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Verkehrsunfall – Verpflichtung eines LKW-Fahrers zur Beachtung des Frontspiegels

LKW-Fahrer und Frontspiegel: Ein Fall von Verkehrsrecht

Im Fokus dieses Rechtsfalls steht ein LKW-Fahrer, dessen Pflichten und Verantwortlichkeiten nach einem Verkehrsunfall in Frage gestellt werden. Kernpunkt ist die Frage, ob der Fahrer verpflichtet war, den Frontspiegel seines Fahrzeugs zu nutzen, um den Unfall zu vermeiden. Ein Sachverständiger zeigte auf, dass der Fahrer über die Frontscheibe nicht sicher hätte sehen können, ob das klagende Fahrzeug in seinem Sichtfeld stand. Dennoch hätte er die Rückseite des Fahrzeugs über den Frontspiegel erkennen können, was das Unfallgeschehen maßgeblich beeinflusst hätte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 U 1942/20 >>>

Die Rolle des Frontspiegels im Verkehrsrecht

In der diskutierten Verkehrssituation war der Fahrer des LKW aufgrund von Verkehrsregeln dazu verpflichtet, den Frontspiegel zu nutzen. Der Fall legt nahe, dass dieser Spiegel nicht nur zur Verbesserung der Sicherheit von Fußgängern, Radfahrern und anderen schwächeren Verkehrsteilnehmern dient, sondern auch den Schutz anderer Fahrzeuge beinhaltet. Vor dem Hintergrund erhöhter Verkehrssicherheit sollte ein Lastkraftwagen mit einem zusätzlichen Frontspiegel ausgestattet sein. Insbesondere bei Ausfahrten von größeren Firmengeländen, Gewerbebetrieben, Einkaufszentren und Tankstellen ist das Beachten des Frontspiegels von zentraler Bedeutung.

Fahrerpflichten und Haftungsverteilung

Der Fahrer des LKW hätte in dieser speziellen Verkehrssituation, in der er in einem Stau vor der Ausfahrt einer Tankstelle stand, erwarten müssen, dass andere Fahrzeuge versuchen, kleinere Lücken zum Ausfahren zu nutzen. Dadurch hätten diese vor seinem Fahrzeug zum Stehen kommen können. Wenn der Fahrer des LKW seine Verpflichtungen korrekt wahrgenommen hätte, hätte er das Fahrzeug des Klägers vor dem Anfahren bemerkt. Somit hätte er den Unfall durch einen einfachen Blick in den Frontspiegel verhindern können.

Das Gericht wog in diesem Fall die jeweiligen Verstöße der Beteiligten gegeneinander ab. Die Verstöße des Klägers und des LKW-Fahrers wurden als gleich schwerwiegend eingestuft, wodurch eine Haftungsverteilung von 50 zu 50 als gerecht angesehen wurde.

Trotz der spezifischen Umstände des Falls lehnte das Gericht eine Zulassung der Revision ab, da es sich um einen Einzelfall handelte und das Urteil nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abwich. […]


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 10 U 1942/20 – Urteil vom 25.11.2020

I. Auf die Berufung der Klägerin vom 01.04.2020 wird das Endurteil des LG München I vom 26.03.2020 (Az. 19 O 7736/19) in Nr. 1 und Nr. 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.404,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.07.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits (I. Instanz) haben die Klägerin 53 % und der Beklagte 47 % zu tragen.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 69 % und der Beklagte 31 %.

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Verkehrsunfall: LKW-Fahrerpflicht zur Frontspiegel-Beachtung
LKW-Fahrer haftet für Unfall: Frontspiegel-Pflicht vernachlässigt. Gericht entscheidet 50-50 Haftungsverteilung. Revision abgelehnt. (Symbolfoto: DmytroPerov/Shutterstock.com)

I. Das Landgericht hat im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 StVG zum Nachteil der Klägerin einen Haftungsbeitrag des Beklagten in Höhe von lediglich 25 % angesetzt. Vorliegend erachtet der Senat eine Haftungsverteilung zwischen den Parteien von 50 zu 50 als sachgerecht und zutreffend.

1. Rechtsfehlerfrei ging das Landgericht davon aus, dass vorliegend gegen die Klägerin der Anscheinsbeweis des § 10 StVO spricht. Der Senat hält die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts für zutreffend und nimmt auf diese Bezug.

2. Der Senat ist aufgrund der in zweiter Instanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges gegen seine Verpflichtungen aus §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO, die vorliegend im Lichte der EG-Richtlinie 2003/97/EG auszulegen waren, verstoßen hat.

a) Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des vom Senat ergänzend mündlich angehörten Sachverständigen Dipl.-Ing. B., dessen hervorragende Sachkunde dem Senat auch aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges zwar über die reine Frontscheibe keine sichere Sicht auf das klägerische Fahrzeug haben musste. Der Klägerin ist ein dementsprechender Nachweis nicht gelungen. Allerdings erläuterte der Sachverständigen nachvollziehbar und überzeugend, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges vor dem streitgegenständlichen Anfahren über den sogenannten „Frontspiegel“ das Heck des klägerischen Fahrzeugs hätte erkennen können.

b) In der streitgegenständlichen Verkehrssituation ist der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges aufgrund der Regelungen des §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO und unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Zwecks der EG-Richtlinie 2003/97/EG verpflichtet gewesen, den Frontspiegel vor dem Anfahren zu beachten und sich über diesen zu vergewissern, dass kein anderes Fahrzeug unmittelbar vor dem Beklagtenfahrzeug steht.

Auch wenn sich aus Artikel 3 der entsprechenden Richtlinie ergibt, dass diese insbesondere eine Verbesserung der Sicherheit von Fußgängern, Radfahrern und anderen schwächeren Verkehrsteilnehmern bezweckt, war vorliegend auch das klägerische Fahrzeug aufgrund der streitgegenständlichen Verkehrssituation in den Schutzbereich der Richtlinie miteinbezogen. Denn die Richtlinie fordert im Interesse einer höheren Verkehrssicherheit die verpflichtende Ausrüstung von Lastkraftwagen mit einem zusätzlichen Frontspiegel, damit vor dem Lastkraftwagen stehende und über die Frontscheibe nicht sichtbare andere Verkehrsteilnehmer zu sehen sind. Aus dem von der Richtlinie bezweckten Interesse der höheren Verkehrssicherheit folgt dabei, dass der zusätzlich angebrachte Frontspiegel jedenfalls in Verkehrssituationen, in denen damit zu rechnen ist, dass häufiger Fahrzeuge auf eine bevorrechtigte Straße ausfahren, zu beachten ist. Eine derartige von dem Schutzzweck der Richtlinie mitumfasste Verkehrssituation besteht beispielsweise bei Ausfahrten von größeren Firmengeländen, Gewerbebetrieben, Großmarkthallen, Einkaufszentren sowie Tankstellen.

Jedenfalls musste der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges angesichts dessen, dass er in einem Staugeschehen vor der Ausfahrt einer Tankstelle zum Stehen gekommen war, damit rechnen, dass andere Fahrzeuge unter Nichtbeachtung der Verpflichtungen aus § 10 StVO auch kleinere sich zum Ausfahren bietende Lücken zu nutzen versuchen und dabei vor dem Beklagtenfahrzeug zum Stehen kommen. Angesichts des gesetzgeberischen Zwecks der EG-Richtlinie 2003/97/EG war der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges somit zum Schutze des klägerischen Fahrzeuges verpflichtet, den Frontspiegel vor dem Anfahren zu beachten und sich über diesen zu vergewissern, dass kein anderes Fahrzeug unmittelbar vor dem Beklagtenfahrzeug steht. Wenn der Fahrer des Beklagtenfahrzeuges diese Verpflichtung jedoch beachtet hätte, dann hätte er gemäß den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen das klägerische Fahrzeug vor dem Anfahren gesehen, so dass er den streitgegenständlichen Unfall durch einen Blick in den Frontspiegel hätte verhindern können.

3. Vorliegend erachtet der Senat im Rahmen der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge die Verstöße der Klägerin gegen ihre Verpflichtung aus § 10 StVO und des Fahrers des Beklagtenfahrzeuges gegen seine Verpflichtungen aus §§ 1 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO als gleich schwerwiegend, so dass eine Haftungsverteilung zwischen den Parteien von 50 zu 50 sachgerecht und zutreffend ist.

4. Ausgehend von der seitens des Landgerichts zutreffend und damit rechtsfehlerfrei festgestellten Schadenshöhe von 4.808,21 € hat die Klägerin somit einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.404,10 €. Die von der Klägerin beanspruchten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren aus diesem Gegenstandswert zu berechnen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I 1 Fall 2 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht befasst sich mit den rechtlichen Regelungen und Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. Im vorliegenden Text geht es um einen Verkehrsunfall, bei dem die Verpflichtungen eines LKW-Fahrers zur Beachtung des Frontspiegels im Fokus stehen.
  2. Versicherungsrecht: Das Versicherungsrecht regelt die rechtlichen Aspekte von Versicherungsverträgen und die damit verbundenen Ansprüche und Pflichten der Versicherungsnehmer und -geber. In diesem Fall geht es um die Haftungsverteilung und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall.
  3. Straßenverkehrsordnung (StVO): Die Straßenverkehrsordnung ist das wichtigste Gesetz im deutschen Verkehrsrecht. Sie enthält die grundlegenden Verkehrsregeln und Verpflichtungen für alle Verkehrsteilnehmer. Im Text wird insbesondere auf § 10 StVO verwiesen, der die Pflichten beim Abbiegen und Wenden regelt, sowie auf § 1 Abs. 2 und § 11 Abs. 3 StVO, die allgemeine Verhaltenspflichten im Straßenverkehr festlegen.
  4. EG-Richtlinie 2003/97/EG: Diese Richtlinie der Europäischen Union dient der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr und legt unter anderem fest, dass Lastkraftwagen mit einem zusätzlichen Frontspiegel ausgestattet sein müssen, um andere Verkehrsteilnehmer zu sehen. Im vorliegenden Fall wird argumentiert, dass der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs gegen seine Verpflichtungen aus dieser Richtlinie verstoßen hat.
  5. Haftungsverteilung: Die Haftungsverteilung bezieht sich auf die Aufteilung der Verantwortung und des Schadensersatzes bei einem Unfall. Im vorliegenden Fall wird eine Haftungsverteilung von 50 zu 50 zwischen den Parteien als sachgerecht und zutreffend erachtet.
  6. Anscheinsbeweis: Der Anscheinsbeweis ist eine rechtliche Vermutung, dass sich ein bestimmtes Geschehen so abgespielt hat, wie es aufgrund bestimmter Tatsachen vermutet wird. Im Text wird erwähnt, dass gegen die Klägerin der Anscheinsbeweis des § 10 StVO spricht, was bedeutet, dass sie gegen ihre Pflichten beim Abbiegen und Wenden verstoßen haben soll.

 

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