zu bekommen, und ob die berechneten Entsorgungskosten gerechtfertigt sind. Es ist zu beachten, dass der Geschädigte grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Leistungen in Rechnung stellt, die nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigte nur in besonderen Fällen.

Gerichtsentscheidung: Schädiger trägt das Werkstattrisiko

Das Gericht entschied, dass die Beklagte das Werkstattrisiko trägt und somit die berechneten Reparaturkosten vollumfänglich zu ersetzen hat. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der erforderliche Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auch die berechneten Entsorgungskosten umfasst. Maßgeblich ist der Aufwand, der aus Sicht eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint. Solange dem Geschädigten kein Auswahlverschulden bezüglich der beauftragten Werkstatt zur Last fällt, sind ihm die Kosten zu erstatten.

Auswirkungen des Urteils auf das Verkehrsrecht

Zudem wurde im Urteil festgestellt, dass es unerheblich ist, ob der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits bezahlt hat oder nicht. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Werkstatt oder betrügerische Werkleistungen waren nicht ersichtlich. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte als Schädigende das Werkstattrisiko trägt und somit die berechneten Reparaturkosten zu ersetzen hat.

Das Fazit des Urteils ist, dass der Schädiger bei einem Verkehrsunfall das Werkstattrisiko trägt und somit auch für die Entsorgungskosten aufkommen muss. Dieses Urteil könnte Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben, in denen es um die Übernahme von Reparaturkosten nach einem Verkehrsunfall geht. Es unterstreicht die Rechte der Geschädigten und klärt die Verantwortlichkeiten der Schädiger in Bezug auf die Übernahme von Reparaturkosten.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist das Werkstattrisiko im Kontext von Verkehrsunfällen?

Das Werkstattrisiko bezieht sich auf die Haftung für zusätzliche Kosten oder Probleme, die während der Reparatur eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall entstehen können. Im Kontext von Verkehrsunfällen ist der Versicherer des Verursachers dem Geschädigten gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet.

Das Werkstattrisiko schützt Geschädigte ab dem Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob die Rechnung bereits beglichen wurde. Wenn sich während der Reparatur herausstellt, dass der Schaden umfangreicher ist als im Gutachten festgestellt oder die Reparatur länger dauert, trägt der gegnerische Versicherer das Werkstattrisiko.

Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren. Die Kosten des Gutachtens muss der Versicherer tragen.

In der Regel fehlt Geschädigten das Fachwissen, um einen Schaden selbst zutreffend beurteilen zu können. Damit der Schaden ordnungsgemäß und vollumfänglich ermittelt wird, darf der Geschädigte – von offensichtlichen Bagatellschäden abgesehen – einen unabhängigen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragen.

Zusammengefasst trägt der Schädiger bzw. dessen Versicherer das Werkstattrisiko bei der Reparatur eines Fahrzeugs nach einem Verkehrsunfall. Dies bedeutet, dass der Schädiger für zusätzliche Kosten oder Probleme haftet, die während der Reparatur entstehen können. Der Geschädigte hat das Recht, einen unabhängigen Sachverständigen zur Begutachtung des Schadens zu beauftragen und auf dessen Gutachten zu vertrauen.


Das vorliegende Urteil

AG Starnberg – Az.: 4 C 521/18 – Endurteil vom 25.07.2018

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 304,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.04.2018 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert für das Verfahren wird auf 304,48 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die Beklagte ist unstreitig gemäß §§ 7, 18 StVG i.V.m. StVO, §§ 823, 249 ff BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zum Ersatz des durch den Unfall verursachten Schadens verpflichtet.

1. Restliche Reparaturkosten in Höhe von 66.48 € Brutto.

Der erforderliche Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erfasst nach Ansicht des Gerichts auch die berechneten Entsorgungskosten in Höhe von brutto 66,48 €. Maßgeblich ist der Aufwand, der vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheint; dabei ist auf die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit des Geschädigten abzustellen (vgl. BGH vom 15.09.2015, Aktenzeichen VI ZR 475/14). Solange dem Geschädigten nicht ausnahmsweise bezüglich der beauftragten Werkstatt ein Auswahlverschulden zur Last fällt, sind ihm die Kosten zu erstatten, die er nach erfolgter Reparatur auf Grund der gestellten Werkstattrechnung annehmen darf, dass es diese als Auftraggeber schuldet.

Der Unfallgeschädigte darf insoweit darauf vertrauen, dass die Werkstatt nicht betrügerisch Werkleistungen in Rechnung stellt, die gar nicht erbracht wurden. Die Möglichkeit, die Durchführung der Reparaturen selbst zu kontrollieren, hat der Geschädigten nur in besonderen Fällen (vgl. OLG Karlsruhe vom 22.12.2015, Az 14 U 63/15).

Das Gericht sieht es insoweit als unerheblich an, ob der Geschädigte die Werkstattrechnung bereits bezahlt hat oder nicht. Gerade dieser Fall wurde in der beklagtenseits zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht entschieden, vielmehr offengelassen.

Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Werkstätte bzw. betrügerische Werkleistungen bei dem Rechnungsposten „Entsorgungskosten“ sind nicht ersichtlich. Da insoweit die Beklagte das Werkstattrisiko als Schädigende trägt, sind die berechneten Reparaturkosten voll umfänglich zu ersetzen.

2. Restliche Mietwagenkosten in Höhe von 238.- €.

Der Kläger hat von der reparierenden Autowerkstätte ein Fahrzeug angemietet, wobei davon auszugehen ist, dass es sich insoweit um einen Werkstattersatzwagen, kein Selbstfahrervermietfahrzeug handelt.

Ist das von einer Reparaturwerkstatt überlassene Ersatzfahrzeug nicht als Selbstfahrervermietfahrzeug zugelassen, ist dies grundsätzlich anspruchskürzend zu berücksichtigen (vgl. Jahnke in Burmann/Hess/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 249 RdZiffer 221 a). Der Unterhalt ist insoweit für die Werkstatt günstiger, da ein Mietfahrzeug bei der Zulassung als Selbstfahrervermietfahrzeug einmal jährlich zur Hauptuntersuchung muss und wegen der Vielzahl an unbestimmten Benutzern die Versicherungsprämien höher sind. Auch wirkt sich beim Selbstfahrervermietfahrzeug die Tatsache der Benutzung durch viele unterschiedliche Fahrer negativ auf den Verkaufspreis aus (vgl. insoweit AG Augsburg vom 11.12.2017, Az: 73 C 4023/17).

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Insoweit ist gemäß § 287 ZPO eine Herabsetzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten um 20 % vorzunehmen (vgl. AG München vom 24.07.2017, Az 343 C 5987/17, Jahnke, a.a.O. RdZiffer 221 a).

Als Schätzgrundlage für die erstattungsfähigen Mietwagenkosten zieht das Gericht sowohl die Schwacke-Mietpreisliste als auch die Markterhebung des Frauenhofer-Instituts heran und bildet hieraus einen Mittelwert. Auch wenn beide Erhebungen unterschiedlichen Kritikproblematiken ausgesetzt sind, steht keine objektivere Schätzgrundlage zur Verfügung und könnte selbst durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das zwangsläufig auf beide Erhebung zurückgreifen müsste, nicht entscheidend verobjektiviert werden. Zum Ausgleich der Differenzen wird daher zweckmäßigerweise der Mittelwert aus beiden Erhebungen gebildet.

In der maßgeblichen Gruppe 8 ergibt sich für 5 Tage ein Mittelwert aus beiden Erhebungen für die maßgebliche PLZ-Region von 630,46 € (Schwackeliste: 745,- €, Frauenhofer Instituterhebung: 516,27 €).

Von diesen Mietwagenkosten ist ein Abschlag von 3 % für ersparte Eigenkosten vorzunehmen. Nach den überzeugenden Ausführungen des OLG Nürnberg in DAR 2000, 527 beschränkt sich der Eigenersparnisanteil, zu deren Berechnung alleine die variablen Kostenbestandteile heranzuziehen sind, nämlich den fahrleistungsabhängigen Wertverlust, die Kosten für Reparatur, Wartung und Reifen, die Kosten für Reinigung und Pflege sowie die Ölnachfüllkosten auf 3 % der Mietwagenkosten.

Es ergibt sich hieraus ein Betrag von 611,72 €.

Bei Herabsetzung dieser Mietwagenkosten um 20 % ergibt sich somit ein erstattungsfähiger Betrag für das streitgegenständliche Werkstattfahrzeug von 489,37 €. Da die Reparaturwerkstätte ohnehin lediglich 357,- € Mietwagenkosten berechnet hat, sind unter Berücksichtigung der erfolgten Teilregulierung die noch streitgegenständlichen 238,- € zu bezahlen.

Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen besteht gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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