OLG Hamm
Az.: 4 Ss OWi 443/04
Beschluss vom 14.07.2004
In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Brilon vom 4. Mai 2004 der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14.07.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie die Richter am Oberlandesgerichtnach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Brilon zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 87,50 € verhängt sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Den Urteilsfeststellungen zufolge soll der Betroffene – laut Bußgeldbescheid des Landrates des Hochsauerlandkreises vom 22. September 2003 – am Morgen des 5. Juni 2003 mit einem PKW des Fabrikats BMW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXX aus Olsberg-Mitte kommend in Richtung Brilon-Altenbüren gefahren sein. Er soll dabei die B 480 benutzt haben, auf welcher am Ortsausgang der Stadt Olsberg gemäß § 41 Abs. 2 StVO eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h ausgeschildert ist. Innerhalb dieser 50er-Zone, soll der Betroffene, der sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen hat, mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h gefahren sein. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Brilon erstrebt.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen, welche entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft keiner Zulassung bedarf (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG), hat auf die Sachrüge hin einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Das angefochtene Urteil entspricht in seiner Begründung nicht den Anforderungen, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Darstellung der Identifizierung des Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 41, 376) genügt in den Fällen der Identitätsfeststellung des Betroffenen anhand eines bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes eine gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG prozessordnungsgemäße Verweisung auf das bei den Akten befindliche Lichtbild, wenn das Foto so deutlich ist, dass es zur Identifizierung des Betroffenen uneingeschränkt geeignet ist. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungsmerkmale ist dann entbehrlich. Die Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG muss deutlich und zweifelsfrei sein, wobei es ausreicht, den Gesetzestext des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO zu verwenden (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 238, 239). Das Amtsgericht hat bezüglich der Identifizierung des Betroffenen anhand des Beweisfotos in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:
„Nach Überzeugung des Gerichts war der Betroffene der Fahrer des hier in Rede stehenden Fahrzeugs zum Tattage an der konkreten Örtlichkeit.
Anhand der vergrößerten Frontfotos, die das Gericht hat anfertigen lassen, ist der Betroffene zweifelsfrei zu identifizieren. Dies gilt für die Kinn-, Mund- und Nasenpartie des Betroffenen, die eindeutig zu erkennen ist und anhand der der Betroffene zweifelsfrei festzustellen ist. Auch für die Ohrpartie ist dies anzuführen. Der Stirn- und Haaransatz ist erkennbar. Auch dieser passt zu der Physiognomie des Betroffenen, selbst wenn die Stirnpartie und der Haaransatz nur eingeschränkt sichtbar sind. Bei alledem hat das Gericht keinen Zweifel, dass der Betroffene das Fahrzeug gefahren hat.“
Mit diesen Ausführungen wird das amtsgerichtliche Urteil den an eine ordnungsgemäße Verweisung zu stellenden Anforderungen nicht gerecht. Es ist nämlich nicht ausreichend, wenn das Urteil nur Ausführungen dazu enthält, dass das entsprechende Lichtbild in Augenschein genommen und mit dem in der Hauptverhandlung erschienenen Betroffenen verglichen worden sei. Mit diesen Ausführungen wird nämlich nur der Beweiserhebungsvorgang, aufgrund dessen der Tatrichter sich seine Überzeugung von der Identität des Betroffenen als Fahrer gebildet hat, beschrieben (OLG Brandenburg, DAR 1998, 112, 113). Entscheidend ist hingegen, dass das Lichtbild zum Inhalt der Urteilsurkunde gemacht worden ist. Dazu lässt sich jedoch aus der Mitteilung, dass das Gericht die Frontfotos hat vergrößern lassen, nichts entnehmen. Es wird in den Urteilsgründen nicht einmal mitgeteilt, dass eine Augenscheinsnahme in der Hauptverhandlung vorgenommen worden ist. Zwar muss eine Verweisung nicht durch ausdrückliche Benennung des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO oder dessen Wortlaut erfolgen, doch muss sich aus der Form der Verweisung ergeben, dass nicht nur der Beweisvorgang beschrieben werden soll, sondern durch die entsprechenden Ausführungen das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht werden soll (OLG Hamm, a.a.O., 239).
Soweit in den Urteilsgründen statt einer Bezugnahme ein Vergleich zwischen dem Betroffenen und dem Foto vorgenommen wird, sind Ausführungen zur Identifizierung und zur Bildqualität erforderlich (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 267 Rdnr. 10). Die Urteilsgründe müssen dann Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgelichtete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 47 a m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es enthält keinerlei Angaben zur Bildqualität des Beweisfotos. Die aufgeführten Identifizierungsmerkmale treffen auf eine Vielzahl von Personen zu und sind daher wenig aussagekräftig und letztlich nicht geeignet, dem Senat die Prüfung der fehlerfreien Identifizierung zu ermöglichen.
III.
Das Urteil ist wegen des aufgezeigten Mangels insgesamt aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Brilon zurückzuverweisen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf Folgendes hin: Die Urteilsgründe müssen so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen das Amtsgericht getroffen hat (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 42 m.w.N.). Dabei genügt es in aller Regel nicht, dass der Vorwurf des Bußgeldbescheides wiedergegeben wird mit der nachfolgenden Anmerkung, dass dieser Vorwurf nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet ist. Das Gericht hat vielmehr eigenständige Feststellungen zu treffen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 411 Rdnr. 10; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 42).
Sofern das Amtsgericht nach erneuter Hauptverhandlung gegen den Betroffenen wiederum ein Fahrverbot festsetzt, wird zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a StVG vorliegen.